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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
21. Sept. 1974

Bundeskanzler H. Schmidt bezeichnet auf dem Landesparteitag der SPD in Hamburg die öffentliche Selbstdarstellung der SPD als den entscheidenden Grund für das Tief, in das die sozialdemokratische Partei im Winter vorigen Jahres und dann im Laufe des Jahres 1974 bei den Wählern gesackt ist. Ihr braucht euch nur vorzustellen, daß die Debatte, die ihr hier führt, gestern abend und heute morgen live über beide Programme des Deutschen Fernsehens oder nur über die Rundfunksender ausgestrahlt wird, daß jedermann sie hören kann. Ihr werdet euch vorstellen, daß von 100 Bürgern inzwischen 95 längst abgeschaltet haben, weil sie es zum Teil nicht verstehen, weil es sie zum Teil nicht interessiert, weil es völlig an ihren konkreten Sorgen vorbeigeht! H. Schmidt führt weiter aus: Theoriedebatte ist etwas Notwendiges - man braucht Grundlagen. Ich bilde mir ein, in meinem Leben dazu auch eine ganze Menge beigetragen zu haben mit mehreren Büchern, mit einer Reihe wissenschaftlicher Aufsätze und auch mit einem ersten Entwurf zu einem Langzeitprogramm. Aber es ist etwas Verschiedenes, in seinem eigenen Studierzimmer unter sich mit seinen Genossen darüber zu reden und um die geistigen Grundlagen zu ringen, auf denen wir stehen. Und es ist etwas Verschiedenes, dieses quasi als geistigen Hauptinhalt einer Partei der öffentlichen Meinung darzustellen. Geht gefälligst hin in die Delegiertenversammlungen der Gewerkschaften, in die Zusammenkünfte der Arbeitnehmer unserer Partei, um zu begreifen, was die Arbeiter wirklich berührt. Ihr beschäftigt euch mit der Krise des eigenen Hirns statt mit den ökonomischen Bedingungen, mit denen wir es zu tun haben. Seid euch darüber klar, daß, wenn ihr die Welt verändern wollt - das will die Sozialdemokratische Partei, das hat sie in den letzten Jahren getan, das wird sie in den nächsten Jahren tun -, ihr das Vertrauen der Wählerschaft braucht. Und bei alldem, was ihr öffentlich redet und an Resolutionen öffentlich verbreitet, stellt euch bitte immer mal die Frage mit: was sagen eigentlich meine Wähler aus Steinwerder dazu?


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net edition fes-library | Juni 2001