DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

DEKORATION DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG DEKORATION


TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
1. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
18./24. Sept. 1910

Parteitag in Magdeburg, 333 Delegierte. Tagesordnung: Die badische Budgetbewilligung (A. Bebel); die Wahlrechtsfrage (H. Borgmann); die Reichsversicherungsordnung (H. Molkenbuhr); die Genossenschaftsfrage (H. Fleißner); die Maifeier (H. Müller).

Der Parteitag steht ganz im Zeichen der Budgetdebatte. Das Vorgehen der badischen Fraktion wird scharf verurteilt, den badischen Landtagsabgeordneten die »allerschärfste Mißbilligung« ausgesprochen, die Teilnahme an höfischen Zeremonien und monarchistischen Loyalitätskundgebungen für unvereinbar mit den sozialdemokratischen Grundsätzen erklärt. Der Parteitag macht es den Parteigenossen zur Pflicht, solchen Kundgebungen fernzubleiben.

Ein Antrag, kommende Verstöße mit dem Parteiausschluß zu ahnden/wird vom Parteitag mit 228 gegen 63 Stimmen angenommen, nachdem die badischen Abgeordneten vor der Abstimmung den Saal verlassen hatten.

Von den Parteigenossen wird erwartet, daß sie den Wahlrechtskampf in Preußen und den anderen Bundesstaaten mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln bis zur Erringung der vollen Gleichberechtigung weiterführen. Rosa Luxemburg reicht daraufhin einen mit 62 Stimmen versehenen Antrag ein, daß der Wahlrechtskampf in Preußen nur durch »eine große, geschlossene Massenaktion des arbeitenden Volkes zum Siege geführt werden kann«. Daher solle die Erörterung und Propagierung des Massenstreiks in die Wege geleitet werden. Die anwesenden 34 Gewerkschaftsmitglieder, an ihrer Spitze C. Severing, sehen darin einen Versuch, die Rechte der Gewerkschaften an der Vorbereitung derartig großer Massenaktionen zu beseitigen. Die Differenz wird beigelegt, als die Antragsteller den Absatz ihres Antrages über den Massenstreik zurückziehen. Der Parteitag nimmt daraufhin die Parteivorstands-Resolution mit dem ersten Absatz des Antrages von Rosa Luxemburg an. Im Anschluß an die Kopenhagener Resolution zur Genossenschaftsfrage präzisiert der Parteitag die Stellung der Partei zu den Konsumgenossenschaften. Die Parteimitglieder werden dringend aufgefordert, die im Geiste der modernen Arbeiterbewegung geleiteten Konsumvereine zu unterstützen.

Der Parteivorstand wird beauftragt, mehr als bisher für die Propagierung der Maifeier zu tun.

Die Reichstagsfraktion wird ersucht, bei der Beratung des Justizetats die Wahlrechtsjustiz und die Streikjustiz einer eingehenden Kritik zu unterziehen.

Der Parteitag fordert die volle Gleichberechtigung Elsaß-Lothringens mit den deutschen Bundesstaaten.

Bei 350 gültigen Stimmen werden A. Bebel (344), P. Singer (342), A. Gerisch (344), H. Molkenbuhr (348), F. Ebert (340), W. Pfannkuch (330), H. Müller (293); als Beisitzerin Luise Zietz (331), als Beisitzer R. Wengels und L. Liepmann, als Kontrolleure bei 352 gültigen Stimmen W. Bock (280), 0. Braun (326), F. Brühne (278), E. Ernst (332), A. Geck (264), A. .Kaden (279), H. Koenen (276) J. Timm (295), Clara Zetkin (265), gewählt.


Vorhergehender StichtagInhaltsverzeichnisFolgender Stichtag


net edition fes-library | Juni 2001