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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 11]
Nach zehn Jahren legt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) nun wieder Ergebnisse aus einer repräsentativen Befragung ausländischer Jugendlicher vor. Insgesamt sind 3407 nach einem gestuften Zufallsverfahren ausgewählte Jugendliche aus Griechenland, Italien, dem ehemaligen Jugoslawien, Portugal, Spanien und der Türkei befragt worden. Die Erhebung wurde vom EMNID-Institut durchgeführt und im Feld 1989 abgeschlossen. Als wir Hypothesenkatalog und Fragen für die Erhebung konzipiert haben, konnten wir nicht ahnen, daß bei der Vorlage der Untersuchungsergebnisse Jugoslawien so nicht mehr bestehen würde. Auch war nicht abzusehen, welche gesellschaftspolitische Brisanz das Thema Ausländer in einer Bundesrepublik Deutschland erlangen sollte, die es so zur Zeit der Befragung noch nicht gegeben hatte. Also alles Schnee von gestern? Die Befragung diente vor allem dem Zweck, die Berufsausbildungsprobleme ausländischer Jugendlicher transparent zu machen, günstige und ungünstige Faktoren zu ermitteln und in großen Linien die Veränderungen darzustellen, die sich im Zeitraum von zehn Jahren seit der letzten BIBB-Erhebung zu diesem Thema ergeben haben. Diese Strukturen sind nach wie vor korrekt durch die Untersuchung wiedergegeben. Mit einiger Vorsicht sind dagegen die Angaben zur Befindlichkeit der Ausländer, zur Einstellung gegenüber der deutschen Bevölkerung und zum Umgang der Deutschen mit Ausländern zu werten. Ich werde aber auch einige Ergebnisse aus diesem Untersuchungsbereich vortragen, weil dieser Status quo ante auch ein durchaus lohnendes Ziel in meinen Augen ist. [Seite der Druckausg.: 12]
1. Ausbildungsbeteiligung
Die Ausbildungsbeteiligung - also die Quote aus Jugendlichen in Berufsausbildung und ausländischer Wohnbevölkerung im entsprechenden Alter (bis unter 18 Jahren) - beträgt nach unseren Ergebnissen 29 %. Sie liegt damit immer noch weit unter der entsprechenden Quote für deutsche Jugendliche von 77 %. Dabei bestehen deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen: Die Ausbildungsbeteiligung ist bei den Mädchen mit 24 % deutlich schwächer als bei den Jungen mit 35 %. Auch bestehen offenbar Unterschiede nach der Nationalität, wenn sich diese auch nicht alle auf den statistischen Standards [Signifikanzniveau 5 % oder strenger, Maße praktischer Bedeutsamkeit PHI oder V mindestens = 0,10] sichern lassen. Tabelle 1:
* =[In Prozent der bis unter 18jährigen ausländischen Jugendlichen in der BIBB-Stichprobe. Die Altersgrenze für die Basis wurde wie im Berufsbildungsbericht der Bundesregierung gewählt.]
Weibliche Jugendliche erhalten ihre Ausbildung mit 15 % fast doppelt so oft wie männliche in außerbetrieblichen Einrichtungen. [Seite der Druckausg.: 13] Tabelle 2:
Quelle: BIBB 1992
Einreisealter Wer hier geboren oder bis zum Alter von 6 Jahren eingereist ist, hat eine sehr viel höhere Chance auf eine qualifizierte Berufsausbildung: Tabelle 3: Berufsausbildung und Einreisealter - in Prozent
Quelle: BIBB 1992 Jugendliche, die erst im Alter von 16 Jahren oder mehr in die Bundesrepublik gekommen sind, laufen ein besonderes Risiko, ohne Beruf zu bleiben: Nur 1,5 % aus dieser Gruppe nehmen noch eine Berufsausbildung auf. [Seite der Druckausg.: 14] Elternhaus Berufsstatus des Vaters bzw. der Mutter korrelieren hoch mit der Berufsausbildung der Kinder: 28 % der Auszubildenden, aber nur 16 % der Ungelernten, geben an, ihr Vater sei Facharbeiter. Insbesondere für die Kinder von Selbständigen besteht ein Risiko, ohne Berufsausbildung zu bleiben. Etwaige Rückkehrpläne der Eltern (abgefragt über die Jugendlichen) spielen für die berufliche Qualifizierung der Kinder offenbar und überraschenderweise keine Rolle: Dagegen ist ein deutlicher Zusammenhang festzustellen mit den eigenen Remigrationsabsichten: Tabelle 4:
Quelle: BIBB 1992 Wie zu erwarten, sind die Absichten zu bleiben bei den Auszubildenden noch stärker ausgeprägt. Doppelt so viele Jugendliche (24 %) wie Eltern (12 %) wollen auf Dauer in der Bundesrepublik leben.
2. Übergang Schule/Beruf
Schulbesuch Im Herkunftsland haben nur 39 % der Auszubildenden, aber 60 % der Ungelernten eine Schule besucht, die Auszubildenden zudem weniger lange. Dies korrespondiert mit dem früheren Einreisealter in der Bun- [Seite der Druckausg.: 15] desrepublik. Auch die Auswertung der Dauer des Schulbesuchs in Deutschland reflektiert diesen Sachverhalt: In der Bundesrepublik haben Auszubildende länger die Schule besucht als die Ungelernten: Die durchschnittliche Dauer der Schulzeit betrug für die Auszubildenden 8,7 Jahre, für die Ungelernten 7,7 Jahre. Noch stärker ist der Zusammenhang zwischen Berufsausbildung und Schulabschluß in der Bundesrepublik. Tabelle 5:
Quelle: BIBB 1992 Erwartungsgemäß haben Auszubildende häufiger den Abschluß der Haupt- oder Realschule [Die Unterschiede beim Hauptschulabschluß sind weniger gravierend (Phi = 0,08).] Sie haben weniger oft die Sonderschule besucht (1 %, Ungelernte 5 %) Wer auf der allgemeinbildenden Schule eine gemischte Klasse gemeinsam mit Deutschen besuchte, hat kaum häufiger eine Berufsausbildung aufgenommen als ausländische Jugendliche, die reine Ausländerklassen besucht hatten. Überhaupt keine Rolle spielt eine etwaige Unterbrechung der Schulzeit, beispielsweise wegen Aufenthalts im Herkunftsland (7 % der Auszubildenden, 8 % der Ungelernten) In den früheren Dekaden mit höheren Ungelerntenanteilen für die deutsche Bevölkerung waren die Mädchen besonders betroffen gewesen - noch bis weit in die 70er Jahre hinein.
[Vgl. Schweikert, K: Fehlstart ins Berufsleben, SzB, Bd. 55, BIBB, Berlin und Hannover 1979]
[Seite der Druckausg.: 16] Jugendlichen geringer als bei den männlichen Jugendlichen - zugunsten einer stärker schulisch orientierten allgemeinen Bildung. Hauptgrund für den Verzicht auf das Erlernen eines Berufs ist mit 41 % die finanzielle Überlegung, bei Jungen mit 48 % ganz besonders häufig (Mädchen: 30 %). Bei den Mädchen spielt auch die negative Einstellung der Eltern zu beruflicher Qualifizierung eine besonders behindernde Rolle (17 %, Jungen: 6 %). Mitverdienen der Kinder zulasten einer Berufsausbildung wird für alle untersuchten Nationalitäten gleich häufig genannt. Türkische Eltern sind häufiger gegen eine Berufsausbildung ihrer Kinder. Griechische (24 %) und jugoslawische Jugendliche (25 %) ohne Berufsausbildung haben uns besonders häufig mitgeteilt, sie hätten nicht gewußt, was sie werden sollten. Rund die Hälfte der Befragten ohne Berufsausbildung hatte weder ein Berufsinformationszentrum der Bundesanstalt für Arbeit noch die berufliche Einzelberatung aufgesucht: Tabelle 6:
Quelle: BIBB 1992 Auszubildende nutzen das Angebot der Bundesanstalt für Arbeit sehr viel häufiger. Etwa die Hälfte der Auszubildenden schließt den Ausbildungsvertrag nach höchstens vier Bewerbungen (Durchschnitt Auszubildende: ca. neun Bewerbungen). Insgesamt stellt sich, ohne deutliche Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, der Erfolg nach durch- [Seite der Druckausg.: 17] schnittlich vier bis fünf Bewerbungen ein. Offenbar am meisten Mühe haben jugoslawische und türkische Jungen sowie griechische Mädchen. Während die Gründe für die männlichen Jugendlichen diffus bleiben, werden die Schwierigkeiten bei den Griechinnen darauf zurückgeführt, daß rund zwei Drittel weder die Berufsberatung noch die Selbstinformationszentren der Bundesanstalt für Arbeit aufsuchen (andere Ausländerinnen: 39 %). 81 % der ausländischen Auszubildenden haben ihren Wunschberuf ergriffen. 86 % der Auszubildenden sind mit ihrer Ausbildung (sehr) zufrieden: Tabelle 7:
Quelle: BIBB 1992 ** =Vergleichsgruppe aus einer bundesweit repräsentativen Stichprobe des BIBB von 1985 bei n=995 Auszubildenden; siehe hierzu K. Schweikert: Ganz die Alten? Was Auszubildende meinen, was Auszubildende tun, Berichte zur beruflichen Bildung Heft 104, Berlin, BIBB 1989 Der Prozentsatz der Jugendlichen, die "richtig Spaß" an der Ausbildung haben, ist bei den Ausländern signifikant höher, der Prozentsatz derer, die lieber aufhören möchten, signifikant niedriger als bei den deutschen [Seite der Druckausg.: 18] Auszubildenden. Ausländische Mädchen sind ebenso zufrieden wie ausländische Jungen. Tabelle 8:
Quelle: BIBB1992 Wie die Tabelle zeigt, macht den ausländischen Auszubildenden auch die Berufsschule mehr Freude als einer deutschen Vergleichsgruppe. Insgesamt erleben ausländische Jugendliche ihre Berufsausbildung als erfreulich, und zwar noch stärker als deutsche Auszubildende. Nur etwa ein Viertel der ausländischen Auszubildenden wird offenbar im Zusammenhang ihrer Berufsausbildung gefördert. Der Akzent der zusätzlichen Hilfen liegt auf Fachtheorie, gefolgt von Mathematik- und Deutschunterricht. Fast alle Angebote sind integrierte Maßnahmen, an denen auch deutsche Auszubildende teilnehmen. Mehr als die Hälfte der Kurse findet während der Ausbildung im Betrieb statt. [Seite der Druckausg.: 19] Perspektiven nach der Ausbildung/Arbeitsschicksal Von den Befragten, die in der Bundesrepublik eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, hatten 95 % ihre Ausbildung im dualen System erhalten. Davon sind 75 % anschließend von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen worden; hiervon wiederum drei Viertel (76 %) mit unbefristetem Arbeitsvertrag. 25 % der betrieblich Ausgebildeten sind nicht übernommen worden oder haben selbst gekündigt. Sie haben sich entweder Arbeit in einem anderen Betrieb gesucht (10 %) oder sind ( zunächst arbeitslos geworden (15 %). Die Arbeitslosigkeit hat im Durchschnitt sieben Monate gedauert. 15 % der jungen Ausländer, die nach Abschluß der Ausbildung arbeitslos geworden sind, waren zum Zeitpunkt der Befragung noch ohne Arbeit. Die Untersuchung der Übernahme auf Besonderheiten blieb ergebnislos: Auf die Übernahme ohne Einfluß sind Geschlecht, Nationalität der Befragten und der Ausbildungsbereich, dem der Betrieb zuzurechnen ist. Von den ausländischen Auszubildenden rechnen zwei Drittel mit der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis durch den Ausbildungsbetrieb nach Abschluß der Ausbildung. Tabelle 9 :
Quelle: BIBB 1992 [Seite der Druckausg.: 20] Männliche und weibliche Auszubildende äußern sich in gleicher Weise. In der Einschätzung der Perspektive nach der Ausbildung bestehen auch keine Unterschiede nach der Nationalität. Ähnlich sehen Auszubildende mittelfristig ihre Lage auf dem Arbeitsmarkt: Nur 3 % halten es für wahrscheinlich, innerhalb der nächsten Jahre arbeitslos zu werden. Die Einschätzung der Ungelernten ist erheblich pessimistischer: Tabelle 10 :
Quelle: BIBB 1992 44 % der Ungelernten sind in der Bundesrepublik bereits einmal arbeitslos gewesen - bei den Auszubildenden erwartungsgemäß deutlich weniger: 8
3. Abbruch der Ausbildung bei ausländischen Jugendlichen
Bei der Untersuchung des Ausbildungsabbruchs bewegt man sich auf dünnem Eis: In den Statistiken der zuständigen Stellen werden zwar alle Vertragslösungen erfaßt, nicht aber in saldierfähiger Form neue Vertragsabschlüsse der betreffenden Jugendlichen. Daher läßt sich der Umfang des Ausbildungsabbruchs nicht exakt angeben. Ausbildungsabbruch als endgültigem Verzicht kann nur in eigenen Stichprobenuntersuchungen nachgegangen werden. Abbrecher bilden, da sie in kei- [Seite der Druckausg.: 21] ner Datei gesondert geführt werden, eine Teilgruppe der Befragten, die in der Regel klein ist. Das ist zumindest bei repräsentativen Untersuchungen ohne Gewichtung der Fall. Die BIBB-Studie macht hier keine Ausnahme: in die Stichprobe gelangten 80 ausländische Jugendliche, die einen Vertrag gelöst hatten bzw. 74, die definitiv ihre Berufsausbildung abgebrochen haben.
[Im Alter bis unter 25 Jahre. Um Generationseffekte auszuschalten, wurden bei der Analyse ältere Befragte nicht berücksichtigt.]
Fast ein Viertel - 24% - der ausländischen Jugendlichen, die eine Berufsausbildung begonnen haben, bricht die Ausbildung ab. Die Abbrecherquote für die Mädchen ist mit 20 % niedriger als die der Jungen mit 27 %
[ Signifikanzniveau: 7 % - jeweils bezogen auf Jugendliche bis unter 18 Jahre ]
Die Quote der Vertragslösungen deutscher und ausländischer Jugendlicher zusammen wird für 1988 mit 19,2 % angegeben [ Vgl. Berufsbildungsbericht 1992], bezogen auf die - für drei Jahre gemittelten - Neuabschlüsse. Nach Umrechnung auf die Zahl der Auszubildenden und Herausrechnen der Ausländer mit Hilfe der in der BIBB-Untersuchung ermittelten Vertragslösungsquote der Ausländer von 26,6 % ergibt sich die Vertragslösungsquote der deutschen Jugendlichen zu 20,5 %. Damit liegt die Quote der Vertragslösungen bei den ausländischen Jugendlichen um etwa 30 % über dem Wert der deutschen Vergleichspopulation. [Seite der Druckausg.: 22] Gründe für den Ausbildungsabbruch Hauptgrund für den Abbruch ist die Notwendigkeit bzw. der Wunsch, mehr Geld zu verdienen - wie auch beim Verzicht auf Berufsausbildung von vornherein. Anders als beim Verzicht werden Eltern bzw. Konflikte in der Familie aber für den Abbruch nur als nachgeordnete Faktoren genannt. Eine wichtige Rolle spielen dagegen Konflikte mit Kollegen, Ausbildern und Lehrern. Tabelle 11:
Mehrfachnennungen Quelle: BIBB 1992 Die Nennungen "zu schwierig", "zu anstrengend" und "gesundheitliche Gründe" deuten auf unzureichende Berufsinformation und -beratung bei der Berufsentscheidung hin. Die weitere Untersuchung hat [Seite der Druckausg.: 23] gezeigt, daß insbesondere die Berufsinformationszentren der Bundesanstalt für Arbeit - nur etwa 12 % der Abbrecher hatten das BIZ aufgesucht (ausländische Auszubildende: ca. 24 %) - nicht in ausreichendem Maße genutzt worden waren.
4. Trends
Im folgenden sollen einige Trendaussagen aus dem Vergleich mit den Daten der BIBB-Erhebung von 1979/80 formuliert werden. Hierfür mußten die Daten der Befragten über 25 Jahre aus der Erhebung von 1989 eliminiert werden, um die Vergleichbarkeit mit der 79/80er Erhebung herzustellen. Wo Vergleiche nicht möglich sind, weil entsprechende Daten damals nicht erhoben worden sind, wird an einigen Stellen eine Trendanalyse aus dem Vergleich der Altersgruppen in der Erhebung von 1989 versucht. Die Ausbildungsbeteiligung der ausländischen Jugendlichen hat sich in 10 Jahren verdoppelt: Tabelle 12:
Quelle: BIBB 1992 [Seite der Druckausg.: 24] Das gilt jedoch nicht für alle Gruppen in gleichem Maße: Unverändert bescheiden ist die Beteiligung der Griechen. Verbessert liegen nun die italienischen Jugendlichen. Ganz erheblich stärker wurde die Beteiligung der türkischen und der portugiesischen Jugendlichen an der Berufsausbildung. Jungen wie Mädchen haben ihre Teilnahme in gleicher Stärke intensiviert. Das heißt aber auch, daß die relative Position der Mädchen unverändert blieb: nach wie vor ist ihre Chance auf Berufsausbildung etwa 45 % geringer als die der männlichen (ausländischen) Jugendlichen. Bei den italienischen und türkischen Jugendlichen hat sich die Ausbildungsbeteiligung sowohl bei den Jungen als auch bei den Mädchen signifikant verbessert.
[ Signifikanz im t-Test. Der Anstieg ist bei den italienischen Mädchen aber erst auf dem Niveau von 10 % signifikant. ]
Schulabschlüsse Erwartungsgemäß schließen nun mehr ausländische Jugendliche mindestens die Hauptschule ab als vor 10 Jahren. Der Anteil ausländischer Abgänger ohne Abschluß ist im Beobachtungszeitraum auf ein Drittel gefallen. [Seite der Druckausg.: 25] Tabelle 13:
Quelle: BIBB 1992 Die ausländischen Jugendlichen greifen inzwischen sehr viel häufiger bei der Berufswahl auf die institutionellen Angebote zurück: während 1979/80 nur rund 12 % aller ausländischer Jugendlichen zur Berufsberatung gingen, ließen sich 1989 schon rund 38 % dort beraten. Ausländische Auszubildende haben schon 1979 häufiger als andere Jugendliche die berufliche Einzelberatung beansprucht (27 %). Inzwischen (1989) nutzen 60 % der ausländischen Auszubildenden die Berufsberatung, weitere 24 % das Informationsangebot in den Berufsinformationszentren der Bundesanstalt für Arbeit
[ Die Frage nach der Nutzung der Berufsinformationszentren war 1979/80 nicht gestellt worden, da damals erst wenige Zentren arbeiteten.].
[Seite der Druckausg.: 26] Tabelle 14:
Quelle: BIBB 1992 Die verstärkten Bemühungen um eine Ausbildungsstelle sind umso bemerkenswerter, als inzwischen eine globale Verbesserung der Versorgung mit Ausbildungsstellen eingetreten ist: 1979 war ein durchaus schwieriges Jahr gewesen: das Gesamtangebot an Ausbildungsstellen lag mit rund 677.000 Stellen nur 2,5 % über der Gesamtnachfrage. 1989 war die Situation dagegen deutlich entspannt: Das Angebot übertraf die Nachfrage um immerhin 11 %. Die Frage nach der Anzahl erhaltener Zusagen war 1979 nicht gestellt worden, so daß sich eine Veränderung in der Relation Bewerbungen/Zusagen nicht feststellen läßt. Versucht man eine Aussage zum Trend aus einem Vergleich der Altersgruppen, so scheint sich insgesamt im Lauf der letzten Jahre diese Relation etwas verschlechtert zu haben, und zwar nur bei den männlichen Ausländern. Bei den Ausländerinnen hat sich die Relation verbessert. Diese Aussage gilt wegen der Verwendung von Querschnittsdaten zur Trendaussage mit aller Vorsicht. Der Vergleich der Daten aus den beiden extremen Altersgruppen der Tabelle dürfte die Entwicklung jedoch gut beschreiben. Zudem scheint sich eine Verbesserung der Situation anzubahnen - wie der Vergleich der beiden Altersgruppen 15-18 Jahre und 19-21 Jahre zeigt. Die Verbesserung der Versorgung mit Ausbildungsstellen zeigt sich auch darin, daß 1989 nur noch 5 % der Ungelernten angaben, keinen Ausbildungsplatz gefunden zu haben: 1979/80 waren es noch 13 % gewesen. [Seite der Druckausg.: 27] Tabelle 15:
Abbruch der Berufsausbildung Aus den Daten der Erhebung von 1989 ließ sich die Abbrecherquote der ausländischen Jugendlichen zu 24 % berechnen, wie wir oben gesehen haben. In der BIBB-Untersuchung von 1979/80 war die Abbrecherquote für ausländische Jugendliche mit 19 % ermittelt worden.
[ Siehe Schweikert, K.: Berufsbildungssituation ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin (CEDEFOP), 1983, S. 48]
[Seite der Druckausg.: 28] Die Ausbildungszufriedenheit hat in der Dekade zugenommen: Tabelle 16:
Quelle: BIBB 1992 Aufhören möchte fast kein Auszubildender mehr. Auch die positive Bewertung "macht Spaß" hat zugenommen. [ Tendenzwert, s: 17 % im 4-Felder-Chi-Quadrattest, Phi=0,09] Die Einstellung zur Berufsschule ist bei den Auszubildenden im beobachteten Zeitraum von zehn Jahren im ganzen unverändert geblieben: Insgesamt haben sich die meisten der Voraussetzungen für eine berufliche Erstausbildung bei den ausländischen Jugendlichen in der Dekade verbessert - das gilt auch für eine Reihe von Untersuchungsgegenständen, deren Auswertung hier nicht dargestellt worden ist, wie etwa die Beherrschung der deutschen Sprache. In vielem haben sich ausländische Jugendliche - insbesondere ausländische Auszubildende - der deutschen Vergleichspopulation angenähert oder angeglichen. Berufswahlprozeß und Einmündung in die Erstausbildung verlaufen relativ ähnlich - wenn auch bei den ausländischen Jugendlichen die Einmündung noch schwieriger ist. Wie bei den deutschen Jugendlichen hat der Abbruch von Ausbildung zugenommen. [Seite der Druckausg.: 29]
5. Exkurs und Schluß : Bereitschaft zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
In der letzten Zeit wird verstärkt die Frage diskutiert, ob ein erleichterter Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft die Integration der hier lebenden Ausländer erleichtern könne. Eine solche, prospektive Fragestellung kann die Untersuchung des BIBB nicht beantworten. Wohl aber gibt das Material Auskunft über die Bereitschaft der Ausländer zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Insgesamt wären 60 % der Jugendlichen bereit, Deutscher zu werden - 17 % unter Verzicht auf die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes, 43 % nur, wenn Beibehaltung möglich ist. Hier soll noch darauf eingegangen werden, wovon diese Bereitschaft abhängt. Die Analyse ergab:
Ein Zusammenhang besteht mit dem Geschlecht: Ausländerinnen lehnen die deutsche Staatsbürgerschaft mit 43 % tendenziell häufiger ab (Männer: 37 %). [ Phi = 0,06] Positiv wirken sich u.a. aus:
[Seite der Druckausg.: 30]
und ganz besonders stark
Die Ergebnisse der Analysen sollen kurz erörtert werden: Geburt in Deutschland wirkt sich positiv, Einreise erst nach dem 15. Lebensjahr negativ auf die Bereitschaft aus, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Ansonsten spielt das Einreisealter hier keine Rolle. Wer im Herkunftsland die Schule besucht hat, ist weniger gewillt, sich einbürgern zu lassen. [ s: 6,6 %;Phi =0,03 (schwach)] Entsprechend höher ist die Bereitschaft zur Einbürgerung bei den Befragten, die in Deutschland zur Schule gegangen sind: 63 % (andere 54 %). [ Phi =0,08] Die Bereitschaft steigt mit der Dauer des Schulbesuchs. Wer in der Bundesrepublik keinen Schulabschluß erreicht hat, lehnt häufiger ab (44 %, andere: 36 %). [ Phi = 0,06] Abiturienten sind ganz besonders oft bereit (59 %), die deutsche Staatsangehörigkeit zusätzlich zu erwerben und lehnen besonders selten ab (23 %; andere: 43 % bzw. ablehnend: 40 %). Ausländer, die in der Bundesrepublik einen Beruf erlernt haben, möchten sehr viel öfter (25 %) unter Aufgabe ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit Deutscher werden als andere Erwerbspersonen (15 %) und lehnen sehr viel seltener ab: 30 % (andere: 43 %). 45 % der Ausländer mit deutschem Berufsabschluß würden die deutsche Staatsangehörigkeit gerne zusätzlich erwerben (andere: 42 %). [ Der Unterschied ist nicht signifikant.] Unter den Erwerbstätigen gibt es deutliche Unterschiede nach der Qualifikation: Facharbeiter sind mit 74 % weitaus häufiger als angelernte (52 %) oder ungelernte (53 %) Arbeiter bereit, deutscher Staatsbürger zu werden. Die Verteilung bei Meistern, Angestellten und bei mithelfenden Familienangehörigen ist unauffällig und entspricht den statistischen Erwartungswerten. [Seite der Druckausg.: 31] 23 % der Ausländer, die ihre Staatsangehörigkeit gegen die deutsche eintauschen möchten, aber nur 5 % derer, die die deutsche Staatsangehörigkeit nur zusätzlich erwerben wollen, bezeichnen Deutsch als ihre Muttersprache. Wer im Herkunftsland zu einer nationalen Minderheit zählt, wünscht sich ganz besonders häufig (25 %) ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit (andere: 16 %). [Phi =0,08] Erwartungsgemäß korrelieren die Präferenzen für die Staatsangehörigkeit hoch mit den Remigrationsabsichten: wer ins Herkunftsland zurückkehren will, lehnt sehr viel häufiger (75 %) ab, Deutscher zu werden. Wer hier "für immer" zu bleiben beabsichtigt, reagiert anders: 84 % möchten gerne Deutsche werden - 44 % ausschließlich, 44 % zusätzlich. Nur 16 % lehnen die deutsche Staatsbürgerschaft rundweg ab. [Seite der Druckausg.: 32 = Leerseite] © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2003 |