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Konzeptionelle Überlegungen zu einer ökologischen Finanzreform [Seite der Druckausg.: 13 ] Andreas Burger
Die folgenden Ausführungen skizzieren zunächst, wie sich die Diskussion um eine ökologische Steuerreform entwickelt hat. Davon ausgehend wird mit der Einführung des Begriffs der ökologischen Finanzreform eine Verbreiterung der Reformperspektive angeregt. Im zweiten Abschnitt wird dann der Versuch unternommen, einige Leitlinien zu formulieren, die bei der Umsetzung einer ökologischen Steuer- bzw. Finanzreform berücksichtigt werden sollten. Der Themenstellung der Tagung entsprechend beschränken sich dabei die Überlegungen auf Gestaltungsmerkmale, die aus beschäftigungspolitischer Sicht von besonderer Bedeutung sind. 1. Von der ökologischen Steuerreform zur ökologischen Finanzreform
1.1 Historische Entwicklung Die gegenwärtige Diskussion um die Gestaltung einer ökologischen Steuerreform blickt auf eine lange Vorgeschichte zurück. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die grundlegenden Arbeiten von Pigou und Baumol/Oates sowie die umweltökonomische Instrumentendiskussion in den siebziger Jahren. In deren Verlauf ging es zunächst in relativ abstrakttheoretischer Form um die Begründung von Umweltabgaben, ihre Vor-und Nachteile gegenüber anderen umweltpolitischen Instrumenten sowie um die konkrete Gestaltung einzelner Abgabenlösungen.
Dies änderte sich erst Mitte der achtziger Jahre, als erstmals versucht wurde, Gesamtkonzepte für eine ökologische Steuerreform zu entwerfen. Bemerkenswerterweise wurde dabei von Anfang eine Verknüpfung von umwelt- und beschäftigungspolitischen Zielen angestrebt. Dieser Trend setzte sich in den neunziger Jahren mit der sogenannten double dividend-Diskussion fort. Darüber hinaus rückten in den letzten Jahren zusehends [Seite der Druckausg.: 14 ] die Umweltwirkungen des bestehenden Abgabensystems in das Blickfeld. Insbesondere das Thema des ökologischen Subventionsabbaus gewann mehr und mehr an Bedeutung.
1.2 Ökologische Steuerreform als Bestandteil einer ökologischen Finanzreform In mancher Hinsicht verweist die bisherige Diskussion bereits auf die Notwendigkeit einer umfassenderen Reform-perspektive. Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Frage der Mittelverwendung. So wird zum Beispiel häufig vor-geschlagen, als Ausgleich für die Einführung bzw. Erhöhung von Umweltsteuern einen Öko-Bonus zu gewähren oder die Beiträge zur Sozialversicherung zu senken. Solche Reform-konzepte lassen sich streng genommen nicht mehr unter den Begriff der ökologischen Steuerreform fassen. Dasselbe gilt auch für Vorschläge, die den Abbau ökologisch kontra-produktiver Finanzhilfen wie der Gas-/Ölverbilligung betreffen. In beiden Fällen erweist sich der Begriff der ökologischen Steuerreform als zu eng.
Letztlich gibt es keine stichhaltige Begründung dafür, Reformüberlegungen auf die Einnahmenseite des Budgets und hierbei wiederum auf die Steuern zu beschränken (siehe Abbildung l). Sinnvoller erscheint es, von vornherein das gesamte staatliche Finanzsystem in die Überlegungen einzubeziehen, und zwar sowohl bei der Frage der Aufkommensverwendung als auch hinsichtlich des ökologischen Reformbedarfes. Eine ökologische Finanzreform sollte aus umweltpolitischer Sicht folgende Elemente umfassen:
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[Seite der Druckausg.: 16 ] Darüber hinaus sollte der Staat auch bei seinen eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten Umweltbelange stärker berücksichtigen, beispielsweise im Rahmen der staatlichen Investitionspolitik oder im Beschaffungswesen. 2. Leitlinien einer ökologischen Steuer- bzw. Finanzreform Eine ökologische Steuer- bzw. Finanzreform stellt ein äußerst komplexes Unterfangen dar. Der Aspekt der ökologischen Lenkungseffizienz und die damit verbundene Frage nach dem optimalen Instrumentenmix von preispolitischen und anderen Umweltschutzmaßnahmen ist dabei ebenso zu berück-sichtigen wie die entstehenden Nebenwirkungen der ergriffenen Maßnahmen auf die klassischen gesamt-wirtschaftlichen Ziele. Die Abbildung 2 gibt einen - keineswegs alle Aspekte der Problematik erfassenden - Überblick über mögliche Leitlinien einer ökologischen Steuer- bzw. Finanzreform. Anhand einiger dieser Leitlinien soll im folgenden die beschäftigungspolitische Dimension der Gestaltung einer solchen Reform näher erläutert werden.
2.1 Weitgehende Aufkommensneutralität In Deutschland stieg die Abgabenquote im Verlauf der letzten Jahre dramatisch an. Zurückzuführen ist dies in erster Linie auf den Anstieg der Sozialabgaben sowie auf die Transferzahlungen an die neuen Bundesländer, die zusätzliche Steuerbelastungen erforderlich machten. Auf der politischen Agenda dürfte daher künftig die Frage, wie die Abgabenbelastung wieder zurückgeführt werden kann, eine zentrale Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, daß eine ökologische Finanzreform, welche zu einer weiteren substantiellen Erhöhung der Abgabenquote führt, politisch kaum durchzusetzen wäre. Darüber hinaus gehen von einem weiteren Anstieg der Abgabenquote tendenziell negative ökonomische und beschäftigungspolitische Wirkungen aus, etwa indem Leistungsanreize verlorengehen oder die Attraktivität Deutschlands im internationalen Standortwettbewerb sinkt. [Seite der Druckausg.: 17 ]
[Seite der Druckausg.: 18 ] In Zusammenhang mit der Diskussion um eine ökologischen Steuerreform wird eine weitere Erhöhung der Abgabenquote meist mit dem Argument begründet, daß das Aufkommen aus Umweltabgaben zur Finanzierung von Umweltschutz-maßnahmen dienen sollte, um auf diese Weise den ökologischen Lenkungseffekt zu verstärken. Gegen eine solche Vorgehensweise sprechen jedoch nicht nur die oben genannten Nachteile, die eine weitere Erhöhung der Abgabenquote mit sich bringen würde, sondern auch die tendenziell geringere Allokationseffizienz von Umweltschutz-subventionen im Vergleich zu Umweltabgaben (Baumol/Oates 1989). Eine ökologische Finanzreform sollte in erster Linie darauf setzen, umweltbelastende Aktivitäten zu verteuern, um auf diesem Wege den Preismechanismus in den Dienst der Umweltpolitik zu stellen und den ökologischen Strukturwandel voranzutreiben. Umweltschutzsubventionen stellen diesbezüglich meist nur eine second best-Lösung dar, weil sie tendenziell umweltbelastende Industrien begünstigen und sich aus Gründen der leichteren Administrierbarkeit häufig auf end of pipe-Technologien konzentrieren. Der Grundsatz der Aufkommensneutralität und der Verzicht auf Subventionen sollte andererseits jedoch auch nicht zum Dogma erhoben werden. Eine geringfügige Erhöhung der Abgabenquote kann in der Einführungsphase von Umweltabgaben durchaus sinnvoll sein, wenn dadurch
Mit Hilfe einer solchen Strategie läßt sich unter Umständen nicht nur die Wirtschafts- und Sozialverträglichkeit, sondern auch die Beschäftigungsbilanz einer ökologischen Finanzreform verbessern. Allerdings sollten die gewährten Anpassungshilfen auf ein Mindestmaß beschränkt und von vornherein zeitlich befristet werden. [Seite der Druckausg.: 19 ] 2.2 Kompensatorische Senkung der Lohnkosten Die Senkung arbeitsbezogener Steuern und Abgaben bildete von Beginn an ein zentrales Element in der Diskussion um eine ökologische Steuerreform. Im Hintergrund steht dabei die Hoffnung, durch eine Umschichtung der Abgabenbelastung vom Faktor Arbeit hin zu umweltbelastenden Tatbeständen sowohl die Arbeitslosigkeit zu senken als auch die Umweltqualität zu verbessern. Ob sich auf diese Weise tatsächlich eine doppelte Dividende erzielen läßt, ist zwar theoretisch nicht unumstritten. Zahlreiche empirische Untersuchungen deuten allerdings darauf hin, daß ein solcher Zusammenhang besteht (EG-Kommission 1995, S. 9). Der direkteste, praktikabelste und erfolgversprechendste Weg, die Lohnkosten im Rahmen einer ökologischen Steuerreform zu senken, besteht in einer Senkung der gesetzlich fixierten Lohnnebenkosten (DIW 1994, S. 71ff.). Dies kann auf verschiedene Weise geschehen. Denkbar ist zunächst, daß lediglich die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung gesenkt werden, sei es direkt oder indirekt über eine (teilweise) Rückerstattung gezahlter Beiträge. Zum anderen besteht die Möglichkeit, sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu senken, etwa indem versicherungsfremde Leistungen nicht mehr länger über Beitragszahlungen, sondern durch Zuschüsse des Bundes an die Sozialversicherung finanziert werden. 2.3 Wirtschaftsverträglichkeit Bei der Gestaltung einer ökologischen Steuerreform sollte berücksichtigt werden, daß die Fähigkeit der Unternehmen, sich an eine Änderung der ökonomischen Rahmenbe-dingungen anzupassen, begrenzt ist. Dies gilt besonders dann, wenn es sich um kurzfristige, nicht vorhersehbare Änderungen handelt. Die Einführung neuer bzw. Erhöhung bestehender Umweltabgaben sollte daher schrittweise und auf der Grundlage klarer umweltpolitischer Zielvorgaben erfolgen. Beschäftigungseinbußen als Folge von Anpassungsfriktionen und Fehlallokationen lassen sich auf diese Weise vermeiden. [Seite der Druckausg.: 20 ] Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von weiteren Möglichkeiten, eine ökologische Steuerreform wirtschaftsverträglich zu gestalten. Dazu zählt insbesondere die Rückgabe des Abgabenaufkommens in Form von kompensatorischen Abgabesenkungen, etwa in Gestalt einer Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Denkbar sind des weiteren zeitlich befristete sektorale bzw. regionale Anpassungshilfen für besonders belastete Sektoren bzw. Regionen. Eine wichtige Hilfestellung können schließlich auch Maßnahmen darstellen, die der Förderung des umwelttechnischen Fortschritts oder der informatorischen Unterstützung der Unternehmen dienen. Darüber hinaus wird häufig gefordert. Ausnahmeregelungen für umweltintensive Produktionsbereiche zu schaffen, die von einer Abgabenerhebung besonders stark betroffen sind und Gefahr laufen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
Denkbar ist in diesem Zusammenhang sowohl eine vollständige Befreiung von der Abgabe als auch die Gewährung niedrigerer Abgabensätze. Ausnahmeregelungen für umweltintensive Sektoren weisen jedoch gravierende Nachteile auf. Im Gegensatz zu den oben genannten Handlungsoptionen widersprechen sie der Abgabengerechtigkeit. Außerdem hemmen sie den ökologischen Strukturwandel und beeinträchtigen unter Umständen erheblich die ökologische Lenkungswirkung von Umweltabgaben. Insofern stellen sie nur die ultima ratio einer rationalen Umweltpolitik dar. Sofern Ausnahmeregelungen dennoch geschaffen werden, sind Steuersatzdifferenzierungen in jedem Fall günstiger zu beurteilen als eine vollständige Steuerbefreiung. In jedem Fall in Betracht gezogen werden sollte außerdem die Möglichkeit, die Gewährung von Ausnahmeregelungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. So hat zum Beispiel Dänemark im Rahmen der C02-Steuer eine Regelung eingeführt, nach der dänische Unternehmen, die ein Energie-Audit durchführen und sich verpflichten, wirtschaftlich rentable Energiesparinvestitionen durchzuführen, nur einen sehr geringen Steuersatz zahlen müssen (Danish Government 1995). [Seite der Druckausg.: 21 ] 2.4 Nutzung von Synergieeffekten Umweltabgaben und andere preispolitische Maßnahmen können ihre ökologische Lenkungswirkung aufgrund verschiedener Hemmnisse häufig nur begrenzt entfalten. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, eine ökologische Finanzreform mit flankierenden Maßnahmen zu verknüpfen, die diese Hemmnisse beseitigen oder zumindest verringern. Für ein solches Vorgehen spricht auch die Tatsache, daß sich die Lenkungswirkungen der Abgabe und der flankierenden Maßnahmen zum Teil wechselseitig verstärken, d.h. Synergieeffekte erzeugt werden können. Für flankierende Maßnahmen gibt es eine Fülle von denkbaren Ansatzpunkten, denen je nach Art des zu bewältigenden Umweltproblems, der vorliegenden Marktunvollkommenheiten etc. unterschiedliche Bedeutung zukommt:
Die mit flankierenden Maßnahmen erzielbare Erhöhung der ökologischen Lenkungswirkung geht vielfach mit positiven Beschäftigungseffekten einher. Der Grund hierfür ist vor allem darin zu suchen, daß die Wirtschaftssubjekte in verstärktem Maße investive, die Abgabenbelastung mindernde Anpassungsreaktionen ergreifen. 3. Fazit Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, negative Beschäftigungseffekte einer ökologischen [Seite der Druckausg.: 22 ] Finanzreform zu begrenzen und die Beschäftigungsbilanz insgesamt positiv zu gestalten. Im Mittelpunkt stehen dabei folgende Aspekte:
Damit wird zugleich deutlich, daß pauschale Urteile über die Beschäftigungswirkungen einer ökologischen Finanzreform fehl am Platze sind. Letztlich hängt es stets von der konkreten Ausgestaltung einer solchen Reform ab, ob und in welchem Umfang positive Beschäftigungswirkungen eintreten.
Literatur Baumol, W.J./Oates, W.E.: The Use of Standards and Prices for Protection of the Environment, in: Swedish Journal of Economics, Nr. 73, 1971.
Baumol, W.J./Oates, W.E.: Öko-Steuern: Entwicklung, Ansatzpunkte, und Bewertung, in: Nutzinger, H./Zähmt, A., Öko-Steuern, Umweltsteuern und -abgaben in der Diskussion, Karlsruhe 1989.
Bund-Länder-Arbeitskreis Steuerliche und wirtschaftliche Fragen des Umweltschutzes": Gesamtkonzept Umweltabgaben/Steuerreform, 1993.
Danish Government: A presentation of the Danish Energy Package - green taxes, 1995.
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Wirtschaftliche Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform, Berlin 1994.
EG-Kommission: Tax Reform and Sustainable Development, in: europe environment, Nr. 448,1995, Supplement. Finanzwissenschaftliches Institut an der Universität zu Köln (FiFo): Umweltorientierte Reform des Steuersystems, in Umweltpolitik, 1994.
Görres, A. u.a.: Der Weg zur ökologischen Steuerreform. Das Memorandum des Fördervereins ökologische Steuerreform, 1993. IFO-Institut: Umweltwirkungen des deutschen Steuer- und Abgabensystems und Möglichkeiten sowie Grenzen seiner stärkeren ökologischen Ausrichtung, München 1993.
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung: Makroökonomische Auswirkungen einer umweltorientierten Energiebesteuerung in Österreich, Wien 1995.
Pigou, A.C.: The Economics of Weifare, London 1932. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000 |