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TEILDOKUMENT:
Brunner, Louis (Ludwig) (1865 - 1950) Geboren am 4. März 1865 in Erbach (Odenwald) als Sohn eines Walkmüllers, verheiratet, protestantisch, später Dissident. Besuchte die Volksschule in Stockheim bei Erbach, erlernte nach der Volksschule den Beruf eines Elfenbeinschnitzers und Drechslers. Nach der Lehre Wanderschaft in Deutschland. Arbeitete von [1886] bis 1887 in Berlin. Ließ sich im August 1887 in Hamburg nieder, verdiente sich in der Hansestadt sein Geld als Drechslergeselle, Maschinenarbeiter und Werkzeugmacher. Trat am 1. September 1887 der "Vereinigung der Drechsler Deutschlands" bei, die im August 1887 begründet wurde. Gleichzeitig Mitglied der Sozialdemokratie. Am 7. April 1888 zum Bevollmächtigten der Hamburger Zahlstelle der Drechsler gewählt. Hatte das Amt bis zum Frühjahr 1889 inne. Gehörte seit April 1889 in Hamburg (zusammen mit Karl Legien) zur "Central-Lohnkommission" der Drechsler Deutschlands, die Arbeitskämpfe in Deutschland steuern und durch Geldsammlungen unterstützen sollte. Im Mai 1889 zum Vorsitzenden der Kommission gewählt. Im Oktober 1889 auf der Basis der Rechtsbestimmungen des Sozialistengesetzes wegen seiner Mitgliedschaft in der Lohnkommission zu vier Tagen Haft verurteilt. Delegierter auf der 1. ordentlichen Generalversammlung der "Vereinigung der Drechsler Deutschlands" vom 27. bis 30. Dezember 1889 in Magdeburg. Übernahm am 27. September 1890 nach der Verurteilung Legiens zu 6 Wochen Haft die Redaktion der "Fachzeitung für Drechsler und Gewerksgenossen. Zeitschrift für die Interessen der Drechsler, der Holz-, Horn-, Knochen-, Hartgummi-, Stein-, Bernstein-, Steinnußknopf-, Perlmutter-, Metall- u. Celluloid-Arbeiter, der Graveure, Schnitzer, Polierer, der Kamm-, Schirm-, Stock-, Knopf-, Block- und chirugischen Instrumentenmacher etc." Fungierte bis zum 2. April 1891 als 2. Vorsitzender seiner Organisation. In Abwesenheit auf der 2. ordentlichen Generalversammlung der Drechslergewerkschaft vom 30. März bis 2. April 1891 in Halle an der Saale als Nachfolger Karl Legiens zum neuen Gewerkschaftsvorsitzenden vorgeschlagen, hatte indes im Vorfeld bereits seine Ablehnung für das Amt signalisiert. Auf der konstituierenden Sitzung des Verbandsvorstandes am 11. April 1891 als 1. Schriftführer wiederum in den Vorstand gewählt. Bekleidete bis 1893 in der Filiale Barmbeck der Drechslerorganisation zeitweise auch das Amt eines Kassierers und Schriftführers. 1893 von seinem Arbeitgeber wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten gemaßregelt. Führte seit dem 1. Dezember 1893 bis 1903 hauptamtlich die Kassengeschäfte der Ortskrankenkasse der Tabakarbeiter ("Rechnungsführer"). Erhielt als Vergütung 9% der Einnahmen der Kasse. Arbeitete von 1883 bis 1903 gleichzeitig als "nichtständiger Hilfsarbeiter" für die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands in Hamburg. Hatte phasenweise die Expedition des "Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands" inne. Der bilanzsichere Drechsler übernahm zum 1. Mai 1899 die Kassengeschäfte des zwei Jahre vorher begründeten "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands". Der Vorsitzende der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands - Karl Legien - stand der Gründung eines eigenständigen Eisenbahnerverbandes zunächst skeptisch gegenüber; bat nach erfolgreicher Gründung der Gewerkschaft seinen Drechslerkollegen um organisatorische Hilfestellung bei der Konsolidierung der Finanzen der freigewerkschaftlichen Eisenbahner. Brunner übernahm zum 1. Dezember 1899 faktisch den Vorsitz der Eisenbahnergewerkschaft, nachdem der amtierende Vorsitzende Heinrich Bürger eine dreimonatige Gefängnisstrafe wegen Beleidigung im Raboisengefängnis in Hamburg antreten mußte. Die provisorische Amtsführung fiel in die Zeit, als die diversen Eisenbahnverwaltungen in Deutschland durch Entlassungen von Gewerkschaftsmitgliedern die freigewerkschaftliche Organisation endgültig zu liquidieren suchte. Teilnehmer auf der 3. Konferenz des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" vom 4. bis 5. März 1900 in Berlin. Übte scharfe Kritik an Heinrich Bürgers lascher Finanzpolitik. Der Wahlhamburger lehnte die Übernahme des Gewerkschaftsvorsitzes (bei gleichzeitigem Mandat als Kassierer) ab, plädierte allerdings für die Wahl eines Nichteisenbahners zum Vorsitzenden (neuer Vorsitzender: Heinrich Smith). Wahl zum Kassierer auf der Berliner Konferenz. 1899 Mitglied der Revisionskommission des Sozialdemokratischen Vereins für den 2. Hamburger Wahlkreis. Im Mai 1899 in eine elfköpfige Schiedskommission delegiert, die Konflikte zwischen dem Semannsvorsitzenden Paul Müller und Vorstandsmitgliedern des 2. Hamburger Wahlkreises entschärfen sollte. Am 20. August 1901 in die Preßkommission des "Hamburger Echos" gewählt. Brunner übernahm nach der Inhaftierung des Redakteur Heinrich Schulze aus Dresden vom 20. Juli 1901 bis zum 14. September 1901 die Redaktion des Verbandsblattes "Weckruf". Als Kassierer gab er auf der 4. Konferenz der freigewerkschaftlich organisierten Eisenbahner den deprimierenden Kassenbericht ("Rückgang der Mitgliedschaft in fast allen Ortsgruppen"). Brunner plädierte energisch für die Professionalisierung der Verbandsspitze: ein besoldeter Verbandsleiter müsse gleichzeitig das Amt eines Redakteurs bekleiden. Organisationspolitisch gab er ein Votum dafür ab, "die inneren Verhältnisse der Organisation geheim zu halten", um die Bewegung vor der endgültigen Zerschlagung zu sichern, da Verbandsmitgliedschaft identisch mit Entlassung sei. In Dresden Wiederwahl als Kassierer. Wurde im März 1902 in den Hamburgischen Staatsverband aufgenommen und und erwarb im April 1902 das Hamburger Bürgerrecht. 1903 Anstellung als hauptamtlicher "Bureaubeamter" bei der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, zog mit der Generalkommission nach Berlin um. Brunner betreute künftig die statistische Abteilung. Veröffentlichte umfängliche statistische Erhebungen im "Correspondenzblatt der Gewerkschaften Deutschlands" und war maßgeblich am hohen Niveau der Statistiken der freien Gewerkschaften beteiligt. Zu seinen herausragenden Leistungen zählten die Statistiken "Die deutschen Gewerkschaften 1891-1904 in geographischer und statistischer Darstellung. Gewidmet dem 5. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands in Cöln am Rhein 1905". Berlin 1905 und "Die deutschen Gewerkschaften. Neue graphische Darstellungen und statistische Tabellen. Dem 6. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands gewidmet". Berlin 1908. In seiner ersten Schrift legte Brunner das Hauptgewicht auf die Darstellung des Verhältnisses der Organisation zur Zahl der Berufsangehörigen, während die zweite Studie die geographische Verbreitung der Gewerkschaft und ihren Charakter als Kampforganisation dokumentierte. Vor allem Brunners Streikstatistik der Gewerkschaften lagen in ihrem Aussagewert über vergleichbaren Darstellungen des Reichsamt des Inneren. Als Angestellter der Generalkommission Delegierter auf dem 5. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 22. bis 27. Mai 1905 in Köln und dem 6. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 22. bis 27. Juni 1908 in Hamburg. Erhielt in Köln bei der Wahl zur Generalkommission 52 Delegiertenstimmen, die allerdings nicht für ein Vorstandsmandat reichten. Louis Brunner blieb seiner alten Gewerkschaft verbunden, nahm am 6. Verbandstag des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" vom 10. bis 12. Juni 1906 als Delegierter der Generalkommission teil. Suchte Grenzstreitigkeiten der Eisenbahner mit den freigewerkschaftlichen Transport- und Metallarbeitern zu schlichten, wobei er den Eisenbahnern jedoch das Recht auf die Rekrutierung aller Berufsangehörigen (Betriebsorganisation) absprach. Im Mai 1907 mit seiner Familie in den preußischen Staatsverband aufgenommen. Delegierter auf dem SPD-Parteitag vom 15. bis 21. September 1907 in Essen. Teilnehmer als Vertreter der Generalkommission auf der Generalversammlung des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" vom 17. bis 18. Mai 1908 im Gewerkschaftshaus in Berlin. Unterstützte den Vorschlag des Vorsitzenden des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" (Oswald Schumann) zum 1. Juli 1908 die Eisenbahnergewerkschaft als eigene Reichssektion unter das "große Dach" der Transportarbeitergewerkschaft aufzunehmen. ("Der Verband der Eisenbahner ist in 10 Jahren nicht gewachsen, inaktive Kollegen und andere Leute kümmern sich heute um diese Organisation. Die Eisenbahner sind stehengeblieben.") Nach dem Fusionsbeschluß (13 : 11 Delegiertenstimmen für den Anschluß) brachte sich Brunner selbst in Vorschlag für das vorgesehene Amt eines besoldeten Leiters der neugeschaffenen Reichssektion, da sein bisheriges Tätigkeitsfeld ihm zu "beengt" erschien. Hielt auf der gemeinsamen Konferenz des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" und des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" das Referat "Agitation und Presse". Er entwickelte vor den Delegierten seine strategischen Pläne, die Güterbodenarbeiter über die Rollkutscher und Speditionsarbeiter zu gewinnen und bei den Beamten extrem vorsichtig zu agitieren. Wichtigstes Ziel sei die Freigabe des gesetzlich zustehenden Koalitionsrechts, das nur mit Hilfe der deutschen Sozialdemokratie zu erlangen sei. Der Statistiker der Generalkommission setzte sich in einer Kampfabstimmung als neuer Sektionsleiter einstimmig gegen beide Mitbewerber durch. (Beitrittsdatum der Eisenbahner zum 1. Juli 1908. Öffentliche Bekanntgabe des Beitritts zum 1. Januar 1909.) Bei ca. 1.000 Mitgliedern, bei andauernden Repressionen gegen die Reichssektion (Hausdurchsuchungen) und bei eingeschränktem Koalitionsrecht und Verfolgungen der Mitglieder, konnte Brunner nur mühsam den Boden für eine moderne Eisenbahnerbewegung bereiten. Teilnehmer als Reichssektionsleiter auf dem 6. Verbandstag des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" vom 6. bis 12. Juni 1909 in München, der unter dem Titel "Vorschläge zur Wahrnehmung der speziellen Interessen der Eisenbahner" ein gesondertes "Eisenbahnerprogramm" aus Brunners Feder verabschiedete. Wahl in den Generalrat der "Internationalen Transportarbeiter-Föderation" auf dem 7. Internationalen Transportarbeiterkongreß in Kopenhagen vom 23. bis 27. August 1910, hielt in der dänischen Hauptstadt das Referat "Stand, Anwendung und Einfluß der internationalen Gesetzgebung auf die soziale und rechtliche Lage der Verkehrsarbeiter (Eisenbahner)". Bestätigung im Amt drei Jahre später auf dem Kongreß in London vom 26. bis 30. August 1913. Der gelernte Drechsler suchte in Deutschland den schmalen Spielraum der Koalitionsbeschränkung für Eisenbahner nach Möglichkeit zu nutzen. Unterzeichnete mehrfach Beteuerungen im "Weckruf. Organ für die Interessen der Eisenbahner Deutschlands. Publikations-Organ der Sektion Eisenbahner des Deutschen Transportarbeiter-Verbandes", die den nurgewerkschaftlichen Charakter der Organisation betonten. ("Es ist unwahr, daß unsere Organisation ordnungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Es ist unwahr, daß unsere Organisation bezweckt, den Frieden zwischen der Verwaltung und ihren Bediensteten zu stören.") Gleichzeitig ließ Brunner publizistisch keinen Zweifel an der Illegalität der Maßnahmen gegen die Reichssektion aufkommen. Der gebürtige Hesse insistierte in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der "Internationalen Transportarbeiter-Föderation" des Jahres 1908 auf ein prinzipielles Streikrecht der Eisenbahner; es sollte allerdings nur als "letztes Mittel" in Anwendung gebracht werden. Brunners Position zum Streikrecht sanktionierte die Reichskonferenz der Eisenbahner im Herbst 1912, die halb illegal tagte. Auf der gleichen Konferenz betonte Brunner das unverzichtbare Recht auf Organisierung von Beamten. Der gewerkschaftliche Rechtsanspruch blieb in Deutschland jedoch weitgehend Makulatur. Das Rekrutierungsfeld der Reichssektion beschränkte sich auf Güterbodenarbeiter, Streckenarbeiter, Werkstättenarbeiter, Rangierer und Bremser. Ab 1908 Teilnehmer auf allen Vorkriegskonferenzen des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" und der Kongresse der Gewerkschaften Deutschlands. Brunner suchte in der innergewerkschaftlichen Diskussion im Frühjahr 1909 nach dem Auseinanderbrechen des Kartells der Hafenarbeiter, Seeleute und Transportarbeiter auszugleichen, wobei ihm sein reicher Erfahrungsschatz in der Generalkommission bei Grenzstreitigkeiten zu Gute kam. Verteidigte ab August 1914 den Kriegskurs der freien Gewerkschaft. Im Frühjahr 1916 beeinflußte Brunner den Vorsitzenden der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (Karl Legien) dahin, mit der Reichsregierung Verhandlungen über die Zulassung einer eigenständigen Eisenbahnergewerkschaft aufzunehmen. Nach direkten Verhandlungen Legiens mit dem Reichskanzler Theobald von Bethmann-Holweg genehmigte der Eisenbahnminister von Breitenbach die Satzung einer freigewerkschaftlichen Eisenbahnergewerkschaft, die in einem Anhang allerdings einen Verzicht auf den Arbeitskampf als Mittel der Auseinandersetzung festschrieb. Die neugewonnene Freiheit dankten die Eisenbahner allerdings auch der Tatsache, daß Repressionsmaßnahmen angesichts der drohenden Niederlage Deutschlands nicht mehr als opportun erschienen. Unter Vermittlung der Generalkommission stimmten die freigewerkschaftlichen Vorstände der organisierten Kupferschmiede, Maler, Maschinisten und Heizer, Metallarbeiter, Sattler und Transportarbeiter der Gründung eines Industrieverbandes der Eisenbahner zu. Ab 1. Juli 1916 trat der "Deutsche Eisenbahnerverband (Sitz Berlin)" (DEV) ins Leben. Bis zur nächsten Generalversammlung fungierte Louis Brunner als erster Vorsitzender. Gemeinsam mit Albert Dräger war er der einzige besoldete Angestellte des Verbandes. Insgesamt traten 841 Mitglieder von der Reichssektion der Eisenbahner des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" in den DEV über. Durch "Überweisungen" anderer Gewerkschaften und Neuaufnahmen stieg die Zahl bis Ende 1916 auf 1.470 an. Brunner widmete sich zunächst der Presse. Seit dem 8. Juli 1916 trug das Verbandsblatt den Untertitel "Organ des Deutschen Eisenbahner-Verbandes". Gleich zu Beginn des Jahres wechselte Brunner den Titel des Blattes: Der "Deutsche Eisenbahner. Zeitschrift zur Vertretung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Eisenbahnarbeiter, Hilfs- und Unterbeamten aller deutschen Eisenbahner. Organ des Deutschen Eisenbahner-Verbandes (DEV). Herausgegeben im Auftrage des Verbandes von L. Brunner-Berlin" erschien am 6. Januar 1917 mit der ersten Nummer und signalisierte neues Gewerkschaftsleben. Im Februar 1917 gab Brunner die Redaktion des Blattes an Theodor Kotzur ab und kümmerte sich nur noch um den Ausbau der inneren Organisation. Auf der Vertretertagung der Ortsgruppen, Bezirksleiter und Vorstandsmitglieder des "Deutschen Eisenbahner-Verbandes" vom 28. bis 29. November 1917 im Gewerkschaftshaus zu Berlin konnte Brunner über eine Konsolidierung der Organisation berichten, ohne daß er es wagte, die realen Mitgliederzahlen zu präsentieren (ca. 30.000), um nicht die relative Schwäche der freigewerkschaftlichen Eisenbahner zu dokumentieren. Nach der Novemberrevolution schwoll die Eisenbahnergewerkschaft zunächst ungeahnt an (Juni 1919: 550.000 Mitglieder in 1.690 Ortsgruppen). Gleich nach dem Regierungsumsturz erhielt Brunner vom Berliner Vollzugsrat ein Mandat, in das Reichseisenbahnministerium als einer der "politischen Beiräte" einzutreten, um eine Kontrolle im "Sinne der sozialen Republik" auszuüben. Hatte das Amt (später als Beigeordnetenamt im preußischen Ministerium für öffentliche Arbeit und Mitglied des Reichseisenbahnbeirats umgewidmet) bis März 1920 inne. Behielt trotz der neuen Aufgabe auf Wunsch des Vorstandes sein Mandat als Gewerkschaftsvorsitzender, bekam mit Franz Scheffel einen 2. Vorsitzenden an die Seite gestellt. Brunner setzte in einer kurzen Zeitspanne relativer Machtfülle zentrale Forderungen der freigewerkschaftlichen Eisenbahnerbewegung durch: Abschaffung der Akkordarbeit, Gleichstellung der Handwerker und Arbeiter in Lohn- und Arbeitszeit, Auszahlung des wöchentlichen Arbeitslohn. Bekam indes in seiner Doppelfunktion als "Ordnungsmacht" und Gewerkschaftsvorsitzender während der nachrevolutionären Streikaktionen der Eisenbahner massive Schwierigkeiten. Erste Kritiken an seiner Ämterhäufung brachen bereits auf der 2. Konferenz der Vertreter der Ortsgruppen, Bezirksleiter und Vorstandsmitglieder des Deutschen Eisenbahner-Verbandes" vom 21. bis 22. Dezember 1918 in Berlin auf. Wahl Brunners zu einem der gleichberechtigten Vorsitzenden auf der Generalversammlung in Jena vom 25. bis 31. Mai 1919 (gleichberechtigter Vorsitzender: Franz Scheffel). Als amtierender Vorsitzender konnte er sich nur in einer Stichwahl mit 157 zu 91 Delegiertenstimmen gegen Theodor Kotzur durchsetzen; vor allem die starke Gruppe der Berliner Delegierten lehnte seine Wiederwahl ab. Zu widersprüchlich sei seine Haltung gegenüber der Rätebewegung und den Forderungen der streikenden Eisenbahner. Brunner mußte die aus dem Boden gestampfte Organisation durch die schwierigen Streikphasen des Jahres 1919, den bürgerkriegsähnlichen Wirren im Transportgewerbe und den linkskommunistischen Absplitterungsversuchen der nachrevolutionären Phase führen. 1919 bis 1920 Mitglied der verfassungsgebenden preußischen Landesversammlung. Auf dem 10. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 30. Juni bis 5. Juli 1919 in Nürnberg mit 423 von 600 abgegebenen Stimmen als Beisitzer in den Vorstand gewählt. Wiederwahl als Beisitzer auf dem 11. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands (zugleich 1. Bundestag des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes) vom 19. bis 24. Juni 1922 in Leipzig mit 467 von 652 abgegebenen Stimmen und dem 12. Kongreß vom 31. August bis 4. September 1925 in Breslau mit 202 von 304 abgegebenen Stimmen. Auf dem 13. Kongreß vom 3. bis 7. September 1928 in Hamburg nicht mehr von der Verbandsspitze vorgeschlagen, nachdem er in der Bundesausschußsitzung am 1. September 1928 deutlich unterlegen war. Aus dem Kreis der Delegierten vorgeschlagen, gelang ihm mit 151 von 277 abgegebenen Stimmen nicht mehr der Einzug in den Bundesvorstand. Während des Kapp-Putsches im März 1920 zählte Brunner zu den Architekten des Generalstreiks im Verkehrsgewerbe, der die Militärrevolte zusammenbrechen ließ. Im Juli 1920 vom Bundesausschuß des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Mitglied des geschäftsführenden Auschusses der gemeinsamen Betriebsrätezentrale von ADGB und AfA bestimmt. Nach intensiven Verhandlungen gelang es Brunner zum 1. Juli 1920, den Anschluß des "Verbandes des deutschen Verkehrspersonals" (dem ehemaligen "Süddeutschen Eisenbahner-Verband) an den DEV zu vollziehen. Ein Ereignis, das für Brunner als wichtigster gewerkschaftlicher Erfolg galt. Als Vorsitzender trat er nach innergewerkschaftlichen Differenzen auf der außerordentlichen Generalversammlung vom 12. bis 18. September 1920 in Dresden von seinem Amt zurück. Gleichzeitig übertrug der neue Vorstand der Eisenbahnergewerkschaft seinem alten Vorsitzenden die Vertretung seiner Interessen beim neugeschaffenen "Deutschen Verkehrsbund". Zusammen mit dem Vorsitzenden des "Deutschen Tansportarbeiter-Verbandes" (Oswald Schumann) hatte Brunner seit Beginn des Jahres 1920 den Gedanken eigenständiger freigewerkschaftlicher Beamtengewerkschaften verworfen. Stattdessen beabsichtigten Schumann und Brunner mit ihren Anhängern, eine Einheitsorganisation für das gesamte Transport- und Verkehrsgewerbe (unter Einschluß der Post- und Bahnbeamten) zu schaffen. Die am 7. und 8. September 1920 tagende 18. Konferenz von Vertretern der Gau- und Ortsvorstände des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" stimmte dem Anschluß an die kommende Einheitsorganisation zu. Einen ähnlichen Beschluß faßten die Eisenbahner auf ihrer Septemberkonferenz. Der "Deutsche Verkehrsbund", der am 1. Januar 1921 seine Arbeit aufnahm, hatte zunächst den Charakter einer Arbeitsgemeinschaft. ("Das Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist, alle im Transport- und Verkehrswesen beschäftigten Lohn- und Gehaltsempfänger zu wirksamer und nachhaltiger Interessenvertretung in einer zweckmäßig gegliederten festgefügten Einheitsorganisation zusammenzufassen.") Als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft fungierte Louis Brunner, der neben Franz Scheffel und Oswald Schumann in der engen provisorischen Leitung wirkte. Erste organisatorische Erfolge (Ende 1920 hatte sich bereits der "Zentralverband der Post- und Telegraphenbediensteten" der kommenden Einheitsorganisation angeschlossen) konnten nicht verhehlen, daß das große Ziel spätestens 1922 mit der Gründung des freigewerkschaftlichen "Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes" gescheitert war. Weitgesteckte organisatorische Pläne, auf dem 11. Verbandstag des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" (künftig: "Deutscher Verkehrsbund") vom 3. bis 8. September 1922 abgesegnet, blieben Makulatur. Wahl Brunners als besoldeter Sekretär in den erweiterten Bundesvorstand; als Leiter der kommenden sozialpolitischen Abteilung vorgesehen. Im Juni 1920 bis zum Mai 1924 auf der Reichsvorschlagsliste der SPD in den Reichstag gewählt. Brunner nahm jeweils bei den Beratungen des Reichshaushaltsplanes beim Etat des Reichsverkehrsministeriums das Wort. Legte jeweils detailliert den Standpunkt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei Fragen der Wirtschaftlichkeit, Rationalisierung sowie der Sozialpolitik der Reichsbahn dar. Nachdrücklich setzte er sich im Parlament für die gemaßregelten Opfer des Eisenbahnerbeamtenstreiks vom Februar 1922 ein. Einer der wenigen Stimmen im Parlament, die differenziert die Leistungen und die Bedeutung der Betriebsräte im Produktionsprozeß herausstrich. ("... aber im großen und ganzen haben die Betriebsräte den Erwartungen vollkommen entsprochen, und je mehr man sie gewähren läßt, besonders auch bei der Eisenbahnverwaltung, je mehr Rechte man ihnen einräumt, desto besser werden sie ihre Aufgaben zu erfüllen vermögen.") Nach dem Ausscheiden aus dem Reichstag "stieg" Brunner wieder als Redakteur in sein altes Metier ein. Übernahm mit der Nummer 6 am 21. Juni 1924 die Redaktion des Blattes "Post und Telegraphie". Auf dem Verschmelzungskongreß (September 1925) der freigewerkschaftlichen Beamtenorganisation "Allgemeine Deutsche Postgewerkschaft" mit der Reichsabteilung Post-, Telegraphen- und Fernsprechpersonals des "Deutschen Verkehrsbundes" zur "Allgemeinen Deutschen Postgewerkschaft. Mitgliedschaft im Deutschen Verkehrsbund" als besoldeter Redakteur für die Lohnempfänger gewählt. Wiederwahl auf allen Reichskonferenzen der teilautonomen Postorganisation bis 1930. Delegierter auf dem 4. Internationalen Kongreß des Personals der Post-, Telegraphen- und Telephonbetriebe" vom 20. bis 23. September 1926 in Paris und dem 5. Kongreß vom 18. bis 21. September 1928 in London. Seit dem 2. August 1924 außerdem Redakteur des wiedererstandenen Blattes "Deutsche Privat- und Straßenbahner- Zeitung". Auf der 4. Reichskonferenz der Straßenbahner, Privateisenbahner und Werkseisenbahner vom 7. bis 8. August 1925 im Redakteursamt bestätigt, außerdem hinter Hermann Rathmann zum stellvertretenden Leiter der Reichsabteilung gewählt. Auf der 5. Reichskonferenz vom 23. bis 24. September 1927 als Redakteur bestätigt; zog sich jedoch aus der engeren Leitung zurück. Wiederwahl als Vorstandssekretär auf dem 12. Bundestag vom 16. bis 21. August 1925 in München und dem 13. Bundestag vom 12. bis 17. August 1928 in Leipzig. Louis Brunner trat am 1. April 1930 in den Ruhestand, von den Repräsentanten des neugeschaffenen "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" hoch geehrt. Lebte als Rentner in Berlin. Er starb am 9. Oktober 1950 in [West]-Berlin. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |