FES | ||
|
|
TEILDOKUMENT:
Wutzky, Emil (1871 - 1963) Geboren am 4. Oktober 1871 in Berlin als Sohn eines Kellners, verheiratet, Dissident, 11. Kind in der Familie. Wuchs in Rixdorf, dem späteren Neukölln auf, wohin seine Eltern einige Jahre nach seiner Geburt übersiedelten. Nach dem Besuch der Volksschule, die er wegen guter Leistungen auf Antrag ein halbes Jahr früher verlassen konnte, absolvierte er einen mehrwöchigen Kursus in kunstgewerblichem Zeichnen und begann im Juli 1885 seine Lehrzeit als Schriftsetzer. Nachdem er in dieser Zeit mehrere Fachkurse und eine freiwillige Fortbildungsschule in Berlin besucht hatte, wurde er 1890 Gehilfe. Trat im gleichen Jahr dem "Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker" bei. Benutzte die Gehilfenjahre, um Abendkurse der Freien Hochschule und des Kunstgewerbemuseums zu besuchen. 1892 bis 1900 Vertrauensmann der Buchdrucker in Berlin. Aus Protest über den Ablauf einer Sedan-Gedenkfeier verließ er 1894 den damaligen Turnverein Jahn Rixdorf, um im gleichen Jahr die Freie Turnerschaft Rixdorf zu begründen. 1897 Eintritt in die SPD. Als Rixdorf, die größte Landgemeinde Preußens, 1898 Stadtrechte verliehen bekam, war unter den 16 sozialdemokratischen Gewählten der achtundzwanzigjährige Schriftsetzer. Um für die Stadtverordnetentätigkeit mehr Zeit zu gewinnen, gab Wutzky 1902 die Schriftsetzertätigkeit auf und wurde Filialleiter, dann Vorsteher des Zentrallagers der Konsumgenossenschaften Rixdorf, später Geschäftsführer mit dem Aufgabengebiet Kassen- und Rechnungswesen. 1904 sollte der junge Kommunalpolitiker vom "Zentralverband der Handels-, Transport-, Verkehrsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands" in der Berliner Ortsverwaltung angestellt werden. Verfaßte für den Verband bereits die "Denkschrift zur Einrichtung einer Fachschule für das Transport- und Verkehrsgewerbe in Berlin". Die Berliner Ortsverwaltung wehrte sich allerdings gegen den "Berufsfremden", was zu heftigen Turbulenzen und zu einer Beschwerde des Zentralvorstandes gegen den Bezirksleiter Albert Uteß beim Verbandsausschuß führte. 1905 Spediteur des "Vorwärts" in Neukölln, gleichzeitig ehrenamtlicher Vorsitzender der Allgemeinen Ortskrankenkasse. Am 15. Januar 1906 trat Wutzky als Angestellter in den Dienst der Groß-Berliner Filiale des damaligen "Verbandes der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten". Von der Generalversammlung im gleichen Monat zum 2. Sekretär der Filiale gewählt. Rückte nach dem Weggang Emil Dittmers als Redakteur zum Verbandsblatt am 1. September 1906 zum 1. Bevollmächtigten auf. Wutzkys überragenden Sachkenntnisse waren unumstritten und brachten ihm schnell Anerkennung. 1906 nach dem Ausscheiden Bruno Poerschs als Vorsitzender herrschte in der Verbandsspitze große Personalnot. Auf dem 4. Verbandstag vom 27. Mai bis 1. Juni 1906 in Mainz wurde der Kommunalexperte nach einem knappen Jahr Verbandszugehörigkeit bereits zum 2. Vorsitzenden der Organisation vorgeschlagen, lehnte allerdings ab. Der Mainzer Verbandstag, der den Verbandsnamen in "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter" umwandelte, setzte gleichzeitig eine Preßkommission ein, die von den Berliner Mitgliedern gewählt wurde. Vorsitzender wurde Emil Wutzky, der über die Kommission versuchte, Einfluß auf die Verbandsführung zu nehmen (Fragen der Taktik, Grenzstreitigkeiten mit anderen Gewerkschaften), was zu erheblichen Differenzen mit dem Verbandsvorstand führte. Vorsitzender der Preßkommission bis zu deren Auflösung 1912. Wiederwahl zum 1. Bevollmächtigten der Groß-Berliner Filiale von 1907 bis 1914 mit überwältigenden Mehrheiten. Von 1906 bis 1910 zum Revisor der Berliner Gewerkschaftskommission gewählt, 1911 Wahl in den Ausschuß des höchsten Berliner Gewerkschaftsgremiums. Delegierter auf der 1. internationalen Konferenz der "Arbeiter öffentlicher Betriebe" in Stuttgart vom 25. bis 27. August 1907. Schloß auf dem Kongreß Sabotage als letztes Mittel bei Arbeitskämpfe der Gemeindearbeiter nicht aus. Teilnehmer auf dem 4. (1906) bis 8. (1919) Verbandstag des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter". Auf dem 6. Verbandstag vom 2. bis 8. Juni 1912 in München wurde Wutzky vom Vorstand und Ausschuß einstimmig als neuer Vorsitzender vorgeschlagen, um den bisherigen Vorsitzenden Albin Mohs abzuwählen. Unterlag in einer Kampfabstimmung mit 42 : 43 Delegiertenstimmen. Die Niederlage wurde allerdings durch den Delegiertenschlüssel begünstigt, der Vertretern aus den mitgliederschwachen Gauen Vorteile einräumte. (Die Delegierten, die für Wutzky votierten, repräsentierten 60% der Mitglieder.) 1913 in den neubegründeten Bildungsausschuß der Filiale Groß-Berlins des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" gewählt. Ähnlich bittere Erfahrungen wie auf dem Münchner Verbandstag mußte Wutzky auf dem 7. Verbandstag 1914 in Hamburg machen, auf dem der bisherige Verbandsvorsitzende Albin Mohs endgültig seinen Vorstandsposten räumte. Von der Konferenz besoldeter Funktionäre ("Beamtenkonferenz") im Vorfeld als 2. Vorsitzender vorgeschlagen, von der "Statutenberatungskommission" des Verbandstages für ein Vorstandsmandat nicht berücksichtigt, wurde der Neuköllner schließlich von einer auf dem Verbandstag eingesetzten Kommission unter Leitung von Adolf Cohen (Mitglied der Generalkommission der Gewerkschaften) als Sekretär im Vorstand auserkoren und auch gewählt. Zu Beginn des Krieges gelang es dem Verband, den militärdienstpflichtigen Sekretär freigestellt zu bekommen, nachdem der neugewählte Verbandsvorsitzende Richard Heckmann sofort zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Faktischer Leiter des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" während des Krieges. Von 1915 bis 1916 einer der drei Revisoren des Internationalen Sekretariats der "Arbeiter öffentlicher Betriebe". Trug die innerverbandlichen Differenzen mit dem 2. Vorsitzenden Franz Lagodzinski aus, die 1916 zu dessen Gewerkschaftsausschluß führten. Seit [1914] Vorsitzender des Aufsichtsrates der Baugenossenschaft "Ideal", einer der ersten Wohnungsbaugenossenschaften in Deutschland. Sanierte die Genossenschaft in einem kritischen Moment; seiner Initiative war es zu verdanken, daß in der damaligen Gemarkung Buckow das "Krankenhaus im Grünen", das Krankenhaus Neukölln, gebaut wurde. Vertrat von 1914 bis 1916 seine Gewerkschaft auf den Vorständekonferenzen der Freien Gewerkschaften. 1916 in Neukölln als erster Sozialdemokrat zum unbesoldeten Stadtrat gewählt, als solcher arbeitete er zunächst in der Kriegswirtschaft mit. Nach weiteren heftigen Personaldiskussionen auf dem 8. Verbandstag vom 1. bis 6. September 1919 in Nürnberg verzichtete Wutzky auf alle Gewerkschaftsämter und nahm den mehrfach angebotenen Posten eines besoldeten Stadtrates in Neukölln an. Sein Rücktritt wurde von allen Flügeln innerhalb der Organisation als herber Rückschlag empfunden, galt er doch als einer der talentiertesten und bestgeschulten Gewerkschafter im Kommunalbereich. Übernahm von 1919 bis 1920 als besoldeter Stadtrat die Park- und Gartenverwaltung sowie das Wohlfahrts- und Jugendamt. Als Mitglied der Verfassungsgebenden Preußischen Nationalversammlung 1919/1920 war der Kommunalpolitiker unter anderem an der Beratung des Gesetzes zur Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin hervorragend beteiligt. 1920 von der ersten Stadtverordenetenversammlung zum besoldeten Stadtrat (Mitglied des Berliner Magistrats) gewählt. Seine Haupttätigkeitsbereiche bildeten das Ernährungswesen, die Wohnungsbauverwaltung, das Landeswohlfahrtsamt und Jugendamt, deren Deputation er als Vorsitzender leitete. Zugleich war er Vorsitzender der Aufsichtsräte der neugegründeten städtischen Gesellschaften für die Stadtgüter und die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke. Er schuf die Voraussetzungen zum Bau der Hufeisensiedlung in Britz und die Siedlung am Dammweg. 1924 bis 1932 stellvertretendes Mitglied des Reichsrats. Blieb seiner alten Gewerkschaft eng verbunden: Unterzeichnete als Stadtrat im Januar 1927 den Gründungsaufruf für den "Reichsbund der Beamten und Angestellten in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen" im "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter". Nach Ablauf der Wahlperiode 1932 schied Wutzky aus dem Magistrat aus. Von den Nationalsozialisten 1933 seiner Rechte als ehemaliger Wahlbeamter auf Grund des sogenannten Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums beraubt, mußte er mehrfach Verhöre der Gestapo erdulden. Obwohl schon 74 Jahre alt, stellte sich der Neuköllner nach 1945 beim Wiederaufbau der kommunalen Verwaltung zur Verfügung: seit 1946 Bezirksverordneter und ab 1950 Bürgerdeputierter in der Deputation für das Bau- und Wohnungswesen in Berlin-Neukölln. Seine Versuche, die Genossenschaftsbewegung in Neukölln zu beleben, scheiterten anfangs an dem Widerstand der amerikanischen Militärverwaltung. Erst im Jahr 1949 gelang es, in Gemeinschaft mit Berliner und westdeutschen Genossenschaftern die Großeinkaufs- und Verbrauchergenossenschaft für den westlichen Teil der Stadt zu gründen, seit 1950 Vorstandsmitglied in der Konsumorganisation. Außerdem wurde Wutzky als ehrenamtlicher Beisitzer in die Hauptschiedsstelle für Wohn- und Geschäftsräume beim Senat von Berlin und beim Verwaltungsgericht Berlin berufen. Am 1. April 1949 würdigten Magistrat und Stadtverordnetenversammlung sein Wirken mit der Verleihung der Auszeichnung eines "Stadtältesten". In den letzten Lebensjahren galt sein Interesse der Vorstandsarbeit im "Verein für die Geschichte Berlins". Emil Wutzky starb am 3O. Dezember 1963. Zu seinen Ehren benannte der Senat eine Straße in der Nähe seines Wohnhauses in Wutzky-Allee. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |