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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.:48 (Fortsetzung)]

A. Braun: Wir bitten darum, daß diejenigen, die morgen abreisen, spätestens in der Pause um 10 Uhr 30 die Zimmer räumen und die Schlüssel abgeben.

Wir fahren jetzt fort in unserem Rundgang durch die verschiedenen generationen-politischen nationalen Handlungsfelder; nächster Tagesordnungspunkt ist das Vereinigte Königreich. Herr Scharf, Sie stellen sich wie üblich vor, was Sie so treiben, getrieben haben und dann gehen wir ins Thema.

Dr. Thomas Scharf: Guten Tag. Zunächst zu meiner Person: Als ich 1990 zum ersten Mal nach Freudenstadt kam, war ich noch neu in der sozialen Gerontologie, würde ich sagen; ich arbeitete damals noch an meiner Doktorarbeit in der Politikwissenschaft. Seitdem habe ich mich zunehmend mit Fragen des gesellschaftlichen Alterungsprozesses beschäftigt und betrachte mich jetzt an der Universität von Keele in Mittelengland als ordentlichen Sozialgerontologen. Mein letztes Buch habe ich vor 2 Jahren veröffentlicht und das entstand direkt aus dem Kontakt mit älteren Menschen und mit anderen Kollegen hier in Freudenstadt; zum Thema „Altern und Alterssozialpolitik in Deutschland„ - leider auf englisch - , also für diejenigen, die sich dafür interessieren würden. Ich habe sehr schnell herausgefunden, daß der Vergleich zwischen unseren europäischen Ländern nicht so perfekt läuft, wie das laufen sollte, weil schlicht das Grundwissen fehlt. Und das ist für mich immer ein Anliegen des Freudenstädter Forums gewesen, dieses Grundwissen aufzubauen. Aber jetzt arbeite ich in Keele an der Universität; wie das in Großbritannien oft der Fall ist, arbeitet man in Universitäten sowohl in der Forschung als auch in der Lehre. In der Lehre

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beteilige ich mich an einem Studiengang der angewandten Soziologie, weil das Interesse an der Gerontologie bei den Studenten relativ gering ist. Seit 10 Jahren haben wir jedoch in Keele ein Masters- Programm in der sozialen Gerontologie, dort werden Studenten ausgebildet. Ich bin nicht der einzige Gerontologe in Keele, ich arbeite mit sieben anderen Kollegen zusammen an verschiedenen Projekten, die sich mit den unterschiedlichsten Aspekten des Alterns befassen. Soweit die Einführung.

Mein Thema werde ich wahrscheinlich so behandeln wie die Frau Lieberherr vor dem Mittagessen. Ich habe einen schönen Titel „Zwischen Margaret Thatcher und New Labour - Zur Entwicklung der britischen Alterssozialpolitik seit 1990„. Und ich war auch beteiligt an der Formulierung des Themas. Aber das Problem ist, wenn man die Alterssozialpolitik betrachtet, kann man so eine Phase von 10 Jahren nicht aus der gesamten Geschichte der Entwicklung der britischen Sozialpolitik herausnehmen. Und deswegen habe ich den Beitrag so strukturiert, daß ich mich auf drei verschiedene Aspekte konzentriere. Ich will zuerst eine Einführung in die Geschichte des britischen Wohlfahrtsstaates liefern und dabei - vom Armengesetz bis zu Margaret Thatcher - die Grundlinien aufzeigen. Ich werde mich dann auf das Rentensystem konzentrieren und vergleichend zeigen, welche Strukturen für Großbritannien kennzeichnend sind. Und der letzte Teil, für Sie wahrscheinlich der interessanteste, beschäftigt sich mit den neueren Entwicklungen in der Alterspolitik seit 1997, seit der Wahl der Regierung von Tony Blair. Gibt es dort Zeichen der Kontinuität oder dominiert hier der Wandel? Viele kennen schon die Antwort, aber ich werde das etwas ausführlicher zeigen, wie der Weg zu Tony Blair führt.

Es ist eigentlich schon ein Klischee geworden, daß die Sozialpolitik evolutionär und nicht revolutionär ist. Der gegenwärtige Wohlfahrtsstaat in allen Ländern, aber auch, besonders wenn ich mich auf Großbritannien beziehe, basiert auf der Gesetzgebung früherer Zeiten. Staatliche Eingriffe in die Sozialpolitik können für England bzw. für Großbritannien auf das 16. Jahrhundert zurückgeführt werden; so weit in die Geschichte werde ich mich jedoch nicht wagen. Ich fange eher 1834 mit einer sehr wichtigen Änderung des Armengesetzes an. Sinn dieser Reform, wie bei vielen späteren Reformen der Sozialpolitik, war es, Geld zu sparen. In diesem Zusammenhang wollte man Geld sparen, indem Menschen davon abgehalten

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werden sollten, die sehr minimalen Leistungen des Armengesetzes in Anspruch zu nehmen. Leistungen an Menschen, die außerhalb von Institutionen lebten, sollten begrenzt werden. Man sollte Leistungen nur in Anspruch nehmen können, wenn man in einer Institution lebte. Menschen, die tatsächlich arm waren, sollten dann einen Platz in einem Arbeitshaus finden. Für die spätere sozialpolitische Entwicklung war jedoch sehr wichtig, daß diese Reform sicherstellen wollte, daß diejenigen Menschen, die eine staatliche Hilfe bekamen, tatsächlich auch ärmer waren als der ärmste Arbeiter. Und in der historischen Perspektive beeinflußte diese Entscheidung in großem Maße die spätere Entwicklung der britischen Sozialpolitik - sie spielt immer noch eine große Rolle, so bei gegenwärtigen Diskussionen um sogenannte „poverty-traps„ (das ist die Situation, wo die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit dazu führt, daß der Betroffene durch Verlust der Sozialhilfeleistungen ärmer wird). Tatsächlich aber bekamen auch nach 1834 Menschen noch Leistungen, die außerhalb des Arbeitshauses lebten, da das institutionelle System zu teuer war, und die große Masse der Armen in dem sich rapid industrialisierenden Großbritannien nicht in Institutionen unterzubringen war - auch eine wichtige Lehre für spätere Sozialpolitiker.

Im liberalen Großbritannien des frühen 19. Jahrhunderts wurde also die Praxis eingeführt, daß Sozialleistungen auf bestimmte Menschen zugeschnitten waren und daß die Inanspruchnahme dieser Leistungen individuelle Schwächen der Empfänger voraussetzte. Die Sozialpolitik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde sehr stark durch liberale Traditionen in der Wirtschaftspolitik beeinflußt. Der Staat sollte nicht in den freien Markt eingreifen und diese Grundphilosophie änderte sich nur langsam im Laufe des Prozesses der Industrialisierung durch die Entwicklung von verschiedenen neuen sozialen Problemen. Mit Einzelmaßnahmen versuchte man die Exzesse des Kapitalismus einzugrenzen - also Kinderarbeit, die Zustände am Arbeitsplatz, Gesundheitsmaßnahmen und so fort. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dann bestimmte Formen der Sozialpolitik eingeführt, die auch von langfristiger Bedeutung gewesen sind: seit 1908 gibt es eine Form der Altersrente, seit 1911 gab es ein nationales Versicherungsgesetz, und diese Gesetze versuchten, wesentliche Schwachpunkte des Armengesetzes, des alten Systems, zu beseitigen. Zum ersten mal wurden Mechanismen eingeführt, die die Wohlfahrt des einzelnen ge-

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währleisten sollten. Aber der Kreis der Menschen, der durch diese Maßnahmen geschützt wurde, war natürlich sehr begrenzt: Nur auf Arbeiter; Frauen und Kinder wurden nicht abgesichert.

Obwohl also nur eine Minderheit der britischen Bevölkerung durch dieses System versichert wurde, spielte die Einführung einer Form von Sozialversicherung eine sehr wichtige Rolle für die spätere Entwicklung des Wohlfahrtsstaates. Diese Idee der Sozialversicherung wurde dann von dem Liberalen William Beveridge aufgenommen, als er während des 2. Weltkriegs die Aufgabe hatte, ein neues Wohlfahrtssystem zu entwickeln für diejenigen Menschen, die nach dem erfolgreichen Ende des Krieges zurück ins Land kamen. Die Lücken im System sollten geschlossen werden, die die Armut während der Krisen der 20er und 30er Jahre stark gefördert hatten.

Der Beveridge-Bericht wurde im Krieg veröffentlicht und sogar an die Soldaten an der Front geliefert. Er wurde schnell ein Bestseller, das ist für einen Parlamentsbericht schon einmalig, daß so viele Kopien verkauft wurden. Auf diesem Bericht basiert der Wohlfahrtsstaat Großbritanniens. Zu welchen Empfehlungen kam nun der Bericht? Es wurden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Die Entwicklung eines beitragsorientierten Sozialversicherungssystems; alle Bürger sollten geschützt werden gegen die Risiken von Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter;

  • Dieses Sicherungssystem sollte durch Leistungen für Familien, für Mutterschaft, für Hinterlassene ergänzt werden, nicht im Sozialversicherungssystem selbst, sondern für Menschen, die außerhalb des Arbeitsprozesses waren.

  • Die Beiträge zur Sozialversicherung sollten auf Versicherungsprinzipien beruhen und zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und dem Staat geteilt werden, also eine Mischfinanzierung.

  • Für diejenigen, die wenig oder unzureichend abgesichert waren durch das System, sollte ein Sicherheitsnetz entwickelt werden. Das war eine Fortführung des alten Systems des Armengesetzes, also der Sozialhilfe, wie das in der modernen Sprache heißt; sie sollte aber an Bedeutung verlieren infolge der steigenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der

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    Gesellschaft. Aber es sollten möglichst wenige Menschen von den Sozialhilfeleistungen abhängig bleiben.

  • Daneben wurde die Bildung eines nationalen Gesundheitsdienstes vorgeschlagen, der alle Bürger gesundheitlich absichern sollte, als für den Einzelnen beitragsfreies System, das Behandlung durch verschiedene medizinische Dienste kostenlos zur Verfügung stellt.

Der Bericht beinhaltet also zwei zentrale Prinzipien:

  1. Das System sollte beitragsorientiert sein: um Leistungen zu bekommen, mußten Beiträge gezahlt werden;

  2. Das zweite war das Prinzip der Vollbeschäftigung: Eine zunehmende Zahl von Arbeitnehmern würde durch ihre Beiträge das neue Wohlfahrtssystem finanzieren, während gleichzeitig die Zahl der Leistungsabhängigen abnehmen würde. Ein sehr optimistisches, zukunftsorientiertes Modell damals!

A. Braun: Das war damals in Europa doch überall dasselbe: die Hoffnung, wir kriegen Vollbeschäftigung, über Vollbeschäftigung drängen wir die Armut zurück, und die Sicherungssysteme verlieren an Bedeutung.

T. Scharf: Ja genau, und ich denke, daß wir heute auch wieder in diese Richtung geraten, es gibt so eine gewisse Wiederkehr der Ideen.

Bei der Bewertung des Beveridge-Berichts muß auf den ideologischen Grundgedanken eingegangen werden: Beveridge als Liberaler wollte einen Sozialstaat entwickeln, der den Individualismus unterstützte und die Menschen davon abhalten würde, Leistungen des Wohlfahrtsstaates in Anspruch zu nehmen. Die Abhängigkeit des Einzelnen von Leistungen sollte in Grenzen gehalten werden.

Nach dem Krieg wurde der klassische britische Wohlfahrtsstaat mit einer umfangreichen Gesetzgebung innerhalb von wenigen Jahren von der Labour-Regierung eingeführt, nachdem schon während des Krieges ein Bildungsgesetz, ermöglicht hatte, daß zum ersten Mal alle Kinder kostenlos in die Schule gehen konnten:

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  • Der National-Health-Service Act 1946;

  • Family Allowance Act 1945 mit Kindergeld ab dem zweiten Kind;

  • National Assistance Act 1948, als Sozialhilfesystem, um diejenigen zu schützen, die vom Sozialversicherungssystem nicht erreicht werden;

  • National Insurance Act 1946, ein Sozialversicherungssystem, um alle sozialen Risiken - von der Wiege bis zur Bahre - abzudecken.

Sie bedeuteten das eigentliche Ende für das Armengesetz. Obwohl es diesen Optimismus gab, hatte jedoch der britische Wohlfahrtsstaat einige große Schwachstellen:

  • In der Praxis wurde das neue System dadurch eingegrenzt, daß ein sehr teures Leistungssytem, (Leistungen für alle) auf sehr limitierten Einnahmequellen basierte ( Beiträge, die geleistet wurden und in das System hineinflossen, orientierten sich daran, was der ärmste Arbeiter noch zahlen konnte, damit jeder Teilnehmer des neuen Systems werden könnte.) Die Beiträge waren gleich, aber niedrig; heute noch nicht mehr als 2 Prozent für den Ärmsten, 10 Prozent für den Reichsten. Aber damals war der Unterschied noch geringer. Von Anfang an fehlten daher die notwendigen Ressourcen, die den zunehmenden Ansprüchen an das System gerecht werden konnten.

  • Ein zweiter Schwachpunkt war die Annahme, daß die meisten Einkommensrisiken sozial abgesichert werden könnten. Das hat sich schnell als Fehler erwiesen, der demographische Wandel und Änderungen in der Familienstruktur haben dazu beigetragen, die Anzahl derjenigen zu vergrößern, die keine Beiträge zum Sozialversicherungssystem leisten konnten. Als Folge davon wurde die Sozialhilfe eine sehr wichtige Einkommensquelle für viele Menschen in Großbritannien.

  • Ein weiterer wesentlicher Schwachpunkt ergab sich aus den unzureichenden Ressourcen, über die der Sozialetat verfügte: das bedeutete für bestimmte soziale Gruppen, vor allem für ältere Menschen, eine sehr starke Begrenzung der Geldleistungen, die in Anspruch genommen werden konnten. Weil es halt zu wenig Geld gab, um eine ordentliche Rente zu zahlen, nahm im Ergebnis das Armutsproblem seit Anfang der 50er Jahre zu.

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Diese Diskussion möchte ich jetzt historisch fortsetzen: bis in die 70er Jahre herrschte in Großbritannien ein politischer Konsens über die sozialpolitische Entwicklung, der Sozialstaat wurde immer weiter ausgebaut, jedoch auf sehr minimaler Basis im Vergleich mit der Entwicklung in anderen europäischen Ländern. Wir hatten keine „Große Rentenreform„, wie das 1957 in Deutschland der Fall war in Verbindung mit dem steigenden Wohlstand. Aber Ende der 60er Jahre verlor dieser politische Konsens an Bedeutung, da kam die Kritik am Sozialstaat eher aus dem Bereich der Linken. Dies geschah im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von wichtigen wissenschaftlichen Studien, die an zwei Probleme zeigten: daß der Wohlfahrtsstaat eigentlich seine Ziele verfehlt hatte. Richard Titmus, ein bekannter sozialpolitischer Experte konnte z.B. zeigen, daß der Wohlfahrtsstaat nicht umverteilend gewirkt hatte: es herrschte immer noch eine sehr große Schere zwischen Arm und Reich, und diejenigen, die vom Wohlfahrtsstaat am meisten profitiert hatten, waren die Mittelschichten und nicht die ärmsten Menschen in der Gesellschaft. Und die zweite Kritik kam von Leuten wie Peter Townsend, der immer noch in der Armutsdiskussion eine sehr große Rolle spielt. Er konnte zeigen, daß trotz des neuen Wohlfahrtssystems Millionen von Briten in Armut lebten, vor allem sehr viele Rentner, sehr viele alte Menschen.

Bis zur wirtschaftlichen Krise der frühen 70er Jahre herrschte jedoch noch die Überzeugung, etwas gegen diese Situation unternehmen zu können. Man war immer noch optimistisch, daß man die Begrenzungen des Sozialstaates irgendwie beseitigen könnte. Das änderte sich ab Mitte der 70er Jahre. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Weltwirtschaftskrise wurden verschiedene Probleme des britischen Wohlfahrtsstaats erkannt. (Man kennt das wahrscheinlich auch aus anderen europäischen Ländern):

  • Der Wohlfahrtsstaat wurde als ökonomische Last betrachtet.

  • Die wichtigsten Ziele des Wohlfahrtsstaates wurden verfehlt.

  • Der Wohlfahrtsstaat war zu komplex

  • Die Sozialpolitik war zu unkoordiniert.

Mit der Wahl von Margaret Thatcher 1979 wurde diese Kritik des Wohlfahrtsstaates offizielle Politik.

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A. Braun: Sie war nicht mehr zahnlos!

T. Scharf: Ja, okay, die Kritik bekam Zähne und auch eine Handtasche. Die Idee, der Wohlfahrtsstaat sei eine Last für die Gesellschaft, wurde sehr stark von Margaret Thatcher betont. Mit der Rückkehr zu alten marktliberalen Prinzipien (verbunden mit dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman) wuchs das Interesse an einer neoliberalen Sozialpolitik. Das war die neue ideologische Position, mit der der Versuch unternommen wurde, die intervenierende klassische Sozialpolitik des Wohlfahrtsstaats von Beveridge zu beenden. Die Tagespolitik wurde zunehmend dadurch bestimmt, Menschen dazu zu bringen, Eigenverantwortung für die Finanzierung der eigenen Gesundheit und Wohlfahrt zu akzeptieren. Ein wichtiger Punkt war, was die Philosophie eigentlich sehr stark kennzeichnete: sozial schwache Menschen sollten „in der Gemeinschaft aber nicht von der Gemeinschaft„ gepflegt werden. Das neue Modell legte Wert auf den Individualismus, betonte die Werte von Selbsthilfe und privatem Unternehmertum statt von Gemeinschaft und sozialem Interesse. Wie geht das?

  • Durch eine Art von Privatisierung der Risiken. Das sieht man im Zusammenhang mit dem Bereich der Pflege. Die großen Institutionen wurden sehr schnell geschlossen und die Menschen waren dann auf mobile Dienste, aber vor allem auf Familien angewiesen, und das bedeutete am Ende für viele Menschen, daß sie überhaupt keine Unterstützung mehr bekamen. Also das neue Modell legte Wert auf den Individualismus, was in sehr starkem Kontrast zum Kollektivismus des Beveridge-Modells zu sehen war. Man wollte Privatisierung, denn öffentliche Dienste und Dienstleistungen hinderten das wirtschaftliche Wachstum. Professionelle wie Ärzte, Lehrer und Sozialarbeiter hatten zuviel Macht im Bereich des Sozialstaates, diese Macht sollte begrenzt werden und die Privatisierung wurde ideologisch begründet, also „mit Zähnen„ durchgeführt. Oft in Form eines Prozesses künstlichen Wettbewerbes. Diese Privatisierung erreichte wichtige Bereiche des Wohlfahrtsstaates schon ab 1980; ein Jahr nach der Wahl von Margaret Thatcher, wurden sehr wichtige Änderungen in der Sozialpolitik eingeführt. Zum Beispiel der Verkauf von Sozialwohnungen: bestimmte Gruppen hatten dann die Möglichkeit, die eigene Sozialwohnung zu

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    kaufen; das heißt diese Wohnungen waren dann verloren für die Gemeinschaft.

  • Das Gesundheitswesen, also der National Health Service, wurde auch von dieser Privatisierung betroffen durch die Schaffung eines internen Marktes ab 1993. Es dauerte sehr lange, bis dieser Schritt unternommen werden konnte; die verschiedenen Teile des Gesundheitsdienstes sollten irgendwie miteinander konkurrieren.

  • Es fand auch eine Form von Privatisierung der alten sozialen Risiken statt, ein sehr gutes Beispiel hierfür war das Rentensystem. Die Grundrenten wurden stark gekürzt, nicht absolut gekürzt aber durch den Bruch des Zusammenhangs zwischen Einkommensentwicklung und Preisentwicklung. Das war schon 1980 ein erster Schritt von Margaret Thatcher, die Koppelung zwischen steigenden Einkommen und steigenden Renten zu zerstören. Das Altersrisiko sollte durch private Maßnahmen abgedeckt werden, durch die Entwicklung von anderen Rentenarten, durch individuelle Ersparnisse, auch durch Sozialhilfe.

Die Privatisierung betraf alle Bereiche der britischen Gesellschaft zwischen 1979 und 1997. Und wir leben jetzt mit den Folgen davon. Im Bereich der Bahn z.B. haben wir jetzt große Schwierigkeiten mit dem Fehlen der Investitionen. Das kann man sehr klar verfolgen, daß es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen Privatisierung und der Verschlechterung von Dienstleistungen.

Ein zweiter Punkt betrifft die Begrenzung der Kompetenzen der Kommunalpolitik bzw. eine Zentralisierung der politischen Macht. Die Kommunen verloren Kompetenzen oder die Möglichkeit, die Folgen der Privatisierung in Grenzen zu halten, indem Geld von den Kommunen abgezogen und zum Zentralstaat verlagert wurde. Beim Verkauf von Sozialwohnungen zum Beispiel konnten die Gemeinden das Geld nicht für eigene Zwecke verwenden, es lag zentral in Konten der Londoner Regierung. Es gab wirklich eine sehr starke Zentralisierung in dieser Zeit, die Kopfsteuer war auch ein sehr wichtiger Schritt, der am Ende zum Rücktritt von Frau Thatcher führte 1993 oder 1992, ich weiß es nicht mehr so genau.

Zwischenruf: Was heißt Kopfsteuer?

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T. Scharf: Kopfsteuer, das war eine neue Gemeindesteuer, die die existierenden Gemeindesteuern ersetzen sollte. Das war eine Steuer pro Kopf: Also jeder bezahlte das Gleiche und das betraf alle Menschen ab 18 Jahren in Großbritannien. Wenn man in einem großen Haushalt wohnte mit fünf Personen, bezahlte man fünfmal soviel wie der Nachbar, der alleine wohnte. Das hat zum Ende von Frau Thatcher beigetragen, es gibt eine direkte Verbindung zwischen diesen beiden Ereignissen.

Dritter Punkt war das Streben der Politik nach mehr Ungleichheit. Die Kontrolle von Inflation war das wichtigste wirtschaftspolitische Ziel der Regierung, es war viel wichtiger als die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit wurde als Instrument betrachtet, um die Macht der Gewerkschaften zu reduzieren und die Preissteigerung zu kontrollieren. Die Arbeitslosigkeit stieg sehr stark während dieser Jahre.

Ende der 80er Jahre waren die Folgen dieser Sozialpolitik ganz klar. Man konnte die Folgen der Sozialpolitik sowohl sichtbar ( also „Cardboard City„ in London, wo viele Obdachlose in Kartonschachteln wohnten; eine Zunahme von Bettlern auf den Straßen der meisten britischen Städte, eine Zunahme der Obdachlosigkeit unter den psychisch Kranken als Folge dieses Ziels „Pflege in der Gemeinde, nicht von der Gemeinde„) als auch im Hinblick auf alle wichtigen Indikatoren klar erkennen.

Und ich nenne hier nun ein Beispiel, es gibt viel mehr Beispiele. 1998 - die Labour-Regierung wurde 1997 gewählt - wohnten 4 Millionen Kinder, das waren fast ein Drittel aller Kinder, in Haushalten, die über ein Einkommen unter dem 50 Prozent-Niveau verfügten; 1979 waren es nur 10 Prozent. Und es gibt noch eine ganze Reihe von Statistiken, die zeigen, daß die Ungleichheit in dieser Zeit sehr stark zugenommen hat in der britischen Gesellschaft.

Bei der Bewertung der konservativen Sozialpolitik soll aber als wichtiger Punkt hervorgehoben werden, daß die Sparmaßnahmen am Ende von minderer Bedeutung gewesen sind. Es gibt sozialpolitische Experten, die das berechnet haben und die zeigen konnten, daß der demographische Wandel und die Verfolgung einer forcierten Arbeitslosigkeitspolitik dazu geführt haben, daß die Kosten des Wohlfahrtsstaates nicht begrenzt wer-

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den konnten während dieser Zeit. Stattdessen hat die Ungleichheit stark zugenommen.

Und damit klar wird, wie der britische Wohlfahrtsstaat Mitte der 90er Jahre aussah, möchte ich hier ein Beispiel zeigen, das Beispiel des Rentensystems. Als Gerontologe sind für mich vor allem die Rentensysteme der verschiedenen europäischen Länder von Interesse. In der sozialpolitischen Diskussion wird oft zwischen Wohlfahrtsstaaten von verschiedenen Typen unterschieden: neben dem „Bismarckschen System„ der ursprünglichen sechs EG-Länder soll es ein angelsächsisches, ein skandinavisches und ein südeuropäisches Modell geben. Diese Modellbildung wird heute nicht mehr so stark vertreten wie Anfang der 90er Jahre, weil man inzwischen gemerkt hat, daß es auch sehr große Unterschiede geben kann innerhalb dieser Systeme (Zwischen Deutschland und Österreich gibt es relativ große Unterschiede zum Beispiel). Aber ich finde das immer noch einleuchtend, zwischen verschiedenen Ländern zu vergleichen. Ich werde mich eher auf das britische System konzentrieren und hoffe, daß man das eigene System kennt. Das sind Daten aus 1998, es hat sich wahrscheinlich ein wenig geändert, aber die Systeme sind gleich geblieben.

In der Finanzierung:

  • In Deutschland ist es lange Tradition, seit Bismarck eigentlich, die Kosten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit Staatszuschüssen zu teilen. Der Wohlfahrtsstaat in Deutschland orientiert sich daran, das Einkommensniveau des Arbeitnehmers außerhalb des Arbeitsmarktes zu schützen. Es ergibt sich daraus ein relativ kostspieliges System der Rentenversicherung, hohen Beiträge entsprechen hohe Renten.

  • Im angelsächsischen Modell von Großbritannien haben wir kein System der Sozialversicherung, das auf Gleichheit für alle zielt. Relativ niedrige soziale Leistungen sollen durch weitere Leistungen ergänzt werden, die am privaten Markt erworben werden. Ein globaler Beitrag, der lohnabhängig ist, finanziert dann ein minimales System, das alle Formen der sozialen Sicherung unterstützen muß. Das ist ein Globalbeitrag für Krankengeld, für Arbeitslosengeld, für Renten. Das Gesundheitswesen wird durch Zentralsteuern finanziert. Ein Teil kommt aus diesem Versicherungssystem.


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  • In Dänemark, im skandinavischen Wohlfahrtsstaat, wird das Rentensystem primär aus Steuern bezahlt. Die Sozialleistungen in diesem System richten sich nicht nur an Arbeitnehmer oder an sozial schwache Menschen, sondern gehören zu einer Politik der sozialen Integration der ganzen Bevölkerung.

Bei den Leistungen:

  • Unterschiedliche Altersgrenzen gibt es immer noch in den verschiedenen Ländern. In Großbritannien wird die Altersgrenze für Frauen heraufgesetzt, sie soll auch bei 65 Jahren liegen.

  • Die Wartezeiten sind auch unterschiedlich und zeigen die unterschiedlichen Philosophien, die hinter den Wohlfahrtsstaaten stecken. In Dänemark hängt das mit dem Recht zusammen, einen Wohnsitz in Dänemark zu haben. In Deutschland orientiert sich das System an Beiträgen, die geleistet worden sind auf Grund der Beteiligung am Arbeitsmarkt. In Großbritannien muß man 10 Jahre Beiträge geleistet haben, um die Grundrente zu bekommen.

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  • Bei der Bemessungsgrundlage ergeben sich die größten Unterschiede. In Großbritannien hat man einen Anspruch, wenn man die Beiträge lange genug geleistet hat, auf eine Grundrente von 150 Mark in der Woche. (Unsere Sozialleistungen werden wöchentlich ausgezahlt, das hat auch eine lange historische Tradition, die Menschen sollten das nicht verschwenden. Wenn monatlich bezahlt wird, besteht die Gefahr, daß diejenigen, die sozial schwach sind, innerhalb der ersten Woche alles ausgeben oder trinken oder irgend etwas. Man bekommt die Rente jede Woche, montags oder dienstags stehen die Rentner Schlange vor der Post und holen ihr Geld direkt ab.) Es gibt auch Zuschläge für Angehörige. Eine Entwicklung der 70er Jahre war die Einführung eines Zusatzrentensystems, was damals sehr kontrovers war, das eine Verbindung herstellt zwischen den bezahlten Beiträgen und den Leistungen, während die Grundrente in gleicher Höhe an alle gezahlt wird, unabhängig davon, wieviel man in das Versicherungssystem eingezahlt hat.

Der letzte Teil dieser Diskussion beschäftigt sich mit Mindestrenten und der Form der Rentenanpassung. Wir haben in Großbritannien als Grundrente eine Mindestrente, ca. 150 Mark in der Woche. In Deutschland gibt es auch die „Rente nach Mindesteinkommen„, als Form einer Mindestrente, aber die orientiert sich wieder an der Arbeits- bzw. Beitragsleistung. Die Form der Anpassung ist auch sehr wichtig. In Großbritannien werden Renten jährlich nach der Preisentwicklung angepaßt, was sehr zum Nachteil der Rentner gewirkt hat seit 1980, als diese Maßnahme eingeführt wurde. Der Wert der Renten ist jetzt 30 Prozent geringer als er bei der Anpassung entsprechend der Lohnentwicklung sein sollte. Damit hat natürlich auch Tony Blair seine eigenen Probleme gehabt: in diesem Jahr sind die Grundrenten nur noch um 75 Pence, das sind also 2 Mark, in der Woche gestiegen, was wirklich belastend ist für die Regierung. Denn die älteren Menschen kommen immer wieder auf diese 75 Pence zurück. Da kann man gar nichts machen. Und die Regierung ist zur Zeit unter sehr starkem Druck, die Grundrente kräftig zu erhöhen.

Die Folgen der Systemverschiedenheit sind ganz klar: Wenn man sich mit der finanziellen und materiellen Lage der älteren Menschen in Großbritannien beschäftigt, dann sieht man, daß Altersarmut ein sehr großes

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Problem ist. Viele Senioren, die keine andere Form von Altersrenten oder keine Ersparnisse haben, müssen zusätzliche Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen, um überhaupt finanziell durchzukommen. Beveridge, der das System entwickelt hat, war der Meinung, daß die Grundrente unter dem Niveau liegen sollte, womit man finanziell durchkommen kann, um die private Vorsorge zu stärken. Wenn man im Alter nicht in Armut leben wollte, sollte man sparen und Ansprüche auf andere Formen von Renten erwerben. Die Grundrente sollte unterhalb des Niveaus der Sozialhilfeleistungen liegen; das war ein bewußtes Politikziel. Eine Folge davon ist natürlich, daß sehr viele alte Menschen jetzt unterhalb des Sozialhilfeniveaus leben und Sozialhilfe beantragen müssen. Wobei viele das natürlich nicht tun: Es gibt eine Million Rentner, die diese Sozialhilfeleistungen nicht in Anspruch nehmen, die ein Recht darauf hätten. Zusammen mit Sozialhilfeleistungen kann auch Wohngeld beantragt werden und andere Leistungen des Sozialstaates.

Ich habe hier eine Tabelle, die zeigt, auf englisch leider, wie die Einkommenssituation von verschiedenen Familientypen aussieht. Das ist ein Rentnerpaar, das sind Einzelrentner und hier sind Familien mit und ohne Kinder und Ein-Eltern-Familien, also Mutter oder Vater mit Kindern. Und hier werden die verschiedenen Einkommensschichten in Fünfteln gezeigt: Wenn man die Situation der Rentner betrachtet, befinden sie sich überwiegend in den unteren Einkommensgruppen; vor allem die Einzelrentner, die überwiegend relativ niedrige Einkommen haben. Die Rentner sind wenig vertreten in den obersten Einkommensgruppen in der britischen Gesellschaft. Das ist für die Entwicklung der Alterssozialpolitik zur Zeit auch eine sehr wichtige Sache. Die Einkommen der älteren Menschen, das wird hier gesagt, sind auch relativ heterogen. Es gibt viele ältere Menschen mit niedrigen Einkommen. Aber es gibt auch viele, die höhere Einkommen haben. Und das ist für die weitere Entwicklung unseres Rentensystems von großer Bedeutung, wenn man eine Diskussion über die Erhöhung der Grundrente führt. Weil das eine Grundrente - für alle - ist, erhöht man auch die Einkommen derjenigen, die schon relativ hohe Einkommen haben, wenn man die Grundrente erhöht. Hier spielt natürlich auch das Steuersystem eine Rolle: Wenn man schon Grundrenten auch an Wohlhabende zahlt, könnte man das vielleicht auch über das Steuersystem ausgleichen.

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Der letzte Abschnitt meines Vortrages behandelt die Entwicklung seit 1997: New Labour und die New Social Policies. Ich will diese Diskussion auch verbinden mit einer weiteren Diskussion, nämlich über den „Dritten Weg„, weil das auch in Deutschland eine gewisse Rolle gespielt hat. Die Diskussion über den Dritten Weg ist vor allem mit der wissenschaftlichen Arbeit des Direktors der London School of Economics, Anthony Giddens, verbunden - auch ein Tony - und die zwei Tonys sollen regelmäßig miteinander sprechen. Ich werde kurz auf die Grundlagen des Dritten Wegs eingehen, um dann zu zeigen, welchen Einfluß diese Diskussion gehabt hat auf die Entwicklung der Sozialpolitik seit 1997, weil man die beiden Dinge nicht trennen kann.

Nach Giddens bietet der Dritte Weg eine Diskussionsgrundlage, eine neue Vorgehensweise wird angeboten für eine Welt, die sich dramatisch verändert hat. Aber es wird bewußt eine Alternative angeboten, die sich unterscheidet von den ersten zwei Wegen der Vergangenheit - von dem der traditionellen, gewerkschaftlich organisierten Linken, die in der Sozialpolitik auf Gleichheit für alle zielte; und von dem der neoliberalen Tradition nach Margaret Thatcher, die die Ungleichheit zum politischen Ziel hatte. Der Dritte Weg entspricht einem Versuch, mit der wachsenden Ungleichheit in der Gesellschaft, die durch Globalisierungsprozesse forciert wird, Schritt zu halten. Und hier wird die Spannung innerhalb der politischen Linken ganz klar:In Deutschland ist der Streit personalisiert im Konflikt zwischen Lafontaine und Schröder. Die Spannung bezieht sich auf unterschiedliche Interpretationen der Ursachen der gegenwärtigen sozialen Probleme. Die alte Linke vertritt die Meinung, die gesellschaftliche Ungleichheit wächst und dafür verantwortlich ist die Globalisierung. Giddens stellt diese beide Aspekte in Frage, und meint, im Hinblick auf die Sozialpolitik, die alten Lösungen seien nicht nur unzulänglich, sondern auch kontraproduktiv. Obwohl die wirtschaftliche Ungleichheit zunimmt, deutet für ihn die Forschung auf komplexere und manchmal nicht vorhersehbare Interpretationen von Gleichheit und Ungleichheit hin. Für einige Gruppen wird die Welt gleicher, für andere Gruppen ungleicher. Globalisierung sei nur für einen kleinen Anteil der zunehmenden Ungleichheit verantwortlich, viel wichtiger seien Entwicklungen in anderen Bereichen - in der Demographie, innerhalb von Familien, in Ungleichheiten, die nicht direkt mit dem Arbeitsmarkt zu tun haben, z.B. bei den Eigentumsverhältnissen.

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In diesem Kontext wird die ganze Diskussion um die Armut neu definiert. Die alte Linke betrachtet traditionell die Armut als Ergebnis von unkontrollierbaren sozialen Prozessen. Dagegen wird in der Rhetorik und in der Sozialpolitik von New Labour zunehmend auf die Potentiale des Einzelnen hingewiesen, die es ihm ermöglichen, der Armut zu entkommen. Hier entstehen Parallelen zur Ideologie der Neoliberalen. In der Vergangenheit gab es nach Giddens einen zu starken Einfluß des Staats im Bereich der Bekämpfung der Ungleichheit. Nach Giddens kann auch der Markt dazu verwendet werden, mehr Gleichheit zu erreichen. Das ist eine sehr stark verkürzte Erklärung der Grundlagen dieses Konzepts eines dritten Weges. Und ich habe sehr viel rausgelassen. Aber vor diesem Hintergrund ist es möglich die neueren Entwicklungen in der britischen Sozialpolitik zu verstehen. Und in dieser Hinsicht gibt es sowohl Kontinuitäten als auch Diskontinuitäten, also Wandel.

Eines ist klar, seit 1997 wird die Sozialpolitik unter sehr starkem Reformdruck gesetzt. Mit Ausnahme der Grundrente und des Kindergeldes wird alles andere unter die Lupe genommen, um einen Wohlfahrtsstaat neuen Typs zu entwickeln. Das ist ein langfristiges Projekt. Die Basis des neuen Wohlfahrtsstaates soll die Arbeit werden. Es ist von New Labour als Fehler des alten Modells betrachtet worden, daß die Arbeit nicht der Zentralpunkt war; jetzt soll die Arbeit zentral werden. Und hier spricht man immer wieder von „Welfare to Work„, noch stärker als in den Vereinigten Staaten. Daß der Wohlfahrtsstaat dazu dienen sollte, Menschen wieder in den Arbeitsprozeß zu integrieren und auch Menschen, die nie gearbeitet haben oder keinen Kontakt haben mit dem Arbeitsprozeß, sollten die Möglichkeit bekommen zu arbeiten, weil nur durch Arbeit Armut bekämpft werden kann.

  • Die Kontinuitäten mit neoliberalen Ideen - der Einzelne trägt die Verantwortung für das eigene soziale Wohl - sind ersichtlich. Das sieht man auch in der Rentendebatte. Es werden neue Formen von Zusatzrenten entwickelt, sogenannte stakeholder pensions. Diese Renten orientieren sich an Leuten mit mittleren Einkommen. Leute mit einem Einkommen zwischen 10.000 und 20.000 Pfund im Jahr können also von einer stakeholder pension profitieren. Aber die Grundrente verliert weiter relativ an Wert, das ist auch klar. Und hier liegt ein Konflikt zwi-

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    schen New Labour und der Altenlobby. Rentenanpassung nach steigenden Einkommen war immer ihre Forderung. Diese Forderung ist bis jetzt abgelehnt worden, aber der Druck steigt.

  • Es gibt auch andere Zeichen für Kontinuität. Die Reduzierung von Leistungen an alleinstehende Mütter und Väter zum Beispiel; was unglaublich ist, wenn man die Einkommensstatistik betrachtet, aber das gehört zu diesem Projekt, alleinstehende Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür gibt es neue Formen der finanziellen Unterstützung für Alleinstehende, wenn sie dann tatsächlich eine Arbeit aufnehmen. Die Frage ist natürlich, was macht man mit den Kindern, wenn man alleinstehend ist und arbeiten soll; das Problem ist noch nicht richtig gelöst.

Zwischenruf: Kann der Staat den Alleinstehenden denn Arbeit bieten? Ist denn genug Arbeit da?

T. Scharf: Der Staat nicht, aber der freie Markt! Man versucht nicht mehr so staatsfixiert zu sein, wie das in der Vergangenheit war, es gibt viele Arbeitsmöglichkeiten in dem neuen Arbeitsmarkt für Menschen, die eine Teilzeitarbeit möchten oder nur kurzfristig arbeiten wollen. Die Arbeitslosigkeit ist sehr stark zurückgegangen in der letzten Zeit in Großbritannien, wir hatten seit 20 Jahren keine so niedrige Arbeitslosenrate mehr. Es ist natürlich eine Frage, wie die Arbeit aussieht, die Menschen ausüben und das ist manchmal ganz minimal.

A. Braun: Wenn aber die Integration in den Arbeitsmarkt das Ziel ist, dann bleibt auch das ein großer Erfolg!

T. Scharf: Ja das ist ein Erfolg. Und das wird auch ständig gemessen, jedes Jahr wird in den Statistiken gezeigt, wie viele Menschen jetzt arbeiten.

Zwischenruf: Wieviel Stunden muß man arbeiten, um nicht als arbeitslos zu gelten?

T. Scharf: Wenn man irgendeine Arbeit hat, ist man nicht arbeitslos.

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Zwischenruf: Also, wenn man zwei Stunden arbeitet, ist man nicht arbeitslos?

T. Scharf: Das richtet sich danach, wieviel man dann in diesen zwei Stunden verdient. Wenn man zwei Stunden arbeitet und sehr viel verdient, hat man sowieso keine Berechtigung auf eine Unterstützung.

  • Eine andere Form von Kontinuität ist die zunehmende Drohung, Leistungen zu streichen für diejenigen Menschen, die die Normen der Gesellschaft ignorieren, zum Beispiel Menschen, die ihre Bewährungskonditionen nicht einhalten, verlieren ihre Sozialleistungen.

Das sind die Kontinuitäten mit den Prinzipien des Neo-Liberalismus. Das kann man klar sehen.

Es gibt aber auch Änderungen. Und hier sieht man den Einfluß des dritten Weges am deutlichsten. Eine wichtige Änderung ist die Entwicklung eines neuen Armutsbekämpfungsprogrammes. Eine Reihe von Initiativen soll die „social exclusion„, die soziale Ausgrenzung, innerhalb der Gesellschaft vermindern. Allerdings sind diese Maßnahmen überwiegend auf die jungen und arbeitsfähigen Generationen konzentriert. Und hier gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die es einem ermöglichen sollten, wieder eine Arbeit aufzunehmen: „Welfare to Work„, „Working Families Tax Credit„, eine neue Form von Steuerbegünstigung für Familien, die niedrige Einkommen haben, und auch Programme, die sich mit dem Bildungssystem befassen. Für ältere Menschen gibt es auch einige Neuerungen, die aber in der alten Tradition des britischen Modells zu betrachten sind. Wir haben immer jeden Winter das Problem, daß viele Menschen sterben, weil sie ihre Wohnung nicht richtig heizen und das liegt auch daran, daß die Rente zu niedrig ist. Also gibt es jetzt ein pauschaliertes Heizgeld, also Winterheizgeld, das an alle Haushalte gezahlt wird, in denen ältere Menschen leben, von 150 Pfund im Jahr; an alle, nicht nur an die ärmsten.Die zweite Maßnahme, auf die die Regierung am stolzesten ist, ist eine Mindesteinkommensgarantie für Rentner. Was allerdings nicht so gut aussieht, wie es klingt: Jeder Rentner soll in der Woche mindestens 75 Pfund haben, also das sind 225 Mark, allerdings ist der Unterschied zwischen der Grundrente und dieser Garantie durch die Sozialhilfe aufzustocken, und das muß be-

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antragt werden. Das ist der Versuch, die Einkommen der ärmsten Rentner zu erhöhen. Und der Wirtschaftsminister arbeitet daran diese Mindesteinkommensgarantie zu erhöhen im nächsten Jahr, um die Einkommen der ärmsten Rentner zu sichern.

Die verschiedenen Maßnahmen, die von der neuen Regierung getroffen worden sind, orientieren sich zunehmend auch an Regionen und an bestimmten Stadtteilen. Das ist auch eine sehr wichtige Änderung, weil die soziale Ausgrenzung geographische Elemente hat, die soziale Ausgrenzung z.B. am verbreitesten in bestimmten Teilen von den britischen Großstädten ist. Die Ungleichheit wird auch in anderen Bereichen des Wohlfahrtsstaats bekämpft. Im Gesundheitswesen zum Beispiel, wo der „interne Markt„ abgeschafft worden ist. Das heißt, daß es keine künstliche Konkurrenz mehr gibt zwischen den verschiedenen Teilen des Gesundheitswesens, aber es können ordentliche Verträge geschlossen werden. Es gibt auch einen systematischen Versuch, regionale Unterschiede im Gesundheitszustand der Bevölkerung zu überbrücken. Das ist eine Diskussion, die sich ständig mit der Armutsdiskussion verbindet, denn es gibt wirklich große Unterschiede im Gesundheitszustand der Menschen und die hängen sehr stark zusammen nicht nur mit dem Einkommen, sondern auch mit dem Wohnort.

Und schließlich soll auch nicht vergessen werden, daß die Blair-Regierung die sozialen Teile des Maastrichter Vertrags akzeptiert hat. Dadurch beteiligt sich die Labour - Regierung wieder an der weiteren sozialpolitischen Entwicklung in der Union. In der Sozialpolitik wird also sehr viel unternommen zur Zeit in Großbritannien, ob dahinter ein klar entwickeltes Konzept steht, ist unklar. Und es gibt für mich immer noch sehr große Lücken, vor allem in den Bereichen der Renten und der Pflege.

Ich komme jetzt zum Schluß. Ich habe es am Anfang schon erwähnt, daß die Sozialpolitik evolutionär und nicht revolutionär ist. Und das trifft auch für den Dritten Weg der Labour-Regierung von Tony Blair zu. Trotz wichtiger Neuerungen in manchen Bereichen der Sozialpolitik überwiegen doch die sozialpolitischen Traditionen, die aus dem Armengesetz und dem Beveridge-Report stammen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und beantworte gerne Fragen.

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Diskussion

Eduard Olbrich: Ich habe nur eine Frage zu den Kontinuitäten, der linken Positionen der Sozialdemokratie gegenüber neoliberalen Positionen. Also ich glaube, Stärkung und Förderung der Eigenverantwortung ist eine alte sozialdemokratische Position; daß sie dann vielleicht in der Praxis staatslastig geworden ist, das mag sein. Aber die Eigenverantwortungs-Orientierung innerhalb der solidarischen Gemeinschaft war schon immer existent und ich kann da überhaupt keinen Widerspruch sehen.

A. Braun: Kann das eine Austria-Variante sein, Deine Wahrnehmung? Denn es hat bei Euch immer eine größere Rolle gespielt als im „Reich„?

E. Olbrich: Meine Wahrnehmung ist, daß vielleicht durch Entwicklungen am Arbeitsmarkt eine gewisse Grundhaltung aufgekommen ist, man kann ohne Staat eh nichts machen; das heißt auch, der Staat übernimmt die Verantwortung und alimentiert die Menschen. Gleichzeitig ist - abgesehen von Sonntagsreden - alles, was mit dem Schlagwort aktive Arbeitsmarktpolitik, Aktivierung zusammenhängt, nicht wirklich umgesetzt worden. Wenn das Thema neu aufgerollt wird, frage ich mich, ob wir denn nun bessere Umsetzungschancen hätten.

T. Scharf: Also einige sind immer noch euphorisch über die Wahl der neuen Regierung. Ich glaube aber der Glanz ist schon ein bißchen verblaßt. Es wird allgemein angenommen, daß die nächste Wahl noch gewonnen wird von Tony Blair und seiner Partei. Der hat vieles richtig gemacht, würde ich sagen, nur die Probleme waren sehr groß. Also nach diesen langen Jahren der Konservativen, wo soll man anfangen, wenn man sozial denkt. Sollte man beim schlechten Gesundheitswesen anfangen oder mit der Verkehrsinfrastruktur oder mit der Bekämpfung der großen Ungleichheiten in den Einkommen.

Es ist sehr viel zu tun und ein Teil des Problems ist, daß die Regierung versucht hat, zuviel zu unternehmen in der kurzen Zeit. Man wollte aktiv sein in allen möglichen Bereichen, aber man hat in den letzten Monaten irgendwie den Weg verloren. Man beschäftigt sich zunehmend mit den kleineren Dingen, die gelöst werden können und hat den Blick verloren für die großen Fragen. Ich nehme an, daß es in den nächsten Monaten eine

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Änderung geben wird und man sich wieder auf die wichtigen Fragen konzentrieren wird.

Blair hat natürlich noch den großen Vorteil, daß die Konservativen sehr schwach sind, auch keine zusammenhängende Politikstrategie mehr haben. Die haben eine schwache Führung und der nächste Parteichef steht schon hinter dem Vorhang und es wird allgemein erwartet, daß es nach der nächsten Wahl sofort eine Änderung oben in der konservativen Partei geben wird. Diese Partei versucht, ihre Geschichte zu bemänteln aber die Wähler haben nicht vergessen, warum sie die neue Regierung eigentlich gewählt haben. Die Konservativen sagen Dinge, die total unglaubhaft sind, wenn man nur drei oder vier Jahre zurückdenkt und vergleicht, was diese Partei an der Regierung tatsächlich gemacht hat.

Es gibt wirklich große Veränderungen in der britischen Gesellschaft seit 1997: Die Entwicklung von regionalen Regierungen in Schottland und Wales und der ganze Prozess in Nordirland. Auch auf der Ebene der EU hat sich vieles geändert. Großbritannien wird immer ein streitbarer Partner sein, aber man beteiligt sich mindestens an der Diskussion. Das Mehrheitswahlsystem wird wahrscheinlich auch dazu beitragen, daß die Regierung ihre Mehrheit nach der Wahl im nächsten Jahr behält.

Nun zur Eigenverantwortung als sozialdemokratischer Position: Also ich glaube, daß das wahrscheinlich eher eine Tradition der kontinentaleuropäischen Parteien war. In Großbritannien hat sich jedenfalls ein Wohlfahrtssystem entwickelt, daß die Eigenverantwortung zunehmend außer Acht zu lassen schien.

E. Olbrich: Ich habe mich vielleicht nicht klar ausgedrückt. Eigenverantwortung im Sinne des Leistungspotentials der individuellen Person. Wenn ich es negativ sage, könnte man sagen, es wäre dann ein Leistungsverweigerer. Sicher nicht die, die - z.B. als Rentner - nicht mehr ihre Leistung erbringen können, die sind ja davon ausgenommen. Aber gerade im Arbeitslosenbereich gibt es ein Spektrum, wo eben dieser „Mis-Match„ am Arbeitsmarkt vorhanden ist, wo ich sage, er könnte, aber das was er kann, wird nicht nachgefragt. Und wenn ich jetzt in Weiterqualifizierung gehe, in aktive Maßnahmen, dann läßt sich das sehr leicht sagen und program-

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matisch ausdrücken, die Realität schaut aber anders aus. Aber ich glaube, vom programmatischen Ansatz her ist ein jeder gefordert, seine Eigenverantwortung sich selbst gegenüber und umgekehrt der Gemeinschaft gegenüber einzubringen, sofern es auf solidarischem Boden erfolgt und nicht gegen andere wahrgenommen wird.

T. Scharf: Ich glaube das hängt auch mit der Struktur des Wohlfahrtsstaates zusammen, daß im britischen System mit seinem relativ niedrigen sozialen Niveau nie die Gefahr bestanden hat, daß der Sozialstaat die Eigenverantwortung mit einer Sicherheitsgarantie untergräbt.

A. Braun: Ich will es mal versuchen. Es ist ganz sicher so, daß bei der österreichischen und der deutschen Tradition von Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie immer der Punkt mit drin war, „die haben uns ja nie machen lassen„ und in dem Moment, wo wir dürfen, machen wir alles möglichst selber und können eigenständig für uns selber sorgen. Diese Tradition ist bei uns ganz verloren, bei Euch zum erheblichen Teil, sie geht gerade noch mehr verloren. Aber die ganze Reformbewegung nach 1918, die sich auch in Wohnkolonien, in Arbeitervereinigungen, die auch wirtschaftlich z.B. als Genossenschaften für sich selber gesorgt haben, gezeigt hat, das war sozusagen die andere Seite, sich nicht vom Sozialstaat abhängig zu machen. Man wußte genau, daß der Sozialstaat auch dafür da war, repressiv gegen die Arbeiterbewegung eingesetzt zu werden. Und es gab immer eine Tradition, „wir sind selber wer, wir können das, wenn uns der Obrigkeitsstaat nur ließe„. Das ist durch den Faschismus bei uns ganz und bei Euch zum erheblichen Teil zerstört worden. Die Tradition gab es in Großbritannien in dieser Form nicht, weil es diese Konfrontation Obrigkeitsstaat, Macht, Sozialpolitik in repressiver Absicht nicht gab. Insofern gibt es da sicher einen „Verständnisgraben„.

Aber mir ist bei Ihren Ausführungen, Herr Scharf, aufgefallen, daß sowohl die Ansätze, die Thatcher nach 1970 da hingelegt hat, als auch das, was Giddens und andere jetzt formulieren, wahnsinnig unpragmatisch ist, einen hehren Theorieanspruch hat und von einem sehr abstrakten Modell her denkt. Und dann werden bestenfalls noch solche praktischen Fragen zugelassen, wenn diese in dieses modellhafte Denken reinpassen. Aber es wird nie die Frage gestellt, was haben die Leute eigentlich für Probleme,

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die wir lösen müssen. Das ist ein Ansatz, den wir in Deutschland, Gott sei Dank, noch nicht haben, nicht einmal Bodo Hombach. Daß man von oben ableitet, wie die einzelne Maßnahme auszusehen hätte, weil man einen gewissen Anspruch an den Individualismus hat oder durchsetzen will, aber keinerlei Kollektivismus zulassen will. Also das erscheint mir einfach unpragmatisch und es wundert mich eigentlich, weil wir immer gelernt haben, die Briten und die Amerikaner seien so viel pragmatischer als wir. In diesem Punkt scheinen sie aber relativ viel Ideologie auf die Diskussion aufzusatteln.

T. Scharf: Das ist auch aus deutscher Sicht eine Nachkriegsentwicklung, die Abkehr von einer Politikform, die sehr stark ideologisch belastet war. Die Entwicklung von Volksparteien und die Entwicklung hin zu einem Pragmatismus kam mit den 50ern. Diese Entwicklung hatten wir nicht, wir haben immer noch oder hatten ideologisch geprägte Politiker. Das wird gefördert durch das ganze politische System. Man sah das vor allem bei Thatcher, die ideologisch gearbeitet hat. Das ist auch eine Änderung seit 1997; also vor 1997 sprach die konservative Regierung nur mit bestimmten Experten oder mit bestimmten Leuten. Und Thatcher fragte immer „is he or is she one of us„, also gehört der Experte zu uns oder nicht? Und sie sprach nicht mit demjenigen, der nicht zu dem engeren Kreis der konservativen Ideologen gehörte. Seit 1997 hat sich da sehr viel geändert. Es gibt viel mehr Geld für die Sozialforschung in vielen Bereichen. Und man bekommt den Eindruck, daß die Regierung zuhört. Aber vielleicht zu viel zuhört und nicht genug tut. Also es gibt viele Kommissionen und Untersuchungen und man versucht, die Lage der Nation darzustellen. Es fehlten jahrelang gute Statistiken über das Armutsproblem zum Beispiel, weil diese Statistiken nicht erhoben wurden. Ich glaube, daß die neue Regierung schon etwas pragmatischer ist, aber wenn man politisch tätig ist, braucht man irgendeine Ideologie. Und man wird kritisiert, wenn man zu pragmatisch handelt. Deswegen gibt es diesen Kontakt zwischen Blair und Giddens.

A. Braun: Herzlichen Dank für die Darstellung der historischen Grundlagen und der aktuellen Diskussionslinien der britischen Sozialpolitik, Herr Scharf.

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Damit wir im Zeitplan bleiben, bitte ich Sie, von der Kaffeepause um 16 Uhr pünktlich hier wieder zurück zu sein.


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