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Gabriele Rose
Die Zeitschriftendatenbank als Arbeitsbereich der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Der Plan, über die Entwicklung einer (zugegeben kleinen) Arbeitseinheit von ihren Anfängen bis heute zu berichten, beginnt in der Regel damit, in alten Protokollen, Briefwechseln und Antragsschreiben zu stöbern. Mein Blick zurück auf die Anfänge der Arbeit mit der Zeitschriftendatenbank (ZDB) provozierte bei mir neben dem nicht weiter verwunderlichen "Ach ja, damals" auch einen kritischen Blick in den Spiegel, ob ich mich nicht inzwischen selbst in eine Zeitschrift oder - schlimmer - in das täglich benutzte Regelwerk ZETA verwandelt hätte.

Denn 14 Jahre ist es nun schon her, dass mit einer ersten Anfrage an das Steuerungsgremium der ZDB die Absicht der "Bibliothek des Archivs der sozialen Demokratie (Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung)" kundgetan wurde, ihre Periodikabestände an die ZDB zu melden.

Die Zeitschriftendatenbank war zu diesem Zeitpunkt "das einzige überregionale Katalogisierungsverbundsystem der Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland" und verfügte über einen Datenbestand von 415.000 Titeln und 1,4 Mill. Bestandsnachweisen von ca. 1.700 Bibliotheken. (Heute: 960.000 Titel mit ca. 4,6 Mill. Bestandsnachweisen von 4.500 Bibliotheken.)
Die ZDB diente und dient auch heute noch zwei Zielen: der "möglichst ökonomischen, arbeitssparenden Herstellung von aktuellen Zeitschriftenkatalogen unter Ausnutzung der bereits gespeicherten Daten, die andere Verbundteilnehmer eingebracht hatten", und dem "möglichst umfassende(n) Nachweis der in deutschen Bibliotheken vorhandenen Zeitschriften (Steuerung des Leihverkehrs)". (Zur Erläuterung sei hier gesagt, dass mit Zeitschriften nicht nur Veröffentlichungen wie "Der Spiegel" gemeint sind, sondern das gesamte vielfältige periodisch erscheinende Material, eben auch Jahrbücher, Geschäftsberichte, Protokolle und Kongressberichte.)
Diese "Verbundteilnehmer" waren 1985 noch ein durchaus illustrer Kreis von vornehmlich Universitätsbibliotheken; nur wenige Spezialbibliotheken, wie das Institut für Weltwirtschaft in Kiel, die Bibliothek der Sporthochschule Köln oder die Zentralbibliothek der Medizin in Köln, waren Teilnehmer. Vor diesem Hintergrund war es gar nicht so selbstverständlich, dass eine vergleichsweise kleine, bislang eher in Forscherkreisen bekannte Bibliothek den Zugang zur ZDB "beanspruchte". Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung war zwar schon seit einigen Jahren dem Deutschen Leihverkehr angeschlossen gewesen und stellte darüber ihre Bestände allen interessierten Nutzern zur Verfügung; dennoch erschien es den antreibenden, vom damaligen Bibliotheksleiter gern als "die Jungs" bezeichneten Referenten an der Zeit, die zum Teil einzigartigen Bestände an Protokollen, Geschäftsberichten, Zeitschriften und Zeitungen zur deutschen und internationalen Arbeiterbewegung aus ihrem nationalen Schattendasein hervorzuholen und einem breiten Publikum zu präsentieren.

Der oben erwähnte Antrag auf Aufnahme enthält eine Kurzcharakteristik der Bibliothek sowie des Periodikabestandes, in dem der Bestand der Bibliothek mit ca. 250.000 Bänden (heute: ca. 600.000), die Zahl der Periodikatitel mit 10.625, davon 2.403 laufend

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gehaltenen angegeben wird. (Die Vergleichszahl von heute: ca. 2.500 laufende.) Die Art unseres Sammelgutes, nämlich sogenannte Graue (nicht im Buchhandel erhältliche) Literatur von Parteien und Gewerkschaften, die klassischer Weise nicht von Universitätsbibliotheken gesammelt wird, zeichnet die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung in der deutschen Bibliothekslandschaft aus.

Um unserem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, waren die Zeitschriftentitel mit Anfangsbuchstabe "A" an der ZDB überprüft worden, um festzustellen, wie viele Titel dort bereits von anderen Bibliotheken nachgewiesen worden waren. Das Ergebnis war wohl überzeugend: Von 979 überprüften Titeln waren 31,8 % nicht in der ZDB nachgewiesen, weitere 21,8 % nicht in der Leihverkehrsregion NRW. Es folgten noch weitere Zahlenbeispiele, die allesamt die gewünschte Wirkung zeigten: Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde als ZDB-Teilnehmerin zugelassen und sollte ihre Arbeit zum 1. Oktober 1986 beginnen.
Dieser Erfolg war allerdings noch nicht der Startschuss, denn ein solches aus damaliger Sicht ungeheures Projekt konnte nicht aus alleiniger Kraft der Bibliothek angegangen werden. Quasi zeitgleich mit den Kontakten zum Steuerungsgremium der ZDB wurde bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft sondiert, inwieweit diese unser Projekt durch Fördermittel unterstützen könne. Auch hier waren die Argumente der Beteiligten offensichtlich überzeugend, denn die DFG bewilligte Mittel für die Stelle einer Diplom-Bibliothekarin zunächst befristet auf zwei Jahre. Dies war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Denn die Förderung der Arbeit mit der ZDB durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft dauerte schließlich vom 1.10.1986 bis zum 31.3.1992. Und auch unser "An-schlussprojekt", nämlich die Einarbeitung der periodischen Bestände der DGB-Bibliothek, wurde 1995 für förderungswürdig erachtet, so dass wir bis heute in diesem Arbeitsbereich eine DFG-geförderte Stelle unser eigen nennen können.

Nachdem nun diese Grundlagen geschaffen worden waren, musste auch bibliotheksintern umgestaltet werden: der Geschäftsgang und der Informationsfluss innerhalb der klassischen Zeitschriftenabteilung musste organisiert, Prioritäten festgelegt werden. Die beiden BibliothekarInnen mussten in dem benutzten Regelwerk geschult werden; Kontakte zu erfahrenen ZDBlern wurden hergestellt. Gerade in dieser Anfangsphase war uns die UB Bonn mit ihren ZDB-Zuarbeitern Frau Drathen und Herrn Pohl eine hilfreiche Stütze. Hier und beim Hochschulbibliothekszentrum in Köln (HBZ) wurden der Kollege Wimmer und ich in die Geheimnisse der EDV-unterstützten Zeitschriftenkatalogisierung eingeweiht. Für eine erste systematische Erschließung unserer Bestände wurde von den "Jungs" eine "Grobsystematik für den Periodikabestand" entwickelt, nach der der Bestand zeitlich, regional und systematisch erschlossen werden sollte. Dafür wurde und wird bis heute eine Kategorie des Erfassungsschemas genutzt, die es uns ermöglicht, thematische Verzeichnisse oder Verzeichnisse geschlossener Bestände herzustellen.
Angesichts heutiger Möglichkeiten mit Internet, E-Mail und OPAC erscheint mir im Rückblick die Arbeitsweise der ZDB von 1986 unvorstellbar umständlich. Dennoch hatte sie für unsere damals noch völlig konventionell arbeitende Bibliothek den Ruf geradezu revolutionären Tuns mit der Aura eines neuen Zeitalters. Die Zeitschriftendatenbank lag uns auf Mikrofiches vor, anhand derer wir unsere Bestände überprüften. Unsere Titelaufnahmen tippten wir nun nicht mehr auf Karteikarten, sondern auf Formblätter, die beim HBZ in Köln von Datentypistinnen erfasst wurden - Online lag noch in weiter

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Ferne. Unsere Arbeitsergebnisse erhielten wir in Form von Papierausdrucken (später Mikrofiches).
Auf diese Weise wurden zunächst die laufend gehaltenen inländischen, dann die laufend gehaltenen ausländischen Zeitschriften, Jahrbücher und Protokolle erfasst, was Anfang 1988 abgeschlossen war.

Quasi als Nebeneffekt bedeutete die Erfassung für die Zeitschriftendatenbank eine komplette Revision des Bestandes, da alle Titel im Magazin überprüft und neue Titelaufnahmen durch Autopsie (d. h. durch Inaugenscheinnahme und nicht nur aufgrund der Angaben aus dem bisherigen Katalog) vorgenommen wurden. Hierbei konnten versteckte Lücken entdeckt, aber auch geschlossen werden, bis dahin nicht erschlossene Beilagen aufgenommen, Vorgänger - Nachfolger - Verbindungen hergestellt und zahlreiche bisher als provisorisch behandelte Titelaufnahmen aufgearbeitet werden. Letzteres betraf insbesondere unseren großen Zeitungsbestand, der in Papierform und als Mikrofilm die umfangreiche sozialdemokratische Tagespresse aus der Weimarer Republik umfasst, dem eine Vielzahl von Beilagen beigegeben sind. Aber auch die zahlreichen ausländischen Zeitungen, die im Rahmen von Verfilmungsprojekten im Ausland beschafft worden waren, bedeuteten aufwendige Titelaufnahmen. Doch gerade dieser Bestand stand und steht symbolisch für den einzigartigen Charakter unserer Sammlung.
Die neu gewonnenen "Erkenntnisse" führten dazu, dass die im Antrag als Basis genommene Zahl an aufzunehmendem Titelmaterial (10.625 Titel) im Juni 1990 erreicht war, ohne dass der Zeitschriftenkatalog auch nur annähernd "abgearbeitet" worden war. Quantität und vor allem Qualität des gemeldeten Bestandes sprachen aber immer so sehr für sich, dass allen Anträgen an die DFG auf Verlängerung der Förderung entsprochen wurde. Am Ende der ersten Projektförderung waren 16.424 Titel bearbeitet worden, 6.954 davon neu an die Zeitschriftendatenbank gemeldet und 1.936 Körperschaften für die nationale Normdatei "GKD" (Gemeinsame Körperschaftsdatei) strukturiert worden. Und auch das Ziel des Projektes, nämlich die Bestände einer breiten, überregionalen Nutzerschaft zugänglich zu machen, gelang. Die Bestellungen bei uns über den Deutschen Fernleihverkehr haben sich zwischen 1983 und 1991 verzehnfacht!

Das Jahr 1989 brachte eine große Veränderung für die ZDB: nämlich die Umstellung auf Online-Betrieb. Die unmittelbare Eingabe in die Datenbank mit dem genauso unmittelbaren Abruf von aktuellen Angaben ohne zeitlichen Verzug durch Umsetzung in Papier oder Mikrofiches bedeutete eine wirkliche Verbesserung und Arbeitserleichterung. Doch die Migration der Daten auf das neue System brachte eine Schließung der ZDB von sechs Monaten mit sich. Für uns bedeutete das, "auf Halde" zu arbeiten, Ordner mit Erfassungsbögen anzusammeln und zu hoffen, dass man den Durchblick behält.
Für die Bibliotheksleitung bedeutete das, die Geschäftsführung der Friedrich-Ebert-Stiftung für Investitionen zu erwärmen; die Hardware für den Online-Zugriff und eine Standleitung nach Berlin mussten ja auch finanziert werden. Auch dies gelang: die schöne neue Computer-Welt hielt Einzug in die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung - wir gingen ab Oktober 1989 on line!

Heute ist der Online-Betrieb selbstverständliche Routine, die nicht mehr nur auf einem einsamen Siemens-Terminal stattfindet, sondern von sechs PCs der Zeitschriftenabteilung aus erfolgt. Dies spiegelt auch eine grundsätzliche Veränderung in der ZDB-Arbeit wider:

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Waren ursprünglich zwei Personen für die Katalogisierung in die ZDB verantwortlich, wurden im Jahre 1993 alle Mitarbeiterinnen der Zeitschriftenabteilung geschult und arbeiten seitdem der ZDB zu. Sie konnten Unterbrechungen verhindern, die durch Erziehungsurlaube meinerseits und die Entwicklung und Installierung des EDV-gestützten Katalogisierungssystems ALLEGRO durch den Kollegen Wimmer sonst entstanden wären.
Heute sind sie für die kontinuierliche Aktualisierung unserer Angaben verantwortlich sowie für die Einarbeitung von Sonderbeständen. Die Mitarbeit am "Bestandsverzeichnis der Bibliothek des Seliger-Archivs" oder die Erarbeitung der "Spanischen Arbeiterpresse auf Mikrofilm" sind Beispiele dafür.

Im Jahre 1995 wurde die Arbeitseinheit ZDB "wiederbelebt". Im Februar 1995 übergab der Geschäftsführende Bundesvorstand des DGB sein Archiv und seine Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Bibliothek umfasst ca. 120.000 Bände, von denen bei der Übernahme ca. 70.000 durch konventionelle Kataloge erschlossen waren. Der Bestand zeichnet sich durch eine Vielzahl seltener Stücke und Unikate aus, wobei sich der Perio-dikabestand (Zeitungen, Zeitschriften, Protokolle und Geschäftsberichte) als besonders wertvoll erwiesen hat. Die Kollegen des DGB hatten besondere Mühe darauf verwandt, die lokalen Geschäftsberichte der Untergliederungen zu sammeln; Stichproben ergaben, dass von diesen Berichten keine 2 % in einer großen deutschen Bibliothek vorhanden waren, obwohl auch für diese Veröffentlichungen das Pflichtexemplarrecht gilt.
Es galt nun, diese Sammlung zu erschließen und überregional nachzuweisen. Auch hierbei war die Unterstützung durch die DFG gefragt. In einem entsprechenden Antrag von März 1995 wird die DGB-Bibliothek charakterisiert und ihre Bedeutung in der deutschen Bibliothekslandschaft herausgestellt.
Wieder wurde das Projekt als förderungswürdig erachtet, so dass zum 1. September 1995 zwei Kolleginnen ihre Arbeit in bekannter Weise aufnahmen.
Ziel sollte es sein, zunächst die Protokolle und Geschäftsberichte des DGB und seiner Untergliederungen in einem Verzeichnis zu dokumentieren. Parallel zu unserem Tun begannen die Kolleginnen aus der Zeitschriftenstelle, die Geschäftsberichte der Bezirke und Kreise durch eine Vielzahl von Telefonaten aktuell zu ergänzen und fortlaufend zu beziehen. In schon rekordverdächtiger Zeit von nur einem Jahr wurde das Bestandsverzeichnis mit Hilfe der vergebenen Systemstelle in der Zeitschriftendatenbank fertig gestellt und konnte im Dezember 1996 vorgelegt werden. Zum 50-jährigen Gründungsjubiläum des DGB in diesem Jahr wurde in ähnlicher Weise das Verzeichnis "Zeitungen und Zeitschriften der deutschen Gewerkschaftsbewegung in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung" hergestellt.

Damit wurde die Bedeutung unserer Bibliothek als größte deutsche Gewerkschaftsbibliothek unterstrichen und eine der größten weltweit, zu der sie sich in den letzten Jahren entwickeln konnte. Dieser Umstand bestimmte und bestimmt nicht zuletzt die Arbeit mit der ZDB. Denn waren bereits 1990 die Bibliothek der Internationalen Graphischen Föderation und 1991 des Internationalen Metallarbeiter-Bundes von der Friedrich-Ebert-Stiftung übernommen worden, so wurden seit der Übernahme der DGB-Bibliothek 1995 fast jährlich geschlossene Sammlungen Internationaler Berufssekretariate oder Deutscher Einzelgewerkschaften aufgenommen: 1996 die Internationale Union der Lebensmittelarbeiter, 1997 die IG Medien, 1998 der Internationale Bund der Privatangestellten und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie in diesem Jahr der Internationale Bund der Bau- und Holzarbeiter. Diese gewerkschaftshistorisch interessanten, leider manchmal

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etwas spröden Bestände bilden das eine Standbein der Erschließungsarbeit, das andere ist etwas bunter, aber genauso einmalig: die Bearbeitung der Periodika aus thematisch geschlossenen Sammlungen wie z. B. dem "Volksbühnen"-Bestand oder die Sammlung Kurt Hirche.

14 Jahre Zeitschriftendatenbank - ein gutes Stück Weg wurde zurückgelegt: von der "zusätzlichen" Arbeitseinheit zum selbstverständlichen Teil der Zeitschriftenabteilung, aus der das Instrument Zeitschriftendatenbank nicht mehr wegzudenken ist; von der retrospektiven Katalogisierung eines gewachsenen, relativ vielfältigen Bestandes zur Dokumentation geschlossener Sammlungen, die die Gewerkschafts- und Parteiengeschichte widerspiegeln.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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