FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




Vallenthin, Hermann (1880 - 1945 ?)

Geboren am 22. Februar 1880 in Möringen bei Stettin, verheiratet. Arbeitete seit den späten neunziger Jahren als Telegraphenarbeiter in Berlin. Seit 1903 Mitglied eines lokalen, berufsständischen Fachvereins; gleichzeitig Mitglied im "Deutschen Metallarbeiter-Verband". Gehörte zu den Initiatoren im Großraum Berlin, die die lokal bestehenden Telegraphenarbeiterverbände zu einem gemeinsamen Verband zu formen versuchten. Delegierter auf dem 1. Verbandstag des "Verbandes Deutscher Post- und Telegraphenarbeiter" vom 28. bis 30. Juni 1907 in Hamburg. Als freigewerkschaftlich organisierter Arbeiter lehnte Vallenthin eine Annäherung an die christliche Gewerkschaftsbewegung ab. Einer der Aktivisten, die eine eigenständige Organisation ins Leben riefen: den "Bund Deutscher Telegraphenarbeiter, Vorarbeiter und Handwerker" (Sitz Berlin. Die im protestantisch-großstädtischen Milieu verankerte Berufsorganisation blieb autonom und schloß sich keiner Spitzenorganisation an. Vallenthin selbst hielt engen Kontakt zum "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter" und suchte Unterstützung bei sozialdemokratischen Stadtverordneten. Den Anschluß an eine freigewerkschaftliche Arbeiterorganisation lehnte er allerdings ab. Wahl zum 1. Vorsitzenden seiner Organisation. Hatte bis zum Weltkrieg zeitweise die Funktion eines 1. besoldeten Sekretärs inne. Führte 1910 Verhandlungen mit dem "Verband Deutscher Post- und Telegraphenarbeiter", die allerdings an Weltanschauungsfragen scheiterten. Seit [1913] Redakteur des Verbandsblattes "Die Telegraphie. Offizielles Organ des Bundes deutscher Telegraphenarbeiter, Vorarbeiter und Handwerker (Sitz Berlin)". Formal "kaisertreu", transportierte die Verbandszeitschrift (Auflage 1913: 7.500 Exemplare) eine Fülle statistischer Informationen, die die erbärmlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der staatlichen Telegraphenarbeiter im kaiserlichen Deutschland dokumentierte. Gab sein Amt als Vorsitzender auf dem außerordentlichen Bundestag vom 21. bis 26. August 1914 in Hamburg ab; Wahl zum besoldeten 1. Verbandssekretär (neuer Vorsitzender Ewald Heiden). Der Bundestag nahm eine Umbenennung der Organisation vor: "Zentralverband Deutscher Post- und Telegraphenbediensteten (Sitz Berlin)" (1919: ca. 21.000 Mitglieder). Er erteilte dem Vorstand ferner den Auftrag, Anschluß an die freie Gewerkschaftsbewegung zu suchen. Vallenthin und der Vorsitzende Heiden nahmen im Spätsommer 1919 die gewünschten Verhandlungen auf. Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes lehnte jedoch einen selbständigen Anschluß ab, weil der "Deutsche Transportarbeiter-Verband" als etablierte Gewerkschaft ausersehen war, Posthelfer und Arbeiter der Reichspost zu rekrutieren. Verschmelzungsverhandlungen mit der Bochumer Konkurrenzorganisation kamen ebenfalls über erste Absprachen nicht hinaus. Wiederwahl Vallenthins als besoldeter Verbandssekretär auf dem außerordentlichen Verbandstag im Februar 1920 in Berlin. Ein einberufener "Vertretertag" vom 18. bis 20. Oktober sollte Fragen der Besoldungsordnung, des bedrohten Koalitionsrechts aber auch die künftige Organisationsform klären helfen. Der "Vertretertag" nahm eine überraschende Wendung: ein großzügiges Fusionsangebot des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" führte zu einem raschen Gesinnungswandel der Delegierten. Sie stimmten einmütig einer Beschlußvorlage zu, zum 1. Januar 1921 die organisatorische Selbständigkeit aufzugeben und der geplanten Einheitsorganisation der Verkehrsarbeiter beizutreten. (Seit 1. Januar 1921 neuer Verbandsname: "Deutscher Verkehrsbund"). Neuer Redakteur der Zeitschrift "Post und Telegraphie. Offizielles Organ der Abteilung des Post-, Telegraphen- und Fernsprechpersonals im Deutschen Verkehrsbund", das seit dem 15. Januar 1921 mit alter Jahrgangszählung die Tradition der "Telegraphie" fortsetzte. Damit hatten erstmals die freigewerkschaftlichen Postbediensteten eine eigene Stimme im Konzert vieler berufsständischer Verbandsblätter. ("Eine neue Macht ist im Werden, die Macht der durch Lebensnot zusammengeschweißten Beamten, Arbeiter und Angestellten.") Vallenthin behielt die Redaktion des Blattes (70.000 Exemplare Startauflage) bis zum Januar 1922. Referat "Die organisatorische Zusammenfassung der Betriebsräte" auf der 3. Konferenz von Vertretern des Post-, Telegraphen- und Fernsprechpersonals vom 6. bis 9. Februar 1921 in Berlin, auf der er für das Recht des Zentralbetriebsrates plädierte, bei der Aufstellung des Haushaltsplanes mitzubestimmen. Wahl in die neu geschaffene Reichsleitung als besoldeter Sekretär. Teilnehmer auf dem 12. Bundestag des "Deutschen Verkehrsbundes" vom 16. bis 21. August 1925, der die Richtlinien der Verschmelzung mit der freigewerkschaftlichen Beamtenorganisation "Allgemeine Deutsche Postgewerkschaft" billigte. Auf dem Gründungskongreß der "Allgemeinen Deutschen Postgewerkschaft, Mitgliedschaft im Deutschen Verkehrsbund" am 13. September 1925 als Sekretär für die Lohnempfänger in die engere Reichsleitung gewählt. Wiederwahl auf der 7. Reichskonferenz vom 26. bis 28. November 1928 und der 8. Reichskonferenz innerhalb des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" vom 20. bis 22. November 1930 im Volkshaus in Dresden. Im Januar 1931 änderte Vallenthins Organisation nochmals ihren Namen: Um Verwechslungen mit christlichen Gewerkschaften vorzubeugen, nannte sie sich künftig "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs, Reichsabteilung Post und Telegraphie". Mit 40.000 Mitgliedern war sie die zweitgrößte Gewerkschaftsgruppe der Postbeschäftigten in der Weimarer Republik. Als einzige Gewerkschaft in der ersten deutschen Republik vereinigte sie nennenswerte Gruppen aller Postbeschäftigten. Hermann Vallenthin, der nie dramatisch ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geriet, leistete seinen Beitrag bei dem großen Versuch, eine Einheitsorganisation aller Post- und Verkehrsbediensteten zu schaffen. 1933 entlassen. Arbeitete ab [1936] als Posthelfer und ab [1942] als Arbeiter in Berlin. Wurde Ende 1945 von seinen Söhnen beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes als vermißt gemeldet.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

Previous Page TOC Next Page