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1869

Im Zimmerergewerbe wird der erste Tarifvertrag in Berlin abgeschlossen, unterzeichnet von einem "Gesellenkomitee" und einer "Meisterkommission". Er enthält feste Lohnsätze für verschiedene tägliche Arbeitszeiten (variiert nach dem Arbeitsbeginn), regelt die Bezahlung bei Sonntags-, Feiertags- und Überstundenarbeit und bleibt bis 1883 in Kraft. Bis 1890 schließen lokale Zimmerergruppen insgesamt noch 11 weitere Verträge, u.a. in Altona, Kiel, Lübeck und Düsseldorf.

Die "Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege" wird zu einem Sammelpunkt sozialmedizinischer Bestrebungen.

In Leipzig wird eine Genossenschaftsdruckerei die "Vereinsdruckerei" errichtet, in der auch der "Correspondent" hergestellt wird.

Anfang / Mitte 1869

Bald nach der Veröffentlichung des A. Bebel'schen "Musterstatuts" werden einige Gewerkschaften gegründet: Anfang Januar gründen sächsische Bergarbeiter die "Gewerksgenossenschaft der Berg- und Hüttenarbeiter".

13. Januar 1869

Die "Allgemeine Deutsche Maurergewerkschaft" wird gegründet. Sie entwickelt sich rasch zu einer der mitgliedstärksten Gewerkschaften. Im Mai zählt sie bereits rund 4.100 Mitglieder.

März 1869

In Berlin wird der "Hirsch-Dunckersche Gewerkverein der deutschen Fabrik- und Handarbeiter" gegründet. Der Gewerkverein umfaßt ein weites Spektrum der Berufsgruppen, die in den Facharbeitergewerkschaften keine Aufnahme finden. Er schließt sich im Mai dem Dachverband an.

Frühjahr 1869

Bei der 2. Lesung der Gewerbeordnung im Reichstag beantragt A. Bebel Bestimmungen, nach denen die Streitigkeiten betreffend Kündigungsfristen usw. Gewerbegerichten überwiesen werden sollen; A. Bebel fordert zudem das Verbot des Trucksystems, obligatorische Fabrikordnungen für alle Betriebe mit mehr als zehn Arbeitern, wobei die Arbeiter gutachtlich zu hören seien; Bestimmungen über den Lehrvertrag, Beseitigung der Arbeitsbücher, Verbot der Kinderarbeit für Kinder unter vierzehn Jahren in Fabriken; das Verbot der Sonntagsarbeit, einen zehnstündigen Normalarbeitstag für Betriebe mit mehr als zehn Lohnarbeitern, volle Vereinigungsfreiheit für die Gewerkschaftsorganisationen sowie Einführung von Fabrikinspektoren.
Von diesen Forderungen wird im Reichstag mit Unterstützung der Liberalen nur der Abschaffung der Arbeitsbücher, die eine Benachteiligung der wandernden Handwerksgesellen sind, zugestimmt.

Der "Allgemeine deutsche Schneiderverein" nennt sich jetzt "Allgemeine deutsche Gewerkschaft der Schneider, Kürschner und Kappenmacher". Im Sommer kommt es wegen der Politik J. B. v. Schweitzers zur Spaltung. Im Juli 1870 hört die Gewerkschaft auf zu bestehen.

28./30. März 1869

Auf dem ersten Kongreß der Buchbinder-, Portefeuilles-, Etuis- und Cartonnagen-Arbeiter in Leipzig wird der "Internationale Verein für Buchbinder und verwandte Geschäftszweige" gegründet.
Zu seinen Aufgaben zählen u.a. die "Arbeitsnachweisung" in den Händen der Arbeiter, die Arbeiterunterstützung bei Streiks und Maßregelungen, z.B. "wenn ein Arbeiter mit Arbeitslosigkeit bestraft wird dafür, daß er das Recht seiner Brüder vertreten hat" und die Wahrnehmung allgemeiner Rechtsschutz-Aufgaben auf Vereinskosten.
Mitglieder können auch Arbeiterinnen und Kleinmeister werden. Der Kongreß beschließt, daß, um völlige Neutralität zu wahren, der Verein sich keinem anderen Verband anschließen soll.
Zum Vereinsorgan wird zunächst die rein fachgewerbliche in Leipzig erscheinende "Illustrierte Buchbinderzeitung" gewählt. Der Verein hört im Deutsch-Französischen Krieg auf zu bestehen.

April 1869

Der liberale "Gewerkverein der Tischler (Schreiner) und verwandter Berufsgenossen" wird in Berlin gegründet. Er gehört zu den größeren zentralen Fachorganisationen.

Mai 1869

In Berlin wird der Hirsch-Dunckersche "Gewerkverein der Porzellan- und verwandten Arbeiter" gegründet. Reiseunterstützungsverbände der Porzellanarbeiter bleiben daneben bestehen.

Anfang Mai 1869

In verschiedenen Städten beginnen zahlreiche z.T. umfangreiche Streiks: so in Berlin von 1.800 Zimmergesellen und in Leipzig von 900 Zigarrenarbeitern. Kurz darauf folgen Streiks von 500 Berliner Schmiede- und 4.000 Maurergesellen. Im Jahre 1869 werden rund 130 Streiks durchgeführt. Das sind mehr als je zuvor in einem Jahr guter Konjunktur. Die Industriearbeiter der Berg- und Hüttenwerke, der Metall- und Textilfabriken stellen ein Drittel der Streikenden.

15./17. Mai 1869

In Leipzig wird von 14 Delegierten, die rund 3.100 Arbeiter vertreten, die "Internationale Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik- und Handarbeiter" auf der Basis des Bebelschen Musterstatuts gegründet. Die Gewerksgenossenschaft versteht sich als Textilarbeitergenossenschaft. Die Mitgliedschaft ist nicht von "der Sprache, vom Alter, vom Geschlecht oder von der jeweiligen Verrichtung" abhängig. Jedes Mitglied ist zu jedem Amt der Gewerksgenossenschaft wählbar. Für Frauen wird gleicher Lohn bei gleicher Leistung gefordert; weitere Ziele sind: Gewährung von Schutz an die Mitglieder gegen Bedrückungen oder ungerechtfertigte Anforderungen von seiten der Arbeitgeber und Behörden, nötigenfalls Bestreitung der Kosten für alle gerichtlichen und außergerichtlichen Klagen und Führung der Prozesse aus der Genossenschaftskasse; statistische Erhebung über Höhe der Löhne, Arbeitszeit, Lebensmittelpreise und den Stand des Arbeitsmarktes überhaupt, Arbeitsvermittlung. Zunächst sind eine Reise- und eine Streikunterstützungskasse vorgesehen, später wird eine Krankenkasse errichtet.
Mit dieser Gründung wird versucht, über den Rahmen einer Berufsgewerkschaft hinauszugehen und alle - auch die Ungelernten - Beschäftigten in der Textilindustrie gemeinsam zu organisieren.
Ursprünglich sollte die Gewerkschaft "Spinn-, Web-, Wirk- und Fabrik-Arbeiter-Gewerks-Genossenschaft" heißen. Dabei sind in der letzteren Bezeichnung Färber, Appreteure, Tagelöhner ebenso inbegriffen wie in der ersten die Spinner, Spinnmeister, Ausputzer, Tuchmacher, Wollen-, Halbwollen- und Leineweber, Strumpfwirker und Posamentiere, Buckskin- und Zeugmacher.
Aus vereinsrechtlichen Gründen wird Eßlingen Sitz der Genossenschaft, Julius Motteler Präsident der Gewerkschaft, publizistisches Organ das "Demokratische Wochenblatt".
Die Gewerkschaft steht in Verbindung mit der im Juli 1867 ins Leben gerufenen "Spinn- und Webgenossenschaft", welche wiederum enge Fühlung mit den Konsumvereinen, Vorschuß- und Bildungsvereinen sowie mit den Schneider-Gewerkschaften von Sachsen besitzt.
Mit dem Begriff "International" soll die Anerkennung der Grundsätze der IAA ausgedrückt werden.

18. Mai 1869

In Berlin gründen Delegierte von acht zentralen Gewerkvereinen - es sind die Gewerkvereine der Maschinen- und Metallarbeiter, der Maurer und Steinhauer, der Zimmerleute, der Fabrik- und Handarbeiter, der Tischler und verwandten Berufsgenossen, der Porzellanarbeiter und Maler, der Stuhlarbeiter und Schuhmacher - und sieben selbständigen lokalen Gewerkschaften den "Verband Deutscher Gewerkvereine" (Hirsch-Duncker).
Anfang Juni wird der provisorische Zentralrat mit F. Duncker als Vorsitzenden und M. Hirsch als Sekretär gebildet.
Ein Teil der zentralen Gewerkschaften tritt dem Verband erst einige Monate später bei.
Die Gewerkvereine sind vor allem in Norddeutschland, in den preußischen Provinzen, verankert. Zentrum ist aber Berlin.
Verbandsorgan wird "Der Gewerkverein". Die erste Ausgabe erscheint am 23. Mai. Daneben werden die Gewerkvereine von einem großen Teil der liberaldemokratischen Presse unterstützt. Auf dem Gründungskongreß wird auch der Gewerkverein der deutschen Stuhl- (Textil-) Arbeiter gegründet.

23. Mai 1869

Die Generalversammlung des Gewerkvereins der Holzarbeiter in Kassel streicht die Mitgliedsfähigkeit der Frauen aus dem Statut, da Frauen kaum in die Gewerkvereine eintreten wollen. Die Generalversammlung beschließt, eine Krankenkasse einzurichten.

23./26. Mai 1869

Auf der Generalversammlung des "Deutschen Arbeiterschaftsverbandes" in Kassel vertreten 100 Delegierte rund 35.000 Mitglieder. Auf dieser Generalversammlung sind folgende Gewerkschaften vertreten: der Allgemeine Deutsche Zigarren- und Tabakarbeiterverein, der Allgemeine Deutsche Zimmererverein, der Allgemeine Deutsche Maurerverein, der Allgemeine Deutsche Schneiderverein, der Allgemeine Deutsche Schuhmacherverein, die Allgemeine Deutsche Vereinigte Metallarbeiterschaft, der Gewerkverein Deutsche Holzarbeiter, die Allgemeine Deutsche Genossenschaft der Hand- und Fabrikarbeiter, die Allgemeine Genossenschaft der Berg-, Hütten- und Salinenarbeiter, die Allgemeine Deutsche Manufakturarbeiterschaft, die Arbeiterschaft der Buchbinder, Lederarbeiter, Sattler, Riemer, Handschuhmacher usw.
Das Deutsche Maler-, Lackierer- und Vergoldergewerk, ein Verband, der auf dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongreß ebenfalls errichtet worden war, hatte seine Tätigkeit noch nicht begonnen. Erst am 29. August 1869 erfolgt, und zwar ebenfalls in Kassel, die Gründung.
Th. Yorck, der Präsident des Gewerkvereins Deutscher Holzarbeiter, hält einen Ausbau des Unterstützungskassenwesens für notwendig und legt dabei besonders Wert auf die Krankenunterstützung. Beschlossen wird, daß wohl wünschenswert sei, daß die einzelnen Arbeiterschaften die Krankenunterstützung einführen, daß aber die Gründung einer Verbandskrankenkasse noch nicht angängig sei.

25. Mai 1869

In Dresden wird die "Internationale Gewerksgenossenschaft der Maurer und Zimmerer" gegründet.

29. Mai 1869

Der Norddeutsche Reichstag nimmt gegen die Stimmen der Sozialdemokraten eine neue Gewerbeordnung an, mit der noch bestehende Koalitionsverbote aufgehoben werden, gleichzeitig aber auch Strafen bei "mißbräuchlicher Anwendung" diese Rechtes angedroht werden.
Die entscheidenden Paragraphen lauten:
§ 152: "Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende, gewerbliche Gehilfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter werden aufgehoben.
Jedem Teilnehmer steht der Rücktritt von solchen Vereinigungen und Verabredungen frei, und es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt."
§ 153: "Wer andere durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen oder Ehrverletzung oder durch Verrufserklärung bestimmt oder zu bestimmen versucht, an solchen Verabredungen (§ 152) teilzunehmen oder ihnen Folge zu leisten, oder andere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern versucht, von solchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, sofern nach dem allgemeinen Strafgesetz nicht eine härtere Strafe eintritt."
Die Bestimmungen dieser neuen Ordnung beziehen sich nicht auf Seeleute, Hausangestellte und Staatsangestellte.
Erst im Jahre 1918 wird der § 153 aufgehoben. Beinahe fünfzig Jahre lang hat er wie ein Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter gewirkt und zahllose Opfer gefordert. Das Koalitionsrecht wird außerdem durch die bestehenden Vereinsgesetze wesentlich eingeschränkt.
Die Gewerbeordnung legt weiter u.a. fest:
§ 105: "Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Gewerbetreibenden und ihren Gesellen, Gehülfen und Lehrlingen ist Gegenstand freier Übereinkunft."
Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen ist, vorbehaltlich der anderweitigen Vereinbarungen in Dringlichkeitsfällen, niemand verpflichtet. Das Truckverbot wird bestätigt.
Die Privilegien der Innungen werden radikal beschnitten. Ihre Zuständigkeiten für das handwerkliche Lehrlings- und Prüfungswesen entfallen.
§ 107: "Jeder Gewerbe-Unternehmer ist verbunden, auf seine Kosten alle diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherung der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig sind."
§ 108: "Streitigkeiten der selbständigen Gewerbetreibenden mit ihren Gesellen, Gehülfen oder Lehrlingen, die sich auf den Antritt, die Fortsetzung oder Aufhebung des Arbeits- oder Lehrverhältnisses, auf die gegenseitigen Leistungen während der Dauer desselben oder auf die Ertheilung oder den Inhalt der erwähnten Zeugnisse - die Unternehmer müssen nun Arbeitszeugnisse ausstellen - beziehen, sind, soweit für diese Angelegenheiten besondere Behörden bestehen, bei diesen zur Entscheidung zu bringen.
Insoweit solche besondere Behörden nicht bestehen, erfolgt die Entscheidung durch die Gemeindebehörde.
Die beiderseitige Kündigungsfrist beträgt 14 Tage.
Kinder unter zwölf Jahren ist Fabrikarbeit verboten. Kinder ab dem vierzehnten Lebensjahre dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie täglich mindestens dreistündigen Schulunterricht erhalten. Ihre Beschäftigung darf sechs Stunden täglich nicht übersteigen. Junge Leute über 14 Jahre dürfen vor vollendetem sechzehnten Lebensjahre in Fabriken nicht über zehn Stunden täglich beschäftigt werden."
§ 129: "Zwischen den Arbeitsstunden muß den jugendlichen Arbeitern Vor- und Nachmittags eine Pause von einer halben Stunde und Mittags eine ganze Freistunde, und zwar jedesmal auch Bewegung in der freien Luft gewährt werden.
Die Arbeitsstunden dürfen nicht vor 5 1/2 Uhr Morgens beginnen und nicht über 8 1/2 Uhr Abends dauern."
Die Gewerbeordnung kennt keine Zwangskassen mehr. Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge und Fabrikarbeiter sind nicht mehr verpflichtet einer bestimmten Kasse beizutreten, wenn sie nachweisen, daß sie anderen Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen angehören.
Die Unternehmer brauchen keiner Kranken- oder Hilfskasse mehr beizutreten. Bis zum Erlaß eines Reichsgesetzes bleiben die Landesgesetze über Kranken-, Hilfs- und Sterbekassen für Gesellen, Gehilfen und Fabrikarbeiter in Kraft.

Mitte Juni 1869

Der Vorstand des "Allgemeinen deutschen Zimmerervereins" beschließt ein Streikreglement, nachdem kein Mitglied Ansprüche auf Streikunterstützung aus der Zentralkasse hat, wenn er nicht mindestens 6 Beiträge gezahlt hat. Ein Streik kann nur begonnen werden, wenn mindestens die Hälfte der am Ort anwesenden Mitglieder zur Unterstützung berechtigt ist.

Sommer 1869

In Berlin streiken 5.000-6.000 Maurergesellen für höhere Löhne. Der Streik beginnt erst nach eingehender Diskussion, obwohl die Maurer schon zuvor eine "Unterstützungskasse für den Fall der Arbeitseinstellung" gegründet hatten.
Da die finanziellen Mittel häufig unzureichend sind, wird zu Extrabeiträgen und Spenden aufgefordert.
Geplant und geleitet wird der Streik von einem gewählten Streikkomitee.
Ein wichtiger Teil dieses, aber auch vieler anderer Streiks ist es, den Zuzug auswärtiger herbeigelockter, fremder Arbeitskräfte zu verhindern.
Häufig werden andererseits ledige und junge Mitglieder aufgefordert, den Streikort zu verlassen, um die finanzielle Belastung der Organisation zu vermindern.

Mitte 1869

Beide Zweige des ADAV einigen sich für kurze Zeit. Die dabei von J. B. von Schweitzer angewendete Taktik wird u.a. von führenden Gewerkschaftern heftig kritisiert, zumal die Gefahr zu bestehen scheint, daß die Gewerkschaften bald wieder aufgelöst werden sollen. Denn der Verband und seine Gewerkschaften sind nach Auffassung von J. B. von Schweitzer eine Einrichtung der Partei.
Die Vorsitzenden des Tabakarbeiterverbandes (F. W. Fritzsche), des Schuhmacherverbandes, des Holzarbeiterverbandes (Th. Yorck) und des Schneiderverbandes treten aus dem ADAV aus.
Die Versuche, diese Gewerkschafter ihrer Gewerkschaftsfunktion zu entheben bzw. sie aus der Gewerkschaft auszuschließen, bleiben erfolglos.
Die lassalleanische Gewerkschaftsbewegung gerät in eine große Krise.
Die Jahre 1869/1870 zeigen ein sehr verwirrendes, kaum überschaubares Bild der Gewerkschaftsorganisationen.

1. Juli 1869

Die Invalidenkasse des Hirsch-Dunckerschen-Gewerkvereins - die "Deutsche Verbandskasse für Invaliden der Arbeit" - beginnt ihre Tätigkeit.

4. Juli 1869

In Arnstadt wird der "Verein der französischen Handschuhmacher Deutschlands" gegründet, nachdem die Glacéhandschuhunternehmer einen Arbeitgeberverband errichtet hatten.
Sitz wird Augsburg, ab 1. August erscheint das "Vereinsblatt der Mitglieder französischer Handschuhmacher in Deutschland". Es wird 1871 in "Vereinsblatt der Glacéhandschuhmacher in Deutschland" umbenannt.

11. Juli 1869

In Waldenburg/Niederschlesien wird der "Gewerkverein der deutschen Bergarbeiter" gegründet. Er bezweckt "den Schutz und die Förderung der Rechte und Interessen seiner Mitglieder auf gesetzlichem Wege". Dieser Zweck soll u.a. durch eine Kranken-, eine Begräbnis- und eine Invaliden- und Altersversorgungskasse erreicht werden, durch Unterstützung von streikenden und ausgesperrten Bergarbeitern, durch die Gründung von Produktivgenossenschaften, durch die Förderung der allgemeinen Bildung sowie durch eine Arbeitsvermittlung. Zur Erledigung von Differenzen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind paritätische Schiedsgerichte zu bilden.

19. Juli 1869

Auf einem außerordentlichen Verbandstag des "Verbandes der Gewerkvereine" wird M. Hirsch mit der "Anbahnung des internationalen Verkehrs" zunächst mit den englischen Gewerkvereinen beauftragt.

25. Juli 1869

Bischof W. E. v. Ketteler hält in Offenbach eine Rede, in der er seine Vorstellungen erneut erläutert, die seither als die "Magna Charta der christlichen Arbeiterbewegung" gelten. Die Frage, ob sich die katholischen Arbeiter an dem Zusammenschluß der Arbeiter zur Vertretung ihrer Interessen beteiligen sollen, wird von W. E. v. Ketteler eindeutig bejaht. Folgende Hauptforderungen finden seine uneingeschränkte Zustimmung:
Eine dem wahren Wert der Arbeit entsprechende Erhöhung des Arbeitslohnes;
die Verkürzung der Arbeitszeit für gesundheitliche, geistige und religiöse Bedürfnisse;
die Gewährung von Ruhetagen, insbesondere die unbedingte Einhaltung der Sonntagsruhe;
ferner Arbeiterschutzmaßnahmen, das Verbot der Fabrikarbeit für schulpflichtige Kinder und Frauen und vor allem überparteiliche Gewerkschaftsorganisationen als Berufsverbände des Arbeiterstandes mit gesetzlich festgelegten Aufgaben und Rechten.
Noch im gleichen Jahr referiert W. E. v. Ketteler auf der Fuldaer Bischofskonferenz über die Arbeiterfrage, indem er einen detaillierten Katalog der sozialen Hilfsmaßnahmen des Staates und der Kirche, ein erstes umfassendes sozialpolitisches Programm, aufstellt.

August 1869

In Pforzheim wird der "Gewerkverein der Deutschen Gold- und Silberarbeiter" gegründet. Der Verein trennt sich im Dezember 1871 vom Verband der Gewerkvereine.

1./3. August 1869

In Berlin wird der "Gewerkverein der deutschen Schneider und verwandten Berufsgenossen" gegründet.

7./9. August 1869

Auf einen Kongreß in Eisenach beschließen Vertreter der sozialdemokratischen Parteien und der Arbeitervereine die "Sozialdemokratische Arbeiterpartei" zu gründen. In ihrem Programm erklärt sich die Partei ausdrücklich als Zweig der IAA. Der Kampf für die Befreiung der arbeitenden Klassen sei nicht ein Kampf für Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für gleiche Rechte und gleiche Pflichten und für die Abschaffung aller Klassenherrschaft. Die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters von den Kapitalisten bilde die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form. Die Sozialdemokratische Partei erstrebe deshalb, unter Abschaffung der jetzigen Produktionsweise, den vollen Arbeitsertrag für jeden Arbeiter und den "Freien Volksstaat". Als nächste Forderungen werden genannt: Erteilung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts an alle Männer vom 20. Lebensjahr für das Parlament und die Landtage der Einzelstaaten; direkte Gesetzgebung durch das Volk; Abschaffung aller indirekten Steuern; Einführung einer progressiven Einkommens- und einer Erbschaftssteuer; Errichtung der Volksheere an Stelle der stehenden Heere; Trennung von Kirche und Staat; Unabhängigkeit der Gerichte; Einführung der Geschworenen- und Fachgewerbegerichte; Koalitions-, Vereins- und Pressefreiheit; der Normalarbeitstag; Einschränkung der Frauen-, Verbot der Kinderarbeit; staatliche Förderung des Genossenschaftswesens und Staatskredite für freie Produktionsgenossenschaften unter demokratischen Garantien.
In der Diskussion wird zum ersten Mal für Frauen der gleiche Lohn für gleiche Arbeit verlangt.
Unter dem Tagesordnungspunkt 5 wird "Die Vereinigung der Gewerksgenossenschaften" behandelt.
Die Delegierten beschließen: "Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei betrachtet es als eine Pflicht eines jeden Parteigenossen, auf eine Einigung der Gewerkschaften hinzuwirken, hält aber als Bedingung fest, daß die Gewerkschaften sich von dem Arbeiterschaftspräsidium des Hrn. v. Schweitzer lossagen." Der Kongreß empfiehlt den Parteimitgliedern, "soweit sie es vermögen, dahin zu wirken, daß die Gewerkschaften im Wege gegenseitiger Rückversicherungsverträge (Kartelle) sich möglichst ihr Bestehen zu sichern suchen". Damit soll eine Verbindung der Gewerkschaften zu einem Verband angestrebt werden.
Der Schweizer Hermann Greulich schlägt auf dem Kongreß vor, durch Kontakte "zu den Berufsgenossen anderer Länder" hätten "die verschiedenen Gewerkschaften international dastehende Körperschaften zu bilden" und als solche mit dem Londoner Generalrat der IAA als "zentralisierendem Organ in Verbindung" zu treten.
Zum Parteiorgan wird das "Demokratische Wochenblatt" bestimmt, das vom 1. Oktober ab dreimal wöchentlich unter dem Titel "Der Volksstaat" - Organ der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der internationalen Gewerksgenossenschaften - erscheint.
Einige Delegierte verlangen den Achtstundentag. Th. Yorck hält es für ungünstig, diese Forderung zu stellen, da keine Aussicht auf Verwirklichung besteht.
Während des Kongresses wird unter Führung von Th. Yorck eine neue Holzarbeitergewerkschaft gebildet. Ihre Mitglieder kommen aus dem lassalleanischen Gewerkverein und lokalen Organisationen. Die neue Gewerkschaft nennt sich seit April 1870 "Internationale Gewerkschaft der Holzarbeiter".

10. August 1869

Der 6. Vereinstag des Verbandes der deutschen Arbeitervereine in Eisenach beschließt die Auflösung des Verbandes und den Anschluß an die Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Zum Verband zählen 109 Vereine mit rund 10.000 Mitgliedern.
A. Bebel berichtet, daß bis zu diesem Zeitpunkt die internationale Gewerkschaft der Buchbinder, die der Manufaktur-, Fabrik- und Handarbeiter, die der Berg- und Hüttenarbeiter gegründet worden seien. Der Konstituierung nahe seien die Metallarbeiter, die Holzarbeiter, die Schuhmacher, die Maurer- und Zimmerergewerkschaften. Die Initiatoren und viele der Mitglieder kommen aus dem Arbeiterschaftsverband bzw. aus den lassalleanischen Gewerkschaften.

14./15. August 1869

Als erster Unternehmerverband gründen 87 Druckereibesitzer in Mainz den "Deutschen Buchdruckerverein", um "eine aufbauende Gegenwirkung gegen die zersetzende Agitation einzelner Gehilfenkreise in der Buchdruckerwelt zu schaffen".
1870 wird allerdings als Ziel ausdrücklich die "Ordnung und Befestigung der geschäftlichen Verhältnisse zwischen Prinzipalen und Gehilfen unter Hinzuziehung der letzteren" bestimmt. Über die konkrete Ausgestaltung dieses Ziels kommt es im Verein immer wieder zu Differenzen.

14./16. August 1869

In Nürnberg wird die "Internationale Gewerksgenossenschaft der Metallarbeiter" gegründet. Mitglied können auch Kleinmeister "mit höchstens vier Beschäftigen" und "Arbeiterinnen" werden.
Besondere Zwecke der Gewerksgenossenschaft sind: die "ausgedehnte Statistik der Arbeits-, Lohn- und Lebensverhältnisse; die Arbeitsvermittlung sowie die Regelung und Beaufsichtigung des Lehrlingswesens".

29./30. August 1869

Der "Gewerkverein der Deutschen Gold- und Silberarbeiter und verwandter Berufsgenossenschaften" mit Sitz in Pforzheim wird gegründet.

September 1869

Nach heftigen internen Auseinandersetzungen über die Haltung zur SDAP und zum ADAV trennt sich eine lassalleanische Opposition vom Zigarren- und Tabakarbeiterverband. Die oppositionellen Gewerkschafter gründen die "Allgemeine Tabak- und Zigarrenarbeitergewerkschaft", die sich dem Arbeiterschaftsverband anschließt.

In Berlin entsteht ein Arbeiterinnen-Verein, der von "humanen und für das Wohl des weiblichen Geschlechts stets tätigen Frauen" geleitet wird und die "Hebung des materiellen und geistigen Wohls" seiner Mitglieder bezweckt. Es unterhält auch ein "Arbeits-Nachweisungs-Bureau". Der Verein besteht nur kurze Zeit.

6. September 1869

Nachdem es seit Mitte der 60er Jahre im Rheinland zur Gründung erster christlich-sozialer Vereine gekommen war, wird auf dem Katholikentag in Düsseldorf eine "Soziale Sektion" eingesetzt, die 1870 die erste Tagung der christlich-sozialen Vereine des Rheinlandes und Westfalen organisiert.
Der Katholikentag fordert "die christlichen Männer aller Stände auf, sich der arbeitenden Klassen anzunehmen und für das ökonomische und sittliche Wohl derselben zu wirken".
Doch die politischen Ereignisse der Zeit - der Krieg 1870/71, die Gründung des Deutsches Reiches, die Bildung einer katholischen Partei - des Zentrums - und schließlich der Kulturkampf haben längere Zeit die weitere Entwicklung behindert.

6./11. September 1869

Der Kongreß der IAA in Brüssel betont erneut die Notwendigkeit, die Gewerkschaftsorganisationen im Rahmen eines Landes zusammenzuschließen.

12./14. September 1869

In Mainz wird die Gewerksgenossenschaft "Allgemeiner Deutscher Schneider-Verein" gegründet, die jedoch kaum Widerhall findet. Die Organisation lehnt sich eng an die Bebel'schen Musterstatuten an.

Herbst 1869

Der Buchdruckerverband zählt rund 6.600 Mitglieder an 426 Orten, zusammengefaßt in 41 Gauverbänden.
Er ist zu dieser Zeit die bestorganisierte Gewerkschaft.

Der "Gewerkverein deutscher Holzarbeiter" wird in Opposition zum "Gewerkverein der Holzarbeiter" gegründet, der sich inzwischen den Gewerksgenossenschaften angeschlossen hat.

Nach einer Agitationsreise durch Deutschland teilt J. B. v. Schweitzer in Berlin mit, an vielen Orten sei Stimmung für die Zusammenlegung aller Gewerkschaften vorhanden. Der Verbandsausschuß kommt diesem Plan entgegen. W. Tölcke soll der nächsten Generalversammlung des Arbeiterschaftsverbandes eine Denkschrift vorlegen, "in der die Mängel und Nachteile der jetzigen Einrichtung ausführlich dargestellt werden sollen".
Diese Denkschrift kommt zwar nicht zustande, wohl aber ein paar Wochen nach der Ausschußsitzung der Entwurf einer Satzung für einen "Allgemeinen Deutschen Gewerkverein", der von J. B. v. Schweitzer herrührt. Auch in der Einleitung, die er vorausschickt, weist er darauf hin, daß die Verschmelzung von außen gewünscht werde.

30. September 1869

In einem Gespräch mit Vertretern der "Allgemeinen deutschen Metallarbeiterschaft" in Hannover antwortet K. Marx auf deren Fragen:
"Müssen die Gewerkschaften vorwiegend von einem politischen Verein abhängig sein, wenn sie lebensfähig sein sollen?" Die Antwort ist: "Niemals dürfen die Gewerkschaften mit einem politischen Verein in Zusammenhang gebracht oder von einem solchen abhängig gemacht werden, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen sollen; geschieht dieses, so heißt das ihnen den Todesstoß geben. Die Gewerkschaften sind die Schulen für den Sozialismus. In den Gewerkschaften werden die Arbeiter zu Sozialisten herangebildet, weil ihnen da tagtäglich der Kampf mit dem Kapital vor Augen geführt wird. Alle politischen Parteien, mögen sie sein, welche sie wollen, ohne Ausnahme, begeistern die Massen der Arbeiter nur eine Zeitlang vorübergehend, die Gewerkschaften hingegen fesseln die Masse der Arbeiter auf die Dauer, nur sie sind imstande, eine wirkliche Arbeiterpartei zu repräsentieren und der Kapitalmacht ein Bollwerk entgegenzusetzen. Zu der Einsicht ist die größere Masse der Arbeiter gelangt, daß ihre materielle Lage gebessert werden muß, mögen sie einer Partei angehören, welcher sie wollen. Wird nun aber die materielle Lage des Arbeiters gebessert, dann kann er sich mehr der Erziehung seiner Kinder widmen, Frau und Kinder brauchen nicht in die Fabrik zu wandern, er selbst kann seinen Geist mehr bilden, seinen Körper mehr pflegen, er wird dann Sozialist, ohne daß er es ahnt."

Anfang Oktober 1869

Der "Gewerkverein der Deutschen Maler, Coloristen, Lithographen, Steindrucker und der damit in Verbindung stehenden Berufsgenossen" wird gegründet. Ende des Jahres konstituiert sich als Konkurrenzorganisation die "Internationale Gewerksgenossenschaft der Maler, Tüncher, Lackierer und Vergolder".
Die Mitgliederzahl beider Organisationen bleibt ziemlich begrenzt.

2. Oktober 1869

Der provisorische Verwaltungsrat der "Internationalen Gewerksgenossenschaft der Schuhmacher" weist die Mitglieder darauf hin, daß es "zweifellos ein sehr gutes Agitationsmittel" ist, "wenn die Gewerkschaften überall dahin streben, entweder Ortskrankenkassen zu gründen, wo keine sind, oder die Vereinigung der bestehenden Krankenkassen mit den Gewerkschaften herbeizuführen".

13. Oktober 1869

Das Direktorium des "Internationalen Buchbinder-Verbandes" spezifiziert den Organisationsbereich des Verbandes, zu dem im einzelnen gehören: "Buchbinder, Portefeuille-, Etuis- und Kartonagen- und deren Hilfsarbeiter, Arbeiter in Kunst- und Prägeanstalten, Papiermaché-, Papier-, Pappen-, Spielkarten-, Pergament-, Tapeten-, Couvert- und Papierwäsche-Fabriken, ohne Unterschied des Geschlechts.
Gleichzeitig werden die Mitglieder wiederholt erinnert, "daß die eifrigste Tätigkeit für die Ausbreitung des Vereins dringende Notwendigkeit ist. Jedes Mitglied wünscht und hat ein Recht zu fordern, daß der Verein auf seine soziale Lage bessernd einwirke, allein so lange der Verein nicht tausende von Mitgliedern zählt, kann er keinen rechten Einfluß ausüben".

31. Oktober / 1. November 1869

Die Lokalvereine der Schuhmacher gründen endgültig in Leipzig die "Internationale Gewerkschaft der Schuhmacher und verwandter Gewerbe" mit Sitz in Stuttgart.
Mitglied kann jeder Arbeiter ohne Unterschied des Alters, Geschlechts und der jeweiligen Verrichtung sowie jeder Kleinmeister und jede Kleinmeisterin - sie beschäftigen weniger als 4 Personen auf eigene Rechnung - werden.
Zu den Aufgaben der Gewerkschaft gehören u.a. "Gewährung von Schutz an die Mitglieder gegen Bedrückung oder ungerechtfertigte Anforderungen seitens der Arbeitgeber und Behörden, nötigenfalls Bestreitung der Kosten für alle gerichtlichen und außergerichtlichen Klagen und Führung der Prozesse aus der Genossenschaftskasse, sowie Bildung eines Fonds zur gegenseitigen Unterstützung der Mitglieder in Fällen unverschuldeter Arbeits- oder Erwerbslosigkeit", Einrichtung diverser Kassen; Förderung von Produktivgenossenschaften, "um damit das Hauptmittel zu Hebung des Arbeiterstandes zu erlangen, indem dadurch der Arbeitslohn durch den Arbeitsertrag ersetzt wird", statistische Erhebungen über Löhne, Arbeitszeit und Lebensmittelpreise; "Gründung und Unterstützung eines Preßorgans, welches die Interessen der Gewerksgenossenschaft wahrnimmt".
Nur der Zentralvorstand kann über einen Streik entscheiden.

31. Oktober / 1. Dezember 1869

In Dresden wird die "Internationale Gewerkschaftsgenossenschaft der Maurer und Zimmerer" gegründet.

November 1869

Auf der Generalversammlung der Zigarrenarbeiter in Bielefeld wird die bei der Gründung des Vereins 1865 beschlossene Arbeitslosenunterstützung wieder gestrichen, weil sie wegen der geringen finanziellen Mittel undurchführbar war. Anstelle dieser Unterstützung wird nun eine Gemaßregelten- und Streikunterstützung eingeführt.

28./30. November 1869

Auf einem Kongreß in Braunschweig vereinigen sich die zum Arbeiterschaftsverband gehörende "Allgemeine Deutsche Metallarbeiterschaft" - Teil des Arbeiterschaftsverbandes - und die "Internationale Gewerksgenossenschaft der Metallarbeiter" zur "Internationalen Metallarbeiterschaft". Ihr Sitz ist zunächst Hannover und wird 1872 Chemnitz.
Mitglieder können auch Frauen und "Kleinmeister" mit höchstens vier Beschäftigten werden.
Zum besonderen Zweck der Genossenschaft gehören u.a. die "ausgedehnte Statistik der Arbeits-, Lohn- und Lebensverhältnisse, die Arbeitsvermittlung und die Regelung und Beaufsichtigung des Lehrlingswesens".
Die Delegierten beschließen, durch ein "'Manifest" die Metallarbeiter Deutschlands und der Schweiz zum Beitritt aufzufordern und mit den englischen Gewerksgenossenschaften eine möglichst enge Verbindung anzubahnen, damit die solange geflissentlich verhinderte und doch so notwendige Einigung aller Arbeiter endlich vollzogen, die unter Verhöhnung des Klassenbewußtseins in die Arbeiterbewegung sich eindrängenden Nichtarbeiter immer mehr zurückgedrängt und der Mahnruf "Proletarier aller Länder vereinigt euch" zur Tatsache werde.

1. Dezember 1869 / 14. Januar 1870

Nachdem die Bergwerksbesitzer ablehnen, den Gewerkverein als Vertreter der Arbeiterinteressen anzuerkennen, bricht im Waldenburger Revier (Niederschlesien) der bis dahin größte Bergarbeiterstreik aus - 6.400 von 7.400 Bergarbeitern des Reviers beteiligen sich. Die Bergleute fordern höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten. Die Bergwerksbesitzer fordern von den Bergleuten ultimativ, daß nur, wenn sie aus dem Hirsch-Dunckerschen "Gewerkverein deutscher Bergarbeiter" austreten und für alle Zeiten auf eine Mitgliedschaft verzichten, eine Wiederaufnahme der Arbeit möglich sei.
Das lehnen die Bergleute ab. Der Streik endet mit einem Fiasko, weil eine nennenswerte Streikunterstützung des Gewerkvereins ausbleibt. Diese Niederlage führt zu einem starken Mitgliederrückgang der Gewerkvereine.
Ähnlich verlaufen Ausstände in den Tuchfabriken und bei den Webern im Bezirk Sorau.
Folge dieser Streiks ist auch die Bildung von Fabrikantenvereinen, die sich zur gegenseitigen Unterstützung verpflichten. Sie lehnen nicht nur die Forderungen der Arbeiter ab, sondern auch, überhaupt mit Gewerkschaftsvertretern zu verhandeln.

29. Dezember 1869

J. B. von Schweitzer veröffentlicht den Entwurf einer Satzung eines "Allgemeinen Deutschen Gewerkvereins".
Dazu erklärt er "von allen Seiten ertönt im Verband der Ruf nach größerer Zentralisation".

Ende 1869

Die internationalen Gewerksgenossenschaften haben rund 8.000 Mitglieder.

Ein Teil der Mitglieder des "Deutschen Sattlervereins" beschließt, dem Pfingsten 1869 gegründeten "Gewerkverein der Schuhmacher" beizutreten, der, da gleichzeitig auch zwei Ortsvereine der Gerber beitreten, seinen Namen in "Gewerkverein der Schuhmacher und Lederarbeiter" ändert.

Ende der 60er Jahre

In Deutschland bestehen die dem ADAV Schweitzers verbundenen Arbeiterschaften, die Internationalen Gewerksgenossenschaften, die sich an der von A. Bebel und W. Liebknecht geführten "Eisenacher" SDAP orientieren und die der liberalen Fortschrittspartei nahestehenden Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine, denen zumindest zunächst die dem Status nach "höheren" Arbeiter zuneigen.
Noch sind die Gewerkschaftsgründungen deutlich von handwerkschaftlicher Tradition geprägt. Die meisten der bestehenden Gewerkschaften sind Berufsgewerkschaften, die z.T. die Aufnahme ungelernter und angelernter Arbeitnehmer aus ihrem Arbeitsbereich ablehnen. Das Bewußtsein für kollektive Interessenvertretung ist noch nicht sehr stark verankert.
Die Parteien sehen in den jüngeren Gewerkschaften zweifellos zunächst ein günstiges Rekrutierungsgebiet für ihre noch schwache Position.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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