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[Seite der Druckausg.: 83 (Fortsetzung)]

Wolfgang Budde-Roth
Dissertationen aus den USA zur Geschichte und Gegenwart der deutschen und ausländischen Arbeiterbewegung


Seit etwa 1974 hat die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung regelmäßig Dissertationen aus den USA zur deutschen und ausländischen Arbeiterbewegung beschafft, zunächst nur einzelne, dann in größerer Zahl, insgesamt etwa 1.200 Titel. Die Titel zur deutschen Thematik wurden so vollständig wie möglich erworben, die zur ausländischen in Auswahl.

Das Erwerbungsprofil bilden alle Themenfelder aus den vielen Bereichen der deutschen Arbeiterbewegung, sowohl in ihrer sozialdemokratischen, wie christlichen, kommunistischen und anarchistischen Ausprägung: Die Organisation und Politik der Parteien und der Gewerkschaften, ihrer Frauen-, Jugend- und anderen Unterorganisationen, die Genossenschaften und Gemeinwirtschaftsbetriebe, die Selbsthilfeorganisationen und die ganze Vielfalt der kulturellen und Freizeitverbände; ferner die Bedingungen am Arbeitsplatz, die Lebensbedingungen der Arbeitnehmer und ihrer Familien, die Nachbarschaftsbeziehungen und das Freizeitverhalten; selbstverständlich Biographisches und ebenso die Arbeiterdichtung und die Figuren aus der Arbeitswelt in der deutschen Literatur.

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Zu diesem Erwerbungsprofil gehören auch Dissertationen, die das Umfeld um diese Themenbereiche behandeln, also sozialhistorische, politikwissenschaftliche und soziologische Arbeiten, freilich nur in Auswahl.

Diese Themenvielfalt kennzeichnet die Zeit vor 1933, die Themen der Jahre bis 1945 sind bestimmt vom Leben unter der Diktatur, Verfolgung und Widerstand, und je näher wir der Gegenwart kommen, desto deutlicher verengt sich der Bereich auf die Situation der Arbeitnehmer sowie auf Organisation und Politik von SPD, Gewerkschaften und PDS.

Zum Erwerbungsprofil gehören ebenfalls SED, FDGB, Situation der Arbeitnehmer und andere Themen über die DDR sowie über ihren Zusammenbruch und die Zeit danach. Aus der Zeit vor 1989 haben wir dazu, soweit ich sehe, keine amerikanischen Dissertationen ermittelt (Verlagspublikationen und Zeitschriftenaufsätze gibt es natürlich), aus der Zeit nach der Wende allerdings mehrere.

Ein weiteres Themenfeld bilden Arbeiten über die Schriften von Marx und Engels sowie Biographisches über sie. Auch hier wurden die ermittelten Dissertationen vollzählig beschafft.

Der breite Bereich der Themen lässt erkennen, daß sie in verschiedenen Wissenschaften angesiedelt sind. Das bedeutet, dass eine Reihe von Kapiteln der monatlichen Bände von Dissertations Abstracts International, Reihe A, durchgesehen werden mussten (im Internet müssen wir uns heute neu zurechtfinden): Arbeiten zu Schriften von Marx und Engels findet man zum Teil unter "Philosophy" (hier hilft allerdings der Subject Index), die Arbeiterdichtung ist in "Literature, Germanic" angezeigt, Themen über Lebensbedingungen, z. B. über die Nachbarschaftsbeziehungen in einer Bergarbeitersiedlung des Ruhrgebiets, stehen unter "Anthropology, Cultural", und die meisten Titel finden sich in mehreren Unterkapiteln von Economics, History, Political Science und Sociology.

Nur in Auswahl wurden Dissertationen über die Arbeiterbewegung anderer Länder gekauft. Als Suchfelder können auch hier die oben für die deutsche Arbeiterbewegung genannten Themenbereiche gelten. Arbeiten mit übergreifenden Themen wurden bevorzugt, solche über Detailfragen oder mit regionaler oder lokaler Eingrenzung wurden nur erworben, wenn sie für das betreffende Land von besonderer Bedeutung waren oder als pars pro toto angesehen werden konnten. Von den biographischen Untersuchungen wurden nur solche über herausragende Persönlichkeiten ausgewählt. Bei Titeln über die USA zeigt sich allerdings die Besonderheit, dass überwiegend Arbeiten mit regionalem oder lokalem Bezug vorliegen, da die Zentralisierung der Bewegung und der Organisationen bei weitem nicht so ausgeprägt war und ist wie in Europa. Die Auswahl der die USA betreffenden Arbeiten ist daher sicher nicht sehr ausgewogen. Das ist aber auch darin begründet, dass natürlich ein sehr großer Teil der amerikanischen Dissertationen Themen des eigenen Landes behandelt - mehr als die Bibliothek erwerben kann. Außer den Titeln über Themen in den USA wurden solche über Westeuropa und Kanada und in kleiner Zahl über Mittel- und Südamerika, Osteuropa und Ostasien beschafft.

Ein Nebenprodukt dieser langjährigen Erwerbungspraxis ist die Beobachtung, dass die Qualität der amerikanischen Dissertationen, je nach dem, an welcher Universität sie erarbeitet wurden, deutlich differiert. Aber diese Beobachtung hat nicht dazu geführt, dass

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wir etwa nach einer Rangliste der Universitäten gesucht hätten, um uns danach zu richten. Die Formulierung des Abstracts gibt oft schon nach wenigen Zeilen Auskunft über das Niveau der Abhandlung, und das wirkt sich dann auf die Auswahl aus.

Die Bibliothek schätzt dennoch den Wert des größeren Teils der ermittelten Dissertationen sehr hoch ein und wird weiterhin Titel erwerben. Diese Arbeiten dokumentieren jüngste Fragen und Forschungsansätze in den USA gegenüber europäischer und deutscher Geschichte und Gegenwart und liefern Untersuchungen auf großenteils hohem Niveau. Sie sind ein Blick von außen auf hiesige Verhältnisse und Entwicklungen.

Eine Auswahl von Themen einzelner Dissertationen, die sich auf die jüngste Vergangenheit beziehen, sei als Beispiel hier angefügt: Der Zusammenhang zwischen der Struktur der deutschen Regierungen zwischen 1969 und 1990 als Koalitionsregierungen und dem Erfolg ihrer Außenpolitik; die Sicherheitspolitik Helmut Schmidts als Basis für seine Ostpolitik im Spannungsfeld der amerikanisch-russischen Beziehungen; die innerparteilichen Probleme der SPD hinsichtlich ihrer europäischen Sicherheitspolitik zwischen 1982 und 1994; die Dilemmata der Deutschlandpolitik der Regierung Kohl/Genscher von 1982 bis 1989; die unterschiedlichen Ausprägungen von Rot und Grün und ihre unterschiedlichen Beziehungen zueinander in Deutschland und Frankreich; die Rolle der Kirchen beim Zusammenbruch des Kommunismus in der DDR, in Polen und Rumänien; ferner Alltags- und Freizeitkultur als "Organized Cheerfulness" in Wittenberg von 1971 bis 1989; das Wiedererstehen einer Zivilgesellschaft in der zu Ende gehenden DDR anhand einer Darstellung der Bürgerkomitees und des Bündnis 90; die Probleme der Übertragung von westdeutschen Parteistrukturen der CDU und SPD in die neuen Bundesländer; Wettbewerb und Strategien von CDU und SPD gegenüber der völlig veränderten Wählerschaft nach der Wende - und andere mehr.

Die Arbeiten über Themen in den USA, in Westeuropa und den übrigen erwähnten Regionen ermöglichen andererseits deutschen Lesern den Einstieg in die je anderen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse.

Für die kommenden Jahre werden unsere finanziellen Mittel allerdings erheblich eingeschränkt sein. Die Bibliothek wird daher für einige Zeit das Erwerbungsprofil auf die deutsche Arbeiterbewegung - einschließlich der DDR - und auf Arbeiten über Marx und Engels einschränken müssen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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