Privatisierungen als Schlüssel zur Entwicklung Ekuadors?

Hintergründe und Auswirkungen einer Politik - Ein Bericht von Simone Burkhart

1. Einleitung

Eine Welle von Privatisierungen überzog Lateinamerika, aber auch Nordamerika, Europa und die Staaten des ehemaligen Ostblocks in den letzten Dekaden. Solche Privatisierungsprogramme waren Ausdruck einer allgemeinen Tendenz einer stärkeren Marktorientierung der Volkswirtschaften. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und dem damit verbundenen Scheitern der Idee der Planwirtschaft wurde das neoliberale Marktmodell auch als Strategie für Entwicklungsländer propagiert, welches Wachstum und Prosperität versprach - ein Entwicklungsmodell, das bis in die letzten Jahre unter Wissenschaftlern relativ unangefochten war.

Ekuador schloss sich der Tendenz einer stärkeren Betonung des Marktes vergleichsweise spät, nämlich erst Mitte der 90er Jahre an, mit umfangreichen Plänen zur Privatisierung von Staatsbetrieben, unter anderem in den Sektoren Telekommunikation, Elektrizität und Infrastruktur. Der Prozess der Privatisierung ist in Ekuador, wie in anderen Ländern, nicht unumstritten, sondern führte und führt zu heftigen ideologischen Debatten über die Rolle des Staates und die Fähigkeiten des Marktes. Befürworter versprechen sich eine Reihe von Privatisierungssegnungen - wie die Erhöhung der Effizienz ehemaliger Staatsbetriebe, Anziehung von ausländischen Investoren, eine günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, langfristige Entwicklungsperspektiven und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, um nur einige zu nennen. Im Vertrauen auf die Kräfte des Marktes fordern sie "einen aggressiven Privatisierungsplan, mit dem der Staat in kürzester Zeit seine Rolle als Produzent an den Privatsektor überführt".  Andere stehen diesen Visionen skeptisch gegenüber und weisen darauf hin, dass, was in der Theorie Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung verspricht, nicht ohne weiteres auf ein Entwicklungsland wie Ekuador angewandt werden kann. Zudem übt man heftige Kritik an der Art und Weise des Privatisierungsprozesses in Ekuador, die dazu dienen könnte, "eine Anleitung zu schreiben, die lehrt, wie man nicht privatisiert".  Im Folgenden sollen nach einem kurzen Abriss zur Geschichte und Wirtschaftsentwicklung Ekuadors die theoretischen Hintergründe dieser Debatte erörtert und am Beispiel des Prozesses der Privatisierung in Ekuador Vor- und Nachteile sowie die Konsequenzen der Privatisierungen für Ekuador beleuchtet werden.

2. Die Politische und Wirtschaftliche Entwicklung Ekuadors

Ekuador blickt auf Dekaden von politischer und wirtschaftlicher Instabilität zurück. Nach einer Militärdiktatur wurde das Land Ende der 70er Jahre in eine Demokratie überführt, aber bis heute wurden weder politische Stabilität noch wirtschaftliche Entwicklung erreicht. Wirtschaftlich ist Ekuador einseitig auf den Export von Erdöl, Bananen, Schrimps und Blumen sowie landwirtschaftliche Primärprodukte ausgerichtet. 18 %  der Gesamtexporte sind Erdöl, 25 % Bananen und 6 % Meeresfrüchte.  Allein der Erdölsektor erwirtschaftet 28 % der Staatseinnahmen. Damit ist das Land natürlich anfällig und verwundbar gegenüber Schwankungen der Weltmarktpreise. Eine hohe Auslandsverschuldung, Naturkatastrophen, ausufernde Korruption in Politik und Wirtschaft und fehlende Politikkonzepte verhinderten in den letzten Jahren die Entwicklung des Landes.

In den 70er Jahren bescherte die Entdeckung von Erdölvorkommen im Amazonasgebiet eine Periode des wirtschaftlichen Aufschwunges mit jährlichen Wachstumsraten von 9 %. Man verfolgte eine Politik der Industrialisierung durch Importsubstitution. Die Staatsausgaben stiegen stark an, eine Reihe von Staatsbetrieben wurde gegründet. Das dafür nötige Kapital wurde durch umfangreiche Kreditaufnahme im Ausland beschafft.

In den 80er Jahren wurde Ekuador - wie ganz Lateinamerika - durch die Schuldenkrise erfasst, die das Land in eine schwere Wirtschaftskrise stürzte, vergleichbar mit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahren in Europa und Nordamerika. Da Ekuador zu den am stärksten verschuldeten Ländern gehörte (und immer noch gehört), wurde das Land besonders schwer getroffen. Als ab 1986 die Ölpreise drastisch fielen sowie ein Erdbeben 1987 das Land heimsuchte und die einzige Ölpipeline zerstörte, verschärfte sich die Lage weiter.

Zwischen 1988 und 1992 versuchte man durch graduelle Reformen eine Stabilisierung der Wirtschaft zu erreichen. Der Staat begann sich aus der Wirtschaft zurückzuziehen und seine Ausgaben zu senken. Steigende Ölpreise entspannten die Lage ein wenig, und ein geringes Wirtschaftswachstum setzte ein. Die Inflation stieg jedoch und erreichte eine Rate von 60
% jährlich.

Der 1992 ins Amt gewählte Präsident Sixto Duran Ballen brachte einen umfangreichen Stabilisierungsplan mit Unterstützung des IWF auf den Weg. Neben makroökonomischen Stabilisierungsmaßnahmen sollte sich der Staat aus der Wirtschaftsaktivität zurückziehen und der private Sektor gestärkt werden. Eine Reihe von Gesetzesänderungen traten in Kraft, mit dem Ziel, den Finanz-, Energie-, Telekommunikations- und Agrarsektor zu reformieren, die Bürokratie abzubauen und die Staatsausgaben zu senken. Ekuador wurde Mitglied der WTO. 1995 brach ein Krieg als Folge eines lange schwelenden Grenzkonfliktes mit Peru aus. Nicht nur die Auswirkungen des Krieges und damit verbundene verstärkte Verteidigungsausgaben belasteten Ekuador, zusätzlich erschütterten Korruptionsskandale und eine schwere Bankenkrise das Land.

Der 1996 neugewählte Präsident Duran Bucaram, einst Kritiker von liberalen Reformen, versuchte, einmal ins Amt gewählt, ebenfalls liberale Reformen durchzusetzen. Seine politische Glaubwürdigkeit wurde durch Erpressungs- und Korruptionsskandale derart zerstört, dass Massendemonstrationen 1997 seinen Rücktritt erzwangen. Sein Nachfolger Fabian Alcarcon hatte mit einer neuen Ölpreiskrise und dem Klimaphänomen El Nino  zu kämpfen. Da schon 1998 Neuwahlen ausgeschrieben waren, blieb Alcarcon keine Zeit, ein langfristiges Wirtschaftsprogramm zu entwickeln. Jedoch begannen unter seiner Präsidentschaft Friedensverhandlungen mit Peru, die unter seinem Nachfolger Jamil Mahuad in einen Friedensvertrag mündeten.

1999 erschütterte eine der drastischsten Wirtschafts- und Finanzkrisen in der Geschichte Ekuadors das Land. Die Ursache hierfür bildeten fallende Ölpreise, die Finanzkrise in Asien und Brasilien sowie neuerliche Verwüstungen durch "El Nino" zusammen mit hausgemachten Problemen wie Handlungsunfähigkeit und Uneinigkeit über Wirtschaftsreformen auf politischer Ebene. Die Krise traf Ekuador so hart durch die katastrophale Handhabung der Finanzkrise, die ihren Anfang 1994 nahm und beispielhaft für mangelhafte Umsetzung von Reformen und schlechtes Krisenmanagement ist. Ab 1994 liberalisierte man umfassend das Bankenwesen, ohne dass eine funktionierende Bankenaufsicht geschaffen wurde. Die Banken vergaben in der Folgezeit unkontrolliert Kredite, häufig an Personen oder Unternehmen, die diesen Banken nahe standen. Als durch diese Praktik mehreren Banken die Zahlungsunfähigkeit drohte, erweiterte die Zentralbank ungesteuert die Geldmenge, um Kredite an die vom Bankrott bedrohten Geschäftsbanken zu vergeben. Da dadurch die Ursachen der Krise nicht behoben, sondern nur hinausgezögert und verschärft wurden, kam es im März 1999 zur akuten Krise. Die Bankguthaben wurden eingefroren, was einer faktischen Enteignung der Sparer gleichkam, während die Kreditvergabe fortgesetzt wurde. Zur Kapitalisierung der Banken wurde eine Summe von 6 Mrd. US$ zur Verfügung gestellt (über die Hälfte durch die Einfrierung der Bankkonten und damit zu Lasten der Sparer). Die damit verbundene Emission trieb die Inflation auf 52 % und entwertete den Sucre, die damalige nationale Währung, drastisch. Die ökonomischen und sozialen Folgen zeigten sich in einem Negativwachstum von 7,3 %, der Verarmung weiter Bevölkerungsschichten, während die Einkommenskonzentration auf die oberen sozialen Schichten zunahm.

Pläne des Präsidenten, das Land zu dollarisieren, und umstrittene Preiserhöhungen im öffentlichen Transportwesen sowie für Haushaltsgas führten zu einem Aufstand der Indígina-Bewegung  im Januar 2000. Der weitgehend friedliche Protest, begleitet von Straßensperren und politischen Turbulenzen, mündete schließlich im Sturz des Präsidenten, der Rücknahme einiger Preiserhöhungen und in der Verpflichtung der Regierung, mit der Indígina-Bewegung in einen Dialog über strittige Fragen einzutreten.  Vizepräsident Gustavo Noboa, der die Präsidentschaft übernahm, verfolgte die Dollarisierungspläne seines Vorgängers weiter, und so wurde gegen den vehementen Widerstand der Bevölkerung der Dollar als neues offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Die ökonomischen Parameter für 2001 zeigen eine Stabilisierung und leichte Erholung der ecuadorianischen Wirtschaft auf geringem Niveau. Stabilisierend wirkt vor allem der Abschluss der Verhandlungen mit einem internationalen Konsortium im Februar 2001 zum Bau einer neuen Ölpipeline im Amazonasgebiet. Das Konsortium kündigte ein Investitionsvolumen von 1,1 Milliarden US$ über einem Zeitraum von zwei Jahren an. Von zusätzliche Investitionen verspricht man sich ein Gesamtinvestitionsvolumen von 2 Milliarden US$, was etwa 13 % des BIP entspricht.  Für die nahe Zukunft stehen schwierige Verhandlungen mit dem IWF zur Stabilisierung und Schuldentilgung bevor. Geforderte Reformen scheinen politisch schwer durchsetzbar und sozial höchst problematisch.

3. Hintergrund der Privatisierung: Neoliberale Entwicklungstheorie und die "Washington Consensus"

Die Reformempfehlungen für Entwicklungs- und Transformationsländer der letzten Dekade werden oft unter dem Schlagwort "Washington Consensus" zusammengefasst. Der Ökonom John Williamson prägte den Begriff im Jahre 1990. Unter den "Washington Consensus" fasst man 10 Politikempfehlungen für marktorientierte Wirtschaftsreformen,  die primär auf Liberalisierungen in Handel und Wirtschaft und auf eine Verkleinerung des Staates fokussieren. Eine Ideologisierung des Begriffs setzte ein, die selbst von Williamson (1999) als Marktfundamentalismus der Methode "let's bash the state, the markets will resolve everything", verurteilt wird. Jedoch war es genau diese Interpretation, die als Ausgangspunkt für die Reformprogramme mit Unterstützung des IWF in Lateinamerika und Osteuropa zu Beginn der 90er Jahre galt. Besonderes Augenmerk der Reformer richtete sich auf Privatisierung, Deregulierung und Handelsliberalisierung. Schon 1994 wurde der Mangel dieser Reformpakete deutlich, als sich in vielen Reformstaaten Lateinamerikas und Osteuropas nicht der erhoffte und prognostizierte Erfolg einstellte. Die Asienkrise Ende der 90er Jahre brachte die Reformkonzepte aufs Neue in Misskredit. Während Vertreter der starren marktorientierten Version eine halbherzige und unzureichende Implementierung der Reformen für dessen Scheitern verantwortlich machen, machten mehr und mehr Wissenschaftler die Schwäche und Vernachlässigung von Institutionen als Hauptgrund für die unbefriedigenden Resultate aus. Es fehle an funktionierenden Marktkontrollmechanismen, angefangen von einer Monopolkontrolle über ausreichende Kontrolle der Finanzmärkte bis hin zu einem funktionierenden Steuer- und Rechtssystem, ganz zu schweigen von sozialen Leistungen für die Bevölkerung. Moises Naim (2000) stellt hierzu fest: "It became apparent that stronger, more effective institutions were urgently needed to complement macroeconomic policy changes". Wieder andere Wissenschaftler fordern ein generelles Überdenken der neoliberalen Konzepte, da sich diese als unbrauchbar herausgestellt hätten, die Entwicklung in Staaten der Dritten Welt oder Transformationsstaaten des Ostblocks nachhaltig und erfolgreich voranzutreiben.

4. Privatisierung in Ecuador

4.1. Zeitlicher Abriss und aktuelle Situation des Privatisierungsprozesses
Unter Privatisierung versteht man im Allgemeinen die Transformation von Eigentum des Staates oder von staatlicher Kontrolle über den Öffentlichen Sektor (Bereiche wie Telekommunikation, Infrastruktur, Abbau von Rohstoffen etc.) in den Bereich des Privatsektors. In Anbetracht der Tatsache, dass Ekuador vergleichsweise spät ein Privatisierungsprogramm auf den Weg brachte, wird es oft als "Nachzügler" bezeichnet .

Als "Pionier" der Privatisierung wird häufig Chile zitiert, das schon 1973 mit einer großen Privatisierungswelle begann, also noch vor den neoliberalen Reformen in Großbritannien unter Thatcher und in den USA unter Reagan. In Lateinamerika folgten Venezuela (1981), Mexiko (1983), Jamaika (1985), Costa Rica, Kolumbien (1986), Peru, Bolivien, Brasilien (1988), Argentinien (1989) und Paraguay (1990).

In Ekuador begannen unter der Regierung von Präsident Sixto Duran Ballen (1992-96) Bestrebungen des Staates, den Anteil des öffentlichen Sektors in der Wirtschaft zu verringern. Das "Gesetz zur Modernisierung des Staates"  bildete dafür die gesetzliche Grundlage. Er  wurde im Dezember 1993 durch den Nationalkongress verabschiedet. Zwei Hauptziele sind in diesem Gesetz verankert: Erstens, die Restrukturierung der Verwaltung des Staates durch eine effizientere, rationalere und dezentrale Verwaltung. Zweitens, die Privatisierung von ineffizienten Staatsbetrieben. Im 5. Kapitel des Gesetzes  heißt es, dass in den Sektoren Trinkwasserversorgung, Bewässerung, Sanierung, Stromversorgung, Telekommunikation, Straßenbau, Häfen, Flughäfen, Schienennetz, Postdienste und ähnlichen Bereichen private und gemischte Unternehmen die Bereitstellung von Dienstleistungen übernehmen können. Die Ausbeutung nicht erneuerbarer Ressourcen bleibt dem Staat vorbehalten, und diese Ressourcen sind Staatseigentum. Der Staat kann die Ausbeutung dieser Ressourcen an staatliche, private oder gemischte Unternehmen delegieren. Weiterhin sieht das Gesetz zur Modernisierung des Staates die Schaffung der staatlichen Modernisierungsbehörde CONAM  vor, deren Aufgabe die administrative Überwachung, Koordinierung und Durchführung des Gesetzes ist. Damit unterliegt CONAM auch die Durchführung der Privatisierung von Staatsbetrieben.

Als erster großer Staatbetrieb wurde das Zementwerk "Cemento Nacional" 1993 privatisiert. 1994 wurden zwei private Telefondienstleister (Bellsouth und CONECEL) zugelassen. 1996 erfolgte die Privatisierung von "Ecuatoriana de Aviacion", der nationalen Fluggesellschaft. Insgesamt übertrug der Staat zwischen 1992 bis 1995 einen Teil der Aktien von 14 Unternehmen mit staatlicher Beteiligung an den Privatsektor. J. Mahuad versuchte während seiner Präsidentschaft von 1998 - 2000, einen schnellen Plan mit umfassenden Privatisierungen durchzusetzen. Dieses Vorhaben scheiterte weitgehend an der Implementierung von notwendigen Strukturreformen und am Widerstand im Kongress. Spätestens mit dem Einsetzen der schweren Wirtschaftskrise 1999 wurden einige Privatisierungsvorhaben wieder auf Eis gelegt.

Nach dem Reformprogramm von 1993 verabschiedete die Noboa-Regierung am 13. März 2000 ein neues Reformprogramm zur Überwindung der Wirtschaftskrise, das "fundamentale Gesetz zur Wirtschaftstransformation in Ekuador".  Kern des Gesetzes bilden die Dollarisierung des Landes, weitreichende Strukturreformen im Arbeitmarkt und im Erdölsektor (Privatunternehmen ist es gestattet, Öl und Gas zu fördern sowie Pipelines zu bauen) sowie neuerliche Privatisierungen. Schwerpunkte der aus dem Gesetz folgenden Privatisierungen sind die Bereiche Telekommunikation (Andinatel und Pacifictel), Elektrizität (INECEL) und die Häfen Esmeraldas und Puerto Bolivar, welche gegen Ende dieses Jahres in private Hand überführt werden sollen, sowie der Hafen von Guayaquil zu Beginn des nächsten Jahres.

Beispiele für die "Stop-and-go"-Politik der Privatisierung in den letzen Jahren finden sich im Telekommunikations- und Elektrizitätsbereich. 1995 wurde ein Gesetz zur Telefonprivatisierung verabschiedet, welches vorsah, 35 % der Aktien des staatlichen Kommunikationsunternehmens "EMETEL"  für 800 Mio. US$ zu verkaufen. EMETEL wurde in zwei Unternehmen aufgespaltet: Andinatel und Pacifictel die jeweils unterschiedliche Regionen versorgen. Diese Aktien wurden in einen Solidaritätsfond unter staatlicher Kontrolle überführt. Der Verkauf der Aktien beider Unternehmen an private Hand scheiterte zweimal: im November 1997 und im April 1998 am Widerstand im Kongress. Nachdem einige neue Privatisierungsvorschläge diskutiert wurden (zum Beispiel der Verkauf von 51 % statt 31 % der Aktien), erklärte die Regierung im Januar 2001, dass die Pläne für eine sofortige Privatisierung aufgegeben werden und stattdessen ein internationaler Investor gesucht werden soll. Von einer Privatisierung verspricht man sich eine Verbesserung dieser weitgehend unterentwickelten Dienstleistung: nur 6 von 100 Personen besitzen im Moment einen Telefonanschluss, wobei die Telefonleitungen auf die zwei größten Städte des Landes konzentriert sind.

1996 verabschiedete der Kongress ein Gesetz zur Privatisierung des Elektrizitätssektors. Seitdem gibt es einige kleine private Wasserkraftwerke und einen privaten Anbieter in Guayaquil, Ekuadors größter Stadt. Die Energieversorgung wird jedoch weitgehend von dem Staatsunternehmen INECEL sichergestellt. Zunächst war geplant, die Privatisierung von INECEL 1998 abzuschließen, was scheiterte. Ein neuer Anlauf soll im September diesen Jahres unternommen werden. 51 % der Aktien von INECEL sollen am 28. September versteigert werden. Doch beschert das Privatisierungsvorhaben einigen öffentlichen Disput. Der Vorwurf der Privatisierungsgegner: Unternehmen seien nur an Gewinnen interessiert, nicht an einer Versorgung der Bevölkerung. Die Erfahrung zeige, dass alles was privatisiert wurde, eine schlechtere und teurere Versorgung nach sich zöge. Man fürchtet weiterhin Arbeitslosigkeit und Preiserhöhungen. Der Tenor lautet: Wasser und Licht sind zu wichtige Bereiche für die Bevölkerung, als dass sie privatisiert werden sollten. Schätzungen über den Wert des Unternehmens INECEL belaufen sich auf 7 Milliarden US$, während die Regierung lediglich einen Preis von 1,206 Milliarden US$ festgesetzt hat.

Oft wurde der zögerliche Prozess der Privatisierung im Vergleich zu anderen Ländern kritisiert: Zwischen 1994 und 1996 erreichten die Privatisierungen einen Umfang von 147 Millionen US$. Damit liegt Ekuador am untersten Ende der Skala im regionalen Vergleich. Im selben Zeitraum privatisierten zum Beispiel Peru oder Venezuela Staatsunternehmen in Wert von 5,98 Milliarden US$ bzw. 2,13 Milliarden US$. Andererseits gab es in Ekuador nie Staatsunternehmen im großen Stil. 1991 existierten 72 Staatsunternehmen mit einem Staatsanteil von 100 %, 42 gemischte Unternehmen mit einem Staatsanteil von über 50% und 53 Unternehmen mit einem Staatsanteil von unter 50 %. Insgesamt gab es also nur 167 Unternehmen, die für eine Privatisierung in Frage kamen.  Vergleicht man diese Zahlen mit Chile, wo allein in der ersten Privatisierungswelle (zwischen 1973 und 1978) 259 Unternehmen und 103 Gesellschaften mit Staatsbeteiligung privatisiert wurden, oder mit Mexiko, wo es über 1.200 Staatsunternehmen gab, werden die unterschiedlichen Ausmaße deutlich.

4.2. Nutzen der Privatisierung
Wie schon erwähnt fußt die umfassende Privatisierungswelle in den Entwicklungsländern der 90er Jahre zumeist auf dem neoliberalen Entwicklungsmodell. So auch in Ekuador, wo sowohl die Reformpakete von 1993 als auch von 2001 mit Unterstützung des IWF ausgearbeitet wurden. Die grundlegende Ideologie hinter diesen Maßnahmen ist eine drastische Reduzierung der Rolle des Staates, zurückzuführen auf eine generelle Skepsis gegenüber der Institution Staat: "Am Ende diesen Jahrhunderts haben in Lateinamerika wenige Institutionen ein geringeres Prestige als der Staat. Die generelle Wahrnehmung generalisiert, dass der Staat zu inkompetent, korrupt und unbeweglich aufgrund seiner politischen Restriktionen ist, als dass er ein Instrument sei, dem man vertrauen kann, um Kollektivziele zu erreichen." (Moises Naim, ehemaliger venezolanischer Minister)

Der Staat, so die Annahme, hat krankhafte Ausmaße erreicht, hemmt durch seine Beteiligung im Wirtschaftssektor die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, indem er Privatinitiative unterdrückt und ineffiziente Staatsunternehmen den Haushalt belasten und das Problem der Verschuldung verschlimmern. Als Ausweg aus der Krise des Staates und der Wirtschaft schlägt das neoliberale Entwicklungsmodell den Weg einer drastischen Reduzierung des Staates vor. Der optimale Staat sei ein kleiner Staat, der sich darauf konzentriert, die innere und äußere Sicherheit zu garantieren und Basisdienstleistungen wie Bildung oder Gesundheit bereitzustellen. Ansonsten solle sich der Staat jedoch aus dem Wirtschaftsgeschehen zurückziehen und durch die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens die Einhaltung der Wirtschaftsordnung überwachen.

4.2.1. Effizienzsteigerung, verringerte Korruption
Der Ausgangspunkt des Privatisierungsgedankens ist, dass der Staat nicht zu einer effizienten Nutzung von knappen Ressourcen fähig sei. Staatsunternehmen operieren in einem Umfeld der Sicherheit, sind häufig Staatsmonopole und haben keine Anreize, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal zu nutzen. Nur der Markt könne die notwendigen Anreizstrukturen zur Effizienzsteigerung schaffen. Dies wiederum diene der Allgemeinheit, denn der Staatshaushalt wird von Ausgaben für ineffiziente Unternehmen und Subventionen befreit, und kann frei werdende Ressourcen für Zwecke wie Bildung oder Armutsbekämpfung ausgeben. Werden staatliche Monopole zerschlagen und ein freier Wettbewerb des Marktes geschaffen, so führe das nicht nur zu einer besseren Ressourcenallokation, sondern auch zu einer erhöhten Produktion, einer besseren Anpassung der Produktion an die Bedürfnisse der Kunden und verbilligten Preisen zum Wohle der Konsumenten. Da die Unternehmen nach einer Privatisierung nationaler und internationaler Konkurrenz ausgesetzt sind, verstärke sich zudem die (langfristige) Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Weiterhin würde der Staat von Korruptionspotential befreit. Ein kleiner Staat sei besser kontrollierbar und Korruption leichter zu ahnden. Zudem lösen sich die Verflechtungen zwischen Staat und Politik, die in der Vergangenheit immer wieder von Korruption betroffen war. Fallen Subventionen weg, so wird auch ein weiterer Herd ständiger Korruption und Unterschlagung ausgelöscht. Drastisch subventioniert war zum Beispiel Haushaltsgas, der wichtigste Energieträger vor allem für Haushalte der unteren Einkommensschichten. 1998 lag der Gaspreis um das 10fache niedriger als in den Nachbarländern Peru und Kolumbien, was den Schmuggel blühen und damit Geld des Staates versickern ließ.

4.2.2. Haushaltsentlastung
Eine durch Privatisierung hervorgerufene und begleitende Rationalisierung und Reduzierung der öffentlichen Ausgaben könne dazu beitragen, das Haushaltsdefizit zu verringern. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass der Staat unproduktiven Unternehmen keine Geldmittel mehr gewähren muss, also von der Last der Subventionen befreit wird. Weiterhin kann der Staat mit Steuereinnahmen sowie mit (einmaligen) Privatisierungserlösen rechnen, und damit seinen Haushalt sanieren. Ironischerweise wies der Haushalt Ecuadors ab 1989 einen Überschuss auf (1992 3% des BIP, 1993 2% des BIP), rutschte aber nach der Auflage des Privatisierungsprogramms ins Defizit (0,9% des BIP im Jahre 1995 und 3,0% 1997).

4.2.3. Abbau der Auslandsverschuldung
Ein weiteres drückendes Problem könne mit Privatisierungen zumindest teilweise gelöst werden: die enorme Schuldenlast der meisten Länder Süd- und Lateinamerikas. Ekuador gehört zu den am stärksten verschuldeten Ländern der Region. Seit 1980 erhöhte sich die Auslandsverschuldung Ekuadors von 3,53 auf 13,75 Mrd. US$ im Jahre 1999. Damit ist die Auslandsverschuldung etwa genau so hoch wie das gesamte BIP Ekuadors, was 1999 13,77 Mrd. US$ betrug. Die Gesamtverschuldung (interne und externe Verschuldung) lag 1999 bei 18,95 Mrd. US$. 40 % des Staatshaushaltes werden zur Schuldentilgung verwendet, während 30 % der Staatseinnahmen auf Neuverschuldung zurückgehen. Erlöse aus den Privatisierungseinnahmen könnten zum Teil zur Schuldentilgung verwendet werden.

4.2.4. Modernisierung durch Privatisierung?
Neben der immensen Armut ist Unterentwicklung von Schlüsselsektoren wie Versorgung der Bevölkerung mit Elektrizität, Trinkwasser, ausreichende Infrastruktur in den Bereichen Straßenbau, Telekommunikation, Gesundheitswesen u.a. das schwierigste Problem Ekuadors auf dem Weg zu einem "modernen Staat". Einige Zahlen sollen die Ausmaße der notwendigen Modernisierungsanstrengungen verdeutlichen: 42 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 60 % entbehren einen Zugang zu Abwassersystemen. 56 % sind an keine Müllbeseitigung angeschlossen, 20 % müssen ohne Elektrizität auskommen. In ländlichen Gebieten sind diese Zahlen weit alarmierender: 70 % (Trinkwasser), 91 % (Abwasser), 92 % (Müllbeseitigung), 46% (Elektrizität) haben hier keinen Zugang zu der genannten Infrastruktur. Nur 18 % der Gesamtbevölkerung und 4 % der Landbevölkerung besitzen einen Telefonanschluß. Die Elektrizitätsversorgung litt in den letzten Jahren wiederholt an Engpässen. Bereiche der Verkehrs-, Schiffs- und Fluginfrastruktur bedürfen einer dringenden Modernisierung.

Die Handelskammer Quito erarbeitete 1998 eine Studie, die die Investitionsdefizite in der Infrastruktur des Landes in den Sektoren Wasser-, Abwasser- und Gesundheitsversorgung, Telekommunikation, Elektrizität, Verkehrs-, Schiffsverkehr und Flugwesen sowie im sozialen Sektor auflistet und mögliche Finanzierungsmöglichkeiten aufzeigt. Die Berechnung ergab ein notwendiges Investitionsvolumen von der astronomischen Summe von 22,41 Mrd. US$, was mehr als das Anderthalbfache des BIP des Jahres 2000 darstellt und höher als die gesamte Verschuldung des Staates ist. Für die Finanzierung notwendiger Investitionen sei eine weitere Verschuldung des Staates oder eine Involvierung des Staates ausgeschlossen, eine Finanzierung durch interne Ersparnisse steht aufgrund der geringen internen Sparquote Ekuadors ebenfalls nicht zur Diskussion. Als einzig möglicher Ausweg den Investitionsbedarf zu decken, empfiehlt man die Anlockung ausländischer Direktinvestitionen (ADI) durch umfassende Privatisierungsmaßnahmen und/ oder Konzessionen. Wenn ausländischen Firmen die Möglichkeit gegeben wird, ehemalige Staatsbetriebe zu erwerben, können diese mit Hilfe ihrer oftmals bedeutend höheren Kapitalressourcen das Unternehmen sanieren sowie mit umfangreichen Neuinvestitionen die Versorgungsleistung/ Produktion erhöhen und qualitativ verbessern. Somit könnten ADI durch Technologietransfers zum Motor der Entwicklung eines Landes werden, vorausgesetzt ein Land lässt seine Schranken für ausländische Investitionen fallen. Eine Liberalisierung in diesem Sinne erfolgte in Ecuador durch Gesetzesänderungen, die ausländischen Investoren dieselben Rechte sichern wie nationalen Investoren, schon zwischen 1991 und 1993. Einige noch bestehende Restriktionen (für nationale wie internationale Investoren) bestehen noch für den Erdölsektor, Bergbau, Elektrizität, Telekommunikation und die Fischereiwirtschaft .

4.2.5. Privatisierung und Beschäftigung
Neben Arbeitslosigkeit ist Unterbeschäftigung  in Ecuador weit verbreitet. 9% der arbeitswilligen Bevölkerung war im Jahre 2000 arbeitslos, über 65,9 % unterbeschäftigt. Nur 25,1 % hatten einen regulären Arbeitsvertrag, der Zugang zu Sozialversicherungsleistungen gewährt. Die Situation verschärfte sich in den letzten Jahren mit dem Abbau von Kündigungsschutz, Beschneidung von Gewerkschaftsrechten und der Wirtschaftskrise. Die neoliberale Theorie geht davon aus, dass in Staatsunternehmen normalerweise Überbeschäftigung herrscht, die im Falle einer Privatisierung abgebaut wird. Langfristig werde sich jedoch durch erhöhte Effizienz eine verstärkte Expansion der Unternehmen einstellen. Zudem werden in Wettbewerbsmärkten neue Unternehmen des gleichen Sektors gegründet. Diese zwei Faktoren sollten langfristig zu einer verstärkten Nachfrage nach Arbeit und somit zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit führen.

4.3. Kritik an der Privatisierungsstrategie anhand der Erfahrungen Ekuadors
Auch bei neoliberalen Reformanhängern setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass ein allein auf den Markt orientiertes Reformkonzept nicht den entsprechenden Erfolg bringen kann. Ohne einen funktionierenden Staat, der durch Institutionen Monopole kontrolliert oder zerschlägt, die Sicherstellung eines funktionierenden Rechtssystems den Markt reguliert und bei Marktversagen einschreitet, greifen Reformen zu kurz. Während also eine Trendwende hin zu einer stärkeren Berücksichtigung auf Institutionen in der neoliberalen Theorie zu erkennen ist (obwohl Rezepte für eine erfolgreiche institutionelle Reform weiterhin fehlen), bleibt die Rolle des Staates weiterhin einer der Kritikansätze für die meisten Kritiker des Neoliberalismus. Für diese ist es fatal, den Staat als Antagonisten zur Wirtschaft zu sehen, vielmehr solle der Staat eine aktivere Rolle in der Entwicklung des Landes übernehmen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Staatsquote  der meisten Entwicklungsländer weit unter dem Niveau der Industrieländer liegt, halten sie die Behauptung, der Staat sei zu aufgebläht und zu stark in die Wirtschaft involviert, für eine gefährliche Fehleinschätzung. Nach Angaben der Weltbank lag die Staatsquote Ecuadors 1997 bei nur 12,4 % des BIP im Vergleich dazu sind in den Industrieländer Westeuropas Quoten zwischen 40 und 54 % zu finden, in den USA liegt die Staatsquote mit 30 % niedriger, jedoch immer noch bedeutend höher als in den meisten Ländern Lateinamerikas . Nicht der Staatsumfang sei von entscheidender Bedeutung, es komme vielmehr auf die Qualität des Staates an. In einem Staat, in dem es keine effektive Markt- und Monopolkontrolle gibt, in dem das Gerichtswesen nur leidlich funktioniert, in dem durch laxe Bankenaufsicht die Finanzmärkte nicht ausreichend abgesichert sind, in dem Korruption grassiert, könnten keine Reformen greifen. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Beteiligung und Absicherung der unteren Bevölkerungsschichten. Die wenigsten Reformprogramme Lateinamerikas enthielten wirksame Konzepte für die Absicherung der Bevölkerung vor den Reformfolgen, wie Arbeitslosigkeit, Preissteigerungen für Basisprodukte und Armut. Häufig wurde allein eine makropolitische Stabilisierung verfolgt, der Aufbau eines funktionierenden sozialen Netzes jedoch wurde nicht angegangen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ein Großteil der Bevölkerung Ekuadors den Reformkonzepten der Regierung skeptisch gegenüberstand und immer wieder durch Massenproteste versuchte und versucht, diese zu Fall zu bringen.

Das alleinige Vertrauen auf den Markt scheint in der Wissenschaft zunehmend weniger Anhänger zu finden. Wie Rodik (2000) feststellt: "So we enter the 21 century with a better understanding of the complementary between markets and the state a greater appreciation of the virtues of the mixed economy. That is the good news. The bad news is that the operational implications of this for the design of development strategy are not that clear." Und weiter: "Every well-functioning market economy is a mix of state and market, laissez faire and intervention."

Im Weiteren soll die Praxis der Privatisierungen in Ekuador näher beleuchtet werden, ihre Ergebnisse analysiert und nach Gründen für ihre oft nicht optimalen Ergebnisse gesucht werden. Dazu werden die im letzten Kapitel erwähnten Vorteile aufgegriffen und auf ihre Tauglichkeit in der Praxis überprüft.

4.3.1. Kluft zwischen Theorie und Praxis?
Offen, transparent und nachvollziehbar sollte der Prozess der Privatisierung nach Vorgaben des Gesetzes zur Modernisierung des Staates ablaufen. Überstürzt und unausgegoren sei er in der Praxis gewesen, so die Kritiker. Anstatt Korruption zu bekämpfen, hätten sich Korruption und Vetternwirtschaft noch verschärft. Der Prozess der Privatisierung von „Cemento Nacional“, dem staatlichen Zementunternehmen, war beispielsweise von Skandalen begleitet: Eine niedrige und subjektive Werteinschätzung sei dem Verkauf vorangegangen. Die Benachrichtigung potentieller Interessenten und die Information der Bevölkerung seien mangelhaft verlaufen, so die Kritiker. Außerdem lag der tatsächlich gezahlte Kaufpreis unter dem ursprünglich ausgehandelten. Nach der Privatisierung war die Zementproduktion praktisch in privater Monopolhand, verhinderte die Gründung von Konkurrenzunternehmen und ließ die Preise für Zement und Folgeprodukte ansteigen. Nicht viel glücklicher sehen die Resultate der Privatisierung der staatlichen Fluglinie Ecuatoriana aus: seit ihrem Verkauf verlor sie Prestige, Passagiere und Flugrouten.

4.3.2. Privatisierung und verbesserter Effizienz
Während man theoretisch die Effizienzsteigerung durch Privatisierungen belegen kann, ist sie in der Realität nicht immer anzutreffen. Entwicklungsländer wie Ekuador sind in den seltensten Fällen durch ein System funktionierender Märkte gekennzeichnet. In Ekuador überwiegen stattdessen Monopol- und Oligopolstrukturen: "In der Landwirtschaft, in der Industrie, dem Servicesektor und den Banken gibt es eine minimierte Anzahl von Unternehmen, die den Sektor kontrollieren. Diese Unternehmen unterhalten Wirtschafts- sogar Familienbeziehungen und bilden Monopolgruppen. In all diesen Gruppen sind Banken eingegliedert und umschließen die Gesamtheit der Sektoren - Industrie, Services, Agrarindustrie, Kommunikation - und treten in diesem Sinne wie Finanzgruppen auf." (Fundacion Jose Peralta: 1999 S. 237)

Monopolgruppen haben in den letzten Jahren eine ständig steigende Akkumulation von Kapital und Reichtum auf sich vereint. Die größte und einflussreichste Monopolgruppe ist nach dem Gründer des Imperiums Luis Noboa als NOBOA Gruppe bekannt, die ihre rasante Entwicklung dem Aufschwung des von ihr kontrollierten Bananenexportes verdankt. Nach dem Tod von Luis Noboa wurde sein Vermögen auf drei Teile innerhalb seiner Familie aufgeteilt. Das Vermögen der Gruppe wurde 1997 auf 1,200 Mrd. Dollar geschätzt, was 5 % des BIP Ekuadors entspricht. Insgesamt gehören über 100 Unternehmen dieser Gruppe an, die 20.000 Menschen beschäftigt. Die "Fundacion Jose Peralta" (1999) listet weitere 13 Wirtschafts- und Finanzimperien auf. Im Jahre 1996 vereinigten sechs Monopolgruppen 62 % der Exportdevisen auf sich. Diese Gruppen sind nicht nur in sich selbst verbunden, sondern pflegen auch politische Verknüpfungen. Alvaro Noboa, einer der Erben des NOBOA Vermögens und reichster Mann Ekuadors war 1998 Präsidentschaftskandidat, und unterlag nur knapp seinem Herausforderer. Er gilt als möglicher Kandidat für die bevorstehenden Wahlen 2002 und war und ist stark in die Politik der größten Stadt Ekuadors, Guayaquil, und der Küstenregion involviert.

Man kann also in Ekuador nicht von einem ausgeglichenen Wettbewerbsmarkt sprechen, vielmehr ist der Markt von Monopol- und Oligopolstrukturen geprägt. Eine finanzstarke Mittelschicht, die als Konkurrent im Markt auftreten kann, existiert in Ekuador nicht. Somit bestand die Gefahr, dass ehemalige Staatsmonopole direkt in Privatmonopole überführt wurden. Diese Gefahr wurde vor allem dadurch verstärkt, dass eine Privatisierungsstrategie eingeschlagen wurde, die diesen Prozess förderte: Anstatt Aktien von Staatsunternehmen an breite Bevölkerungsschichten zu verkaufen, wurden die Aktienpakete an ein einziges Unternehmen verkauft oder an eine Gruppe von Anbietern. Innerhalb dieses Schemas, so der Vorwurf von Gruzman (1998: S. 201), wurden Güter des Staates von enormem Wert zu Gunsten wirtschaftlich konzentrierter Gruppen verkauft. Damit wurde aber die starke Marktverzerrung, die in Ekuador herrscht, nur noch weiter verschärft, zu Lasten von kleineren und mittleren Unternehmen. Selbst wenn man den Wettbewerb gefördert und es eine funktionierende Monopolkontrolle gegeben hätte, bleibt die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Elektrizität oder Abwasserversorgung ein Sonderfall. Diese Dienstleistungen sind fast ausnahmslos natürliche Monopole.

Damit regelt der Markt die Bereitstellung dieser Güter nur unvollkommen, man benötigt eine angemessene Regelung und Kontrolle durch den Staat. Monopolstrukturen sind der wirtschaftlichen Theorie nach niemals effizient. Sie nutzen ihre Monopolstellung aus, um Gewinne abzuschöpfen. Deswegen führte eine Privatisierung der Art Ekuadors nicht zum Nutzen der Konsumenten, sondern im Gegenteil zu ihrem Schaden, indem die Preise für Güter und Dienstleistungen nicht fielen, sondern stiegen. Ein Staatsunternehmen, so die Gegner der Privatisierung, hat als primären Fokus nicht das Gewinnstreben, sondern die Sicherstellung der Versorgung. Aus diesem Grunde sei es besser, bei berechtigten Befürchtungen vor Marktversagen, der Existenz von Monopolstrukturen oder natürlichen Monopolen, fehlendem Wettbewerb oder extrem ungleich verteiltem Einkommen, Staatsunternehmen nicht in private Hand zu überführen.

Weiterhin bezweifeln Gegner eines Marktfundamentalismus das Dogma, ein Staatsunternehmen sei praktisch von sich aus immer ineffizient, wohingegen der Markt Effizienz schaffe. Empirisch, so Alberto Acosta (1998: 108) sei es nur schwer nachprüfbar, dass Staatsunternehmen ineffizienter operieren als Privatunternehmen. Um diese These zu prüfen, sei es notwendig, Märkte derselben Struktur miteinander zu vergleichen. Kurz: Was für Wettbewerbsmärkte mit funktionierender Monopolkontrolle gilt, ist nicht ohne weiteres auf einen Markt wie den Ekuadors zu übertragen, der über eine starke Marktkonzentration verfügt. Die meisten Studien belegen, dass die Effizienz eines Privatunternehmens eine Funktion des Wettbewerb ist: Je höher der Wettbewerb, desto effizienter arbeiten private Unternehmen. In diesen Fällen sind sie Staatsunternehmen vorzuziehen.  Aber Wettbewerb allein schafft noch keine Effizienz. Ein effizientes Unternehmen benötigt eine funktionierende und ressourcenschonende Verwaltung und Unternehmensführung. Den meisten Unternehmen in Ekuador fehlt es jedoch an administrativem und technologischem Know-how für eine effiziente Verwaltung. Für die meisten Unternehmen ist es einträglicher, die Protektion durch den Staat zu suchen. Steuervergünstigungen oder Subventionen sind ein Weg hierzu. Im Umfeld der weitverbreiteten Korruption in Wirtschaft und Staat sind die Chancen zum Erfolg dafür durchaus gegeben. Modernisierung und damit einhergehende Effizienzsteigerung setzt einen Wechsel der Mentalität hin zu der Betonung von Eigenverantwortung und Eigeninitiative, ein ausreichendes Bildungsniveau der Bevölkerung, wirksame Korruptionsbekämpfung und funktionierende Märkte voraus, etwas - so viele Kritiker - was nicht von heute auf morgen durch ein Privatisierungsprogramm geschieht.

4.3.2.Privatisierung und Haushaltssanierung/ Schuldenabbau
Um den Haushalt zu sanieren und Schulden abzubauen, müssten aus Privatisierungserlösen erhebliche Summen fließen. Sind jedoch Staatsunternehmen veraltet und haben einen hohen Modernisierungsbedarf, ist es eine Illusion anzunehmen, dass man ausreichende Erlöse für einen wirksamen Schuldenabbau erwirtschaftet oder seinen Staathaushalt langfristig sanieren kann. Die Erlöse der Privatisierungen von 1994 bis 1996 hätten gerade einmal 1 % der Auslandsverschuldung abgebaut, wenn sie vollständig in die Schuldentilgung geflossen wären. Vergegenwärtigt man sich das Beispiel der Privatisierung der Staatsbetriebe der ehemaligen DDR, so ist es bezeichnend, dass die Treuhandanstalt mit einem Defizit als Schlussbilanz aus den Verkäufen ging. Darüber hinaus sind Verkaufserlöse aus Privatisierungen einmalige Einnahmen. Diese in den Staatshaushalt einzurechnen, ohne eine spätere Ausgabenreduktion vorzunehmen, belastet den Haushalt in der Zukunft und verlagert die Probleme nur auf eine spätere Zeit.

4.3.3. Privatisierung und Modernisierung/Ausländische Direktinvestition
Die Idee, durch Ausländische Direktinvestitionen (ADI) eine dringend notwendige Modernisierung des Staates zu erreichen, lässt in Ekuador mit positiven Resultaten auf sich warten. Obwohl der Staat wesentliche Investitionshindernisse aus dem Weg räumte und ausländische Unternehmen prinzipiell zu privatisierende Unternehmen erwerben können, ist das Ergebnis in Ekuador unbefriedigend. Im Rahmen der Globalisierung und der Standortdiskussion reicht es für ein Land nicht aus, juristische Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Langfristige Gewinnaussichten, Politische Stabilität, das gesamtwirtschaftliche Umfeld sind notwendige Voraussetzungen für Investitionsentscheidungen. Im Umfeld von politischer Instabilität und wirtschaftlicher Dauerkrise in Ekuador fließen ADI höchstens in den profitträchtigen Ölsektor. "In the short and medium term, I think prospects for more privatizations are very bad in Ecuador, and also in some other Latin American countries such as Venezuela and Colombia. It's not just the opposition to privatization. People are not investing down here anymore. When you've got strong opposition and [an] economic crisis what foreign investor is going to say, 'Okay, I want to buy a company there.'?" bemerkt der ekuadorianische Ökonom Gustavo Arteta in der "Washington Post" (1999).

4.3.4. Privatisierung und Armut
Zwischen Privatisierung, wie sie versprochen und letztendlich privatisiert wurde, liegen Welten. Eine Privatisierung sollte vor allem auch den unteren Schichten der Bevölkerung zugute kommen, durch bessere Versorgungsleistung, niedrigere Preise und eine Belebung der Gesamtwirtschaft. Das Gegenteil wird von Kritikern beklagt: anstatt die Einnahmen von "unten nach oben" zu verteilen und eine sinnvolle Redistributionspolitik zu betreiben, verteilte die Privatisierung Ressourcen an die einflussreichsten und reichsten Gruppen des Landes, so der Vorwurf von Alberto Acosta (1998).

Armut  und Einkommensunterschiede haben in den letzten Jahre rasant zugenommen: zwischen 1995 und 2000 stieg die Zahl der Armen von 3,9 auf 8,4 Millionen (das ist ein prozentualer Anstieg von 34 % auf 71 %). Die extreme Armut  erhöhte sich im selben Zeitraum von 12 % auf 35 % der Bevölkerung. Drastisch ist die Situation der Kinder: 75 % von ihnen leben in Armut. Gleichzeitig sanken die Sozialausgaben pro Kopf um 22 % für Bildung und um 26 % für Gesundheit.  Mit der ansteigenden Armut verschärften sich auch die Unterschiede zwischen Arm und Reich: 1990 vereinigten 20 % der Ärmsten noch 4,6 % der Einkommen auf sich, während die reichsten 20 %  über 52 % der Einkommen verfügten. 1995 verfügten 20 % der Ärmsten über 4,1 %, 1999 nur noch über 2,46 % der Einkommen während sich der Anteil der Reichsten auf 54,9 % und 61,2 % steigerte.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielschichtig und sicher nicht das (alleinige) Resultat von Privatisierungen. Jedoch konnten Privatisierungsmaßnahmen diese Entwicklungen nicht kompensieren, und die Art ihrer Durchführung trug eher zu einer Verschärfung der Situation bei. Estache, Gomez-Lobo, und Leipziger (2000) kommen in ihrer Studie "Utility Privatization and the Needs of the Poor in Latin America: Have We Learned Enough to Get It Right?" zu dem Ergebnis, dass arme Haushalte nicht zwangsläufig zu den Verlierern einer Reform gehören müssen. Es existierten viele Beispiele für Privatisierungen, von denen untere soziale Schichten profitieren. Eine Voraussetzung dafür ist, dass, wenn möglich, Wettbewerb geschaffen wird. Eine der Schlussfolgerungen scheint entscheidend im Hinblick auf die Erfahrungen in Ecuador: "Essentially what is needed is political commitment to doing the right thing. If policy is weak before privatization, it is going to be weak after privatization as well. Privatization is no substitute for responsible policy on redistribution."

5. Abschließende Bemerkungen

Es scheint symptomatisch für die Wirtschaftspolitik Ekuadors, dass einzelne Reformmaßnahmen wie die Mitte der 90er Jahre die Privatisierungen und aktuell die Dollarisierung als Schlüssel für die Entwicklung des Landes betrachtet werden. Wie die große ekuadorianische Tageszeitung El Universo 1990 schrieb : "Das Staatsunternehmen, schwerfällig und unrentable, kann vom einen auf den anderen Tag in ein blühendes Unternehmen umgewandelt werden, indem man das 'Magische Wort' anwendet: Dieses Wunderwort heißt 'Privatisierung'." Die Erfahrungen Ekuadors zeigen, dass neoliberale marktorientierte Reformen nicht greifen, wenn keine institutionelle Reformen den Prozess begleiten und der Staat nicht fähig ist, eine wirtschaftlichen Rahmen zu schaffen, in dem Wettbewerb herrscht. Außerdem erscheint es wichtig, dass Maßnahmen zur sozialen Absicherung der Bevölkerung die Reformprozesse begleiten.

Was sind die Lehren aus der offensichtlich nicht sehr glücklichen Erfahrung mit der Privatisierung in Ekuador für die Entwicklung des Landes? Eine alleinige Orientierung auf den Markt und eine Reform desselben genügt nicht. Hand in Hand muss eine institutionelle Erneuerung einhergehen, der Staat muss funktionieren. Inwieweit sich der Staat in die Wirtschaft einmischt, ist wiederum eine ideologische Frage, wirtschaftlich gibt es sowohl funktionierende Modelle mit viel (wie die nordeuropäischen Wohlfahrtsstaaten) als auch das Gegenbeispiel mit sehr geringer (der liberale Kapitalismus der Vereinigten Staaten) Staatsbeteiligung. Aber die Rolle des Staates in den Reformkonzepten außen vor zu lassen, scheint einer der gravierendsten Fehler bei der Durchsetzung der Reformkonzepte der 90er Jahre gewesen zu sein. So stellt auch Williamson (1999) fest: "The impact of privatization depends, in my view, very much on how it is done: the sort of insider/voucher privatization that happened in Russia allows the plunder of state assets for the benefit of an elite, but a well-conducted privatization with competitive bidding can raise efficiency and improve the public finances, with benefits to all, including the poor." Leider gleicht die von Williamson beklagte Privatisierungsstrategie Russlands in ihren Ergebnissen sehr der Ekuadors.

Bleibt die Frage nach einer besseren Strategie. Nach einer lauter werdenden Kritik am Neoliberalismus erweiterte man das marktorientierte Konzept um die Forderung nach funktionsfähigen Institutionen. In der Tat waren Länder am erfolgreichsten in der Umsetzung von neoliberalen Reformen, die noch über funktionierende Institutionen verfügten oder in denen die Erinnerung an solche noch präsent war (wie in Polen). Leider fehlen bisher brauchbare praktische Politikkonzepte, wie man im Falle unzureichend funktionierender Institutionen und oder eines korrupten Staates erfolgsversprechende liberale Reformkonzepte durchsetzt.

Viele raten von Versuchen weiterer Schocktherapien ab, besonders in stark unterentwickelten Staaten mit hoher Marktkonzentration: "The Experience with development in the last half century reveals [a] striking fact: the best performing countries are those that liberalize partly and gradually. All these countries [the East Asian Countries and India] unleashed the energies of their private sector, but did so in a cautious, controlled manner."  Auch hier führen die Wege wieder zu einem funktionierenden Staat, der bemüht ist, die Kräfte des Marktes in bestimmte Bahnen zu lenken, und den Finanzsektor besonders in den ersten Phasen der Reformprozesse kontrolliert.

Andere Entwicklungskonzepte räumen dem Staat eine aktivere Rolle bei der Entwicklung des Landes ein. Der Staat solle, so Alberto Acosta (1998), eine aktive Zusammenarbeit mit dem Privatsektor suchen, jedoch nicht mit der finanzstarken Oligopolelite, wie dies in den letzten Jahren in Ekuador geschehen ist. Anstatt die Diskussion über Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit fortzuführen, wäre es ratsamer, sich auf die Schaffung eines internen Marktes zu konzentrieren. Dieser Prozess solle von einer stärkeren Beteiligung der Zivilgesellschaft begleitet werden, etwas, was in den meisten angloamerikanischen Reformkonzepten keine Beachtung findet und von Neoliberalisten als Zeitverschwendung und kontraproduktiv bezeichnet wird .

Welchen Weg Ekuador auch einschlagen wird, die Herausforderungen sind enorm, die Resignation in der Bevölkerung nach vielen gescheiterten Reformversuchen groß. Armut, Korruption und Unterentwicklung scheinen erdrückend. Im Allgemeinen scheint man sich einig, dass die Praxis der letzten Jahre nicht mehr fortgeführt werden kann. Von heute auf morgen sind sicher keine weitreichende Erfolge zu erwarten, bleibt die Hoffnung, dass das Land langfristig seinen Weg finden wird.



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Ausgearbeitet von Simone Burkhart (Simone_Burkhart@yahoo.de) im Rahmen eines Praktikums bei der Friedrich-Ebert Stiftung/ ILDIS (Instituto Latinoamericano de Investigaciones Sociales) in Quito/Ekuador im Juli/September 2001.

Neben ILDIS soll hiermit auch den Instituten FLASCO, CORDES und CONAM für ihre Unterstützung gedankt werden.