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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
30. Jan. 1933

Reichspräsident P. v. Hindenburg beauftragt A. Hitler mit der Regierungsbildung. Der neuen Reichsregierung gehören neben A. Hitler an: Vizekanzler und Reichskommissar in Preußen: F. v. Papen (parteilos); Wirtschaft und Ernährung: A. Hugenberg (DNVP); Äußeres: K. v. Neurath (parteilos); Finanzen: L. Graf Schwerin von Krosigk (parteilos); Justiz: F. Gürtner (DNVP); Inneres: W. Frick (NSDAP); ohne Geschäftsbereich: H. Göring (NSDAP); Arbeit: F. Seldte (Stahlhelm); Reichswehr: General W. v. Blomberg (parteilos); Post und Verkehr: P. Eltz v. Rübenach (parteilos).
A. Hugenberg und F. v. Papen sind überzeugt, A. Hitler zähmen zu können. In der ersten Kabinettssitzung spricht sich A. Hitler gegen ein sofortiges Verbot der KPD aus, da dies den Generalstreik und schwere innere Unruhen auslösen könnte. H. Göring betont demgegenüber, daß nach seinen Feststellungen die SPD im Augenblick einen Generalstreik nicht mitmachen werde.
Die KPD ruft zum Generalstreik gegen die Hitler-Hugenberg-Papen-Regierung auf.
Gerüchte über gemeinsame Beratungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten werden von sozialdemokratischer Seite dementiert.
Der SAP-Parteivorstand fordert die Vorstände von SPD, KPD, ADGB und AfA-Bund vergeblich auf, zu gemeinsamen Besprechungen zusammenzukommen.
In zahlreichen Großstädten kommt es zu Demonstrationen der Arbeiterschaft gegen A. Hitler.
Der »Vorwärts« schreibt in seiner Abendausgabe: »Gegenüber dieser Regierung der Staatsstreichdrohung stellt sich die Sozialdemokratie und die ganze »Eiserne Front< mit beiden Füßen auf den Boden der Verfassung und der Gesetzlichkeit. Sie wird den ersten Schritt von diesem Boden nicht tun.«

Parteivorstand und Reichstagsfraktion der SPD erlassen einen Aufruf: »Im Kabinett Hitler-Papen-Hugenberg ist die Harzburger Front wieder auferstanden. Die Feinde der Arbeiterklasse, die einander bis vor wenigen Tagen auf das heftigste befehdeten, haben sich zusammengeschlossen zum gemeinsamen Kampf gegen die Arbeiterklasse zu einer reaktionären großkapitalistischen und großagrarischen Konzentration. Die Stunde fordert die Einigkeit des ganzen arbeitenden Volkes zum Kampf gegen die vereinigten Gegner. Sie fordert Bereitschaft zum Einsatz der letzten und äußersten Kräfte. Wir führen unseren Kampf auf dem Boden der Verfassung. Die politischen und sozialen Rechte des Volkes, die in Verfassung und Gesetz verankert sind, werden wir gegen jeden Angriff mit allen Mitteln verteidigen. Jeder Versuch der Regierung, ihre Macht gegen die Verfassung anzuwenden oder zu behaupten, wird auf den äußersten Widerstand der Arbeiterklasse und aller freiheitlich gesinnten Volkskreise stoßen; zu diesem entscheidenden Kampf sind alle Kräfte bereitzuhalten!
Undiszipliniertes Vorgehen einzelner Organisationen oder Gruppen auf eigene Faust würde der gesamten Arbeiterklasse zum schwersten Schaden gereichen.
Darum her zur Eisernen Front! Nur ihrer Parole ist Folge zu leisten!
Kaltblütigkeit, Entschlossenheit, Disziplin, Einigkeit und nochmals Einigkeit ist das Gebot der Stunde!«

Die SPD-Reichstagsfraktion beschließt, einen formellen Mißtrauensantrag gegen die neue Regierung einzubringen.

Alle gewerkschaftlichen Spitzenverbände wenden sich an ihre Mitglieder: »Die Lebensinteressen der gesamten Arbeitnehmerschaft stehen auf dem Spiel. Um Angriffe gegen Verfassung und Volksrechte im Ernstfalle wirksam abzuwehren, ist kühles Blut und Besonnenheit erstes Gebot. Laßt euch nicht zu voreiligen und darum schädlichen Einzelaktionen verleiten.«


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net edition fes-library | Juni 2001