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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
18./24. Juni 1922

11. Kongreß der Gewerkschaften. - 1. Bundestag des ADGB in Leipzig. 691 Delegierte vertreten 7 574 825 Mitglieder. Von den Delegierten gehören 463 der SPD, 138 der USPD und 88 der KPD an. Vorsitzende des Kongresses sind Th. Leipart, G. Reichel, F. Paeplow.
Tagesordnung: Betriebsräte und Gewerkschaften (C. Nörpel, F. Tarnow, R. Dißmann); Arbeitsgemeinschaften und Wirtschaftsräte (R. Wissell, J. Simon); das künftige Arbeitsrecht in Deutschland (H. Sinzheimer).
Der Kongreß ist der Auffassung, daß die Gewerkschaften als Grundlage der Arbeiterbewegung überhaupt zu ihren Organen auch die gewählten Betriebsräte mit ihren gesetzlichen Aufgaben zählen. Die Betriebsräte können daher nicht als solche die Forderungen und Ziele der Arbeitnehmer zur Durchrührung bringen. Hierdurch ist die Stellung der Betriebsräte innerhalb der Arbeiterbewegung gegeben. In den Gewerkschaften ist der Einfluß der Betriebsräte in dem Maße gesichert, in welchem sich die Betriebsräte als Gewerkschaftsfunktionäre betätigen.
Für den Antrag, aus der »Zentralarbeitsgemeinschaft« auszutreten, stimmen 345 Delegierte, die 3,58 Millionen Mitglieder, gegen den Antrag 327 Delegierte, die 3,8 Millionen vertreten. Damit ist der Austritt aus der »Zentralarbeitsgemeinschaft« abgelehnt. Da der Bundesvorstand nach dieser Abstimmung die Basis für das Verbleiben zu gering hält, erklärt er die Vorstandswahlen als erneute Abstimmung über die «Zentralarbeitsgemeinschaft«.
465 Delegierte sprechen sich für eine grundlegende Änderung der bisherigen Gewerkschaftsstrukturen aus. Der Vorstand und Ausschuß werden dem folgenden Kongreß eine Vorlage über die Bildung von Industrieverbänden und deren Abgrenzung unterbreiten.
Ein Antrag der kommunistischen Delegierten, der die sofortige Freilassung aller der Arbeiterklasse angehörenden Gefangenen und eine umfassende Amnestie für alle politischen und damit zusammenhängenden Verbrechen und Vergehen verlangt sowie gleichzeitig auf das schärfste gegen die unerhörten Urteile der Klassenjustiz der Deutschen Republik gegen revolutionäre Arbeiter protestiert, wird angenommen, obwohl Wortlaut und Ausdrucksweise des Antrages von der Mehrheit nicht gebilligt werden. Dem »flammenden« Protest des ADGB gegen die in Moskau betriebene Sowjetjustiz gegen die Sozialrevolutionäre schließen sich die kommunistischen Delegierten nicht an.
Eine grundlegende Steuerreform bildet die Voraussetzung, die Lage der arbeitenden Klasse endlich erträglicher zu gestalten. Der Kongreß beauftragt den Bundesvorstand, die Macht der Gewerkschaften in jeder nur möglichen und geeigneten Weise unter Zuhilfenahme aller gewerkschaftlichen Kampfmittel dafür einzusetzen, daß die von ihm aufgestellten Forderungen, insbesondere die Erfassung der Sachwerte, praktisch durchgeführt werden.
Der Kongreß erblickt in der »Technischen Nothilfe« eine Gefahr für die Bestrebungen der organisierten Arbeiterschaft. Diese Einrichtung hat sich immer mehr zu einer Streikbrecherorganisation entwickelt. Der Kongreß hält deshalb die Zugehörigkeit zur »Technischen Nothilfe« für unvereinbar mit der Mitgliedschaft in einer dem ADGB angeschlossenen Organisation.
Der Bundesvorstand hat mit aller Kraft dahinzuwirken, daß sowohl im Reich wie in den einzelnen Ländern der 1. Mai als gesetzlicher Feiertag festgelegt wird.
In den Bundesvorstand werden gewählt: Th. Leipart (Vors.); P. Graßmann und A. Cohen (stellv. Vors.); H. Kube (Kassierer); P. Umbreit (Redakteur); A. Knoll, R. Wissell (Sekretäre). Als Beisitzer: E. Backert, L. Brunner, C. Bruns, A. Janscheck, G. Sabath, J. Sassenbach, G. Schmidt und H. Silberschmidt.



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net edition fes-library | Juni 2001