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TEILDOKUMENT:
Hoffmann, Paul (1863 - 1928) Geboren am 12. Oktober 1863 in Freiberg (Sachsen) als unehelicher Sohn einer Bergarbeitertochter, verheiratet, protestantisch. Erlernte nach der Volksschule den Beruf eines Schuhmachers. Nach der Lehre Wanderschaft in Deutschland. Ließ sich am 18. Juli 1881 in Hamburg nieder; hielt sich teilweise in der Hansestadt, teilweise im preußischen Altona auf. Fand in Hamburg keine Arbeit mehr in seinem erlernten Beruf und fuhr seit [1882] auf Schnelldampfern als Schiffsheizer zur See. Mitglied der Sozialdemokratie seit 1884. Mußte mehrere Hausdurchsuchungen wegen Verbreitens von Flugblättern unter Hamburger Seeleuten über sich ergehen lassen. Agierte während seiner Landaufenthalte für die Ziele der politischen Arbeiterbewegung und trat weiterhin in Schuhmacherversammlungen auf. Fungierte seit 1886 zeitweilig als Schriftführer des Fachvereins der Hamburger Schuhmacher. Aus "politischen Gründen" am 4. Juli 1885 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vom Schöffengericht in Altona zu 2 Wochen Gefängnis verurteilt. Verdiente sich seit 1886 - laut politischer Polizei - als "Zeitungs-Notizmacher" seinen Lebensunterhalt. Koordinierte 1886 die Hamburger Aktivitäten, die eine Petition an den Reichstag zur Reform des Paragraphen 152 der Gewerbeordnung unterstützen sollten. Hoffmann - von der politischen Polizei als einer der "eifrigsten sozialdemokratischen Agitatoren" bezeichnet - nahm spätestens seit 1889 Kurs auf Gründung einer eigenständigen gewerkschaftlichen Lokalorganisation der Heizer und Trimmer. Alle Versammlungen, in denen er auftrat, wurden jedoch auf Grund des Paragraphen 9 des Sozialistengesetzes aufgelöst. Hoffmann rief am 23. Januar 1890 in Hamburg eine Versammlung der streikenden Feuerleute ein, auf der die Lohnbewegung der Ausständischen koordiniert werde sollte. Auf der Versammlung als Mitglied eines achtköpfigen Streikkomitees gewählt. Wahl in den Vorstand des neukonstituierten "Vereins der Heizer und Trimmer von Altona, Hamburg und Umgebung" im Februar 1890. Fungierte seit dem 15. April 1890 als besoldeter Schriftführer und Hilfskassierer der Organisation (ca. 1.000 Gründungsmitglieder). Übernahm im Dezember 1890 selbst den Vorsitz der Lokalorganisation. Hoffmann leitete im wesentlichen die Lohnbewegungen seiner ehemaligen Berufsgenossen im Kampfjahr 1890, die nach zähen, erfolglosen Verhandlungen in einem Generalstreik von Januar bis März 1891 mündeten. Der Arbeitskampf der Feuerleute ging wegen schwacher Organisation verloren, obgleich der Heizer- und Trimmerverein den Zenit seiner organisatorischen Entwicklung erreicht hatte (2.357 Mitglieder). Während der Streikauseinandersetzungen verhaftet und wegen Nötigung zu 6 Monaten Haft verurteilt. Eine Revision beim Leipziger Reichsgericht blieb erfolglos. Der gelernte Schuhmacher gab die entscheidenden Impulse für die gewerkschaftliche Organisation der Deckmannschaften im Dezember 1890 ("Verein der Matrosen von Hamburg und Umgebung") und weiterer Heizer- und Trimmervereine an der Nord- und Ostseeküste. Mitglied der Kommission zur Vereinigung der beiden seemännischen Hamburger Lokalorganisationen im September 1893. Der zum Greifen nahe "Allgemeine Verein der Fluß- und Seefahrer" scheiterte nicht zuletzt an Hoffmanns Reserven gegenüber den weniger streikbereiten Matrosen. In den Anfangsjahren der beiden Hamburger Seeleuteorganisationen legten beide Lokalvereine unterschiedliches Konfliktverhalten an den Tag: Während die Matrosen eher zurückhaltend agierten wurde bei den "geschundenen" Feuerleuten eine größere Konfliktbereitschaft deutlich, die sich in einem selbständig geführten Streik im März 1893 manifestierte, der glatt verlorenging. Seit 1893 Niedergang des Heizer- und Trimmervereins (1896 unter 100 Mitglieder). Wiederwahl Hoffmanns zum Vorsitzenden von 1891 bis 1897. Seit 1892 Gastwirt in der Hafenstraße auf St. Pauli; das Statut der organisierten Feuerleute sah seit 1893 keine besoldeten Vorstandsmitglieder mehr vor. Als Gastwirt führte er über Jahre einen Kleinkrieg mit der Schankkonzessions-Behörde, die den Hamburger Gastwirten der Arbeiterbewegung jeweils eine "volle Konzession" verweigerte. Erhielt erst 1900 alle Ausschankrechte. Mitglied der "Freien Vereinigung Hamburger Gastwirt- und Schankwirte", in deren "Agitationskommission" er 1896 gewählt wurde. Bekleidete von März 1901 bis April 1902 das Vorstandsamt der "freien" Gastwirte. Am 30. April 1892 Aufnahme in den Hamburgischen Staatsverband, erwarb am 20. November 1896 zusätzlich das Hamburger Bürgerrecht. [1896] Wahl in das Schiedsgericht für Arbeiterversicherung. Machte sich auf vielen Versammlungen der Hamburger Gewerkschaften als Sozial- und Versicherungsexperte einen Namen. Bekämpfte in Wort und Schrift das Unwesen der Hamburger Schlaf- und Heuerbaasen, deren parasitären Einfluß er für den Niedergang der Organisation der seemännischen Arbeiter mitverantwortlich machte. Als Sozialdemokrat suchte er Druck auf den Hamburger Reichstagskandidaten J.H.W. Dietz auszuüben, sich als Vertreter im Reichstag mehr um die Belange der Seeleute zu kümmern. Wie alle anderen verantwortlichen Gewerkschafter am Hamburger Hafen suchte Hoffmann aus einem Gefühl der Schwäche heraus, den geplanten Hafenarbeiterstreik 1896/97 zu verhindern, zu deren späteren "Siegern" - trotz Streikniederlage - die freigewerkschaftlichen Organisationen der seemännischen Arbeiter in Hamburg zählten. Teilnehmer einer Vorkonferenz am 19. Juni 1897 in Hamburg, die den nationalen Zusammenschluß aller Lokalorganisationen vorbereiten sollte. Mitglied der Agitationskommission für die geplante Konferenz. Delegierter auf dem 1. deutschen Seemannskongreß vom 15. bis 18. November 1897 in Hamburg, der den "Seemanns-Verband in Deutschland" aus der Taufe hob. Wahl Hoffmanns zum Vorstandsmitglied und teilbesoldeten Kassierer der Organisation, die am 1. Februar 1898 ihre Arbeit aufnahm. Vertrat zeitweise mit Zustimmung des Verbandsausschusses den erkrankten Albert Störmers als Vorsitzenden. Auf der 1. Generalversammlung des "Seemanns-Verbandes in Deutschland" vom 12. bis 13. Januar 1899 zum Verbandsvorsitzenden vorgeschlagen, lehnte das angetragene Amt jedoch ab. Wiederwahl zum Kassierer. Trat zum 1. August 1899 von diesem Posten zurück. Im Sommer 1899 war es im Vorstand zu erheblichen Differenzen mit dem Vorsitzenden der Hamburger Organisation und Redakteur, Paul Müller, gekommen. Anstoß war die Vergütung, die Hoffman an Stelle des erkrankten Vorsitzenden Störmer bekommen hatte. Dem Konflikt lagen auch gewerkschaftspolitische Motive zu Grunde, da Müllers Schreibweise im "Seemann" Hoffmann zu schreiend war. Gleichwohl sprachen Ausschuß, Zentralvorstand, Revisionskommission und die Vorstände sämtlicher Mitgliedschaften Hoffmann einstimmig den Dank für die bislang geleistete Tätigkeit aus. Auf der 4. Generalversammlung vom 17. bis 20. April 1905 letztmals Repräsentant seiner Organisation auf nationaler Ebene. Wahl zum Kassierer der Mitgliedschaft Hamburg des Seemanns-Verbandes am 30. April 1903, trat am 28. April 1905 zurück und übernahm bis zum 12. Februar 1906 den Vorsitz der bedeutendsten Ortsgruppe seines Verbandes. Der Arbeitergastwirt nahm auf nahezu allen Arbeiterversammlungen zu den "gängigen Themen" der Sozialdemokratie Stellung. 1905 nach mehrmaligen Verhandlungen vor dem Hamburger Schöffengericht freigesprochen, weil er eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der streikenden Bergleute organisiert hatte. Als Vertreter seiner Lokalorganisation Teilnehmer an den Verhandlungen des 1. Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands vom 14. bis 18. März 1892 in Halberstadt. Neben seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit spielte Hoffmann in der Hamburger Sozialdemokratie eine überragende Rolle. 1894 Revisor im VI. SPD-Distrikt des 2. Hamburger Wahlkreises. Machte sich seit 1894 für eine Verschmelzung der drei getrennt agierenden Hamburger Parteiorganisationen stark. Am 9. Februar 1897 als Kassierer in den Vorstand des Sozialdemokratischen Vereins für den 2. Hamburger Wahlkreis gewählt. Seit 1898 Wiederwahl als Beisitzer in den Vorstand. (In der Periode 1900 bis 1902 gemeinsam mit Karl Legien.) Konnte statuarisch 1898 nicht mehr als Kassierer kandidieren - trotz gegenteiligem Wunsche der Mitgliederbasis -, weil er zugleich eine andere Kasse führte. Im Februar 1902 übernahm er die Nachfolge Georg Blumes als Vorsitzender. Zusammen mit Gustav Stengele und Paul Weinheber leistete er Vorstandsarbeit in dem Wahlkreis, der mit Johann Heinrich Wilhelm Dietz bei den Reichstagswahlen stets sozialdemokratische Mehrheiten mit über 70% Stimmenanteil "einfuhr". Wiederwahl als Vorsitzender bis 1918. Nach der Hamburger Organisationsreform und dem Zusammenschluß der drei Wahlkreisorganisationen der SPD gehörte Hoffmann nach der Novemberrevolution weiterhin dem Vorstand der Groß Hamburger Organisation an. 1898 als Kandidat für die Bürgerschaftswahl im 17. Bezirk (St. Pauli) durch das sozialdemokratische Wahlmännergremium nominiert. Als Kandidat im Jahre 1901 für den Bezirk Altstadt erneut aufgestellt, scheiterte jeweils am ungerechten Hamburger Wahlsystem. Sein zentrales Wahlkampfthema war die Wohnungsfrage; hier maß er die bürgerlichen Parteien an ihren Versprechungen nach der verheerenden Cholera-Epedemie des Jahres 1898. Mehrfach sozialdemokratischer Reichstagskandidat im Wahlkreis 3 (Schleswig-Eckernförde), in dem er als Referent für sozialpolitische Themen bereits einen Namen hatte. Verfehlte bei den Reichstagswahlen 1903 mit 45,4% der im 2. Wahlgang abgegebenen Stimmen den Einzug in den Reichstag nur knapp. Kam 1907 mit 25,8% und 1912 mit 29,7% der abgegebenen Stimmen nicht in die Stichwahl. Wandte sich auf dem Mainzer SPD-Parteitag 1900 gegen die Beschäftigung von Farbigen auf deutschen Schiffen, was ihm viele hämische Kommentare der bürgerlichen Presse einbrachte. (Tenor seiner Begründung: die Seeleute hätten der Sprache der Schiffsleitung mächtig zu sein.) Seine Agitation gegen zu viele "Theoretiker" auf den Parteitagen sicherte ihm in Hamburg stets sichere Mehrheiten bei den Delegiertenwahlen zu den Parteitagen. Seine fast mysthische Verehrung für Rosa Luxemburg und ihre Massenstreikagitation wurden von solchen Vorbehalten jedoch nicht tangiert. Als Vorstandsmitglied gewann er im Mai 1901 die Mitgliederversammlung des 2. Hamburger Wahlkreises für eine Unterstützung des Baus des Gewerkschaftshauses. Zwei Monate später in die Schiedskommission gewählt, die im Streit mit den Hamburger Akkordmaurern richten sollte. Fungierte seit 1904 als einer der Gesellschafter für den Bau des Hamburger Gewerkschaftshauses. Hoffmann gab im Oktober 1906 seine kleine Wirtschaft in der Hafenstraße St. Paulis auf und trat als Expedient in die Parteidruckerei Auer & Co. ein. Am 23. November 1906 als Kandidat nominiert und am 1. Februar 1907 mit 11.311 Stimmen (davon 10.894 aus der einkommensschwächsten Schicht) in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Wiederwahl 1912. Im Parlament einer der eifrigsten Debattenredner. Nahm neben dem Redakteur des "Hamburger Echos", Otto Stolten, mit am häufigsten das Wort. Beschäftigte sich im Hamburger "Klassenparlament" mit Wohnungsproblemen, Hygienefragen, allen Problemen der Sozialversicherung und dem Fürsorge- und Armenwesen. Sprecher der kleinen SPD-Fraktion, wenn es um die Arbeitsbedingungen der Seeleute und Hafenarbeiter ging. Hoffmann, dem zunehmend auch die bürgerlichen Vertreter ihren Respekt nicht versagten, verschloß sich vielen Argumenten nicht, wenn es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens ging. Besonders lag ihm an einer ausreichenden Vergütung der Bürgerschaftsvertreter am Herzen, um die uneingeschränkte Wahl von Arbeitern ins "Feierabendparlament" zu ermöglichen. 1916 zum Mitglied des Armenkollegiums gewählt. Am 18. Dezember 1918 zusätzlich in das Krankenhauskollegium gewählt. Am 28. März 1919 Wahl Hoffmanns zum Senator; zum Präses des Armenkollegiums bestellt, gleichzeitig Mitglied der Kommission für die Angelegenheiten der Armenverbände, der Behörde für Wohlfahrtspflege und des Krankenhauskollegiums. In der Bürgerschaft warb er intensiv für den Genossenschaftsgedanken ("Fischdampfer-Gesellschaften etc.), den er programmatisch den USPD-Sozialisierungsvorstellungen entgegenstellte. Am 5. Mai 1920 schuf die Hamburger Bürgerschaft ein Mantelgesetz, das die Grundlage für den Ausbau des Wohlfahrtswesen in Hamburg bildete. Zum Leiter des neukonstituierten Wohlfahrtsamtes bestimmt. Hoffmanns Tätigkeitsgebiet umfaßte die frühere Armenanstalt, die Wohlfahrtsabteilung des Arbeitsamtes, das Fürsorgeamt für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene und die Aufsichtsbehörfe für die milden Stiftungen. Sein spezifisches Interesse galt der Ausbildung qualifizierten Fachpersonals. ("Das wichtigste in der ganzen Armenpflege ist der von wirklich sozialem Geist durchdrungene Armenpfleger.") Seit [1922] Präses der Behörde für Jugendfürsorge, Mitglied im Präsidium der Feuerlöschdeputation. Schied nach der Neubildung der Regierung am 18. März 1925 aus seinem Amt aus. Paul Hoffmann starb am 28. März 1928 an den Folgen eines Schlaganfalles. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |