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Schönberg, Heinrich (1870 - 1919)

Geboren am 16. März 1870 in Groß Salitz in Mecklenburg als zweites voreheliches Kind eines Tagelöhners auf einem herrschaftlichen Gut, verheiratet, protestantisch, später Dissident. Besuch einer mecklenburgischen Volksschule; 1890 Absolvierung seiner Militärdienstzeit. 1891 Umzug nach Hamburg. Arbeitete als Schlachter, nahm um 1898 Arbeit im städtischen Schlachthof. 1900 Eintritt in die wiederbelebte Filiale des "Verbandes der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten". Am 18. September 1901 Wahl zum 2. Schriftführer der Filiale. Seit Januar 1902 1. Vorsitzender der Hamburger Organisation. Dieses Amt behielt Schönberg bis zu seinem Tode inne. Leitete 1902 entscheidende organisatorische Maßnahmen zur Stabilisierung des Mitgliederbestandes ein (1903: 1.450 Mitglieder). Bereits 1902/1903 Einführung eines Unterstützungsfonds, um der Mitgliederfluktuation entgegenzuwirken. Delegierter auf der 3. Generalversammlung des Verbandes vom 14. bis 18. April 1903, der den Ausschußsitz von Berlin nach Hamburg verlegte.

Im Mai 1903 von den Hamburger Mitgliedern in den Ausschuß gewählt und zum Vorsitzenden bestimmt. Am 1. Juli 1903 Anstellung als besoldeter Leiter des Ortsbüros; die finanzielle Unabhängigkeit des Amtes von der Berliner Zentrale wußte Schönberg gezielt zu nutzen. Sofort nach Amtsantritt drängte Schönberg in den Organisationsbereich des "Verbandes der Hafenarbeiter und verwandter Berufsgenossen Deutschlands", als es ihm gelang, unter den Staatskaiarbeitern beträchtliche Organisationserfolge zu erzielen. Die recht privilegierten Kaiarbeiter hatten nach dem große Hafenarbeiterstreik 1896/97 durchgängig ihre Arbeitsplätze verloren und näherten sich gewerkschaftspolitisch behutsam dem weniger "radikalen" Gemeinde- und Staatsarbeiterverband. Am 16.Oktober 1903 Rücktritt vom Ausschußvorsitz wegen Doppelmandats, blieb allerdings bis 1912 Mitglied des Gremiums und galt als die eigentliche "Seele" des Ausschusses, von 1909 bis 1912 Schriftführer des Ausschusses. Am 9. Januar 1904 wurde er in den hamburgischen Staatsverband aufgenommen, am 2O. Januar 1904 erwarb er das Hamburger Bürgerrecht.

Schönberg leitete als besoldeter Ortssekretär eine Reihe systematischer Lohnbewegungen auf dem Hamburger Gebiet ein. Herausragend war seine Forderung nach einer Alters-, Witwen- und Waisenversorgung an den Hamburger Senat. Politisch stand der Sozialdemokrat Schönberg auf dem revisionistischen Flügel der SPD und verteidigte weitgehend den sozialreformerischen Kurs des Verbandsvorsitzenden Bruno Poersch. Schönberg galt als harte und schroffe Persönlichkeit. Seiner Kompromißlosigkeit hatte die Hamburger Staatsarbeiterschaft vor allem ihre Erfolge bei den Auseinandersetzungen mit den Berufsgewerkschaften (Steinarbeiter, Holzarbeiter) zu verdanken. Propagierte in der Presse und in den Hamburger Gewerkschaftsgremien den Gedanken der Einheitsgewerkschaft ohne wenn und aber. Seit [1903] Delegierter seiner Gewerkschaft im Hamburger Gewerkschaftskartell, dem freiwilligen Zusammenschluß der Einzelverbände zur Koordinierung übergeordneter Gewerkschaftsinteressen. Schönberg hielt in diesem Gremium dem enormen Druck stand, der von den übrigen Hamburger Verbänden auf seine Person ausgeübt wurde. Trotz einer überwältigenden Mehrheit im Kartell zugunsten des Hafenarbeiterverbandes (sie sprach die Baggerei-, Kai- und Stackarbeiter den organisierten Hafenarbeitern zu), vertrat er 1904 im Kartell die revolutionäre Ansicht, "in seinen Verband gehörten alle Arbeiter der Staats- und Gemeindebetriebe". Sein besonderes Interesse galt im Gewerkschaftskartell ferner der Förderung der Arbeiterbildungsvereine, für deren finanzielle Unterstützung er warb. Nahm während des Mainzer Verbandstages vom 27. Mai bis 1. Juni 1906 zusammen mit Albin Mohs, Emil Dittmer, Heinrich Bürger und den ausländischen Delegierten aus den Niederlanden, Dänemark und Frankreich an den Vorbesprechungen zur Gründung einer Internationale der Arbeiter des öffentlichen Dienstes teil.

Der Vorsitzende der Hamburger Filiale gehörte seit 1907 zu den innergewerkschaftlichen Kritikern des Verbandsvorsitzenden Albin Mohs, dem er eine zu nachgiebige Haltung gegenüber der Generalkommission bei Grenzstreitigkeiten vorwarf; war an den verschiedenen mißglückten Versuchen, Mohs zu "stürzen", maßgeblich beteiligt. Der gebürtige Mecklenburger war in eine Reihe aufsehenerregender Prozesse verwickelt, da er im "Hamburger Echo" und der "Gewerkschaft" zahlreiche innerstädtische Mißstände erbarmungslos angriff. 1906 Freispruch, nachdem er einen Leichenhandel im Eppendorfer Krankenhaus aufgedeckt hatte. Im Oktober 1908 Verurteilung zu 5 Monaten Gefängnis wegen Beleidigung des Hamburger Kaidirektors Paul Winter, einem führenden Mitglied des "Alldeutschen Verbandes". Nach erfolgreicher Revision vor dem Reichsgericht brauchte Schönberg die Strafe nicht anzutreten. Im Dezember 1912 strebte der "Herrscher über 3.000 Kaiarbeiter" gegen Schönberg einen erneuten Prozeß an, da der Hamburger Vorsitzende des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" Maßregelungen gegen gewerkschaftlich organisierte Kaiarbeiter angeprangert hatte. 1911 hatten die freien Gewerkschaften bei den Kaiarbeitern erstmals nach dem großen Streik 1896/97 wieder im Arbeiterausschuß eine Mehrheit erlangt. Winter provozierte daraufhin die Gewerkschaft durch den Herausschmiß zweier Arbeiterausschußmitglieder. Verurteilung Schönbergs zu 4 Monaten Haft wegen Beleidigung, die er in der Haftanstalt Fuhlsbüttel absaß.

Schönberg war seit 1906 lungenkrank, mit seinem Ableben wurde seit 1911 gerechnet, ein Kuraufenthalt nach verbüßter Haftstrafe (auf Kosten der Hamburger Mitgliedschaft) brachte keine gesundheitliche Linderung. Teilnehmer auf allen Verbandstagen von 1900 bis 1914. Delegierter auf der 2. internationalen Konferenz der "Arbeiter öffentlicher Betriebe" vom 4. bis 6. September 1910 in Kopenhagen. Plädierte in der dänischen Hauptstadt dafür bei einer "gesetzlichen" Beschneidung des Koalitions- und Streikrechts auch mit "ungesetzlichen" Mitteln vorzugehen. Dem 7. Verbandstag vom 24. bis 30. Mai im Hamburger Gewerkschaftshaus saß er als einer der Versammlungsleiter vor. Schönberg konnte "seine" Filiale mit 7.075 Mitgliedern als eine der beiden Stützen der Organisation in Deutschland präsentieren. Auf allen Verbandstagen gehörte Schönberg mit seiner unverwechselbaren, rhetorischen Schärfe zu den dominierenden Gestalten. Teilnehmer auf dem 5. Kongreß (1905) der Gewerkschaften Deutschlands in Köln. Am 23. Mai 1916 als Beisitzer in die Kartellkommission (= Gewerkschaftsvorstand) des Hamburger Gewerkschaftskartells gewählt. Vertrat in der Exekutive der Hamburger Gewerkschaften eine betont "nationale" Haltung. Setzte im letzten Kriegsjahr den Anschluß des Kartells - trotz anfänglicher Widerstände - an den "Volksbund für Freiheit und Vaterland" durch. ("Jetzt ist Krieg und da muß auch dies als Kriegsmaßnahme betrachtet werden.") Während des Krieges verschärfte sich Schönbergs schweres Lungenleiden. Nach der Novemberrevolution akzeptierte er noch die Wahl in den Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat. Heinrich Schönberg starb am 20. Januar 1919 in Hamburg. Die Hamburger Mitgliedschaft setzte ihm einen einfachen Grabstein mit den Worten "Unserm Heinrich Schönberg".


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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