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TEILDOKUMENT:

Arbeitsgruppe 1:
Integration und Konflikte im öffentlichen Dienst


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Dagmar Lill
„Vor allem zuständig für deutsche Sauberkeit" - Ausländische Beschäftigte im öffentlichen Dienst


1. Die Untersuchung - ihre Vorgeschichte und ihr Erkenntnisinteresse

Seit mehr als einem Jahrzehnt reklamiert jede Regierung in Bund, Ländern und Gemeinden für sich, „unsere ausländischen Mitbürger" integrieren zu wollen, entsprechend gezielt „Integrationspolitik" zu betreiben, und dies besonders für die schon lange „bei uns" lebenden Arbeitsmigranten und ihre Familien. Zur Umsetzung ihrer Integrationspolitik und aller anderen Teilpolitiken stützen sich die Regierungen auf große Verwaltungs- und Dienstleistungsapparate, auf den öffentlichen Dienst. Inwieweit Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes an diesem Prozeß beteiligt sind, entscheidet der politische Wille von Bund, Länder- und Kommunalregierungen. Sie haben es in ihrer (öffentlichen) Hand, Ausländerinnen und Ausländer Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst zu geben. Sie können (wenn sie wollen) Ausländerinnen und Ausländer, die ja schon von Wahlentscheidungen und damit von politischen Einflußnahmen weitgehend ferngehalten werden, wenigstens angemessen an der verwaltungspraktischen und inhaltlich ausfüllenden Umsetzung von Politik beteiligen.

Bislang waren Einschätzungen über die tatsächliche Beteiligung von Ausländern und Ausländerinnen im öffentlichen Dienst weitgehend auf Vermutungen angewiesen, gab es jedenfalls keine hinreichend breite Basis gesicherter Daten. Dies aber hat eine fundierte politische Diskussion des Themas bis heute entscheidend behindert. Daher wurde 1994 der Vorschlag der bremischen Ausländerbeauftragten von den Ausländerbeauftragten der anderen Länder aufgegriffen, statistisches Grundlagenmaterial zu erheben, zu untersuchen und zur Vorbereitung der überfälligen politischen Diskussion systematisch aufzubereiten. Die bremische Ausländer-

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beauftragte wurde gebeten, das dazu von ihr vorgelegte Konzept zu realisieren. [ Fn.1: Vgl. dazu: Die Ausländerbeauftragte des Landes Bremen, Vor allem zuständig für deutsche Sauberkeit. Ausländische Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, Bremen, Dezember 1995.]

Das Erkenntnisinteresse richtete sich exemplarisch auf die kommunalen öffentlichen Dienste der Großstädte. Denn dort konzentriert sich die ausländische Bevölkerung; und vor allem die dortigen öffentlichen Dienste sind es, die unmittelbar integrationspraktische Aufgaben wahrzunehmen haben, u.a. bei der kommunalen Gestaltung von Erziehungspolitik, Sozialpolitik, Gesundheitspolitik und Jugendpolitik. Hinzu kommt, daß die Palette der Tätigkeitsfelder im kommunalen öffentlichen Dienst, insbesondere hinsichtlich der Dienstleistungen, eher breiter, differenzierter und insoweit für eine Untersuchung auch aufschlußreicher erscheint als in den öffentlichen Diensten des Bundes und der Länder.

Ein differenzierender Erhebungsbogen ging deshalb an alle Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern sowie an die jeweils größte Stadt derjenigen Bundesländer, in denen keine Stadt 500.000 Einwohner zählt. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf Städte der alten Bundesländer, da die neuen Bundesländer über einen so signifikant geringen Anteil ausländischer Bevölkerung verfügen, daß die Untersuchungsziele für die neuen Bundesländer so nicht gültig sein können.

Aussagefähige Rückmeldungen liegen für Städte aus den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Niedersachsen, Hamburg und Bremen vor. Auf ausführliche Vergleiche einzelner Städte ist bei dieser ersten Untersuchung bewußt verzichtet worden. Hier geht es zunächst einmal darum, wesentliche und typische Grundstrukturen der „Beschäftigung von Ausländern im öffentlichen Dienst" zu beschreiben.

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2. Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung

2.1 Die Schere geht immer weiter auseinander

Die Schere der arbeitsmarktlichen Teilhabe von Ausländern und Deutschen geht auf dem Weg zur Teilhabe an Berufen des öffentlichen Dien-

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stes immer weiter auseinander: Während der demographische Abstand von den Erwerbsfähigen zwischen Ausländern und Deutschen einen Abstand von 70 Prozentpunkten mißt (Ausländer: 15%; Deutsche: 85%), mißt er bei den Erwerbstätigen bereits 78 Prozentpunkte (Ausländer: 11%; Deutsche: 89%) und bei den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes schließlich gar 86% (Ausländer: 7%; Deutsche 93%).

Wenn nicht entscheidend gegengesteuert wird, wird die Schere indessen noch sehr viel weiter auseinandergehen. Bei den Jugendlichen tut sie dies schon jetzt - und sie sind es, die, nicht nur demographisch, die Weiterentwicklung der Gesellschaft prägen.

Ausländerin oder Ausländer ist

  • unter allen Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren (d.h. unter Jugendlichen im sogenannten „ausbildungsfähigem Alter") jetzt bereits jeder dritte (34%),

  • unter allen Auszubildenden jedoch nur noch jeder siebente (14%), und

  • unter allen Auszubildenden im öffentlichen Dienst nicht einmal jeder dreißigste (3%).

Die schulischen Abschlußqualifikationen ausländischer Jugendlicher nähern sich denen deutscher Jugendlicher zwar an, haben diese aber noch nicht erreicht. Immerhin sind in den Großstädten bereits 20% der Realschulabsolventen nichtdeutsche Jugendliche. Wenn der öffentliche Dienst nur 3% seiner Ausbildungsplätze an nichtdeutsche Jugendliche abgibt, ist dies also nicht etwa damit zu erklären, daß es keine geeignet vorqualifizierten ausländischen Bewerberinnen und Bewerber gebe. Das hat andere Gründe, und darauf wird später eingegangen werden.

Die - extrem im öffentlichen Dienst, aber auch in der Privatwirtschaft erkennbare - Ausbildungsbenachteiligung ausländischer Jugendlicher bestätigt die Einschätzung derjenigen, die auch deswegen für Deutschland „amerikanische Verhältnisse" vorhersagen - oder sogar, besonders in den Großstädten, exemplarisch vorfinden. Immer häufiger beschreiben Fallstudien über ausländische Jugendliche, wie diese auf ihre berufliche und gesellschaftliche Perspektivlosigkeit reagieren: mit Aggressivitäten und Verweigerungen und mit isolationistisch-nationalistischen oder fundamentalistischen (und dabei immer desintegrativen) Rückzügen aus der Gesellschaft.

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2.2 Kleine Stücke vom großen Kuchen

Die Statusgruppe der Beamten und Angestellten ist die größte im öffentlichen Dienst, hat einen Anteil von 76% an allen Beschäftigten, auf die Statusgruppe der Arbeiter entfällt der verbleibende Anteil von 24%. Wenn Ausländerinnen und Ausländer gegenwärtig überhaupt einen strukturell und statistisch nennenswerten Zugang in den öffentlichen Dienst finden, ist dies der Zugang zu Arbeiterberufen. Denn von den 7% ausländischen Beschäftigten, die es im öffentlichen Dienst überhaupt gibt, gehört der überwiegende Teil (4%) zur Statusgruppe der Arbeiter und der kleinere (3%) zur Statusgruppe der Beamten und Angestellten.

Bezogen auf die Statusgruppe der Arbeiter erreicht der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer an der Gesamtbeschäftigung von Arbeitern im öffentlichen Dienst einen Durchschnittswert von 18%, in Städten mit besonders hohen Ausländeranteilen liegt die Zahl sogar eher doppelt so hoch, so z.B. in Stuttgart mit 45,7%, Köln mit 31,5% und Nürnberg mit 23,1%. Für Großstadtkommunen ergibt sich ein Arbeiteranteil im Durchschnitt von 24%.

Zusammengefaßt und eine wichtige Gesamttendenz beschreibend, heißt das: In einem öffentlichen Dienst mit einem geringen Arbeiteranteil unter den Beschäftigten ist der Anteil der ausländischen Beschäftigten noch geringer als dies im öffentlichen Dienst sonst ohnehin schon ist. Nur, weil erstens für die Beschäftigten der Kommunen - anders als für diejenigen des Bundes und der Länder - (noch!) ein relativ hoher Arbeiteranteil typisch ist, und weil zweitens Ausländerinnen und Ausländer derzeit allenfalls in der Statusgruppe der Arbeiter zu etwas höheren Beschäftigtenzahlen gelangen, gilt (noch!) der folgende Strukturwert: Rund 7% der Beschäftigten des kommunalen öffentlichen Dienstes sind Ausländerinnen und Ausländer. Dieser Wert darf also nicht mit einem Wert für den gesamten öffentlichen Dienst in Deutschland gleichgesetzt werden. Denn bei einer sehr vorsichtigen Schätzung für das Jahr 1994 muß angenommen werden: Nicht einmal 5% der Beschäftigten des gesamten öffentlichen Dienstes in Deutschland sind Ausländerinnen und Ausländer. Daß Ausländerinnen und Ausländer selbst im kommunalen öffentlichen Dienst insgesamt nur eine Quote von 7% der Beschäftigten erreichen, bedeutet, daß

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sie auch dort nur einen Beschäftigtenanteil haben, der nicht einmal halb so groß ist wie ihr Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung (15%).

Die Familien der Arbeitsmigranten leben inzwischen in der dritten Generation in Deutschland. Vor rund 40 Jahren wurden im Ausland die ersten Migranten als Arbeitskräfte angeworben. Seitdem dürfte in Deutschland der öffentliche Dienst personell einmal fast vollständig erneuert worden sein. Den Migrantinnen und Migranten blieb es versperrt, an dieser Erneuerung „normal" beteiligt zu werden - „normal" zunächst einmal in einem rein quantitativen Sinn, also bezogen auf ihren Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung.

2.3 Zuständig für deutsche Sauberkeit

Der Durchschnittswert von 18% Ausländern an der Gesamtheit der öffentlich bediensteten Arbeiterinnen und Arbeiter wird in allen Berufsbereichen überschritten, in denen es ums Putzen, Reinigen und Saubermachen geht. Fast jede dritte Raumpflegerin (31%) ist Ausländerin, mehr als 3 von 10 Wäschern und Wäscherinnen (35%) sind Nichtdeutsche, und ebenfalls mehr als 4 Arbeiterinnen und Arbeiter, die Küchenhilfe und sonstige Reinigungsarbeiten leisten (28%). Je mehr für Berufsbereiche zumindest auch Facharbeiterqualifikationen (und höhere Löhne!) typisch werden, desto stärker sinkt dort der Anteil der ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter unter den Durchschnittswert.

Bei den „sonstigen Berufsbereichen", in denen Ausländerinnen und Ausländer in keinem einzigen Fall und in keiner einzigen Stadt auch nur 24 Beschäftigte zählen, finden sich Berufe wie Kraftfahrzeug-Handwerker, Metallhandwerker, Maschinist, Fernmeldehandwerker und Fernmeldemechaniker. Überall dort sind die deutschen Kollegen unter sich. Zumindest für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann von einer „normalen" Teilhabe, diesmal im qualitativen Sinn, d.h. bezogen auf eine gleichberechtigte Teilhabe an den einzelnen Berufsbereichen, wieder nicht die Rede sein.

Die attraktiveren Berufsbereiche, diejenigen mit den besseren Arbeitsbedingungen und der besseren Entlohnung, sind Ausländerinnen und Ausländern fast unzugänglich - aber dort, wo sich geringe Entlohnung mit

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ungünstigen Arbeitsbedingungen (z.B. nächtliche Raumpflege) und mit buchstäblich dreckiger Arbeit verbindet, bleibt für Ausländerinnen und Ausländer Platz im öffentlichen Dienst. 70% aller ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter sind im Reinigungsdienst tätig.

Der Sektor der Reinigungsberufe ist indessen nicht nur derjenige, der die meisten Ausländerinnen und Ausländer beschäftigt, er ist gleichzeitig ein Sektor, der besonders stark von Privatisierungsprogrammen betroffen ist. Immer mehr Kommunen „lassen" bereits reinigen oder wollen bald reinigen „lassen". Aber auch kaum ein anderer der Arbeiter-Berufsbereiche des öffentlichen Dienstes ist vor seiner Privatisierung geschützt

2.4 1 Prozent in der „Verwaltung"

Um weit mehr als 90% unterschreiten Ausländerinnen und Ausländer ihre demographisch „normale" Teilhabe beim größten und beschäftigungsstärksten Bereich des öffentlichen Dienstes, d.h. bei der „Verwaltung": 29% aller öffentlich bediensteten Beamten und Angestellten arbeiten in der „Verwaltung", aber lediglich ein einziger von 100 dort Beschäftigten ist ein Ausländer oder eine Ausländerin. Dabei gilt folgende Tendenz:

Die wenigen ausländischen Beamten und Angestellten, die überhaupt mit Verwaltungstätigkeiten befaßt werden, haben nahezu ausschließlich organisatorisch-technische Serviceaufgaben zu erfüllen (beim Botendienst, im Schreibdienst oder bei Sachbearbeitungen), gelangen aber so gut wie niemals in Positionen, in denen inhaltlich Einfluß auf die Gestaltung und Durchführung von Integrationspolitik oder anderen Politiken genommen wird.

Und: Soweit aus Landeshauptstädten auch Angaben über Beamte und Angestellte der Länder vorliegen, gilt die Tendenz: Ausländer und Ausländerinnen finden so gut wie keine Anstellung bei Gerichten, bei der Polizei, beim Justizpersonal, beim Strafvollzugspersonal oder bei Finanzbehörden.

Fast die Hälfte (44%) der überhaupt im öffentlichen Dienst beschäftigten ausländischen Beamten und Angestellten ist im Gesundheitsbereich tätig, als Arzt oder Ärztin (5%), beim Krankenhauspflegepersonal (25%) oder

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bei sonstigem Krankenhauspersonal und Personal der Gesundheitspflege (14%).

Tagtäglich wird bei der Versorgung von Patienten die Erfahrung gemacht, daß Ausländerinnen und Ausländer ganz „normal", d.h. ihrem tatsächlichen Bevölkerungsanteil entsprechend, an der Patientenschaft beteiligt sind, und daß es deswegen (lebens-)notwendig wird, über ein Gesundheitspersonal zu verfügen, das die ausländischen Patienten versteht (zunächst einmal buchstäblich, ihre Sprache also, aber auch ihre Religion, ihre Kultur, ihre Speisegewohnheiten, ihre Tabus und ihre Toleranzen).

Es muß offenbar erst wirklich um Leben und Tod gehen, bis - zumindest ansatzweise - nachvollzogen wird, daß „wir" hier nicht alleine leben. Körperliche und gesundheitliche Defizite sind möglicherweise leichter erkennbar, sicher aber in ihrer Diagnostik weniger umstritten als politische und gesellschaftliche Defizite. Wer dem öffentlichen Dienst die Diagnose stellt, daß er nicht gesund sei, muß jedenfalls mit Widerspruch rechnen.

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3. Was tun?! Vorschläge und Thesen zu politischen Konsequenzen für eine angemessene Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern im öffentlichen Dienst

Die Ergebnisse der Untersuchung stützen sich auf die größten und detailreichsten Datenmengen, die es zum Thema bislang gibt. Genauso sicher ist jedoch, daß das Thema weiter erforscht werden muß.

Vor allem aber kommt es darauf an, einer diagnostischen Einschätzung, daß der öffentliche Dienst integrationspolitisch „nicht normal" sei, therapeutische Überlegungen folgen zu lassen, die Wege in die Normalität weisen.

Ausschlaggebend für den mangelnden Beschäftigungsgrad von Nichtdeutschen im öffentlichen Dienst ist ein Bündel von Ursachen, das hier kurz beleuchtet werden soll:

An erster Stelle stehen rechtliche und administrative Zugangsbarrieren. Der öffentliche Dienst gilt auch heute noch als Domäne der Deutschen. So schreibt das Grundgesetz vor, daß hoheitsrechtliche Befugnisse als ständige Aufgabe im allgemeinen solchen Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und

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Treueverhältnis stehen, und dies sind in der Regel Beamte (vgl. Artikel 33, Abs. 4 des Grundgesetzes (GG)).

Das Beamtenrecht basiert auf der verfassungsrechtlichen Vorgabe, daß jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat und folglich Deutsche zulässigerweise bevorzugt werden können (vgl. Artikel 33, Abs. 2 GG). Damit wird zwar ein Zugang von Nichtdeutschen in den öffentlichen Dienst nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber der Beamtenstatus gilt als prinzipiell Deutschen vorbehalten, weil - wie das Bundesverwaltungsgericht diese Verbindung beschrieb - „Beamter nur grundsätzlich sein könne, wer selbst der Gemeinschaft, deren Sachverwalter und Treuhänder er ist, angehört, das heißt Deutscher ist".

Obwohl das Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit nicht zu den verfassungsrechtlich verankerten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört, können nach dem Beamtenrechtsrahmengesetz und den entsprechenden Beamtengesetzen der Länder nur Deutsche und neuerdings auch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Beamte eingestellt werden. Für Nicht-EU-Staatsangehörige, und das ist die weitaus überwiegende Mehrzahl der in Deutschland lebenden Ausländer, können nur Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen werden, wenn für die Gewinnung des Betreffenden ein „dringendes dienstliches Bedürfnis" besteht. Ein solches „dringendes Bedürfnis" wurde bislang nur für den Hochschulbereich und für den Polizeivollzugsdienst anerkannt.

Im Angestellten- und Arbeiterbereich des öffentlichen Dienstes sind Ausländerinnen und Ausländer Deutschen rechtlich zwar gleichgestellt, die Zahlen und Fakten belegen jedoch, daß besonders für den Angestelltenbereich auch hier Barrieren bestehen. Sie reichen von mangelnder Information, Transparenz, Ansprache und Motivation im Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren über eine Überbetonung formaler Qualifikationsabschlüsse bis hin zu bewußten oder auch unbewußten Abwehrmechanismen der einstellenden Behörden und Personalräte. Dabei werden die Sonderqualifikationen der Migrantenbevölkerung, nämlich die Migrationserfahrung, die interkulturelle Kompetenz und die Mehrsprachigkeit entweder nicht zur Kenntnis genommen oder in ihrer Bedeutung verkannt.

Denn: Die Tatsache, daß es gerade an interkulturellen Kompetenzen in den Verwaltungen mangelt, ist wesentliche Ursache dafür, daß die Ange-

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bote der öffentlichen Regelversorgung im sozialen, kulturellen, gesundheitlichen und Bildungsbereich, aber auch in Sparten der inneren Sicherheit von der Migrantenbevölkerung nur unterdurchschnittlich wahrgenommen werden (können), mit der Konsequenz, daß kommunale Integrationsarbeit nicht selten durchaus bemüht, aber dennoch wenig erfolgreich ist.

Dabei geht es nicht nur um Verständigungs-, Vermittlungs- und Kommunikationsprobleme, sondern vor allem auch um den Abbau des Mißtrauens gegenüber öffentlichen Ämtern, um Rechtssicherheit, Chancengleichheit und um die Mitgestaltung einer gemeinsamen Zukunft und damit auch um Mitverantwortung für das Gemeinwesen, für den Stadtteil und für das Wohnumfeld.

Wie schwer es fällt, diese in einer multikulturellen Gesellschaft notwendige interkulturelle Öffnung der öffentlichen Dienste in praktische Politik umzusetzen, zeigen die in mehreren Ländern in den letzten Jahren unternommenen ersten Versuche, Ausländerinnen und Ausländer in den Polizeivollzugsdienst einzustellen. Erst die Erkenntnis, daß in der Kriminalitätsbekämpfung bestimmte polizeiliche Aufgabenbereiche nur oder wesentlich besser von ihnen bewältigt werden können, vor allem vor dem Hintergrund des internationalen Drogenhandels und Terrorismus, ist das dringende dienstliche Bedürfnis für eine Ausnahmeregelung nach dem Beamtenrechtsrahmengesetz anerkannt worden. Aber es hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, daß durch vermehrte Einstellungen von Migranten die Akzeptanz der Polizei gerade auch in der Migrantengesellschaft erhöht werden kann und damit die präventiven Aufgaben und polizeiliche Aufklärungs- und Konfliktlösungsarbeit zu verbessern sind. Gleichwohl sind heute von rund 235.000 Polizeibeamten nach einer Länder-Umfrage nicht mehr als 150 Polizisten ausländischer Nationalität (= 0,07%) in den Polizeivollzugsdiensten der Länder eingestellt worden.

Neben den beamtenrechtlichen Vorschriften kommen andere erschwerende Faktoren als Einstellungsbarrieren hinzu. So müssen zusätzliche Voraussetzungen wie die Beherrschung der Sprache des Herkunftslandes in Wort und Schrift und die Befreiung vom Wehrdienst erfüllt sein. Eine besondere Hürde ist auch das strenge Auswahlverfahren nach dem Prinzip einer „Bestenauslese", in dem besonders die schriftliche Prüfung in deutscher Rechtschreibung (Diktat) einen hohen Stellenwert hat. Da viele Migranten

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auch der zweiten und dritten Generation - schon wegen ihres privaten familiären Umfeldes, in dem häufig nur die Sprache des Herkunftslandes gebraucht wird - gerade im Schriftdeutsch Defizite aufweisen, sind ihre Chancen gering. So bestätigen die Erfahrungen in den Ländern, daß bei entsprechenden Werbeaktionen in der Migrantenbevölkerung zwar hohe Bewerberzahlen zu erreichen sind, aber die Bewerber und Bewerberinnen später reihenweise am Prüfungsteil „Deutsches Diktat" scheitern. Um hier Chancengleichheit herzustellen, ist es notwendig, wie in einigen Ländern praktiziert, die Einstellungskriterien mit dem Ziel zu ändern, Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift im Rahmen der Berufsausbildung nachzubessern.

Das Beispiel der Öffnung des Polizeidienstes belegt eindrucksvoll, wie schwierig es für Migranten und Migrantinnen ist, einen Weg in jene Beschäftigungsbereiche der öffentlichen Hand zu finden, die über die bloße Erfüllung technischer Dienstleistungen hinausgehen und damit in die Mitgestaltung und Mitverantwortung für das Gemeinwesen eingreifen. Solange ihnen gerade solche öffentlichen Beschäftigungssektoren faktisch versperrt bleiben, werden diese („rein deutschen") Sektoren ihre gesetzlichen Pflichtaufgaben für Nichtdeutsche nur ungenügend oder zum Teil gar nicht erfüllen können. Gerade die Hilfskonstruktionen, deren sich die Politik gegenwärtig noch bemühen muß, um Nichtdeutsche - nicht nur bei der Polizei - wenigstens vereinzelt in jene Berufsfelder bringen zu können, die auf Beschäftigte mit interkulturellen Erfahrungen und Sprachkompetenzen angewiesen sind, illustrieren noch einmal die Fragwürdigkeit des deutschen Einbürgerungs- und Staatsangehörigkeitsrechts. Ein großer Teil der migrantenspezifischen Strukturprobleme des öffentlichen Dienstes würde sich mit einer offensiven Einbürgerungspolitik von selbst erledigen.

Die soziale Realität des öffentlichen Dienstes in Deutschland ist von einer strukturellen und institutionellen Diskriminierung der Migrantinnen und Migranten geprägt und läuft insoweit auch der Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit und der Verbesserung des interkulturellen, sozialen Klimas in Deutschland maßgeblich zuwider.

Der ausländische Bevölkerungsanteil wird weiter steigen (schon wegen des Geburtenüberschusses, aber auch aufgrund der Zuwanderungen im Zuge der Familienzusammenführung). Daraus ergeben sich weitere integrationspolitische Herausforderungen an die sozialen Infrastrukturen, an

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die schulische Integration, an die berufliche Qualifizierungspolitik, an eine präventive Gesundheitsversorgung, an die soziale Versorgung der älteren Ausländergenerationen, aber auch an den Wohnungsbau und die Städteplanung. Trotz der prekären Finanzsituation der öffentlichen Haushalte sind die politisch Verantwortlichen von Bund, Ländern und Kommunen aufgefordert, spätestens jetzt die Weichen für eine Personal- und Organisationspolitik in den öffentlichen Diensten zu stellen, die den Belangen eines interkulturellen Gemeinwesens gerecht wird. Das bedeutet neben einer vernünftigen Einbürgerungspolitik vor allem folgendes:

  1. Rechtliche und administrative Zugangsbarrieren zum öffentlichen Dienst sollten durch entsprechende Änderungen des Beamtenrechtsrahmengesetzes und der Beamtengesetze der Länder abgebaut werden. Nichtdeutschen, die schon lange in Deutschland leben, sollte der Zugang zu Beamten-Positionen auch mit hoheitsrechtlichen Aufgaben generell - und nicht nur in Ausnahmefällen - offenstehen.

  2. Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes sollten Nichtdeutsche gezielt werben und aufnehmen. Dabei sollte im Bund sowie in allen Ländern und Gemeinden die Ausbildung für den (mittleren und gehobenen) nichttechnischen Verwaltungsdienst auch nach einem Ausbildungsmodell für Angestellte ermöglicht werden.

  3. Die Verfahren und Kriterien zur Auswahl und Einstellung von Bewerbern sollten so modifiziert werden, daß interkulturellen Kompetenzen sowie der Kenntnis von Migrantensprachen zumindest dort immer der ihnen zustehende Stellenwert eingeräumt wird, wo diese Qualifikationen bei der Integrationsarbeit öffentlicher Dienste wichtig sind. Um Nichtdeutschen eine Chancengleichheit beim qualifizierten Gebrauch deutscher Wort- und Schriftsprache zu geben, sollte eine entsprechende berufsbegleitende Nachqualifizierung möglich werden.

  4. Ausschreibungen sollten grundsätzlich darauf hinweisen, daß die Bewerbung von Migrantinnen und Migranten erwünscht ist. In Ausschreibungen für diejenigen Berufe, in denen es auf interkulturelle und migrantensprachliche Kompetenzen besonders ankommt, sollte darauf hingewiesen werden, daß Migrantinnen und Migranten bei sonst gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden.

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  5. Einstellende Behörden sollten Migrantinnen und Migranten durch geeignete Werbe- und Informationsarbeit gezielt ermutigen, sich bei Stellenausschreibungen zu bewerben.

  6. Bei der Personalentwicklungsplanung von Bund, Ländern und Gemeinden sollten für den öffentlichen Dienst verbindliche politische Zielvorgaben zur Beschäftigung von Migrantinnen und Migranten entwickelt werden. Dazu sollte ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung zugrundegelegt werden, um mittel- bis langfristig auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes eine angemessene Teilhabe der Migrantenbevölkerung zu erreichen.

  7. Zwischen den Tarifvertragsparteien sollten angesichts des großen Nachholbedarfs Vereinbarungen mit dem Ziel abgeschlossen werden, zumindest vorübergehend Einstellungs- und Ausbildungsquoten für Migrantinnen und Migranten entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vor allem für diejenigen Berufsbereiche festzulegen, die dringend auf interkulturelle Sach- und Sprachkompetenzen angewiesen sind, wie u.a.
    • Schul- und Schullaufbahnberatung,
    • Weiterbildung und Berufsberatung,
    • Kindergärten, Schulen und Berufsschulen,
    • Jugend- und Sozialarbeit,
    • psychosoziale Beratung und Versorgung,
    • präventive Sozial- und Gesundheitsdienste,
    • Altenbetreuung und Altenpflege,
    • Polizei- und Justizvollzugsdienst.

  8. Die Zugangsvoraussetzungen für Fachhochschulen, die insbesondere für Sozialberufe qualifizieren, sollten flexibler gestaltet werden, um nichtdeutschen Bewerbern den Weg zu entsprechenden Qualifikationen zu erleichtern. Dazu gehört auch, daß während der Ausbildung Möglichkeiten eröffnet werden, noch fehlende deutsche Formalabschlüsse nachzuholen.

  9. Bei allen Strategien zur Erleichterung und Verstärkung des Zugangs in den öffentlichen Dienst müssen Migrantinnen besondere Beachtung finden. Hohe Defizite sind bei den spezifisch für Mädchen und Frauen relevanten (z.B. sozialen und gesundheitlichen) Diensten festzustellen. Hier besteht ein extremer quantitativer und qualitativer Mangel an weiblichen Vertrauenspersonen aus der Migrantenbevölkerung.

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  10. Die genannten Vorschläge und Strategien zur Integration der Migrantenbevölkerung in den öffentlichen Dienst gelten jeweils auch für diejenigen sozialen Dienste, die außerhalb des öffentlichen Dienstes im Auftrag der Politik von freien Trägern wahrgenommen werden.

Die Forderung nach verbindlichen Quoten und politischen Zielvorgaben oder gar nach dem Einstieg in die Domäne hoheitsrechtlicher Aufgaben für Beamte wird sicherlich ähnlich kontroverse Diskussionen auslösen, wie sie auch bei der Forderung nach dem gleichberechtigten Zugang von Mädchen und Frauen zu erleben waren und noch zu erleben sind. Rechtliche Vorbehalte werden ebenso „grundsätzlich" geäußert werden wie politische Bedenken.

Die im Polizeivollzugsdienst eher aus einer Not heraus entwickelten Vorstöße (bis hin zu politischen Quotenvorgaben z.B. in den Bundesländern Bremen, Hessen und Brandenburg) belegen aber immerhin, daß selbst für einen Bereich mit zweifellos hoheitsrechtlichen Aufgaben der Bedarf an interkulturellen Fachkräften prinzipiell anerkannt ist.

Eine entsprechende umfassende Sachdiskussion muß auf allen Ebenen weiter vorangetrieben werden - und möglichst bald zu praktischen Lösungen führen. Denn: Es darf nicht erst gehandelt werden, wenn die dramatische Zwangslage offener interkultureller Konflikte da ist und der jetzt gegebene gesellschaftliche Widerspruch nicht mehr im Nebel des Latenten gehalten werden kann.

Jeder (besonders in der Politik) muß sich immer darüber klar sein, daß die Migrantenbevölkerung zur Finanzierung der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen den gleichen Beitrag leistet wie die deutsche Bevölkerung, und daß es keinen öffentlichen Dienst für die Deutschen gibt, sondern nur einen öffentlichen Dienst für die Menschen in Deutschland. Der öffentliche Dienst muß eher eine Vorreiterrolle bei der Ausbildung und Einstellung von Migrantinnen und Migranten übernehmen, anstatt, wie bisher, dabei weit hinterherzuhinken.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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