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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
1. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
19./23. Aug. 1876

Auf dem Parteikongreß in Gotha - er wurde nach dem Verbot in Preußen als allgemeiner Sozialistenkongreß einberufen - vertreten 98 Delegierte 38 254 Mitglieder aus 291 Orten. Tagesordnung: Stellung der Sozialdemokraten zu den bevorstehenden Reichstagswahlen (W. Liebknecht, W. Hasselmann). Für den Wahlkampf hat die Partei 145 geschulte Redner und Wahlgelder in Höhe von 30000 bis 40000 Mark zur Verfügung. Die Partei besitzt 38 periodische Zeitungen und Zeitschriften, darunter 21 Lokalblätter, die mehrmals wöchentlich erscheinen, elf sozialistische Gewerkschaftsorgane, ein Unterhaltungsblatt »Neue Welt« und drei Witzblätter. Der Kongreß beschließt, die beiden Zentralorgane »Neuer Social-Demokrat» und »Volksstaat« zu verschmelzen. Ab 1. Oktober erscheint der »Vorwärts« dreimal wöchentlich mit dem Untertitel »Central-Organ der Social-Demokratie Deutschlands« in Leipzig. Seine Hauptredakteure sind W. Liebknecht und W. Hasenclever.

Von der Partei sind 8 voll- und 14 teilbesoldete Agitatoren und 46 vollbesoldete Redakteure, Expedienten u. a. angestellt.

Zur permanenten Leitung der sozialistischen Wahl- und Parteiagitation wird ein ständiges Zentralwahlkomitee, bestehend aus fünf Personen, gewählt. Diesem Komitee ist in allen Agitations- und Parteiangelegenheiten diktatorische Gewalt übertragen. Es tritt an die Stelle des Vorstandes. Zur Kontrolle der Zentralbehörde wird eine siebenköpfige Revisions- und Beschwerdekommission gewählt. Die Revisionskommission sitzt in Bremen, das Zentralwahlkomitee in Hamburg, mit L Auer und K. Derossi als Sekretäre, A. Geib als Kassierer, H. Brasch und G.W. Hartmann als Beisitzer.

Der Kongreß spricht sich für die Übernahme der Privateisenbahnen in Staatsbesitz aus. Den Auseinandersetzungen über die Frage, ob Schutzzoll oder Freihandel, steht der Kongreß fremd gegenüber.

In der nächsten Reichstagssession müsse ein Arbeiterschutzgesetz durch die Abgeordneten der sozialistischen Wähler beantragt werden. Im Klassenstaat könne keine Form der Gerichtsverfassung Recht und Gerechtigkeit verbürgen, darum seien freie Volksgerichte, auf der Grundlage des allgemeinen und gleichen Wahlrechts gebildet, anzustreben.

Zum ersten Mal erhält ein deutscher Parteikongreß einige Zuschriften ausländischer sozialistischer Organisationen, in denen die Partei zu ihrer tapferen Haltung beglückwünscht wird.


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net edition fes-library | Juni 2001