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1893

In ihrem Jahresbericht kritisiert die Generalkommission die niedrigen Mitgliedsbeiträge und die mangelnde Zahlungsmoral der Mitglieder: "Es liegt die Beitragsleistung tatsächlich auch nicht in dem Können, sondern, soweit es sich nicht um Arbeitslose handelt, in dem Wollen. Wir haben nie unterlassen dies immer wieder zu betonen und wiederholen es auch heute, hoffend, daß dadurch, wenn auch nur langsam, die Arbeiter zu der Erkenntnis kommen, daß sie mehr für ihre Organisation zu tun verpflichtet sind."
Ludwig Weber, ein führender Vertreter der evangelischen sozialen Bestrebungen erklärt in einem Vortrag "Ein sozialpolitisches Friedensabkommen": "An Stelle der doch nur eine Kampforganisation darstellenden sozialdemokratischen Fachvereine und Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine müssen staatlich beaufsichtigte obligatorische Fachgenossenschaften für das ganze Reich treten."

Der "Verband der Steinsetzer, Pflasterer und Berufsgenossen Deutschlands" wird gegründet.

In seinem Buch "Naturrecht und Sozialpolitik" erklärt der katholische Sozialreformer Georg Freiherr v. Hertling: "Einzig die Anerkennung gewisser, ein für allemal gegebener und unveränderlicher, weil in der Natur des Menschen und in der sittlichen Ordnung begründeter Grundsätze des Rechts, verleiht den festen Standpunkt, von dem aus sich die grundstürzenden Forderungen des Sozialismus nicht nur mit Gewalt niederschlagen, sondern auch als unbegründet zurückweisen lassen."
Hertling bestreitet, daß sich aus Christentum und Naturrecht eine für immer gültige Sozial- und Wirtschaftsforderung ableiten läßt.

Der "Deutsche Buchdruckerverein" gründet "Gehilfenunterstützungskassen", um der Gewerkschaft Mitglieder zu entziehen.

Die Schuhmacher fordern Tarifverträge für ganz Deutschland, damit überall für die gleiche Arbeit der gleiche Lohn gezahlt wird.

Nach den Feststellungen der Kommission für Arbeiterstatistik haben 36 Prozent der befragten Kellner einen Arbeitstag von 16 bis 18 Stunden, 49,2 Prozent einen von 14 bis 16 Stunden und nur 4,3 Prozent brauchen weniger als 12 Stunden am Tag zu arbeiten. Selbst Arbeitstage von 20 Stunden sind keine Seltenheit. Ein oder höchstens zwei freie Tage im Monat sind die Regel. Dafür muß aber bezahlt oder auf eigene Kosten ein Ersatz beschafft werden.

Die lange Arbeitszeit in denkbar schlechter Luft macht die Tuberkulose zur typischen Krankheit des Gasthauspersonals. In München z.B. liegt in den 80er Jahren die Lebenserwartung eines Kellners um 35 Prozent niedriger als die der Gesamtbevölkerung.
Begrenzungen des Arbeitstages existieren praktisch nicht. Die 1889 erlassene Arbeitsordnung der Berliner Schultheiß-Brauerei legt fest: Die Arbeitszeiten der Arbeiter sind unbestimmt. Sie werden je nach den Erfordernissen des Geschäfts von der Direktion festgestellt. Überstunden werden nicht bezahlt. Für gewöhnlich beginnt die Arbeit Morgens 4 Uhr und endet Abends 7 Uhr.

Die Sattler richten eine Petition an den Reichstag, die Heimarbeit zu beseitigen. Einen Brief des Verbandsvorsitzenden J. Sassenbach lehnt der Kriegsminister ab, da er mit "unbekannten Sattlergesellen" nicht diskutieren wolle.

Der "Arbeiter-Turnerbund Deutschlands" wird gegründet.

Anfang 1893

Der 1884 gegründete "Unterstützungsverein der Bürsten- und Pinselmachergehilfen" und der seit 1891 bestehende "Verband der Bürstenmacher" schließen sich zum "Zentralverband der Arbeiter und Arbeiterinnen der Bürsten- und Pinselindustrie Deutschlands" zusammen.

Die von dem 1891 in Frankfurt a. Main entstandenen "Institut für Gemeinwohl" begründete Zeitschrift "Blätter für soziale Praxis" erscheint zum ersten Mal. Sie wird im Oktober 1897 mit dem "Sozialpolitischen Centralblatt" zur "Sozialen Praxis" vereinigt.

1. Januar 1893

Ein einseitig von den Unternehmern erlassener "Deutscher Buchdruckertarif" tritt in Kraft. Die "Lehrlingsskala" wird wieder beseitigt und in vielen Druckereien der Zehnstundentag wieder eingeführt. Der Buchdruckerverband muß diese Bedingungen auf Grund seiner Schwäche akzeptieren.

Februar 1893

Emma Ihrer organisiert in Berlin die erste Handlungsgehilfinnenversammlung, die von 500 Personen, darunter 400 Handlungsgehilfinnen besucht wird. Es wird beschlossen, sich der allgemeinen Arbeiterinnenbewegung anzugliedern. Die Verhältnisse der Gehilfinnen sind noch miserabel: Fast unbegrenzte Arbeitszeit und Mangel an sanitären Einrichtungen sowie niedrige Löhne. Es fehlt an Sitzgelegenheiten für Verkäuferinnen, vielfach besteht das direkte Verbot des Sitzens.

9./16. Februar 1893

Das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat wird als gemeinschaftliche Verkaufsorganisation gegründet. Dem Syndikat gehören 1910 fast alle Zechen an.

20./22. Februar 1893

Der Verbandstag der Buchbinder in Frankfurt a. Main beschließt eine umfassende Organisationsreform. Es gibt keine selbständigen Vereine mehr, sondern nur noch Einzelmitglieder, Zahl- und Verwaltungsstellen. Die regionale Zuordnung erfolgt nach Gauen.
Der Verbandstag beschließt endgültig, Frauen als gleichberechtigte Mitglieder aufzunehmen und eine Arbeitslosenunterstützung einzuführen.
Um Kosten für einen Verbandstag zu sparen, sollen künftig die entsprechenden Fragen durch Urabstimmungen entschieden werden. Nach einem gescheiterten Versuch 1895 wird für 1897 wieder ein Verbandstag einberufen.

26. Februar 1893

In Berlin wird G. Hauptmanns Drama "Die Weber" in einer geschlossenen Veranstaltung uraufgeführt, da die Polizei die öffentliche Aufführung verbietet. Es ist das erste Schauspiel in der deutschen Dramatik, in dem der soziale Konflikt realistisch gestaltet wird.

2./3. April 1893

Der Verbandstag der Mühlenarbeiter in Frankfurt a. Main lehnt eine Verschmelzung mit den Verbänden der Bäcker und Konditoren ab.

3./7. April 1893

Die Generalversammlung des Metallarbeiterverbandes in Altenburg lehnt eine Arbeitslosenunterstützung mit 67 gegen 13 Stimmen ab.

Ostern 1893

Auf der Generalversammlung des Verbandes der Lithographen in Berlin wird eine Reiseunterstützung beschlossen, eine Arbeitslosenunterstützung abgelehnt.

4./7. April 1893

Auf dem ersten deutschen Holzarbeiterkongreß in Kassel beschließen 101 Delegierte die Gründung des "Deutschen Holzarbeiter-Verbandes" mit Sitz in Stuttgart. In ihm gehen direkt die Organisationen der Tischler und Drechsler auf. Der Verband hat rund 24.000 Mitglieder in 80 Filialen. 1896 kann der DHV mit 39.000 Mitgliedern den DMV fast erreichen.
Den Anschluß vollziehen sofort der "Zentralverband der Arbeiter und Arbeiterinnen der Bürsten- und Pinselindustrie Deutschlands". Der "Zentralverband deutscher Korbarbeiter" tritt 1896, der "Verband der in Holzbearbeitungsfabriken und auf Holzplätzen beschäftigten Arbeiter Deutschlands", die 1890 gegründete Zentralorganisation der Hilfsarbeiter in der Holzindustrie, 1899 dem DHV bei. Da er sich nicht als gewerkschaftliche Organisation für Holzarbeiter sieht, schließt sich der "Zentralverein der Bildhauer" erst 1919 dem DVH an.
Die Glaser und Tapezierer lehnen eine Beitritt ab, da ihre Berufe nur indirekt zum holzverarbeitenden Produktionsbereich gehören.
Die einzige auf dem Kongreß vertretene Lokalorganisation, der Berliner "Interessenverein der Kistenmacher" vollzieht 1905 seinen Beitritt.
Der "Zentralverein Deutscher Böttcher", der auf dem Kongreß nicht vertreten ist, lehnt auf seiner Generalversammlung 1894 mit großer Mehrheit einen Anschluß an den DHV ab, da seine Mitglieder in Brauereien mit der Herstellung von Bierfässern beschäftigt sind und damit eine Verbindung mit den anderen holzverarbeitenden Berufen kaum gegeben ist.
Auf einer dem Holzarbeiterkongreß voraufgegangenen Generalversammlung des Vereins der Drechsler hatten 14 für, 8 Delegierte (darunter C. Legien und Theodor Leipart) gegen einen Zusammenschluß aller Holzarbeitergewerkschaften gestimmt. Zum Vorsitzenden wird K. Kloß, zum Stellvertreter Th. Leipart gewählt.

11./18. April 1893

250.000 belgische Arbeiter führen einen erfolgreichen Massenstreik für das allgemeine Wahlrecht durch.
Zum ersten Mal wird damit in der internationalen Arbeiterbewegung der politische Massenstreik für politische Grundrechte eingesetzt.

21. April 1893

Die am 2. Juli 1890 in Berlin gebildete Zentral-Streik-Kontroll-Kommission wird nach Erweiterung ihrer Aufgaben in die Berliner Gewerkschaftskommission umgewandelt.

Mai 1893

Die von den Verbänden der Bäcker, Konditoren, Fleischer und Müller entwickelten Pläne zur Gründung eines Deutschen Nahrungsmittelarbeiterverbandes werden von den Mitgliedern in einer Urabstimmung abgelehnt. Zunächst müßten die eigenen Organisationen aufgebaut werden.

1. Mai 1893

Der Reichstag lehnt mit 210 gegen 162 Stimmen, die 1890 eingebrachte Militärvorlage - die größte seit 1872 - ab. Daraufhin wird er aufgelöst.

18. Mai 1893

Die Kölner Diözesankonferenz der Gesellenvereine nimmt die sog. "Kölner Thesen" an, nach denen Fachabteilungen für die einzelnen Berufe innerhalb der katholischen Arbeitervereine gebildet werden sollen. Die Abteilungen erstreben: die Hebung des Standesbewußtseins; die gewerbliche Fortbildung der Mitglieder; die Führung eines geregelten Arbeitsnachweises; die Gewährung von Rechtsschutz bei gewerblichen Streitigkeiten; Vertretung der Fachinteressen.
Die "Gewerkschaften" des Gesellenvereins sind keine Kampforganisationen; wohl erstrebten sie die Beseitigung lokaler Mißstände, dies indes, wo möglich, durch gütliche Vereinbarungen unter Berücksichtigung der schwierigen Lage, in welcher der Meisterstand sich befindet. Um ein einträchtiges Zusammenwirken von Meistern und Gesellen zu erzielen, ist es wünschenswert, zu den Sitzungen der Abteilungen Meister des betreffenden Gewerbes einzuladen, unter Zustimmung des Präses.
Die gewerkschaftlichen Bestrebungen des Gesellenvereins wollen: den Mitgliedern die Erlangung einer gründlichen Durchbildung im Handwerke erleichtern; dieselben anregen und befähigen zu ernster Mitarbeit an den Aufgaben der Zeit auf dem Boden der christlichen Gesellschaftsordnung; in denselben Sinn und Verständnis wecken für eine berufsgenossenschaftliche Organisation des Handwerks im allgemeinen und für Bildung von Wirtschaftsgenossenschaften im besonderen.

21./22. Mai 1893

In Gera wird der "Deutsche Arbeiterturnerbund" gegründet.

21./23. Mai 1893

Der "Verband der Steinmetzen" ändert auf seinem Kongreß in Frankfurt a. Main seinen Namen in "Organisation aller in der Steinindustrie Deutschlands beschäftigten Arbeiter".

22. Mai 1893

Ein Kongreß der Gewerkschaften der Nahrungsmittelindustrie in Hannover beschließt zwar mit Mehrheit die Bildung eines Industrieverbandes, doch sie scheitert an der Ablehnung innerhalb der einzelnen Verbände.

29. Mai 1893

In einem Aufsatz im "Correspondenzblatt" wird angesichts der bevorstehenden Reichstagswahl gebeten, daß die organisierten Arbeiter alles vermeiden, was die Kraft der Arbeiterklasse bei diesem Kampf zu schwächen oder zu zersplittern geeignet ist. Deswegen soll versucht werden, in den nächsten vier Wochen Streiks zu vermeiden, damit die notwendige Unterstützung nicht materielle Opfer fordert, die bei dem Wahlkampf ausgezeichnete Dienste leisten.
Ein Streik ist sicher am geeignetsten, die Arbeiter zum Klassenbewußtsein zu bringen und sie auf die Bahn zu drängen, daß sie den Kampf um die Erhaltung der Existenz nicht gegen einzelne Personen, sondern gegen die herrschende Klasse und das heute herrschende System führen.

31. Mai 1893

Der Ausschuß des Gesamtverbandes der evangelischen Arbeitervereine nimmt "Grundlinien für ein evangelisch-soziales Programm" an, in denen für die "Einführung obligatorischer Fachgenossenschaften bzw. gesetzlich anerkannter Gewerkschaften" plädiert wird.
Eine Gruppe betont die Interessenharmonie zwischen Unternehmern und Arbeitern in einer Weise, daß für Sozialpolitik innerhalb der Arbeitervereine und besonders für Gewerkschaftsarbeit wenig Raum mehr bleibt.
Dieser "Bochumer Richtung" gegenüber stehen die württembergischen Vereine, die unter Friedrich Naumann der evangelischen Arbeiterschaft eine möglichst breite gewerkschaftlich Basis geben wollen; von einem zahlreichen Eintritt in die freien Gewerkschaften erhoffen sie deren Neutralisierung in religiöser und politischer Hinsicht.
Die übrigen Arbeitervereine sehen zwar in interessenvertretenden Organisationen eine notwendige Ergänzung ihres Vereinsschaffens, diese soll jedoch außerhalb der freien Gewerkschaften herbeigeführt werden.

Juni 1893

Auch der Töpferkongreß in Halle/S. führt zu keiner Einigung zwischen "Zentralisten" und "Lokalisten". Der Name des "Unterstützungsvereins" wird in "Allgemeiner Verein der Töpfer und Berufsgenossen Deutschlands" geändert, um den gewerkschaftlichen Charakter der Organisation stärker zu betonen.
Der Kongreß beschließt, eine internationale Kommission einzusetzen, die mit den Töpfergewerkschaften anderer Länder Verbindung aufnehmen soll.
Der Verein hat rund 4.400 Mitglieder.

12. Juni 1893

Die Generalkommission publiziert im "Correspondenzblatt" eine Anleitung zur Schaffung von Gewerkschaftskartellen, die sie als "notwendig" bezeichnet, und veröffentlicht das Statut des Hamburger Gewerkschaftskartells. Danach soll das Gewerkschaftskartell eine Vereinigung sämtlicher am Orte bestehender selbständiger Filialen resp. Sektionen gewerkschaftlicher Zentralverbände und Lokalorganisationen derjenigen Branchen sein, für welche eine Zentralisation in Deutschland nicht besteht. Zweck dieser Vereinigung ist, für die Ausbreitung und Kräftigung der Gewerkschaften in Hamburg zu wirken, sowie den einzelnen Gewerkschaften in ihren Bestrebungen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ein gemeinsames Vorgehen derselben in allen gewerblichen Fragen und Angelegenheiten zu erzielen, bei deren Erörterung resp. Ausführung alle organisierten Arbeiter interessiert sind. Aufgabe des Gewerkschaftskartells ist es im besonderen: im wirtschaftlichen Kampfe allen beteiligten Organisationen seine moralische und unter bestimmten Voraussetzungen auch materielle Unterstützung angedeihen zu lassen; statistische Aufnahmen über die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung Hamburgs zu veranstalten, deren Zusammenstellung unter Leitung der Kartellkommission zu geschehen hat; die nötige Agitation für die Wahl von aus den Reihen der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter aufgestellten Kandidaten zum Gewerbegericht zu betreiben; eine Regelung des Herbergswesens und des Arbeitsnachweises anzubahnen.
Bereits 1892 hatte die Generalkommission das Regulativ des Gewerkschaftskartells Kassel veröffentlicht.
Seit 1894 versucht die Generalkommission, die Gewerkschaften auch offiziell zur Arbeit heranzuziehen.

15. Juni 1893

Bei den Reichstagswahlen gewinnen die Sozialdemokraten rund 350.000 Stimmen. Mit 1,7 Millionen Stimmen behaupten sie ihre Stellung, als stärkste Partei, gefolgt vom Zentrum mit 1,4 Millionen. Die SPD zieht mit 44, das Zentrum mit 96 Abgeordneten in den Reichstag. Auf sie entfallen 23,3 Prozent der Stimmen und 14,1 Prozent der Mandate. Die Sozialdemokratie hatte in 386 von 397 Wahlkreisen eigene Kandidaten aufgestellt.
Für die Antisemiten werden 260.000 gegenüber 47.000 Stimmen 1890 abgegeben. Verlierer der Wahl sind die Freisinnigen, die die Hälfte ihrer Mandate einbüßen.

Ende Juni 1893

Der lokalistische Teil der Berliner Töpferbewegung bildet eine "Geschäftskommission der Töpfer Deutschlands", von der sich aber größere Teile bereits 1897 der Zentralorganisation anschließen.
Im gleichen Jahr konstituiert sich in Berlin ein vom Zentralverband unabhängiger "Verein der Zimmerer Berlins und Umgebung". Die "lokal organisierten" Zimmerer bilden eine "lose" Zentralisation, die 1900 13 örtliche Vereine mit insgesamt etwa 2.000 Mitgliedern umfaßt.
In einigen Städten können Lokalorganisationen - wie z.B. bei den Maurern - die Errichtung von Zahlstellen des Zentralverbandes für längere Zeit verhindern.

Juli 1893

Anstelle der im Januar 1891 von den Hamburger Gewerkschaften gewählten provisorischen Kommission, die ein geschlossenes Vorgehen sichern soll, wird ein Gewerkschaftskartell gebildet.

1. Juli 1893

Der "Zentralverein Deutscher Gerber und Lederzurichter" schließt sich mit dem "Deutschen Weißgerberverband" zum "Deutschen Lederarbeiterverband" zusammen. Verbandszeitschrift wird die "Lederarbeiter-Zeitung".
Auf einer außerordentlichen Generalversammlung sprechen sich die Lederarbeiter am 27. September in Halle/S. zurückhaltend für einen Industrieverband aus.

3. Juli 1893

Im "Correspondenzblatt" erklärt die Generalkommission: "Wir sind überzeugt, daß die Überführung der Produktionsmittel aus dem Privatbesitz zum Gemeingut der Gesellschaft sich hauptsächlich auf dem Wege der Gesetzgebung vollziehen wird. In diesem Ringen um die politische Macht sind aber die gewerkschaftlichen Organisationen derjenige Faktor, welcher, solange die heutige Gesellschaft besteht, die Kräfte des Proletariats gegen die unmäßige Ausbeutung durch den Kapitalismus zu schützen und zu wahren hat."

15. Juli 1893

Der Reichstag nimmt mit 201 gegen 185 Stimmen die etwas abgeschwächte Militärvorlage von 1890 an.

Sommer 1893

Der "Rechtsschutzverein der Bergleute des Saargebietes", dem 22.400 Arbeiter angehören, bricht nach dem verlorenen Streik zusammen.
Die Zahl der Bergleute ist in Deutschland von 13.000 1850 über 84.000 1873 auf 146.000 1893 gestiegen. Die Steinkohlenförderung erhöht sich von 1,6 Millionen Tonnen 1850 auf 114 Millionen Tonnen.

29. Juli 1893

Alle preußischen Regierungspräsidenten erhalten einen geheimen Erlaß des Innenministers B. v. Eulenburg, in dem diese angewiesen werden, die sozialdemokratische Bewegung aufmerksam zu beobachten, ihr Umsichgreifen unausgesetzt mit allen zulässigen Mitteln zu steuern und insbesondere die ländliche Bevölkerung vor ihrem Einfluß zu bewahren. Es sei von den gesetzlichen Befugnissen unverzüglich mit Entschiedenheit und nachhaltig Gebrauch zu machen.
Der Erlaß wird Ende November vom "Vorwärts" veröffentlicht.

5./8. August 1893

Der Verbandstag des Fabrikarbeiterverbandes in Celle beschließt regionale und örtliche Agitationskommissionen zu bilden, um die Verbandsarbeit zu aktivieren.
Der Verbandstag erblickt "in der Verkürzung der Arbeitszeit das einzige Mittel, durch welches die herrschende Arbeitslosigkeit beseitigt resp. beschränkt werden kann".

6./12. August 1893

Der Internationale Sozialistische Arbeiterkongreß in Zürich beschließt, nur noch solche Gewerkschaften, sozialistische Parteien und Vereine zuzulassen, die die "Notwendigkeit der Arbeiterorganisationen und der politischen Aktion anerkennen". Zur Abwehr der Anarchisten empfiehlt der Kongreß den Arbeiterorganisationen, die parlamentarischen Einrichtungen für den Kampf um die politische Macht auszunützen.
Über die Stellung der Sozialisten zum Krieg kommt es zu lebhaften Diskussionen. Der Vorschlag, jede Kriegserklärung mit einem allgemeinen Streik zu beantworten, wird abgelehnt.
In weiteren Resolutionen verweist der Kongreß auf die Notwendigkeit, für das allgemeine Wahlrecht, den 8stündigen Arbeitstag, den Schutz der Arbeiterinnen einzutreten und die Landarbeiter zu organisieren.
Der Kongreß stimmt mit einer Mehrheit von 12 gegen 6 Stimmen - u.a. der deutschen Delegation - einer Resolution zu, mit der die Brüsseler Gewerkschaftsresolution bestätigt wird, aber die "Obliegenheit" der Arbeiterklasse auf gewerkschaftlichem Gebiet darauf beschränkt, "Berufsvereine zu bilden, um ihre Berufsinteressen zu verteidigen, ihre Löhne zu schützen und der kapitalistischen Ausbeutung Widerstand leisten zu können". Am Schluß der Resolution wird gefordert, "die Arbeiter aller Organisationen ohne Unterschied der Rasse und der Berufe zu einer kompakten Masse zu gruppieren, um für die politische Tätigkeit, im Kampfe gegen den Kapitalismus, eine genügende Macht zu besitzen, um die vollständige Emanzipation des Proletariats zu sichern".
Die deutsche Delegation wendet sich gegen eine unbedingte Verpflichtung zur Arbeitsruhe am 1. Mai.
Doch der Kongreß beschließt gegen die deutschen Stimmen: die Sozialdemokratie eines jeden Landes hat die Pflicht, die Durchführung der Arbeitsruhe am 1. Mai anzustreben und jeden Versuch zu unterstützen, der in dieser Richtung an einzelnen Orten oder von einzelnen Organisationen unternommen wird.

Während des Zürcher Kongresses wird die Errichtung einer Reihe internationaler Sekretariate beschlossen.
Die Metallarbeiter gründen ein "Internationales Informationsbüro" mit Sitz in Winterthur und ab 1896 in Sheffield.
Die Schuhmacher bilden ein internationales Schuhmachersekretariat. Da es keine nennenswerten Initiativen entwickelte, wird es 1900 wieder aufgelöst.
Auch die Holzarbeiter eröffnen ein internationales Büro.
Die Textilarbeiter, die Hutmacher, die Schneider führen internationale Kongresse durch.

14. August 1893

In Zürich wird das "Internationale Sekretariat der Eisenbahnarbeiter" mit dem Sitz in den Niederlanden gegründet. Auf dem Kongreß vom 3. bis 6. Oktober 1894 in Paris wird das Sekretariat in den "Internationalen Ausschuß (Internationales Komitee) zum Studium der Interessen der Arbeiter in den Transportgewerben" umbenannt; sein Sitz wird Paris.

17. August 1893

Der "Vorwärts" schreibt: "Eine einheitliche geschlossene Organisation ist sowohl in politischer wie in gewerkschaftlicher Hinsicht von Nutzen und trägt zur Stärkung der Partei bei ... Für die Partei wäre es aber geradezu Selbstmord, sähe sie scheel auf die Gewerkschaftsbewegung, denn diese erfüllt vor allem die Aufgabe, die Schar unserer Kämpfer schlagfertig zu halten. Eine Arbeiterklasse, deren wirtschaftliche Daseinsbedingungen sehr niedrig sind, kann nicht zähe, widerstandsfähige Kämpferin für ihre Rechte sein. Deshalb erfüllt die Gewerkschaftsbewegung eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, würde dies verkannt, so träge die gesamte Arbeiterbewegung den Schaden."

20. August 1893

Generalversammlung des Verbandes der Berg- und Hüttenarbeiter in Dortmund.

September 1893

Der "Gutenberg-Bund" wird in Erfurt als Konkurrenzorganisation zum Buchdruckerverband gegründet. Er tritt für eine "friedliche Lösung" aller Probleme ein.

2. oder 7. September 1893

In Hamburg wird der "Deutsche Handlungsgehilfenverband" gegründet, der zunächst nur örtliche Bedeutung hat.
Verbandsorgan sind die "Mitteilungen". Bald kommt es mit dem "Verein für Handlungskommis von 1858" zu Differenzen.

16. September 1893

"Der Bauhandwerker", die Zeitung der lokalistischen Bauarbeiter befürchtet, ein Erfolg der gewerkschaftlichen Bewegung würde als Beweis dafür gewertet, "daß auf dem Boden der heutigen Ordnung der Arbeiter sich zu seiner Zufriedenheit damit einrichten könnte", womit "die Notwendigkeit der sozialen Revolution hintangestellt" wäre.

26. September 1893

I. Auer schreibt C. Legien: "Während früher die Gewerkschaften als ein zwar selbständiger Teil, aber immer nur als ein Teil der organisierten klassenbewußten Arbeiterbewegung betrachtet sein wollten und auch betrachtet wurden ... macht sich seit der Gründung der Generalkommission das Bestreben bemerklich, die Gewerkschaften von der politischen Partei zu trennen und beide Organisationen als rivalisierende Mächte zu behandeln. Ich halte diese Bestrebungen, welche speziell in der Generalkommission ihren Ausgangs- und Stützpunkt haben, für sehr verkehrt, und wenn sie größeren Anklang fänden, geradezu für verhängnisvoll für die ganze deutsche Arbeiterbewegung."

1. Oktober 1893

Seit dem 1. April 1893 werden in Preußen 74 Streiks mit 4.070 Streikenden registriert. Von diesen Streiks verlaufen 13% erfolgreich, 11% erreichen Teilerfolge 76% enden erfolglos.

8./9. Oktober

An dem Kongreß des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt a.M. über "Arbeitslosigkeit und Arbeitsvermittlung in Industrie- und Handelsstädten" nehmen auch Gewerkschafter - darunter C. Legien, C. Kloß und E. Döblin - teil. C. Legien erklärt auf dem Kongreß, die Arbeiter würden "mit Lust und Liebe zur Stelle sein, wenn es sich darum handelte, auf sozialem Gebiet mitzuarbeiten. Sie wollen nur als gleichberechtigte Faktoren betrachtet und nicht stets und ständig hintangesetzt werden".
Der Kongreß fordert die Einrichtung von kommunalen Arbeitsnachweisbüros.

22./28. Oktober 1893

Der SPD-Parteitag in Köln diskutiert intensiv und kontrovers den Tagesordnungspunkt "Die Gewerkschaftsbewegung und ihre Unterstützung durch die Parteigenossen". In seinem Geschäftsbericht betont der Parteivorstand: "Die sozialdemokratische Partei hat sich von jeher und auch sofort, als sie in Deutschland wieder offen auftreten konnte, auf dem Parteitag in Halle, mit aller Entschiedenheit für die Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation und für starke Organisationen ausgesprochen. Diesen Standpunkt zu verlassen, dazu dürfte heute weniger als jemals Anlaß vorliegen ..."
Ausdrücklich warnt der Parteivorstand vor einer Überschätzung des ökonomischen Kampfes und fordert, "daß über dem Kämpfen und Streben um bessere Arbeitsbedingungen die letzten Ziele der sozialdemokratischen Bewegung, die Beseitigung der Klassenherrschaft und die Umwandlung der Produktionsmittel aus kapitalistischem in gesellschaftliches Eigentum, nicht vergessen werden" dürfe.
Der Diskussion liegen zwei Resolutionen zugrunde, die beide den Parteigenossen als Pflicht auferlegen, für die Gewerkschaften einzutreten und für ihre Stärkung zu sorgen. Während aber die eine Resolution es als Pflicht eines jeden Parteigenossen ansieht, einer Gewerkschaftsorganisation anzugehören, überläßt die andere diese Verpflichtung dem Ermessen jedes Einzelnen.
Die erste Resolution vertritt C. Legien. In dieser Resolution wird als Aufgabe der Gewerkschaften bezeichnet, "die geschlossenen Reihen zu bilden, welche sich der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nach Kräften entgegenstemmen" und "zu Zeiten des Nachlassens der Krisen" den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen zu führen sowie "die indifferenten Arbeitermassen heranzuziehen, das Solidaritätsgefühl zu wecken und Aufklärung über die allgemeine wirtschaftliche Lage zu verbreiten".
In seinem Referat betont C. Legien den Nutzen der Gewerkschaftsbewegung für die Partei. Niemals sei von den Gewerkschaftsführern behauptet worden, daß die gewerkschaftliche Organisation etwas anderes sei als "ein Palliativmittel ... innerhalb der heutigen bürgerlichen Gesellschaft".
Die Gewerkschaftsbewegung sei "das beste Agitationsmittel" und "Vorschule für die politische Bewegung", indem sie "auch die indifferentsten Arbeiter in die Bewegung hineinzieht" und ihre Mitglieder zu Opferwilligkeit, Disziplin, Solidarität und Kampfesmut erziehe.
"Die politische Organisation stellt an ihre Zugehörigen nicht die Anforderungen wie die gewerkschaftliche. Die erstere findet ihren Hauptausdruck in der Beteiligung an den Wahlen. [...] Im Gegensatz dazu verlangt die gewerkschaftliche stets und steigend materielle Opfer von ihren Mitgliedern, sie fordert, daß er beim Lohnkampf mit seiner ganzen Existenz, mit seiner ganzen Person für die Gesamtheit eintritt." Für C. Legien sind Partei und Gewerkschaften gleichberechtigt Bewegungen, "die nebeneinander hergehen müßten".
Die Gewerkschaften haben sich in der Generalkommission eine Gesamtvertretung geschaffen, in ihr soll sich das gewerkschaftliche Leben konzentrieren; sie ist verpflichtet, alles, was in der Parteibewegung vorgeht und für die Gewerkschaften nachteilig sein könnte, zurückzuweisen und dagegen zu polemisieren".
Auf die Kritik an der Arbeitsnachweiskonferenz antwortet C. Legien: "Wir wollen auch nicht vergessen, daß wir den gebildeten Kreisen, die nicht mit uns sympathisieren, aber die Frage studieren wollen, auch auf diesem Wege Gelegenheit geben wollen, sich zu informieren."
A. Bebel wendet sich dagegen, "die Partei mit aller Gewalt zur Agitationsschule für die Gewerkschaften zu machen".
Aus der Feststellung der Züricher Gewerkschaftsresolution, daß die gewerkschaftliche Organisation allein ohnmächtig sei gegenüber der konzentrierten Macht des Kapitalismus und daher der politische Kampf in den Vordergrund treten müsse, zieht A. Bebel den Schluß: "Wir mögen gewerkschaftlich organisiert sein wie wir wollen, wenn das Kapital einmal allgemein eine solche Macht erobert hat wie bei Krupp und Stumm, in der Dortmunder Union, in den Kohlen- und Eisenindustriebezirken Rheinlands und Westfalens, dann ist es mit der gewerkschaftlichen Bewegung aus, dann hilft nur noch der politische Kampf. Aus ganz natürlichen und selbstverständlichen Ursachen wird den Gewerkschaften ein Lebensfaden nach dem anderen abgeschnitten."
Nach der Auffassung von A. Bebel ist "in Deutschland durch die sozialpolitische, zumal die Versicherungsgesetzgebung, dieser Zweig der gewerkschaftlichen Tätigkeit entzogen und ihr damit ein Lebensnerv durchschnitten worden, der gerade in England und bei den deutschen Buchdruckern zur Blüte beigetragen hat." Weitere wichtige Gebiete sind ihnen durch die Gewerbeordnung entzogen worden... Mit jeder Erweiterung der staatlichen Befugnisse wird das Feld der gewerkschaftlichen Betätigung noch mehr eingeengt.
Der Parteitag lehnt schließlich die von C. Legien vertretene Resolution in namentlicher Abstimmung mit 168 gegen 29 Stimmen ab und nimmt darauf einstimmig die von I. Auer, A. Bebel, W. Liebknecht und anderen vorgelegte Resolution an. Sie bekräftigt die Gewerkschaftsbeschlüsse des Hallenser Parteitages und empfiehlt die "Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation zur Führung der wirtschaftlichen Kämpfe und den Parteigenossen die kräftigste Unterstützung der Gewerkschaftsbewegung durch Anschluß an die bestehenden Organisationen oder Neugründung an Orten, wo solche nicht bestehen". Eine prinzipielle oder taktische Änderung der Stellung der Partei zur Gewerkschaftsbewegung sei nicht notwendig, erklärt der Parteitag und wiederholt "den Ausdruck der Sympathie mit der Gewerkschaftsbewegung". Der Parteitag beschließt mit Mehrheit: "Gemäß den Beschlüssen der Internationalen Arbeiter-Kongresse von Paris (1889) und Zürich (1893) begeht die deutsche Sozialdemokratie den 1. Mai als das Weltfest der Arbeit, gewidmet den Klassenforderungen des Proletariats, der internationalen Verbrüderung, dem Weltfrieden. Zur würdigen Feier des 1. Mai erstreben wir die allgemeine Arbeitsruhe. Da aber deren Durchführung bei der gegenwärtigen Wirthschaftlage in Deutschland zur Zeit nicht möglich ist, empfiehlt der Parteitag, daß nur diejenigen Arbeiter und Arbeiter-Organisationen, die ohne Schädigung der Arbeiter-Interessen dazu im Stande sind, neben den anderen Kundgebungen den 1. Mai auch durch die Arbeitsruhe feiern."
Die Partei- und Gewerkschaftsmitglieder sollen ihre Parteipflicht nicht durch die Zugehörigkeit zu Landsmannschaften oder Mitgliedschaften in sogenannten Vergnügungsvereinen, Klubs usw. vernachlässigen.
Ein Antrag, die Einstellung von weiblichen Fabrikinspektoren gesetzlich zu verankern, wird an die Reichstagsfraktion überwiesen.

November 1893

C. Legien schreibt an Th. Leipart, den "Herren" vom Parteivorstand sei gezeigt worden, "daß die Zeit anbricht, in der sie nicht mehr absolut zu herrschen vermögen. Vergessen ist nichts, und nachgeben werde ich auf keinen Fall, mag da kommen was will".

6. November 1893

In einem Kommentar zum Kölner Parteitag der SPD stellt das "Correspondenzblatt" fest: "Nützen kann der Gewerkschaftsbewegung nur die Förderung der klaren Erkenntnis bei den Arbeitern, daß dieselbe ein berechtigter und nothwendiger Theil der Arbeiterbewegung ist. Hoffen wir, daß die Vertreter der Partei der Sympathieerklärung entsprechend handeln und energisch bei der Agitation für die Ausbreitung der Gewerkschaften mitwirken. Es wird aber vor Allem Sache der gewerkschaftlich organisirten Arbeiter selbst sein, ihre ganze Kraft einzusetzen, um den Gewerkschaften neue Mitglieder zuzuführen und die Organisationen so auszubauen, daß sie leistungsfähig sind."

12. November 1893

Auf der Sitzung des Zentralrates der Gewerkvereine werden Anträge beraten, für alle Staatsbetriebe den Achtstundentag zu fordern bzw diese Forderung auf alle Arbeiter auszudehnen.
Die Antragsteller bestreiten, daß der Achtstundentag eine sozialdemokratische Forderung sei, und machen M. Hirsch zum Vorwurf, daß er immer zunächst erwäge, was die Regierung zu einer Forderung sagen werde, und ängstlich prüfe, ob durch sie irgendein Prinzip verletzt werde. Für M. Hirsch ist eine Einschränkung der Arbeitszeit für Staatsbetriebe keine Prinzipverletzung, dagegen muß er der Ausdehnung auf die Privatindustrie entgegentreten. Es gelingt ihm auch, den Angriff insoweit abzuwehren, als die angenommene Resolution nur für Staatsbetriebe eine Arbeitszeit von 9 Stunden und für Bergwerke, sowie gesundheitsschädliche Betriebe von 8 Stunden verlangt, im übrigen sollen die Behörden über die Dauer der Arbeitszeit, Nacht- und Sonntagsarbeit, Lohnhöhe und dgl. statistische Erhebungen durchführen.

11. Dezember 1893

Das "Correspondenzblatt" veröffentlicht einen Appell an die Arbeiter, mit Nachdruck zum Gewerkschaftseintritt aufzufordern.
"In einem Lande, in welchem ein Mann wie der Eisenindustrielle Stumm es wagen kann, die Arbeiter seines Betriebes gleich Maschinenteilen zu betrachten, die auf seinen Wink sich bewegen und stillstehen, in einem Lande, wo die Regierung es wagen kann, die in ihren Betrieben beschäftigten Arbeiter auf das Straßenpflaster zu werfen und verhungern zu lassen, weil sie es wagen, ihre Menschenrechte in Anspruch zu nehmen, in einem solchen Lande ist es eine unabwendbare Notwendigkeit, daß die Arbeiter sich in festen Organisationen verbinden ... Wollen wir einer solchen Behandlung, wie sie der Arbeiterklasse in dem allerchristlichsten Staate Deutschlands zu Teil wird, wollen wir der Knechtung der Arbeitermassen ein Ende machen, dann müssen wir dem Gegner nicht nur die Klinke der Gesetzgebung aus der Hand zu reißen suchen, sondern müssen ihn an seiner empfindlichsten Stelle angreifen und ihm Vorteile auf dem wirtschaftlichen Gebiete abzuringen versuchen."

12. Dezember 1893

Adolf Dammann, am 24. September 1856 geboren, 1885 Mitglied der Kontrollkommission der Maurer Deutschland, 1889 Geschäftsführer der "Geschäftsleitung der Maurer Deutschlands", 1890 Mitglied der Generalkommission (Kassierer), 1891 Generalbevollmächtigter des Zentralverbandes der deutschen Maurer, in Hamburg gestorben. Nachfolger als Kassierer ist F. Schrader, der nun in die Generalkommission gewählt wird.

Ende 1893

Nach den der Generalkommission vorliegenden Angaben fanden 1893 116 Streiks statt, an denen rund 9.360 Arbeiter teilnahmen. Die Gesamtausgaben beliefen sich auf rund 172.000 Mark. Die Kosten dazu wurden aufgebracht durch die Verbandskassen 64.120 M, durch freiwillige Beiträge der Mitglieder 46.820 M, durch Beiträge anderer Gewerkschaften 27.940 M, durch Sammellisten 37.440 M und durch Zuwendungen aus dem Ausland 3.130 M.
Von den Streiks waren 79 Abwehrstreiks, davon 44 wegen Lohnreduzierungen und 15 wegen Maßregelungen. 33 Streicks verliefen erfolgreich, 30 erfolglos.
Ziele der 37 Angriffsstreiks waren 22mal Lohnerhöhungen und 10mal Arbeitszeitreduzierungen. 18 Streiks waren erfolgreich, 11 teilweise erfolgreich, 8 erfolglos.

Der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands sind 53 Zentralverbände mit rund 223.000, darunter rund 5.400 weiblichen Mitgliedern, angeschlossen
Die größten Verbände sind der Metallarbeiterverband (28.429), der Holzarbeiterverband (23.760), der Tischlerverband (19.400) und der Buchdruckerverband (16.520). Die kleinsten Verbände sind die der Plätterinnen (100), der Seiler (237), der Konditoren (303) und der Stukkateure (380).

1893 / 1894

Seit der Wintersession des Reichstages bringen die Sozialdemokraten regelmäßig einen Gesetzentwurf über das Versammlungs- und Vereinsrecht ein.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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