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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 7]


Ruth Brandherm
Zusammenfassung


In der wissensbasierten Gesellschaft wird das Know-how der Beschäftigten zum entscheidenden „Rohstoff„. Die beruflichen Anforderungen an die Beschäftigten nehmen zu, Flexibilität und Lernbereitschaft werden unverzichtbar. Eine qualifizierte Berufsausbildung ist nur der Einstieg in ein Berufsleben, in dem lebensbegleitendes Lernen einen immer größeren Stellenwert bekommt.

Sich fortwährend in und für die Arbeit weiter zu qualifizieren und für neue Aufgaben und Einsatzbereiche fit zu machen, muss nach Auffassung von Ulla Schmidt für die Beschäftigten und die Unternehmen zu einer Selbstverständlichkeit werden. Aber auch für die Politik stellen sich neue Herausforderungen: Sie muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit lebensbegleitendes Lernen möglich ist. Modellversuche der Bundesanstalt für Arbeit und der Bundesländer zum „Lebenslangen Lernen„ sind bereits auf den Weg gebracht. In die Arbeitsmarktpolitik finden neue Instrumente Eingang, die, wie Job-Rotation, gleichzeitig einen Beitrag zur Qualifizierung von Beschäftigten und Erwerbslosen und zur beruflichen Integration leisten. Bei der anstehenden Reform des Arbeitsförderungsrechts sollen sie stärker berücksichtigt werden.

Durch den Einsatz und die Verbreitung der Informationstechnik wird Qualifizierung sowohl in besonderer Weise erforderlich als auch in einer neuen Weise möglich. Der Einsatz von netzbasiertem Lernen wird an Bedeutung gewinnen. Zur Zeit nutzen erst wenige Unternehmen, vor allem Großunternehmen, netzgestützte Lernprogramme. Am Beispiel der Kooperation und der Vernetzung von Unternehmen und Anbietern von Weiterbildungsdienstleistungen in Aachen macht Ulla Schmidt deutlich, dass eine bessere Versorgung, vor allem auch von KMUs, erreicht werden kann.

Die Bundesregierung hat eine neue Forschungs- und Bildungsoffensive gestartet und die Mittel für diese Zukunftsinvestitionen erhöht. So werden z.B. für die Entwicklung von Lernsoftware 400 Millionen DM bereit gestellt. Aber auch in der Arbeitsmarktpolitik ist Weiterbildung ein Schwerpunkt: 13

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Milliarden DM werden hier eingesetzt. Die Aktivitäten im Bereich der Förderung von IT-Berufen zeigen, dass Weiterbildungsangebote zielgerichtet und bedarfsgerecht entwickelt werden. Die SPD hat auch auf dem parlamentarischen Wege die Initiative für die Förderung des lebensbegleitenden Lernens ergriffen und strebt mit einem Antrag zum lebensbegleitenden Lernen eine Reform der Weiterbildung an.

Mit den Konsequenzen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels für das Bildungs- und Berufsbildungssystem beschäftigt sich Gisela Dybowski in ihrem Beitrag. Sie weist darauf hin, dass lebensbegleitendes Lernen nicht nur beim Individuum eine veränderte Einstellung zum Lernen voraussetzt, sondern auch einen Paradigmenwechsel im Bildungs- und Berufsbildungssystem notwendig macht. Das gestiegene Qualifikationsniveau der Mehrzahl der Erwerbstätigen bietet dafür gute Voraussetzungen. Den innovativen Kern einer Bildungsinfrastruktur können bildungs-, bereich- und trägerübergreifende Netzwerke auf regionaler und überregionaler Ebene bilden.

Lebensbegleitendes Lernen verlangt von den Menschen mehr individuelle Flexibilität und setzt auf die Eigenverantwortung des Lernenden. Wesentliche Aufgabe zukünftiger Bildungspolitik, aber auch zukünftiger Qualifizierungspraxis ist damit die Stärkung der Fähigkeit zu eigenverantwortlichem, selbstgesteuertem Lernen. Für berufliche Qualifizierungsprozesse bedeutet dieses Prinzip eine andere berufliche Lernkultur als die derzeit dominante. Dabei gerät die Förderung und Nutzung informellen Lernens stärker ins Blickfeld. Unbestreitbar spielt der Erwerb von Kompetenzen in der beruflichen Praxis eine große Rolle. Dennoch ist es aus der Sicht von Gisela Dybowski problematisch, die Anpassung der Beschäftigten an technisch-organisatorische Veränderungen allein dem individuellen Engagement und dem Selbstlernen zu überantworten. Dies vernachlässigt die Bedeutung didaktisch-strukturierter und systematischer Lernprozesse, gerade in der modernen Wissensgesellschaft. Außerdem werden Benachteiligungen geschaffen bzw. perpetuiert, da Lernpotentiale und ihre Nutzungsmöglichkeiten in der Arbeit sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Gisela Dybowski plädiert deshalb neben der Anerkennung, im Sinne einer Zertifizierung, und Förderung des informellen Lernens für einen Ausbau des pädagogisch vorbereiteten und strukturierten Lernens in der Arbeit sowie des institutionellen Lernens in Bildungseinrichtungen.

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Ältere Beschäftigte wurden bisher von der Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik vorwiegend als „Alterslast„ und nicht als personal- und betriebswirtschaftliche Ressource betrachtet. Die jahrzehntelange betriebliche Frühverrentungspraxis spiegelt diese Einschätzung wider und belegt, dass die betriebliche Nutzung der Älteren und das frühe Ausscheiden aus dem Erwerbsleben durchaus im Interesse von Betrieb und Beschäftigten lag. Dementsprechend ist die Erwerbsquote der Älteren deutlich niedriger als die anderer Altersgruppen, die Arbeitslosigkeit deutlich höher und die Langzeitarbeitslosigkeit überproportional hoch. Corinna Barkholdt beschäftigt sich in ihrem Beitrag damit, was die älteren Arbeitnehmer zu einer auch betriebswirtschaftlich interessanten Ressource macht und welche Ansätze und Angebote bei der Qualifizierung Älterer verfolgt werden sollten.

Die mit dem demographischen Wandel notwendige Ausweitung der Alterserwerbstätigkeit rückt die Frage der Qualifizierung Älterer in den Mittelpunkt, wenn die Wirtschaft ihre Innovationsfähigkeit erhalten will. Auf betrieblicher und politischer Ebene gibt es bislang kaum konzeptionelle Ansätze, die die damit verbundenen Herausforderungen für die Qualifizierungspolitik Älterer aufgreifen. Altersteilzeit ist aus Sicht von Corinna Barkholdt ein Signal, das der Einbeziehung und Aufwertung der Qualifizierung und Beschäftigung Älterer eher entgegensteht.

Corinna Barkholdt zeichnet in ihrem Beitrag die Umrisse einer „altersübergreifenden Qualifizierungsstrategie„ auf. Ausgehend von Befunden, die verbreitete Urteile im Hinblick auf eine geringere Qualifikation und Weiterbildungsbereitschaft Älterer widerlegen, zeigt sie auf, dass eine Qualifizierungsoffensive, die erst im höheren Erwachsenenalter ansetzt, nicht angemessen ist. Demgegenüber richtet sich eine altersübergreifende Qualifizierungsstrategie auf die gesamte Erwerbsbiographie und schafft die Voraussetzungen, damit Qualifikationen und Qualifizierungsbereitschaft der Beschäftigten über die gesamte Lebensphase hinweg erhalten bleiben. Eine solche Strategie setzt an der Arbeitsorganisation an und zielt auf lernförderliche Arbeitsprozesse und Arbeitsmittel, die eine Qualifizierung sowie Handlungsspielräume in der Arbeit ermöglichen. Darüber hinaus können im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeitkonten Lern- und Arbeitsphasen besser verbunden und damit altersübergreifende Qualifizierungskonzepte eher realisiert werden.

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Lernzeitkonten – ein Konzept, das lebenslanges Lernen und innovative Arbeitszeitmodelle miteinander kombiniert, stellt Hartmut Seifert vor. Die im Juni 2000 im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit getroffene Vereinbarung, langfristige Arbeitszeitguthaben für die Weiterbildung, Altersvorsorge und das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verwenden, ist Ausgangs- und Bezugspunkt für seine Überlegungen. Hieraus entwickelt er folgende Grundidee: Jede/r Beschäftigte/r verfügt über ein Lernkonto, das von dem Beschäftigten, dem Betrieb, den Tarifvertragsparteien und dem Gesetzgeber gespeist wird. Dadurch erhalten alle Beschäftigten eine Chance, sich auf veränderte Qualifikationsanforderungen vorzubereiten und ihr Wissen an die Veränderungen anzupassen.

Lernzeitkonten können u.a. durch Arbeitszeitkonten aufgefüllt werden. Die Verbreitung von Arbeitszeitkonten hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen. Die Nutzung für berufliche Weiterbildung ist bislang jedoch eher die Ausnahme. Den Grundstock für ein Lernzeitkonto könnten gesetzliche, tarifvertragliche und betrieblich vereinbarte Ansprüche auf Weiterbildungszeiten bilden. Diese sind allerdings weder flächendeckend noch aufeinander abgestimmt. Insbesondere bei den betrieblichen Regelungen zur beruflichen Weiterbildung, die einen ähnlich hohen Stellenwert besitzen wie die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen, hat es in der letzten Zeit interessante Neuerungen gegeben. Bei der nicht-betrieblich initiierten Weiterbildung – also vor allem der aufstiegsorientierten Weiterbildung – teilen sich der Betrieb und der/die Beschäftigte die Lernzeitkontingente untereinander auf (time-sharing). Der Betrieb trägt auch hier die direkten Kosten der Weiterbildung.

Hartmut Seiferts Vorschlag für ein Konzept der Lernzeitkonten setzt an den Möglichkeiten von Arbeitszeitkonten und an den gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Anspruchsgrundlagen auf betriebliche Weiterbildung an. Sein auf dem time-sharing Gedanken basierender Vorschlag erfordert von Tarifvertragspartnern die Überwindung bisheriger Denkmuster und Prinzipien. Für Probleme und Fragen, die bei der betrieblichen Umsetzung von Lernarbeitskonten auftreten können, gibt der Autor abschließend eine Reihe von Hinweisen und Lösungsansätzen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001

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