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Vorbemerkung

Der Gesprächskreis Arbeit und Soziales der Friedrich-Ebert-Stiftung besteht jetzt fünf Jahre. Fragen der Migrationspolitik mit ihren verschiedenen Aspekten sind bereits häufig aufgegriffen worden. Die Beschäftigung mit dieser Thematik begann im Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung jedoch bereits Anfang 1966 – also vor fast 30 Jahren. Daher darf ich die Herausgabe dieser Broschüre Nr. 50 zum Anlaß nehmen, um einen kurzen Überblick über unsere Arbeiten zu geben und dabei herausstellen, warum wir diese Veranstaltung zum Thema „Einwanderungskonzeption für die Bundesrepublik Deutschland" durchgeführt haben.

1966 waren 1,1 Millionen ausländische Arbeitnehmer in der Bundesre-publik Deutschland tätig. In der Wissenschaft bestand jedoch Uneinigkeit darüber, ob die Ausländerbeschäftigung unter ökonomischen Aspekten für Deutschland vorteilhaft sei. Diese Thematik griff die Friedrich-Ebert-Stiftung in einem Forschungsprojekt auf (Ursula Mehrländer: Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland unter spezieller Berücksichtigung von Nordrhein-Westfalen, Opladen 1969).

Meines Erachtens griff jedoch die ökonomische Betrachtungsweise bei dieser Thematik zu kurz. Meine folgenden Forschungsprojekte waren dann zwar ebenfalls empirisch fundiert, gingen aber stärker auf die sozialen Aspekte der Ausländerbeschäftigung ein. Und wir können mit Stolz vermerken, daß hier die Friedrich-Ebert-Stiftung Pionierarbeit geleistet hat. Dazu zitiere ich die Aussagen von K. Horstmann im Handbuch der empirischen Sozialforschung, herausgegeben von René König, Bd. 5, Stuttgart 1976, S. 112: „Die durch das Einströmen von Millionen von ausländischen Arbeitnehmern in die Industriegebiete Europas ausgelösten sozialen Spannungen haben auffallenderweise außer bei Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny (1971, 1973), Ursula Mehrländer (1974) und Helmut Schrettenbrunner (1974) in der deutschen Wanderungsforschung noch nicht die Beachtung gefunden, die sie verdienen."

Ab Mitte der siebziger Jahre lag ein Schwerpunkt der Forschungsarbeiten in der Friedrich-Ebert-Stiftung zu diesem Themenbereich darin, die Situation der ausländischen Jugendlichen zu untersuchen und insbesondere Maßnahmen zu ihrem verbesserten Zugang zum Bildungs-, Ausbildungs-system und zum Arbeitsmarkt vorzuschlagen. Erwähnen möchte ich auch die beiden großen Repräsentativuntersuchungen zur Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, die wir 1980 und 1985 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung erstellt haben. An der zur Zeit laufenden Repräsentativuntersuchung 1995 bin ich als Leiterin der Abteilung Arbeits- und Sozialforschung, Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, zusammen mit den Kollegen von Marplan und Sigma ebenfalls beteiligt.

In allen unseren Forschungsberichten wurde jedoch darauf hingewiesen, daß die ökonomische oder soziale Situation der Ausländer nicht isoliert von ausländerpolitischen und ausländerrechtlichen Rahmenbedingungen gesehen werden kann. Daher finden sich dort entsprechende kritische Ausführungen zu der bisherigen Ausländerpolitik und ihren negativen Auswirkungen auf den Integrationsprozeß.

Schon frühzeitig sind internationale Konferenzen zu Fragen der Ausländerpolitik von uns durchgeführt und ihre Ergebnisse in Buchform dokumentiert worden. Genannt werden soll beispielhaft „Ausländerpolitik im Konflikt? Arbeitskräfte oder Einwanderer? Konzepte der Aufnahme- und Entsendeländer" (Hrsg.: E. Gehmacher, D. Kubat, U. Mehrländer) von 1978 oder „Die ‘neue’ Ausländerpolitik in Europa, Erfahrungen in den Aufnahme- und Entsendeländern" (Hrsg.: H. Körner, U. Mehrländer) von 1986.

Erwähnt werden muß in diesem Zusammenhang auch das 1979 vom damaligen Stellvertretenden Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung, Ministerpräsident a.D. Heinz Kühn, in seiner Funktion als erster Ausländerbeauftragter der Bundesregierung veröffentlichte Memorandum zu „Stand und Entwicklung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien".

Schwerpunkt der Abteilung Arbeits- und Sozialforschung in der Friedrich-Ebert-Stiftung ist inzwischen der 1990 initiierte Gesprächskreis Arbeit und Soziales. Migrationspolitik, Einwanderungskonzeption, Fremdenfeindlichkeit sind Themen, die dort diskutiert werden. Diese Fachtagungen im Rahmen des Gesprächskreises Arbeit und Soziales sind durchaus in der Tradition der früheren Forschungsprojekte zu sehen.

Auf ausländerpolitische Fragestellungen bezogen sind eine ganze Reihe von Tagungen durchgeführt worden. Die Themen dieser Veranstaltungen sprechen m.E. für sich:

• „Zuwanderungspolitik der Zukunft" (1991),

• „Einwanderungsland Deutschland: Bisherige Ausländer- und Asylpolitik – Vergleich mit europäischen Ländern"(1992),

• „Partizipationschancen ethnischer Minderheiten"(1992),

• „Einwanderungspolitik Kanadas und der USA – Beispiele für die Bundesrepublik Deutschland?"(1993),

• „Von der Ausländer- zur Einwanderungspolitik"(1993 ),

• „Ost-West-Migration – Fluchtursachen und Handlungsperspektiven" (1994),

• „Europäische Einwanderungspolitik" (1994).

Die Ergebnisse dieser Tagungen sind jeweils in Broschürenform dokumentiert worden. Hinweisen möchte ich insbesondere auf die Broschüre, die mein Kollege Günther Schultze und ich 1992 verfaßt haben. Es handelt sich um Aussagen zu einem „Einwanderungskonzept für die Bundesrepublik Deutschland, Fakten, Argumente, Vorschläge". Mit dieser Broschüre wollten wir einen Beitrag zur Diskussion der Ausländer- und Asylpolitik leisten.

Wir sehen, daß Deutschland ein Einwanderungsland geworden ist und daß ethnische Minderheiten einen festen Bestandteil unseres Gemeinwesens bilden. Die kritische Prüfung der bisherigen Ausländerpolitik ergibt jedoch, daß eine adäquate Antwort auf diese Einwanderungsprozesse bisher nicht gegeben worden ist. Wir halten es für dringend erforderlich, daß eine ganzheitliche Konzeption für die Gestaltung von Zuwanderungsprozessen nach Deutschland angewendet wird. Diese Konzeption sollte nicht nur die Förderung der Integration der neu zugewanderten, sondern auch der seit langem in Deutschland lebenden Ausländer umfassen.

Auch wenn die Vereinigung Deutschlands vielfältige neue Aufgaben mit sich gebracht hat und zur Zeit eine sehr hohe Arbeitslosigkeit zu verzeichnen ist, sind wir der Meinung, daß die Diskussion um eine Einwanderungskonzeption vorangetrieben werden muß. Wir denken, daß eine der-artige Konzeption mittelfristig von den Politikern des Deutschen Bundestages verabschiedet werden soll. Die Diskussion um ihre Ausgestaltung muß aber jetzt mit aller Entschiedenheit geführt werden.

In diesem Zusammenhang sehen wir die Veröffentlichung dieser nun vorliegenden Broschüre als eine Fortsetzung der bisherigen Bemühungen des Gesprächskreises Arbeit und Soziales der Friedrich-Ebert-Stiftung, diese Thematik ins Bewußtsein zu rufen und Lösungsansätze zu erarbeiten.

Bei der Diskussion der Gestaltung einer Einwanderungskonzeption für die Bundesrepublik Deutschland soll zunächst vom Zuwanderungsbedarf ausgegangen werden. Hier hat Herr Dr. Bernd Hof vom Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, seine neuesten Überlegungen und Berechnungen vorgelegt. Er hat dabei auf Konjunktur und Struktur auf der einen, Arbeitsmarkt und Demographie auf der anderen Seite abgestellt. Meine Überzeugung ist es, daß es für ein Einwanderungsland ganz legitim ist, wenn es ausgehend von diesen Bedarfsrechnungen und unter Berücksichtigung seiner Migrationsgeschichte die Zuwanderung in einem sozialverträglichen Sinne steuert.

Andererseits sollen bei der Diskussion und Ausarbeitung einer Einwanderungskonzeption diejenigen Ausländer nicht vergessen werden, die bereits lange Zeit in Deutschland leben. Für sie sollen weitere Angebote zur Integration bereitgestellt sowie eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts angestrebt werden. Über diese Thematik berichtet Herr Professor Dietrich Thränhardt vom Institut für Politikwissenschaft, Universität Münster. Hierbei geht er ebenfalls auf das neu angedachte Instrument der „Kinderstaatszugehörigkeit" ein, das sich in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und FDP findet.

Über die Ausgestaltung eines Einwanderungsgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland hat Herr Professor Michael Wollenschläger von der Fakultät Öffentliches Recht und Sozialrecht der Universität Würzburg eine Expertise erstellt. Zu unserem großen Bedauern konnte er seine Ergebnisse auf der Fachtagung nicht selbst vortragen. Aber ich darf mich an dieser Stelle bei Herrn Volkmar Halbleib, Richter am Verwaltungsgericht Ansbach, bedanken, daß er die Aufgabe übernommen hat, uns den Beitrag von Professor Wollenschläger vorzustellen und dessen Überlegungen mit uns zu diskutieren.

Wichtig erscheint mir ebenfalls die Frage nach den institutionellen Rahmenbedingungen einer Einwanderungskonzeption. Über diese Fragen ist in der Öffentlichkeit noch nicht sehr viel diskutiert worden. Im Sinne der Umsetzung einer Zuwanderungssteuerung sowie der Förderung der Integrationsprozesse kommt dieser Frage m.E. jedoch große Bedeutung zu. Herr Professor Claus Leggewie vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Gießen hat uns dazu seine Überlegungen vorgetragen.

Mein Dank gilt insbesondere Herrn Otto Schily, MdB, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, der auf der Fachtagung am 23. Mai 1995 die inhaltliche Einführung in das Thema übernommen hatte.

Allen Referenten und Moderatoren möchte ich dafür danken, daß sie ihre Beiträge für die Tagung erarbeitet, mit uns diskutiert und für diese Broschüre zur Verfügung gestellt haben.

Danken möchte ich ebenfalls Günther Schultze, dem die Tagungsleitung oblag, sowie Janine Schmidt, die für den organisatorischen Ablauf und für die Erstellung der Broschüre verantwortlich war. Ich hoffe, daß wir mit der Herausgabe dieser Broschüre eine breite Diskussion über die Steuerung von Zuwanderung und die Gestaltung einer Einwanderungskonzeption initiieren können.

Bonn, November 1995
Ursula Mehrländer
Leiterin des Gesprächskreises Arbeit und Soziales


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 1999

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