Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. -
[Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
E. Bernsteins Programmschrift »Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie«, aufbauend auf seinen Aufsätzen »Probleme des Sozialismus« wird veröffentlicht; im September erscheint K. Kautskys Antwort »Bernstein und das sozialdemokratische Programm, eine Antikritik«. Nach E. Bernstein hat sich die Voraussage des Erfurter Programms über die wachsende Verelendung der Arbeiterschaft und seine Katastrophenthese nicht bewahrheitet, vielmehr seien gegenläufige Tendenzen bemerkbar. Die Sozialdemokratie dürfe also nicht mit dem naturnotwendigen Zusammenbruch des Kapitalismus rechnen. Sie müsse deshalb ihre radikal-revolutionären Dogmen revidieren und sich auch in ihrer theoretischen Zielsetzung zu dem bekennen, »was sie heute in Wirklichkeit ist: eine demokratisch-sozialistische Reformpartei«. In diesem Sinne wollte er seinen häufig mißdeuteten Ausspruch verstanden wissen: »daß mir die Bewegung alles - das, was man gemeinhin Endziel des Sozialismus nenne, nichts sei«. Letztlich geht es um das Problem »Reform oder Revolution«. Auch die Gegner E. Bernsteins sind Reformisten. Als Schwerpunkt der Kontroverse erweist sich vielmehr die Vorstellung von der gesetzmäßigen Entwicklung zum Sozialismus über das notwendige Durchgangsstadium einer sozialen Revolution. Für E. Bernstein verbindet sich mit der Vorstellung der Revolution das Element der direkten Aktion und der Gewaltanwendung. In diesem Sinne wird »Revolution« in der Partei jedoch kaum mehr gebraucht. Die SPD handelt vielmehr nach K. Kautskys Wort, daß »die Sozialdemokratie eine revolutionäre, aber keine revolutionmachende Partei« sei, d. h., daß sie die radikale Umgestaltung der Wirtschaftsstrukturen durchsetzen will.
1. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
Jan. 1899