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[Seite der Druckausg.: 8 ]


1. Zur Einführung


Die illegale [Im folgenden wird der Begriff "illegale" Migration gegenüber anderen Termini, wie irreguläre, unkontrollierte, klandestine oder undokumentierte bevorzugt; zur Begründung dafür sei auf 2.2 verwiesen. Die Begriffe "illegale Migration" oder "Illegalität" werden im folgenden keinesfalls in einem abwertenden Sinne gebraucht; sie sollen nur die rechtliche Situation, und die daraus resultierenden Konsequenzen der betreffenden Person wiedergeben.] Migration und die illegale Ausländerbeschäftigung bestimmt in letzter Zeit in zunehmenden Maße den öffentlichen Diskurs. Tageszeitungen, Wochenmagazine und Fernsehsendungen berichten regelmäßig über spektakuläre Fälle von Einschleusungen und Razzien, bei denen illegal arbeitende Migranten aufgegriffen werden. Selbst am Genre Fernsehkrimi geht das Phänomen der illegalen Zuwanderung nicht vorbei; Schleuserbanden und illegal verschleppte Prostituierte geben eine gute Vorlage ab.

Sieht man einmal von den eher kriminalistischen Medienberichte ab, ist bisher über diese Personengruppe und ihr soziales Leben wenig bekannt geworden. Die Illegalität von Migranten dürfte einer der am wenigsten erforschten Bereiche der deutschsprachigen Sozialwissenschaften sein. Bis auf einige kleinere empirische Studien und eher theoretische Arbeiten ist das Thema weitgehend unbearbeitet. Dies liegt auch darin begründet, daß naturgemäß ein Feldzugang hier nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist.

Das vorliegende Gutachen soll einen Überblick über die Kontextbedingungen der Illegalität (Ausländer- und Arbeitsrecht, Lebenslagen) geben, den derzeitigen sozialwissenschaftlichen Forschungsstand widergeben und gleichzeitig zur weiteren Hypothesenbildung anregen. In räumlicher Hinsicht ist diese Arbeit auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, da es sich um einen geschlossenen Rechtsraum handelt. Daneben werden Forschungen aus Österreich und den Niederlanden rezipiert, wo die rechtliche Situation ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland ist. Ergebnisse der Forschungen zur Illegalität von Migranten aus den USA - wo es eine bis in die 30er Jahre zurückreichende Forschungstradition gibt - und aus den südeuropäischen Ländern werden nur punktuell betrachtet. Die rechtliche und faktische Lage von Migranten ohne Aufenthaltsrecht stellt sich in diesen Länder gänzlich anders dar.

Es sei hier daran erinnert, daß dieses Phänomen der illegalen Zuwanderung nicht neu ist. In der Nachkriegszeit trat illegale Migration häufig als Begleiterscheinung der normalen Arbeitsmigration auf. Neu sind offenbar die quantitativen Dimensionen und die Dynamik der illegalen Migration. Die mit dem Fall des Eisernen Vorhangs hergestellte Freizügigkeit von Osten sowie die Globalisierung der ökonomischen und kommunikativen Beziehungen bilden den Hintergrund dieser Entwicklung. Hinzu kommen beinahe eigendynamisch ablaufende Migrationsprozesse.

Grundsätzlich sollte analytisch zwischen den migrationsrelevanten Tatsachen der illegalen Einreise, des illegalen Aufenthalts und der illegalen Beschäftigung unterschieden werden, auch wenn diese rechtlich und faktisch in vielen Fällen eng verflochten sind. Es handelt sich dabei jeweils um andersartige Phänomene, die auch durch verschiedene Rechtsbereiche geregelt werden (Ausländer- und Arbeitsrecht). Illegalität wird im folgenden als rechtswidriges Verhalten betrachtet. Ist beispielsweise jemand im aufenthaltsrechtlichen Sinne illegal, so hat er gegen die entsprechenden Rechtnormen des Ausländerrechts verstoßen.

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Das vorgelegte Gutachten zu den Phänomenen der illegalen Migration und illegalen Ausländerbeschäftigung gliedert sich in sieben Abschnitte. Zunächst werden die illegale Migration und die illegale Ausländerbeschäftigung hinsichtlich der arbeits- und ausländerrechtlichen Normen beleuchtet; deren faktische Implikationen sind ebenfalls Bestandteil von Kapitel 2. Nachfolgend wird analysiert, wie und auf welchem Wege eine Person im Sinne des Aufenthaltsrechts "illegal" werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen Motive und Zugangsarten der Migranten muß von einer Vielfalt an Formen der Illegalität ausgegangen werden. Neben verschiedenen Graden der Illegalität existieren auch sehr unterschiedliche Lebenslagen in der Illegalität (Kapitel 3). Das 4. Kapitel faßt die relevanten Ergebnisse von vier bisher durchgeführten qualitativen Feldstudien zum Thema zusammen und gibt so einen Überblick über den bisherigen empirischen Forschungsstand zum Thema. Das nachfolgende Kapitel 5 nimmt eine Analyse des illegalen Arbeitsmarktes (aber auch des Migrationsmarktes) aus ökonomischer Sicht vor. Möglichkeiten der statistischen Erfassung und Schätzung illegaler Migration sowie illegaler Ausländerbeschäftigung werden im Kapitel 6 ausgelotet. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den Folgen und Konsequenzen der genannten illegalen Praktiken für den Arbeitsmarkt, das soziale Sicherungssystem und die Sicherheit. Kurze ethische Reflexionen zum Thema stehen schließlich am Ende dieses Gutachtens.

Neben dem Studium der einschlägigen Fachliteratur und von Presseberichten wurden für dieses Gutachten einige Gespräche mit Fachexperten geführt; zusätzlich wurden einige Dokumente des Bundesgrenzschutzes und der Bundesanstalt für Arbeit gesichtet und ausgewertet. An dieser Stelle sei Verónica Tomei, M.A. und Prof. Dr. Friedrich Heckmann für wertvolle Hinweise und Anregungen gedankt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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