Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. -
[Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Der Internationale Sozialisten-Kongreß in Stuttgart mit 884 Delegierten aus 25 Ländern wird mit einer großen Kundgebung eröffnet, an der rund 60000 Personen teilnehmen. Tagesordnung: der Militarismus und die internationalen Konflikte (E. Vandervelde); die Beziehungen zwischen den proletarischen Parteien und den Gewerkschaften (H. Beer); die Kolonialfrage (v. Kol); die Ein- und Auswanderung der Arbeiter (W. Ellenbogen); Frauenstimmrecht (Clara Zetkin). Mittelpunkt des Kongresses ist die Frage »Militarismus und die internationalen Konflikte«. Umstritten ist das Problem, welche Mittel zur Kriegsverhinderung angewendet werden können. J Jaures erkennt als Mittel Massenstreik und selbst den Aufstand an. Die Propagierung dieser Kampfmittel würde die Sozialdemokratie, erklärt A. Bebel, in die größten Schwierigkeiten und Gefahren stürzen. »Wir können nichts tun als aufklären. Licht in die Köpfe bringen, agitieren und organisieren.« Die Resolution, die dann vom Kongreß einstimmig angenommen wird, verpflichtet die sozialistischen Parteien mit allen Kräften, gegen die Rüstungen zu kämpfen und die Jugend der Arbeiterklasse im Geiste der Völkerverbrüderung und des Sozialismus zu erziehen. Die Internationale sei jedoch außerstande, die in den verschiedenen Ländern naturgemäß verschiedenen, der Zeit und dem Ort entsprechenden Aktionen der Arbeiterklasse gegen den Militarismus in starre Formen zu bannen. Die Resolution schließt mit dem von W. I. Lenin, Rosa Luxemburg und J. Martow beantragten Zusatz »Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern und steigern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, um die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen.« Die kapitalistische Kolonialpolitik wird erneut scharf verurteilt. Die sozialistischen Parteien aller Länder seien verpflichtet, für die Einführung des allgemeinen Stimmrechts energisch zu kämpfen. Partei und Gewerkschaft hätten im Emanzipationskampf des Proletariats gleichwertige Aufgaben zu erfüllen. Der Kampf des Proletariats werde sich daher um so erfolgreicher und günstiger gestalten, je inniger die Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Parteiorganisationen seien, wobei die Einheitlichkeit der Gewerkschaftsorganisation im Auge zu behalten sei.
1. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
18./24. Aug. 1907