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TEILDOKUMENT:
Einführung Es steht außer Frage, daß die Sicherheitspolitik [ Ich benutze in dieser Studie einen engeren Sicherheitsbegriff im militär-poli tischen Sinn, obwohl ich mir selbstverständlich über die Debatte um den so genannten erweiterten Sicherheitsbegriff bewußt bin. Die meisten Argumente dazu wurden übrigens von Gert Krell schon zu Beginn der achtziger Jahre dis kutiert. Vgl. seinen Aufsatz "Die Entwicklung des Sicherheitsbegriffs", in: Beiträge zur Konfliktforschung Nr. 3/1980, S. 33-57.] des vereinten Deutschlands vor großen Herausforderungen steht. Auf den ersten Blick befindet sich das Land nach dem Ende des Kalten Krieges in einer komfortablen Lage: Die Gefahr, daß Deutschland zum Schlachtfeld im Zuge einer möglicherweise nuklearen Ost-West-Auseinandersetzung wird ist gebannt und der Deutschen Nachbarn können allesamt als deren Partner beschrieben werden. Andererseits sind aber auch die Bequemlichkeiten der Kalten-Kriegs-Ära dahin. Die Welt ist komplizierter geworden, und Kriege finden wieder statt, teilweise in unmittelbarer geographischer Nähe wie im ehemaligen Jugoslawien. Die zur Verfügung stehenden sicherheitspolitischen Institutionen wie die NATO, die EG bzw. die WEU und auch die KSZE befinden sich sämtlichst in einer Transformationsphase, deren Ausgang noch nicht absehbar ist. Ob die USA im Rahmen der NATO in Europa auf Dauer militärisch präsent sein werden ist ebenso schwer vorhersagbar wie die Frage zu beantworten ist, ob die EG bzw. die WEU ein eigenständiges europäisches sicherheitspolitisches Profil entwickeln werden. Nicht zuletzt die weitere Entwicklung Rußlands, die ebenfalls schwer abzuschätzen ist, wird hier bedeutsam sein. Für Deutschland besteht die zentrale Herausforderung darin, die erforderlichen Anpassungsleistungen so durchzuführen, daß einerseits Sicherheit für Deutschland weiterhin sichergestellt bleibt und das Land auch in angemessener Weise seine Verpflichtungen in der internationalen Gemeinschaft erfüllt, ohne andererseits in der Perspektive seiner erweiterten Nachbarschaft die Sicherheit vor Deutschland in Frage zu stellen. Insofern stehen Deutschland und Japan, beide mit aggressiv-militaristischer Vergangenheit, beide Verlierer des Zweiten Weltkrieges, wenn auch unter verschiedenen Vorzeichen vor der gleichen Herausforderung. Ich habe vier Problemkreise identifiziert, die für die Entwicklung deutscher Sicherheitspolitik bedeutsam sind: 1. Die Frage des deutschen Verhältnisses zur weiteren Entwicklung der NATO als dem atlantischen Bündnis einerseits und der möglichen Herausbildung eines rein europäischen sicherheitspolitischen Instruments im Zuge der Fortentwicklung der EG und der WEU andererseits. Wird sich Deutschland mittel- oder langfristig zwischen beiden entscheiden müssen oder kann es weiterhin eine Politik des Sowohl-als-auch" betreiben? 2. Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Bundeswehrsoldaten als Blauhelme oder auch zu Kampfeinsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen in Zukunft eingesetzt werden sollen. Dieser Komplex hat zu einem langwierigen und heftigen Disput zwischen Regierung und Opposition geführt. Ist eine befriedigende Kompromißlösung möglich und wie könnte sie aussehen? 3. Der Komplex der Umstrukturierung der Bundeswehr als Folge der deutschen Vereinigung sowie der durch den 2+4-Vertrag vorgegebenen Streitkräftereduzierungen. Im Blickpunkt steht hier zunehmend die Frage, ob die Bundeswehr der Zukunft weiterhin eine Wehrpflichtigen-Armee oder aber eine Berufs- bzw. Freiwilligen-Armee sein wird. 4. Schließlich bliebe eine Betrachtung deutscher Sicherheitspolitik unvollständig, ließe man die Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik außer acht. Insbesondere ist nach dem deutschen Profil in der Genfer Abrüstungskonferenz zu fragen, wo es um Fragen der globalen Abrüstung geht. Zumindest die ersten drei Fragenkomplexe sind eng miteinander verknüpft. So wird Deutschland nur dann angemessen auf die Reformprozesse sowohl der NATO als auch der EG/WEU einwirken können, wenn es endlich eine grundsätzliche Entscheidung hinsichtlich der zukünftigen Beteiligung deutscher Soldaten außerhalb der Landes- bzw. NATO-Verteidigung trifft. Dies wiederum wird Einfluß auf die Frage haben, ob sich die Bundeswehr zur Berufsarmee entwickelt oder eine Wehrpflichtigen-Armee bleibt, zumal Konsens darüber besteht, daß Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen für Wehrpflichtige allenfalls auf freiwilliger Basis möglich sein sollten. Einige Fragen zeigen deutliche Parallelen zur japanischen Problematik auf, insbesondere die Streitfrage um den Einsatz von Soldaten im Rahmen der Vereinten Nationen. Andere Probleme stellen sich für Japan nicht oder zumindest so nicht, wie die Frage nach Wehrpflicht- oder Berufsarmee oder des Verhältnisses zwischen atlantischem und europäischem bzw. regionalem Engagement. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek | 9.1. 1998 |