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TEILDOKUMENT:
Samstag, 28. Oktober [Seite der Druckausg.: 216(Fortsetzung)] Braun Wir können jetzt relativ pünktlich weitermachen; wir haben jetzt eine andere Art des Vorgehens bei Thema Pflegeversicherung". Ich darf recht herzlich die drei Beteiligten heute nachmittag begrüßen, Herr Kesselheim von dem AOK-Bundesverband - vielleicht sagen Sie noch etwas dazu, was Sie dort tun - ist inzwischen eingetroffen. Er wird zunächst mal ein Statement abgeben so zu dem, was denn nun da nach dem 01.04. gelaufen ist. Dann von Anfang an seit gestern dabei ist Herr Backhaus-Maul, er wird dies sozusagen in die Zukunft hineinkommentieren, was wäre wenn wir in der Krankenversicherung und im Gesundheitswesen uns so verhielten wie wir uns jetzt im Bereich dieser neuen Struktur Pflegeversicherung verhalten. Und ich darf auch ganz herzlich Christa Lörcher begrüßen, die aus ihrem Abgeordneten-Wochenende diese zwei Stunden für uns herausgeschnitten hat, sie ist Abgeordnete des Deutschen Bundestages und in Villingen-Schwenningen, also hier in Baden-Württemberg zuhause; ist aber auch Mitglied der Enquette-Kommission Demographischer Wandel des Deutschen Bundestages; aber Du sagst [Seite der Druckausg.: 217] nachher auch noch was zu Dir. Dann wollen wir keine weiteren Worte mehr verlieren. Ich habe mir vorgestellt, wir verfahren so, daß wir die Statements nacheinander uns vortragen lassen, daß wir dann eine verbundene Diskussion führen und daß wir danach noch einmal eine Kaffeepause machen und wer es dann ganz eilig hat, der soll dann sozusagen im Anschluß an die Kaffeepause uns verlassen und wir treffen uns nach der Kaffeepause nur noch mal zu einer kurzen Abschlußdiskussion. Ja, Herr Kesselheim, bitte schön. Harald Kesselheim Ja zunächst einmal herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung, wenn wir auch ein bißchen kurzfristig zusammengekommen sind, gleichwohl gerade bei einem so schönen Wetter ist die Fahrt hier raus nach Freudenstadt ein Erlebnis für sich, deshalb umso herzlicheren Dank für die Einladung für heute. Herr Braun hat darum gebeten, daß ich mich selbst etwas präziser vorstelle. Mein Name ist Harald Kesselheim, ich leite im AOK Bundesverband das Sonderreferat Pflegeversicherung, und wir haben dort die Aufgabe, die Pflegeversicherung insgesamt ablauffähig zu machen im AOK-Bereich, d.h. den Sachbearbeitern die Aufgaben zu beschreiben, die im einzelnen wahrzunehmen sind, damit die Pflegeversicherung vor Ort auch vernünftig läuft. Und aus dieser Situation heraus freue ich mich eigentlich auch, sagen zu können, jetzt 10 Monate nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist, trotz aller Unkenrufe, die Pflegeversicherung läuft und trotz aller Kinderkrankheiten, die dieser neue Versicherungszweig auch hatte, die Pflegeversicherung läuft auch recht gut. Die noch vorhandene Kritik richtet sich im hohen Maße gegen die finanzielle Ausstattung. Die Leistungshöhe ist limitiert, der Beitragssatz ist Kraft Gesetz vorgegeben; das Gesetz enthält zudem eine Reihe von Steuerungen, um die Leistungen an diesem Finanzierungsrahmen auszurichten. Die von der Politik geschürten Erwartungen sind vielfach und ich denke vor allem bei den Behinderten enttäuscht worden. Zu den Kinderkrankheiten gehörte auch der in der Öffentlichkeit breit diskutiert Bearbeitungsstau in den medizinischen Diensten, um im Bild zu bleiben, diese Kinderkrankheit war besonders häßlich und auch ärgerlich. Inzwischen aber ist der Antragsstau weitgehend beseitigt, hier in Baden-Württemberg auf jeden Fall ist er längst Geschichte. Für eine Positionie- [Seite der Druckausg.: 218] rung der Pflegeversicherung ist ein Blick auf ihr Herzstück unerläßlich, nämlich die Leistungsansprüche des Versicherten. Da ist zunächst einmal der Anspruch auf die professionelle Hilfe durch die Pflegedienste zu nennen, die sogenannten Sachleistungen, und für diejenigen, die in der Pflegeversicherung bestens drinstecken gleichwohl kurz zur Erinnerung, in der Pflegestufe I können Pflegeeinsätze bis zu 750 DM, in der Pflegestufe II bis zu 1800 DM und in der Pflegestufe III bis zu 2800 DM und in sogenannten Härtefällen bis zu 3750 DM abgerufen werden und besonders schön ist, daß wir immerhin für diese Härtefälle auch die Richtlinien fertig haben, daß danach jetzt auch gearbeitet werden kann. Anstelle der Sachleistungen ist die Zahlung eines Pflegegeldes möglich, dieses beträgt in der Pflegestufe I 400 DM, in der Pflegestufe II 800 DM, in der Pflegestufe III 1300 DM. Die Höhe des Pflegegeldes hört sich zunächst einmal verlockend an. Zu bedenken ist allerdings, daß die Pflege dafür umfassend selbst sichergestellt werden muß. Die Belastung für die Familie, die Freunde oder die Nachbarn, die die Hilfe übernehmen, ist enorm. Die wichtigen Aspekte einer Aktivierung und Mobilisierung, der gesamte Bereich, der auch bei Pflegebedürftigen nötigen Rehabilitation bleibt außer Betracht. Daher ist meines Erachtens gut zu überlegen, ob das Pflegegeld wirklich die richtige Leistung ist. Positiv ist diese Leistung in erster Linie für diejenigen, die intensiv auf das Finanzierungskonzept schauen, der hohe Anteil von Pflegegeldbeziehern, immerhin über 80 %, läßt auch bei steigender Menge an Pflegebedürftigen die Kalkulatoren des Beitragssatzes ruhig schlafen. Für den Pflegebedürftigen und seine Angehörigen wird es vielfach die beste Entscheidung sein, professionelle Hilfe und Pflegegeld zu kombinieren. Das ist, und zwar als Novum des Gesetzes, immer dann möglich, wenn das Sachleistungsbudget nicht vollständig ausgeschöpft wird. Dann wird der bis zur Budgetgrenze verbleibende Betrag anteilig als Pflegegeld ausgezahlt. In der öffentlichen Diskussion gehen vielfach die anderen Leistungen unter, die die Pflegeversicherung bietet. Wie schon bisher, gibt es die sogenannte Verhinderungspflege, wenn der pflegende Angehörige wegen Krankheit oder Urlaub ausfällt und zwar für vier Wochen und, als neuer Höchstbetrag bis zu 2800 DM. Neu ist, daß daneben im Übergang vom [Seite der Druckausg.: 219] Krankenhaus in die ambulante Pflege Kurzzeitpflege im teilstationären Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird. Auch dies gilt für vier Wochen und bis zu dem Betrag von 2800 DM. Kurzzeitpflege kann auch in sogenannten Krisensituationen, also wenn die Pflegekraft außerhalb des Urlaubs z.B. durch Krankheit ausfällt, in Anspruch genommen werden. Kann die Pflege zuhause nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden, besteht Anspruch auf teilstationäre Pflege und zwar in der Pflegestufe I bis zu einem Betrag von 750 DM, in Pflegestufe II bis zu 1500 DM und in Pflegestufe III bis zu 2100 DM. Wichtig sind meines Erachtens auch die Leistungen für die pflegenden Angehörigen. Die Pflegeversicherung bezahlt nunmehr Beiträge zur Renten- und zur Unfallversicherung. Sie ermöglicht damit vor allem einen eigenständigen Rentenanspruch der pflegenden Angehörigen, aber auch einen umfassenden Unfallversicherungsschutz. Zudem bietet die Pflegekasse den Angehörigen unentgeltliche Pflegekurse, die für die schwierige Aufgabe der Pflege Rüstzeug vermitteln. Die für den AOK-Bereich entwickelte Konzeption sieht vor, daß über die eigentliche Pflegetechnik hinaus in den Kursen auch die Möglichkeit besteht, sich mit den psychischen Belastungen der Pflege, die niemand unterschätzen sollte, auseinander zu setzen. Schließlich werden die ambulanten Leistungen durch die Pflegehilfsmittel und durch Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen ergänzt. Diese Zuschüsse können, je nach Situation, bis zu 5000 DM betragen. Die Leistungsinanspruchnahme ist sehr einfach. Der Versicherte stellt bei seiner Krankenkasse, die ja auch gleichzeitig Pflegekasse ist, einen Antrag, auf dem dafür vorgesehenen Formular muß er lediglich die gewünschte Leistung, den Pflegedienst, den er in Anspruch nehmen will und alternativ, wenn er Pflegegeld in Anspruch nehmen will, seine Bankverbindung angeben. Die Pflegekasse veranlaßt dann eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen. Um seine Aufgabe zu bewältigen, hat sich der Medizinische Dienst personell erheblich verstärkt. Ausschließlich für Aufgaben der Pflegeversicherung wurden 400 Pflegefachkräfte und ebensoviele Ärzte eingestellt. Daneben werden - zumindestens in der Anlaufphase - die schon vorhandenen Gutachter aus der Krankenversicherung - und das sind immerhin auch 1600 - und mehrere 100 nebenamtliche Gutachter [Seite der Druckausg.: 220] eingesetzt. Auf der Grundlage des Gutachtens des MDK erläßt die Pflegekasse dann ihren Leistungsbescheid, sofern die Sachleistung beantragt wurde, und das ist bei knapp 20 % der Fall, geht eine Kopie dieses Leistungsbescheids an den Pflegedienst, der die gewünschten Sachleistungen erbringt. Eine Besonderheit gilt für die mehr als 700.000 Schwerpflegebedürftigen, die bis zum 31.03. Leistungen der Krankenversicherung erhielten; diese wurden ohne neue Begutachtung zum 01.04. in die Pflegestufe IIüberführt. Sie erhalten seitdem entweder 800 DM Pflegegeld oder bis zu 1.800 DM als Sachleistungen. Diese Gruppe, die nach unserer Einschätzung mindestens genausogroß sein wird, wie die der neuen Leistungsempfänger, wird in der öffentlichen Diskussion nahezu völlig unterschlagen. Wenn ich die Leistungen der Pflegeversicherung in verschiedene Pflegestufen einteile, so ist es sicherlich unerläßlich auch zu den Merkmalen der Pflegebedürftigkeit etwas zu sagen. Das Pflegeversicherung unterscheidet drei Pflegestufen. In der Pflegestufe I sind die erheblich Pflegebedürftigen, diese haben nach der gesetzlichen Definition bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigsten zwei Verrichtung mindestens einmal täglich Hilfebedarf und benötigen zusätzlich mehrfach in der Woche hauswirtschaftliche Versorgung. Die Zeit, die eine nichtprofessionelle Pflegekraft, also die Ehefrau, ein Freund oder ein Nachbar täglich für die Hilfe benötigt beträgt mindestens 1,5 Stunden. In der Pflegestufe II sind die Schwerpflegebedürftigen. Diese benötigen in den drei Bereichen Körperpflege, Mobilität oder Ernährung mindestens dreimal täglich, zu verschiedenen Tageszeiten, Hilfe und ebenfalls mehrfach in der Woche hauswirtschafltiche Versorgung. Dafür ist der Zeitaufwand der nichtprofessionellen Kraft auf 3 Stunden festgelegt. In der Pflegestufe III sind die Schwerstpflegebedürftigen. Sie benötigen neben der mehrfach wöchentlich hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität und zwar rund um die Uhr, auch nachts. Der Zeitaufwand der nichtprofessionellen Kraft muß bei dieser Gruppe mindestens 5 Stunden täglich betragen. Die Zeitansätze berücksichtigen, daß die Pflege aktivierend stattfinden soll; sie berücksichtigen zum anderen aber auch Erfahrungen aus den [Seite der Druckausg.: 221] Niederlanden sowie aus Modellversuchen, die in Münster und in Amberg durchgeführt wurden. Der Gesetzgeber hatte die Spitzenverbände beauftragt, zur Präzisierung der gesetzlichen Vorgaben den Mindestaufwand für die einzelnen Pflegestufen in den Pflegebedürftigkeitsrichtlinien zu beschreiben. Nach intensiven Diskussionen - auch mit Behindertenverbänden und Wohlfahrtsverbänden - wurde uns als Spitzenverbänden klar, der ursprünglich beabsichtigte niedrige Einstieg in die Pflegezeit hätte erhebliche Finanzierungsrisiken enthalten. Der Beitragssatz der Pflegeversicherung ist vom Bundesgesetzgeber vorgegeben, eine Beitragssatzerhöhung ist kaum realisierbar vor dem Hintergrund auch der Diskussion um die Kompensation, die ja jetzt wieder entscheidend die Diskusssion um die Einführung der zweiten Stufe, der stationären Pflege, prägt, und ein Ausweichen in die Absenkung der Leistungen kann aus Sicht der Pflegekassen ebenfalls nicht in Betracht kommen. Daher hätte ein zu großzügiger Einstieg in die Pflegestufe I möglichicherweise zur Folge gehabt, daß zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich nämlich herausstellen sollte, daß die Finanzierung nicht ausreichen würde, der Einstiegswinkel angehoben werden müßte, die bis dahin zugebilligten Leistungen könnten allerdings nicht gemindert werden, sie hätten Bestandskraft. Die Absenkung würde lediglich die Neuen treffen und das würde aus unserer Sicht zu einer erheblichen Ungleichbehandlung führen. Letztlich hat uns diese Argumentation dazu bewogen, einen vorsichtigeren Einstieg zu wählen und in den Pflegebedürftigkeitsrichtlinien vom 07.11.1994 für die Pflegestufe I einen Mindestzeitaufwand von 1,5 Stunden vorzusehen. Inzwischen hat das Bundessozialgericht bereits den Zeitansatz von mindesten 3 Stunden in der Pflegestufe II bestätigt. Wir sind daher guten Mutes, daß das Bundessozialgericht auch in den anderen Pflegestufen, die von den Spitzenverbänden gewählte Zeitansätze bestätigen wird, also in der Pflegestufe I die 1,5 Stunden, in der Pflegestufe III die 5 Stunden. Eine viel spannendere Frage für uns ist im Augenblick, inwieweit auch aufgrund der Urteile, die das Bundessozialgericht oder der Vorlagebeschlüsse, die das Bundessozialgericht dem Bundesverfassungsgericht gegenüber abgegeben hat zu den Kompetenzen der Spitzenverbände in der Krankenversicherung eventuell in den weiteren zu erwartenden Urteilen des Bundessozialgerichts die Kompetenz zum Erlaß solcher [Seite der Druckausg.: 222] Richtlinien für die Spitzenverbände ebenfalls verfassungsrechtlich hinterfragt wird. Und die daraus dann entstehende Frage ist, was wird denn dann insgesamt mit den heutigen Kriterien. Aber, das nur so als Einschub, da wird man sehen müssen, wie die Sozialgerichtbarkeit aufbauend auf diesen Vorlagebeschlüssen weiter vorgehen wird. Jedenfalls im Augenblick ist es so, daß die Festlegung der Pflegestufe durch den Medizinischen Dienst die Basis für die Entscheidung der Pflegekasse über den Leistungsanspruch ist. Damit wird zugleich auch ganz wesentlich die Menge der Leistungen gesteuert. Anders als in der Krankenversicherung ist nämlich in der Pflegeversicherung die Menge nicht durch die Inanspruchnahme der Leistungen beeinflußbar. Den Leistungszugang steuert der Medizinische Dienst durch seine Beurteilung, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt und welche Pflegestufe in Betracht kommt. Dieses Steuerungssystem funktioniert, soweit man das nach den jetzt vorliegenden Erfahrungen sagen kann. Es zeigt sich auch, daß die Ansätze, die ich Ihnen gerade vorgetragen habe bei weitem nicht zu eng gewählt sind sondern durchaus sachgerecht sind. Wir haben inzwischen 1,3 Millionen Leistungsempfänger, also Personen, die die Leistungen bewilligt bekommen haben und das innerhalb der Zeit, die bis jetzt vergangen ist. Zum Vergleich vielleicht nochmal den Sachverständigen hier im Raum in Erinnerung gerufen: die Bundesregierung geht bei ihrem Konzept davon aus, daß insgesamt nur 1,2 Millionen Pflegebedürftige im ambulanten Bereich vorhanden sind. Vielleicht auch noch ein Wort, wie man überhaupt seinen Sachleistungsanspruch - und das ist ja viel komplizierter als beim Pflegegeld, das nur überwiesen wird - realisieren kann. Dafür ist es erforderlich, daß der Versicherte eine Pflegeeinrichtung in Anspruch nimmt, mit der die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat. Kostenerstattungen sieht das Pflegeversicherungsgesetz nicht vor. Voraussetzung für den Versorgungsvertrag ist, daß die Pflegeeinrichtung eine selbständig wirtschaftende Einrichtung ist, die unter der ständigen Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft steht. Pflegedienste, die bereits 1994 am Markt tätig waren, haben Bestandsschutz erhalten, wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen. Sie sind dann also auf jeden Fall unsere Vertragspartner. Neue Dimensionen in der Sozialversicherung eröffnen die Regelungen des Pflegeversicherungsgesetzes für die Preisgestaltung und [Seite der Druckausg.: 223] zwar im Hinblick darauf, daß dem Versicherten in der Pflegeversicherung ja ein Budget von 750, 1800 oder 2800 DM zur Verfügung stehen. Je höher der Preis im Einzelfall ist, desto weniger Leistungen kann der Pflegebedürftige für dieses Budget einkaufen. Er hat dann zwei Alternativen: Die erste Alternative ist, daß er sich mit einer Zahl von Einsätzen des Pflegedienstes zufrieden gibt, die im Rahmen seines Budgets finanzierbar sind. So hatte z.B. die Caritas gefordert, einen Pflegeeinsatz mit 82,00 DM zu vergüten. In der Pflegestufe II würde die Realisierung dieser Forderung bedeuten, daß der Versicherte nicht mehr wie bei den früheren Krankenversicherungsleistungen 25 Pflegeeinsätze erhielte sondern nur noch 22. Für den eigenständigen Beitrag, den er jetzt zu zahlen hat, würde er also weniger Leistungen erhalten als früher. Der vielfach gefeierte Fortschritt bestünde dann offensichtlich darin, daß der Pflegebedürftige die zweite Alternative nutzt, nämlich den Mehrbedarf durch Zuzahlung abdeckt. Verkannt wird dabei allerdings, daß eine solche Systematik erneut Sozialhilfeabhängigkeit schafft. Der wesentliche Fortschritt des Pflegeversicherungsgesetzes - die Unabhängigkeit von Sozialhilfe - würde damit also wieder aufgegeben. Dieses Dilemma wird sich in der stationären Pflege noch erheblich schärfer darstellen. Für den ambulanten Bereich haben wir dem ein neues Vergütungssystem entgegengesetzt. Dazu wurden die Leistungen der Pflegekraft in einzelne Leistungskomplexe aufgeteilt und diesen Leistungskomplexen Preise zuordnet. Diese Preis orientieren sich an der Fachkraft, die für die einzelnen Leistungskomplexe die treffende Qualifikation mitbringt. Sie sollen sich zudem - den Festlegungen in Pflegeversicherungsgesetz entsprechend - an den Kosten orientieren, die dem einzelnen Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung entstehen. Damit wird dem gesetzlichen Kriterium Rechnung getragen, die Preisverhandlungen mit dem einzelnen Dienst zu führen und so durch unterschiedliche Preise am Ort einen funktionsfähigen Markt in Pflegeversicherung zu schaffen. Solche Vereinbarungen kommen letztlich dem Versicherten zugute, der dann innerhalb seines Leistungsbudgets eine möglichst große Menge an professioneller Hilfe einkaufen kann. Auf der Grundlage der so gebildeten Preise informieren wir den Versicherten darüber, wo er kostengünstig einkaufen kann. Ich hoffe, der eine oder andere hat die Broschüren, die [Seite der Druckausg.: 224] hier in Baden-Württemberg schon weite Verbreitung gefunden haben, schon einmal gesehen. Braun Wir haben sie gestern ausgelegt. Kesselheim Sehr schön. Ich denke diese Broschüren sind auch deshalb von Interesse, weil zu unserer großen Freude die Versicherten sehr rasch die Vorteile dieses Systems erkannt haben und davon - auch vor dem Hintergrund der Möglichkeiten, die die Kombinationsleistungen bieten - regen Gebrauch machen. So entsteht der vom Gesetzgeber gewollte Pflegemarkt. In der Anfangsphase haben verschiedene, damals abseits stehende, Wohlfahrtsverbände ihre finanziellen Vorstellungen damit zu verteidigen gesucht, daß sie Zweifel an der Qualität unserer Vertragspartner schürten. Erfreulicherweise haben sich nur die wenigsten auf diese falsche Fährte eingelassen. Die Spitzenverbände der Pflegekassen haben gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden auf Bundesebene und den Bundesvertretungen der privaten Pflegedienste Qualitätsstandards für die ambulante Pflege vereinbart. Diese Qualitätsstandards sind für alle - egal ob private Anbieter oder Wohlfahrtsverbände - gleichermaßen verbindlich und gewährleisten einen gemeinsamen Standard der medizinisch-pflegerischen Qualität. In einer Bundesempfehlung ist zudem der bundeseinheitliche Rahmen für den Versorgungsvertrag festgelegt, der mit dem einzelnen Dienst abzuschließen ist. An der Entwicklung der Qualitätsstandards und der Bundesempfehlung haben auch die Spitzenverbände der Sozialhilfeträger mitgewirkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese breite Schilderung des Rechts der neuen Pflegeversicherung ist aus meiner Sicht wichtig zum Verständnis der Gesetzessysstematik und mancher aktueller Diskussionen. Diese Diskussionen sind davon geprägt - und das zieht sich ja wohl auch wie ein roter Faden, wie ich von Herrn Braun gehört habe, durch Ihre Diskussionen gestern und heute - daß die Zeiten des ständigen Wachstums vorüber sein sollen und die Steuerung der knappen Ressour- [Seite der Druckausg.: 225] cen zunehmend wichtiger wird. Von diesen Überlegungen werden die politischen Diskussionen um die Reform der Sozialhilfe getragen, auch die Gesundheitsreform III hat im wesentlichen derartige Steuerungsansätze. Ich will nicht den Versuch machen, die zum Teil sich widersprechenden Planungs-, Steuerungs- und Marktmechanismen in der Pflegeversicherung auf andere Systeme zu übertragen, dazu haben wir sicherlich noch einen kompetenteren Referenten. Allerdings scheint es mir zweckmäßiger, einen Ausblick zu wagen, welchen Beitrag die Pflegeversicherung leisten kann, um die knapper gewordenen Ressourcen gezielter einzusetzen. Eine solche Betrachtung ist am einfachsten anzustellen, wenn man den Blick darauf richtet, was mit den Patienten geschieht, die neu pflegebedürftig werden. An dieser Patientengruppe wird sich meines Erachtens zudem viel klarer der Fortschritt der Pflegeversicherung deutlich machen. In der Vergangenheit bedeutete die ärztliche Feststellung, daß es sich um einen Pflegefall handelt, zumindest im stationären Bereich das Aus für die Leistungen aus der KV. Aber auch im ambulanten Bereich reichten die Leistungen regelmäßig dann nur noch für die medizinische Betreuung sowie die Versorgung mit Arznei und Verbandsmitteln. Ein Fortschritt der Pflegeversicherung ist darin zu sehen, daß nunmehr die Leistungen der Krankenversicherung durch die der Pflegeversicherung ergänzt werden. In der Praxis bedeutet dies, daß der Hauarzt bei seiner Betreuung des pflegebedürftigen Patienten gezielte Unterstützung durch Pflegefachkräfte erhält. Beide gemeinsam stellen die medizinische und pflegerische Betreuung sicher: die für den jeweiligen Patienten auf seine Krankheit oder Behinderung bezogene Optimierung der Leistungen wird so ermöglicht. Ergänzt werden die Leistungen des Arztes und der Pflegefachkraft auch weiterhin durch die Leistungen von Ergotherapeuten, Masseuren, Logopäden und der Vielzahl anderer Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen. Rehabilitation gerade der pflegebedürftigen Menschen und der durch Pflegebedürftigkeit Gefährdeten ist, wie ich eingangs schon einmal gesagt habe, eines der wesentlichen Ziele des Gesetzes. Eine solche Art der Betreuung erfordert naturgemäß eine stärkere Kooperation zwischen den beteiligten Professionen. Feindbilder, die in der Vergangenheit eher ein ungezieltes Nebeneinander als ein konstruktives Miteinander gewährleisteten sind mit einem solchen Betreuungsansatz nicht verein- [Seite der Druckausg.: 226] bar. Erforderlich ist es, derartige Vernetzungen frühzeitig zu initiieren. So wird bei dem Apoplexie-Patienten, bei dem Schlaganfall-Patienten, zukünftig nicht nur die Organisation einer frühzeitigen Rehabilitation von entscheidender Bedeutung für die weitere Lebensqualität des Patienten sein, dem behandelnden Arzt wird, und zwar auch schon im Krankenhaus, vielmehr auch die Aufgabe zufallen, bei Erkennen des Eintritts von Pflegebedürftigkeit die häusliche Betreuung anzustossen. Dies geschieht am einfachsten dadurch, daß er die Pflegekasse über seine Erkenntnisse frühzeitig informiert, diese veranlaßt eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst. Die Pflegebedürftigkeitsrichtlinien sehen dazu bereits vor, daß diese Begutachtung auch im stationären Bereich stattfinden kann. Zu diesem Zweck wird der Gutachter des Medizinischen Dienstes im Krankenhaus die erforderlichen medizinischen Feststellungen zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit treffen, die Beurteilung der häuslichen Situation wird er parallel im Einverständnis mit dem Patienten gesondert vornehmen. So ist gewährleistet, daß das Gutachten über das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit und die jeweilige Pflegestufe bereits während der stationären Behandlung der Pflegekasse als Basis ihrer Entscheidung vorliegt. Wo dies nicht möglich ist, werden die bewährten Leistungen der häuslichen Krankenpflege den reibungslosen Übergang von der stationären in die ambulante Betreuung erleichtern. Auch bei ambulanter Betreuung - z.B. eines Parkinson-Patienten - wird vielfach der behandelnde Arzt als erster die drohende Pflegebedürftigkeit erkennen. Auch in diesen Fällen genügt ein formloser Hinweis an die Pflegekasse, um diese zur Einleitung der erforderlichern Rehabilitations- und Pflegeleistungen zu veranlassen. Um das Geschehen funktionsfähig zu machen, muß es für den Pflegebedürftigen und seine Familie eine Anlaufstelle geben, die hilft, den jeweiligen optimalen Leistungsmix medizinischer Betreuung, Rehabilitation und Pflege zusammenzustellen. Der Hinweis des Medizinischen Dienstes auf Rehabiliationsmaßnahmen und die Verordnung durch den Hausarzt reicht dafür nicht aus. Die Vielfalt gesplitterter Angebotsstrukturen, geteilte Kostenträgerschaft und eine fehlende Marktübersicht dürfen nicht dazu führen, daß Versicherte Gesundheitschancen nicht nutzen können. Auch Vertragsärzte und ihre Partner im Betreuungsprozeß benötigen vielfach Unterstützung bei den prozeßleitenden [Seite der Druckausg.: 227]
Schritten. In Berlin z.B. gibt es zu diesem Zweck Koordinierungsstellen in öffentlicher Trägerschaft. Deren haupt- und ehrenamtliche Kräfte bemühen sich den Pflegebedürftigen Selbständigkeit möglichst lange zu erhalten, indem sie rehabilitierende und pflegerische Leistungen organisieren und koordinieren. Ihnen in Baden-Württemberg wird diese Modell auch bekannt sein. Die gleichen Funktionen nehmen hier in Baden-Württemberg die IAV-Stellen war. Ähnliche Lösungen gibt es auch bereits in Hamburg, aber Sie sehen gleichwohl, das zarte Pflänzchen fängt erst an zu wachsen. Die dabei gewonnenen Erfahrungen zeigen, daß es der Gesundheitskasse AOK gut ansteht, ihren Mitgliedern von der Anerkennung der Pflegebedürftigkeit über die Leistungsbereitstellung bis zur Zusammenstellung des optimalen Leistungsmix tatkräftige Unterstützung anzubieten. Das neudeutsche Wort Case-Management soll eine sinnvolle Verzahnung von Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege sicherstellen. Wir haben uns hier daher dieser Aufgabe gestellt. Die Vereinbarung einer Gebührenposition für die Wahrnehmung von Koordninierungsaufgaben durch den Hausarzt ist aus unserer Sicht ein erster wichtiger Schritt in diese Richtungen. Solche Voraussetzungen ermöglichen einen gezielteren Einsatz der knapper werdenden Ressourcen. Noch [Seite der Druckausg.: 228] wichtiger aber ist: dadurch wird auch im Pflegefall der Familie tatsächlich ernsthaft geholfen. Die bewährten Leistungen der Krankenversicherung werden gemeinsam mit den neuen Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, aber auch mit den ergänzenden Leistungen aus anderen Systemen dafür Sorge tragen, daß dies besser und gezielter als bisher geschieht. Ich danke Ihnen für die Geduld, die Sie mit mir hatten. Braun Wie angekündigt würde ich jetzt unmittelbar Herrn Backhaus-Maul bitten weiterzufahren. Backhaus-Maul Ja, meine Damen und Herren, es sitzt vor Ihnen Holger Backhaus-Maul und ich will vielleicht eingangs einige Sätze zur Person sagen und dann gerne das, was Herr Kesselheim begonnen hat und auch in seiner Übersichtlichkeit, was beeindruckend war, das nochmal einer gewissen kritischen Würdigung unterziehen. Der eine oder die andere von Ihnen kennt mich, für die anderen noch kurze Hinweise. Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter einer sehr ehrwürdigen Universität, an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, dort im Fachbereich Erziehungwissenschaften und bin verantwortlich für das Lehrgebiet bei den Diplompädagogen Recht, Verwaltung und Organisation". Mein thematischer Schwerpunkt, zu dem ich arbeite, besteht darin, daß ich mir näher betrachte, was sind wohlfahrtsstaatliche Veränderungen, wie entwickeln sich Wohlfahrtsgesellschaften, wie wird dann das versucht, was Herr Kesselheim Ihnen eben ganz beeindruckend dargestellt hat, so etwa sozialrechtlich zu regeln und zu strukturieren, und daraus nährt sich dann eher die skeptische Variante, wie ist denn die konkrete organisatorische Umsetzung, das ist dann so der dritte Teil der Fragen, die mich umtreiben. Pflegeleistungen, Sie werden es kennen, bewegen sich immer in einem [Seite der Druckausg.: 229] typischen Spannungsfeld, auf der einen Seite zwischen Wirtschaftlichkeitsvorstellungen, man könnte auch sagen, Wirtschaftlichkeitsmaximen und auf der anderen Seite, ja, irgendwie vage gehaltenen Qualitätsstandards oder dem Versuch, irgendwie den Begriff der Qualität zu definieren. Das ist zugegebenermaßen keine besonders neue Fragestellung sondern eine eher klassische Überlegung, also im Grunde, diese Frage von Wirtschaftlichkeit und Qualität in Bezug auf soziale Dienste zu diskutieren. Sie werden sich selbst fast alle erinnern, derartige Fragen sind früher unter Stichworten wie Fachlichkeit versus Finanzierbarkeit diskutiert worden und der britische Kollege unter uns wird sich vieles vorstellen können unter cash and care. Die politisch Interessierten werden verärgert sein über Begriffe wie Anspruchsinflation und Kostenexpolsion; also Sie merken, diese beiden Begriffe erfreuen sich immer einer gewissen Popularität. Es geht im Kern also immer um die gleiche Frage, wie ist eine qualitativ gute Leistung möglich und inwiefern kann sie kostengünstig wirtschaftlich oder eben effizient produziert werden ? Im Laufe der Diskussion hat sich diese Akzentuierung aber immer leicht verschoben, auch waren die Protagonisten, die sich für diese Fragestellung engagiert haben, doch immer etwas andere Berufsgruppen. In der Qualitätsfrage haben sich Pädagogen, Sozialarbeiter und auch Sozialpolitikerinnen verdient gemacht, während die Frage der Wirtschaftlichkeit doch eher von Betriebswirten und auch Ökonomen diskutiert wird. Sie merken, welche Berufsgruppe eigentlich heute die Diskussionen bestimmt, und das ist der erste Punkt, den ich Ihnen als Neuigkeit mitteilen möchte: die Diskussion um soziale Leistungen ist nicht eine, die federführend von Pädagogen, Sozialarbeitern und Sozialpolitikern geführt wird, sondern eine, die in den Händen von Betriebswirten, Ökonomen liegt, das ist eine Neuerung, etwas Bemerkenswertes. Ich will zunächst versuchen, kurz zu definieren, was ist eigentlich Qualität, was kann Wirtschaftlichkeit sein. Das ist zugegebenermaßen holzschnittartig, aber es wird Ihnen eine kleine Vorstellung von der Fragestellung zumindest geben. Mit der wohlfahrtstaatlichen Expansion in den 70-er Jahren wurde die Qualitätsfrage im Bereich sozialer Dienste unter Begriffen von Fachlichkeit, Professionalität und hinreichenden Ressourcen - Stichwort mehr Geld für Soziales" - diskutiert. Man erhoffte sich [Seite der Druckausg.: 230] im Grunde ganz schlicht durch einen hinreichenden Input an Ressourcen hier gute sachliche oder gute soziale Leistungen zu erbringen. Also gebt uns viel an professionellem Personal, ebenso an öffentlichen Mitteln und laßt uns über gute Konzepte diskutieren; dann wird es schon qualitativ gute Leistungen geben, war das Versprechen und auch im Grunde die Vorstellung dieser 70-er Jahre. Zur Überraschung - wir können es heute leicht sagen - kam es trotz dieser markant verbesserten Ressourcenzufuhr, der Expansion des Sozialstaates nicht immer zu einer angemessenen Zufriedenheit der Klienten mit den bereitgestellten sozialen Leistungen. Die Expansion des Wohlfahrtstaates ging auch immer wieder einher mit Enttäuschungen, der Unzufriedenheit trotz der wachsenden Ausgaben für diesen Bereich. Vor diesem Hintergrund hat sich in den letzten Jahren verstärkt unter dem Begriff Qualität sozialer Leistungen" eine ganz neue Diskussion entwickelt, die nicht so sehr darauf abstellt, es gibt einen großen Input, man stellt Ressourcen zur Verfügung; laßt uns doch ganz konkret mal schauen, was sind das eigentlich für Leistungen, die uns angeboten werden, laßt uns doch mal messen, wie gut denn die Qualität ist. Zu fragen, also wir definieren mal einen Platz in einem Altenheim und gucken uns dann bei unterschiedlichen Trägern an, was für Ressourcen brauchen die dafür, und dann vergleichen wir wirklich mal bei gleichzeitiger Ressourcenzufuhr die Qualität: wo ist denn was gegebenenfalls besser. Also man schaut auf das fertige Produkt, den Platz in einem Altenheim oder das Legen eines Katheters und sagt, was ist gut, und wer ist dann besser zu gegebenen Preisen. Also Qualität wird neuerdings immer im Hinblick auf das fertiggestellte Produkt betrachtet. Die Diskussion um Wirtschaftlichkeit dreht sich immer um die Frage, mit einem möglichst minimalen Mitteleinsatz ein Maximum an Leistungen zu erzeugen. Das verweist aber auf ein immer wieder zentrales Problem, daß Sie nämlich schlichte betriebswirtschaftliche Überlegungen auf den Sozialbereich kaum anwenden können, denn der Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen - wie wir es nennen - ist nur ganz begrenzt rationalisierbar. Wo wollen Sie einsparen ? Es geht in unserer Diskussion ja eine Zahl in diesem Kreis umher, 70 % der Kosten im Sozialbereich sind Personalkosten, und Personalkosten sind nur begrenzt rationalisierbar, hier können Sie nur begrenzt etwas einsparen. Das ist das typische Dilemma sozialer Leistungen, das in Unternehmen im Erwerbsbereich viel einfacher zu handhaben ist, in denen Betriebswirte [Seite der Druckausg.: 231] erfolgreich rationalisieren können. Dieses Dilemma, was ich Ihnen jetzt kurz beschrieben habe, die zwei unterschiedlichen Setzungen Qualität versus Wirtschaftlichkeit" ist im Gesundheitssektor - und das ist ja der Fokus, auf dem unsere Diskussion liegt - sehr weit geführt worden, auch im Grund gut ausbuchstabiert worden; für den Bereich der Pflegeversicherung wird die Frage der Wirtschaftlichkeit versus Qualität eher neuerdings mit Inkrafttreten des Gesetzes diskutiert. Wenn wir einen ganz kurzen Blick auf den Gesundheitssektor werfen, dann können Sie hier in der Reichsversicherungsordnung im § 182, Absatz 2 - den ich Ihnen ganz kurz zitieren will - im Grunde den Optimismus der frühen Jahre finden, das Bedarfsprinzip. Jeder, der einen Bedarf hat, soll ihn auch bekommen; dort klingt es noch so wunderschön. die Krankenpflege muß ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten." Das heißt, jeder der möchte, bekommt auch, und das ist in diesem kleinen Paragraphen so etwas wie der sozialstaatliche Konsens der Bundesrepublik: das Bedarfsprinzip. Natürlich gibt es bei diesem Bedarfsprinzip Probleme: es gibt einen medizinisch-technischen Fortschritt, der in diesem Bereich kostentreibend ist, es gibt aus demographischen Gründen - das haben wir hinreichend gehört, nicht nur in Deutschland - eine sinkende Zahl der Beitragszahler und eine steigende Zahl der Leistungsempfänger. Der Gesundheitssektor, die Krankenversicherung war sich schon in den 70-er Jahren des Problems bewußt und propagierte den Begriff der einnahmeorientierten Ausgabenpolitik", das klingt wunderbar, diesen Begriff müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen, einnahmeorientierte Ausgabenpolitik" heißt schlicht übersetzt, wir können nur soviel ausgeben, wie wir einnehmen, d.h. also es gibt einen gewissen Zwang, zu einer gewissen Sparsamkeit und das wird auch bewußt wahrgenommen. Der große Durchbruch mit dem Begriff der Beitragsstabilität im Gesundheitsstrukturgesetz von 1988, wo dann gesagt wird, ja gut, wir brauchen zwar keine absolute Beitragsstabilität wie im Pflegeversicherungsgesetz, aber zumindest eine relative wollen wir doch haben. Wir schließen Leistungsarten aus, die es nicht mehr geben soll, und wir sagen auch ganz klar, der Leistungsumfang im Gesundheitsbereich wird begrenzt. Das heißt, damit haben Sie im Gesundheitssektor schon so einen typischen Widerspruch: einerseits gilt [Seite der Druckausg.: 232] natürlich die alte Regelung der Reichsversicherungsordnung noch, wer einen Bedarf hat, soll ihn auch befriedigt bekommen; aber andererseits die prozeßweise Einführung von Begrenzungen, von setting limits", wo man sagt, also die Kosten und die Ausgaben dafür sollen doch begrenzt werden. Gut, das der kurze Hinweis zum Gesamtzusammenhang im Gesundheitssektor. Ich will Ihnen jetzt in aller Kürze, die ich machen kann, weil Herr Kesselheim Ihnen ja den Leistungsbereich in der Pflegeversicherung beschrieben hat, kurz einmal sagen, wie wird denn um Wirtschaftlichkeit und Qualität in der Pflegeversicherung gestritten. Und da ist ein kleiner Dissens zu Herrn Kesselheim: Herr Kesselheim beschreibt da noch eher so die Eintracht, Qualität sei gut und Wirtschaftlichkeit auch hinreichend; ich würde sagen, na ja, und seien wir etwas skeptischer und schaun mer mal. Wenn Sie sich die Diskussion über die soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit anschauen, dann können Sie im Grunde die beiden Begriffe in diesem Gesetzgebungsprozeß schön wieder finden, denn die Diskussion über die Pflegeversicherung ist durchaus in die Jahre gekommen, sie ist zwanzig Jahre alt geworden. Das ist für einen Gesetzgebungsprozeßt nicht ungewöhnlich., vom Kinder- und Jugendhilfegesetz kennen wir das auch. Aber es ist schon beachtlich. Sie können diesen Gesetzgebungsprozeß in 4 Phasen unterteilen, wobei die erste Phase entscheidend ist; und dann die zweite, die dritte, die vierte zusammen zu sehen sind. Die erste Phase läßt sich datieren auf das Gutachten des Kuratoriums Deutsche Altershilfe von 1974, wo versucht wurde, deutlich zu machen, ist es denn sozialrechtlich überhaupt handhabbar - auch im internationalen Vergleich - daß wir Deutsche sozialrechtlich unterscheiden zwischen Krankheit - und die relativ gut absichern - und Pflegebedürftigkeit und das auf Sozialhilfenniveau absichern. Also eine eminent sozialpolitische Frage, vom KDA forciert, prägt die Anfangsdiskssion über die soziale Absicherung des Pflegerisikos. Der Zusatz, der vom KDA dann noch gebracht wurde, war die diskriminierende Wirkung, Pflegebedürftigkeit auf Sozialhilfenniveau abzusichern, nach dem Motto, ein Leben lang erwerbstätig gewesen, und dann Sozialhilfeempfänger, das sei unwürdig. Also eine sozialpolitische Diskussion, eine fachpolitische Diskussion steht am Anfang. [Seite der Druckausg.: 233] Und dann kommt - in einem klassischen, im Grund politikwissenschaftlichen Durchgang könnte man das zeigen - eine Diskussion dieses Themas auf der kommunalen Ebene, auf der Landesebene und abschließend auf der Bundesebene. Hier wird aber Pflegebedürftigkeit ganz anders diskutiert: die Kommunen diskutieren das unter dem Stichwort, wir haben da eine sehr starke Belastung unserer Ausgaben durch Leistungen für Pflegebedürftigkeit, das ist in gewisser Weise systemfremd, das macht uns handlungsunfähig im sozialpolitischen Bereich, das wollen wir nicht; also eine sehr stark finanzpolitisch gewendete Fragestellung. Die Länder nehmen dieses Thema auf, weil sie natürlich in einer Mischfinanzierung dafür auch gerade stehen müssen, daß diese Leistungen erbracht werden. Die Länder nehmen dieses finanzpolitische Argument ernst und bringen 1986 erste Gesetzentwürfe in den Bundesrat ein zur Regelung der sozialen Absicherung des Pflegefallrisikos. Einen gewissen Handlungsbedarf durch diese Vorlagen im Bundesrat sieht der Bund dann in der Legislaturperiode; aber unter zwei wichtigen Maximen, und das ist folgenreich für die Entwicklung des deutschen Wohlfahrtstaates. Eine soziale Absicherung des Pflegefallrisikos wird nun in Deutschland denkbar unter zwei Gesichtspunkten: es muß kostenneutral sein, keine weiteren Ausgaben für den Sozialbereich, das wollen und können wir nicht (Standortfrage: wir können uns da nichts mehr leisten), ist die eine Setzung. Wenn es zukünftig für Deutschland, soziale Sicherung in irgendeiner neuen Art und Weise geben soll, dann kann das nur machbar sein durch Einsparungen in anderen Bereichen, das war eine wichtige Prämisse des Gesetzgebrs. Die zweite Setzung lautete dann, wenn wir eine soziale Sicherung wollen, dann aber auch nur im traditionellen Institutionensystem, also keine neue, vielleicht steuerfinanzierte Lösung, sondern irgendwo - möglichst im Bereich eines bestehenden Sicherungssystems angekoppelt: da bot sich natürlich die gesetzliche Krankenversicherung mit einer Angliederung einer Pflegekasse wunderbar an. So etwas war im Grunde für Bund, Länder und Gemeinden relativ gut möglich, es gab eine finanzielle Entlastung für die Kommunen, eine kostenneutrale Regelung für den Bund, alle waren zufrieden; die Diskussion zwischen Kommunen, Land und Bund ist aber eine, die nur noch finanzpolitisch durchgeführt wurde, und damit können Sie in diesem Durchgang zwei Dinge sehen: auf der einen Seite die Qualitätsfrage, [Seite der Druckausg.: 234] was ist eigentlich inhaltlich das Problem der Absicherung von Pflegebedürftigkeit, war am Anfang ein Thema, ist dann aber in der Diskussion eigentlich vollkommmen untergegangen und war ein randständiges Thema. Die Entscheidung, ein Gesetz zu machen, war letztendlich ausschließlich finanzpolitisch motiviert und Fragen über Entlastung pflegender Angehöriger und den Sinn und Zweck der einen oder anderen Betreuungsform waren eigentlich nicht mehr ausschlaggebend für den Gesetzgebungsprozeß. Wenn man sich - und das kann ich jetzt in der gebotenen Kürze machen - die Angebotsseite und die Nachfrageseite im Bereich der Pflegeversicherung anguckt, also fragt, was für Dienste und Einrichtungen werden eigentlich angeboten für Bürgerinnen und Bürger und was fragen sie eigentlich nach, dann kann man das ganz schlicht machen. Also ich möchte jetzt zunächst einmal ganz stichwortartig verdeutlichen, was verbessert sich eigentlich durch die Pflegeversicherung, was sind wichtige Innovationen, interessante Argumente und Aspekte einerseits auf der Angebotsseite. Wie verändert sich das Angebot an Diensten und Einrichtungen unter wirtschaftlichen und zweitens unter Qualitätsgesichtspunkten, was wird wirtschaftlicher in irgendeiner Form und was wird qualitativ besser. Im zweiten Teil möchte ich die Nachfrageseite betrachten, das was Bürgerinnen und Bürger nachfragen unter dem Stichwort vielleicht qualitativer Verbesserungen aber auch wirtschaftlicher Verbesserungen. Guckt man sich zunächst auf der Angebotseite an, was an konkreten Leistungen zur Verfügung steht, daß durch die Beitragsstabilität eine wirtschaftlichere Leistungserbringung möglich ist, denn eine übliche automatische Kostensteigerung kennt die Pflegeversicherung nicht. Also das, was sie aus dem Gesundheitsbereich unter dem populistischen Stichwort Kostenexplosion" kennen, das ist im Grunde qua Gesetz ausgeschlossen durch eine Festschreibung des Beitrages, der ja nur durch parlamentarische Mehrheit auf Bundesebene geändert werden kann. Eine ganz harte Regelung: dadurch führt man zumindest Wirtschaftlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung einer Kostenexplosion ein. Dann kennt das Gesetz auf der Angebotsseite die Organisation eines Wettbewerbs zwischen unterschiedlichen Trägern, Wohlfahrtsverbände, privat-gewerbliche, die miteinander konkurrieren. Auch dadurch erhofft man sich, daß Standardleistungen, insbesondere im [Seite der Druckausg.: 235] Bereich der Hauswirtschaftspflege aber auch im ambulanten Bereich deutlich günstiger werden. Es wird etwas eingeführt wie prospektive Pflegesätze, es gibt also kein Kostendeckungsprinzip; nicht Selbstkosten, die entstehen, werden nachträglich gedeckt, sondern es gibt klare Leistungsvereinbarungen. Sie haben das eben wunderbar beschrieben, Herr Kesselheim, wie eine klare Vereinbarung: vertraglich geregelt erbringen wir folgende Leistungen, das kostet nach unseren Vereinbarungen soviel. Punktum. Auch erhofft man sich einen Wirtschaftlichkeitsgewinn Und ein noch interessanter Punkt ist auch, daß man versucht, eher traditionelle Organisationen im Grunde zu modernisieren; das Gesetz ist ja auch angetreten, Wohlfahrtsverbänden, die doch in manchen Teilen einen gewissen betriebswirtschaftlichen Modernisierungsbedarf haben - was die Verbände auch zu späterer Stunde immer eingestehen - solche Dinge wie eine Buchführung per Verordnung nahezulegen: kommt doch vielleicht weg von einem kameralistischen Prinzip, macht doch doppelte Buchführung, macht doch ein professionelles Management", also hier wird ein Rationalisierungsdruck erzeugt. Am Rande vielleicht, es ist natürlich auch etwas ironisch, wenn man sieht, wie Beamte dann einem freien Träger versuchen beizubringen, mach doch mal Marktwirtschaft ! Das führt zu sehr perversen Effekten, oder zu interessanten Effekten: Wenn Sie sich diese Buchführungsverordnung angucken, dann liest sich sich in der Tat nicht sehr marktwirtschaftlich, sondern sie ist dann doch sehr bürokratisch organisiert, das ist amüsant am Rande. Guckt man sich die Angebotsseite unter Qualitätskriterien an - das hat Herr Kesselheim sehr ausführlich gemacht - und sagt welche Verbesserungen gibt es, und diese Verbesserungen - das hatte ich Ihnen ja auch im letzten Jahr gesagt - sind gar nicht hoch genug zu veranschlagen: erst einmal werden überhaupt mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt für den Pflegebereich, eine deutliche Qualitätsverbesserung. Meine Kollegen Rothgang und Fachinger schätzen, daß ca das 2,5-fache für den Pflegebereich zur Verfügung gestellt wird an Mitteln. Dann ist ein wichtiger Punkt so etwas wie aktivierende Pflege, das ist genannt worden. Der Vorrang von Rehabilitationsmaßnahmen, da bin ich dann ein wenig nörgelig, wenn ich sage, na gut, es ist im Gesetz so festgeschrieben, aber [Seite der Druckausg.: 236] wie wird es dann sichergestellt ? Und da ist auch eine offene Frage, daß der begutachtende medizinische Dienst der Krankenkassen dann den Krankenkassen nahe legt, bringt doch Rehabilitationsleistungen. Ich würde da mehr Reibungspunkte vermuten als Herr Kesselheim angedeutet hat. Das ist jetzt eine offene Nachfrage: wie macht man das, wie legt der medizinische Dienst den Krankenkassen, also sich selbst irgendwie auch nahe, hier sind Rehabilitationsleistungen durchzuführen ? Eine weitere Qualitätsverbesserung sicherlich durch das, was in dem § 80 geregelt ist, Qualitätssicherung und Kontrolle durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen. Hier klang das wie Balsam, was Herr Kesselheim andeutet, hier muß man im Grunde interdisziplinär zusammenarbeiten, hier sollte man nicht eine Berufsgruppe gegen die andere ausspielen. Es gibt da Irritationen, wenn man sieht, daß natürlich der Personalkreis in weiten Bereichen - das mag bei der AOK anders sein - sich doch nach wie vor auf das klassische medizinische Personal beschränkt, Sozialarbeiter und auch Psychologen in diesem Dienst doch sehr gering vertreten sind. Natürlich, wenn man das so macht, hat man auch keine Konflikte. Aber das wäre im Grunde ja gerontologisch erstrebenswert und gerade wichtig, um eine häusliche Situation auch richtig einschätzen zu können. Es geht nicht nur um vielleicht eingeschränkte somatische Funktionen, sondern es geht ja auch um das familiäre Umfeld, deren Unterstützungsfunktion, die, denke ich, kann ein Mediziner nicht fachkompetent beurteilen, auch wenn er gute Erfahrungen hat. Ein letzter deutlicher Punkt zur Qualitätssicheurng ist sicherlich - das hatten Sie auch angedeutet - daß es eine Wahlentscheidung zwischen Pflegesachleistungen und Geldleistungen gibt. Der kleine kritische nörgelnde Hinweis ist hier natürlich, sind die Klienten auch hinreichend in der Lage, hier sachgerechte Erwägungen zu treffen, greifen vielleicht kurzfristig Kalküle, die dann zugunsten des Geldes sprechen, eher als wirklich angemessene fachliche Standards; hier würde ich mich aber auch nicht über die Klienten beschweren, die nicht richtig entscheiden können, sondern das ist eine Aufgabe, wo ich sage, hier ist es eine Beratungsaufgabe, gerade auch des medizinischen Dienstes, in einer erweitertem Sichtweise hier Beratungsleistungen auch für pflegende Angehörige und für Pflegebedürftige selbst zu erbringen. [Seite der Druckausg.: 237] Betrachtet man jetzt nicht die Angebotsseite sondern die Nachfrageseite - was fragen die Klienten auch - so kann man hier auch deutlich sehen, es gibt deutliche qualitative Verbesserungen: die pflegenden Angehörigen erhalten - und das wäre ein wichtiger Punkt für mich - deutliche Unterstützung sowohl durch ihre sozialrechtliche Absicherung, pflegende Angehörige sind eben in weiten Teilen jetzt sozialrechtlich abgesichert; sie können beraten werden, durch Pflegekurse sich selbst kompetent zu machen, also zu guten Laienhelfern in diesem Bereich sich entwickeln. Schließlich die Entlastung durch andere Formen der Kurzzeitpflege. Das sind Dinge, die alle genannt worden sind; hier gibt es deutliche qualitative Verbesserung auf der Seite der Nachfrager. Sie haben in der Tat auch eine für das deutsche System der gesetzlichen Sicherung sehr zu begrüßende Neuerung: Sie haben so etwas wie - ich will nicht sagen Kundensouveränität - aber sie haben erstmals Auswahlmöglichkeiten, erstmalig finden Verhandlungen nicht zwischen Kostenträgern statt, in dem im Grunde schlichten Verhältnis Krankenkasse erbringt und finanziert, sondern hier sind sie in der Tat einbezogen, und können auch sagen, diese Leistung will ich oder diese Leistung will ich nicht. Das ist im Sinne einer Demokratisierung des Sozialbereichs in jeder Hinsicht nur zu begrüßen. Wirtschaftlichkeitskriterien werden natürlich auch stärker berücksichtigt; es gibt eine Steuerung, eine Anregung für die Nachfrageseite, doch wirtschaftlich zu handeln; es gibt eine Kostentransparenz, die es den Nachfragern ermöglicht, dann zu sagen, na gut, da krieg ich das preiswerter, da nicht, hier also im Grunde eine schlichte Kostenüberlegung anzustellen. Wirtschaftlicher wird es sicher auch dadurch, daß man versucht, eine stärkere Mischfinanzierung einzuführen; das heißt also eine Eigenbeteiligung der Klienten im Bereich der Hotelkosten und auch im Bereich der Investitionskosten. Das ist ja per se nicht abzulehnen, insofern jemand dazu in der Lage ist, so etwas zu finanzieren, hinreichend Einkommen oder Vermögen hat, ist das sicherlich sehr vernünftig, diese Dinge in die deutsche Tradition miteinzubeziehen. Soweit dieses kurze Stichwort, ich würde es dabei belassen, es ist in keiner Hinsicht vollständig, aber darum geht es auch nicht. Betrachtet man das Pflegeversicherungsgesetz jetzt in einem Vergleich [Seite der Druckausg.: 238] und etwas überblicksartig unter diesen beiden Kriterien Wirtschaftlichkeit und Qualität, so kann man im Grunde folgendes resümierend feststellen: Es ist ein sehr stark regelndes Gesetz - zum Teil eben aus guten Gründen - manche sagen, es ist überregelt. Aber das ist eben das Ergebnis eines 20 Jahre dauernden Diskussionsprozesses mit sehr vielen Interessen, die zu regeln sind. Also Überregelung" würde ich jetzt nicht sagen, es ist jedenfalls ein stark geregeltes Gesetz. Eine Einschätzung, die meines Erachtens gerade für die gesetzliche Umsetzung wirtschaftlicher Maximen gilt; wirtschaftliche Maximen sind sehr stark geregelt im Pflegeversicherungsgesetz, hingegen sind aber die Formulierungen zu den Qualitätsstandards - wie soll denn Qualität in der Pflege aussehen - ausgesprochen offengelassen. Und das bietet natürlich zwei Interpretationen Raum, einerseits will der Gesetzgeber eine Offenheit lassen für die Pflegekassen, für die Träger von Einrichtungen diese Qualitätsstandards selbst zu definieren, das ist sicherlich zu begrüßen; andererseits könnte es auch bedeuten, man definiert es nicht, weil es schwierig ist und weil man auf diesem relativ niedrigen Niveau der bereitgestellten Leistungen nicht die Qualität erreichen kann, die wünschenswert wäre. Daß solche Diskussionen um Wirtschaftlichkeitsstandards in der Pflegeversicherung eine große Bedeutung haben, auch gerade für den Gesetzgeber, diese Einschätzung wird genährt durch die in dieser Woche vorgelegten Novellierungsabsichten des zuständigen Bundesministeriums; das Bundesministerium überlegt jetzt das Gesetz in einigen wenigen Bereichen, nachdem es jetzt angelaufen ist, wesentlich zu novellieren, und diese Novellierungsüberlegungen beziehen sich alle nicht auf Qualitätsfragen sondern auf eine stärkere wirtschaftliche Regelung des Pflegeversicherungsgesetzes. Ich will Ihnen einige Punkte nennen, die für diese Novellierung in der Diskussion sind seit einigen Tagen. Einerseits gibt es ja bei einem erhöhten Bedarf in der Pflegestufe III die Möglichkeit, daß der medizinische Dienst bis zu 3 % der Klienten höher einstuft und sagt, ihr bekommt über die in der Pflegestufe 3 geregelten Sätze Leistungen, das will das zuständige Bundesministerium abschaffen. Dieses 3 %-Zugeständnis soll es anscheinend nicht mehr geben, sondern eine Rückverlagerung dieser kleinen sehr teuren Gruppe in das Bundessozialhilfegesetz. Ein zweiter Punkt, der in der Diskussion ist: die Hausbesuche des medizinischen Dienstes sollen - so konnte man dort lesen - etwas gekürzt [Seite der Druckausg.: 239] werden in ihren Stundensätzen; das heißt hier gibt es anscheinend Überlegungen, daß diese Besuche, das erste Beratungsgespräch, aber auch dann bei den Personen, die Pflegegeld in Anspruch nehmen, und wo man also da regelmäßiger gucken soll als medizinischer Dienst, daß hier die Stundensätze deutlich gekürzt werden. Das könnte bedeuten, wenn man das etwas negativ interpretieren will, daß der medizinische Dienst dann wirklich nur noch kommen kann mit einem Fragebogen, ankreuzen kann, können Sie dieses, können Sie jenes, ja oder nein, könnte so sein. Und der dritte interessante Punkt, der ebenfalls Wirtschaftlichkeit verstärkt einführen will ist die Überlegung, kollektive Pflegesatzverhandlungen oder Pflegekostenverhandlungen auf kommunaler oder Landesebene, wo dann darüber diskutiert wird, welche Leistungen sollen für welchen Preis erbracht werden, in Zukunft nicht mehr zuzulassen. Stattdessen soll es jeweils Einzelfallverhandlungen geben zwischen einer Einrichtung und einem Kostenträger, eine Pflegekasse soll also direkt verhandeln mit einem einzelnen Einrichtungsträger. Das heißt, sie haben dann nicht mehr alle an einem Tisch sitzen und es gibt dann auch gewisse Absprachemöglichkeiten nicht mehr, sondern es ist nicht mehr transparent für größere Einrichtungsträger, was nimmt eigentlich diese Einrichtung, was jene. Damit ist es für Pflegekassen eventuell auch möglich, sich hier so etwas wie Preissenkungen - Kollegen sagten es sei Preisdumping - dann in der Tat zu betreiben, wenn man Einzelverhandlungen führt. (Ich sehe das jetzt ein bißchen an der Unruhe, das sind Novellierungsüberlegungen, die nicht öffentlich sind, die vielleicht auch nicht zum Tragen kommen, aber Sie sehen daran, egal was dabei herauskommt, die Überlegung, in welche Richtung es geht, und da sind Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sehr stark.) Lassen Sie micht jetzt noch eine kurze Abschlußsequenz bringen; ich will abschließend noch einmal versuchen, das was wir Ihnen am Beispiel des Pflegeversicherungsgesetzes deutlich gemacht haben, vielleicht in einem generellen Kontext noch einmal zu verorten. Was heißt es eigentlich für so etwas wie Solidarität, für Wohlfahrtsstaat, für das, was sich in der Bundesrepublik eigentlich auch geändert hat ? Sie alle kennen es und werden es auch erlebt haben, ich habe es besonders deutlich erlebt, weil ich in den neuen Bundesländern bin: es gibt eine Veränderung in der [Seite der Druckausg.: 240] Selbstwahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland; es gibt eine Verschiebung in den Themenkonjunkturen. Wenn sie heute über Sozialpolitik diskutieren, ist immer eine Verknüpfung mit der sogenannten Standortfrage, eine Dominanz wirtschaftlicher Überlegung dabei. Der Hintergrund ist in der Tat der, daß die Bundesrepublik ein wenig aus ihrem Dornröschenschlaf aufgewacht ist und - beschleunigt durch den Prozeß der deutschen Vereinigung - jetzt auf einmal auch entdeckt, wir müssen uns auch irgendwie auf einem Weltmarkt bewegen. Und sie neigt zu gewissen panischen Überreaktionen, vielleicht auch manchmals etwas bewußt politisch gemeint; aber im Grund beginnt jede Debatte was ist eigentlich ein Gerechtigkeitskriterium, was ist sozialstaatlich gerecht, oder was könnte Solidarität sein oder was könnte fachpolitisch richtig sein ?" Diese Diskussion wird mit der Standortdebatte sehr schnell auch abgebrochen. Und der wundervolle und heilsame Konflikt, beide Dinge zu diskutieren, was ist Qualität, was ist Wirtschaftlichkeit, kommt da kaum noch zum Zuge. Und bezogen auf das Pflegeversicherungsgesetz können Sie auch eine deutliche Verschiebung erkennen, wer sind eigentlich die wichtigen Akteure, wer diskutiert über die soziale Absicherung des Pflegefallrisikos ? Und da haben Sie auf der einen Seite eine sehr starke Akteursgruppe, die im Grunde jetzt die Umsetzung der Pflegeversicherung macht, das sind die Pflegekassen und ihr medizinischer Dienst. Die definieren, was ist eigentlich abzusichern, was ist Pflegebedürftigkeit, welche Leistungen sollen gewährt werden. Die Pflegekassen sind der wichtigste Akteur in der Umsetzung der Pflegeversicherung geworden. Und andere Akteure, politische Akteure - wenn Sie an die Kommunalpolitik und Sozialverwaltung denken, die früher auch so etwas wie Altenhilfeplanung gemacht haben - und Diskussionen darüber, was ist wünschenswert und sinnvoll, sind durchaus in eine Randstellung gerückt. Die Pflegekassen kommen damit in eine Position, Sozialpolitik machen zu wollen - da ist eben die Frage, ob sie es überhaupt machen müssen - ob sie dafür hinreichend gerüstet sind, ob überhaupt Kassen der richtige Ort sind, um für die Sozialpolitik wichtige Definitionen vorzunehmen, ob das im Grunde ihre richtige Aufgabe ist. Und bei den Leistungsträgern - das ist vielleicht die dritte Gruppe, die man ausmachen kann, wenn es darum geht, was soll eine richtige soziale Absicherung sein - spielen natürlich [Seite der Druckausg.: 241] formal organisierte soziale Dienste eine Rolle, und der einzelne Pflegebedürftige. Sie haben Wohlfahrtsverbände, sie haben privat-gewerbliche Träger und den einzelnen Pflegebedürftigen in seinem Haushalt. Und das verweist zumindest auf eine wichtige Lücke, die auch das Pflegeversicherungsgesetz läßt: das Pflegeversicherungsgesetz betrachtet eigentlich nicht den Pflegebedürftigen in seinem Umfeld auch in seinen sozialen Netzen, Nachbarschaft, Freundeskreise, Bekanntenkreise, Verwandtenkreise, sondern sie sieht ihn im Grunde als individuell Pflegebedürftigen, der ein individuelles Problem hat. Und da würde ich in der Tag sagen, ist eine Lücke des Pflegeversicherungsgesetzes, nicht dazu beizutragen, daß soziale Netze außerhalb formal organisierter Dienste auch durch dieses Gesetz wirlich unterstützt werden. Obwohl das Gesetz ein paar Ansätze dazu bietet, bleibt da eine Lücke. Und auf der anderen Seite scheint mir die Abwertung politischer Akteure, die Aufwertung der Pflegekassen ein wichtiger Punkt zu sein. Die von mir beschriebene Engführung sozialpolitischer Debatten auf finanzpolitische Überlegungen ist im Grunde ein generelles Kennzeichen der jetzigen wohlfahrtsstaatlichen Diskussion. Sozialrechtliche Maßnahmen erfolgen also nicht mehr in fach- oder sozialpolitischer Hinsicht, oder im Sinne eines gestalterischen Reformprojektes- um einen sehr antiquierten Begriff zu nehmen - sondern sie sind im Grund finanzpolitisch motivierte Maßnahmen zur Kostenbegrenzung. Das ist sehr deutlich tragend, und ich muß Ihnen da ehrlich sagen, es ist für mich auch überraschend, daß die fachpolitischen Debatten eigentlich so in die Defensive geraten sind. Warum führt man sie nicht ? Das kann man nicht dem Gesetzgeber anlasten, das Gesetz bietet viele Möglichkeiten, Sie kennen das aus meinem Beitrag vom letzten Jahr. Herr Kesselheim hat es noch einmal deutlich gemacht: es gibt viele Möglichkeiten, aber sie werden auch zum Teil nicht genutzt.Und der letzte Satz: Es kommt zu so etwas wie einer Rücknahme sozialstaatlicher Leistungsverpflichtung; der deutsche Sozialstaat trat mit dem Versprechen an: Wir sichern euch ab", und das wird deutlich zurückgenommen. Von einem Ausbau des Sozialsstaates ist im Grunde gar nicht mehr die Rede, sondern vielleicht von so etwas wie einem kostenneutralen Umbau zu einem sozialen Sicherungsstaat aber auf einem Grundniveau. Das [Seite der Druckausg.: 242] heißt, das Pflegeversicherungsgesetz sagt ja auch deutlich: bis zu diesem Niveau, was darüber geht an Bedarfen, die Du hast, mußt Du anders absichern, notfalls über das Bundessozialhilfegesetz. Aber erstmalig wird gesagt, Bedarf wird auf einem bestimmten Nivau festgeschrieben, mehr darüber gibt es nicht. Also die Abkehr vom Bedarfsprinzip und der Übergang zu einem Budgetprinzip, Leistungen werden bis zu einer gewissen Höhe gewährt. Das ist perspektivisch auf den uns hier interessierenden Bereich der Altenhilfe projeziert im Grund die Abkehr auch von einer Lebensstandardsicherung im Alter. Christa Lörcher MdB Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, liebe Referenten, lieber Alfred Braun, ich will versuchen, es ein bißchen kürzer zu machen, wenn es geht. Zu meiner Person vielleicht nur soviel, ich habe zwei Berufe, der eine ist Mathematik- und Physiklehrerin und der andere ist Altenpflegerin, und bevor ich in den Bundestag kam, habe ich an einer Berufsschule unterrichtet und zwar sowohl Alten- und Krankenpflege wie auch Mathematik. Ist eine etwas witzige Kombination, aber sie ist sehr hilfreich, gerade auch in dem Bereich, wo ich jetzt tätig bin. Meine politische Arbeit ist einmal im Kreistag: da bin ich sowohl für Altenpolitik wie eben auch im gesamten sozialen Bereich tätig; im Bundestag bin ich jetzt seit gut 2 Jahren, ich bin 1 Jahr vor der Bundestagswahl nachgerückt, war zuerst im Ausschuß Bildung und Wissenschaft und bin jetzt seit der Wahl im Ausschuß Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein Ausschuß, der eigentlich fast die gesamte Bevölkerung mit Ausnahme der alleinstehenden Männer zwischen 18 und 60 umfaßt, trotzdem hat dieser Ausschuß keinen sehr großen Stellenwert, sag ich mal ganz hart so, weil wir nicht sehr viel Finanzen zu verwalten haben und einfach andere Themen offensichtlich sehr viel wichtiger sind; was ich ziemlich bedauerlich finde, weil Gesellschaftspolitik eng zusammenhängt mit allem anderen. Ich klage da aber gar nicht drüber, sondern ich denke, es wichtig, was wir daraus machen. Zur Pflege möchte ich eigentlich zwei Teile machen: einmal zur Pflegeversicherung nur ein paar Bemerkungen und dann zum Thema der Tagung Alter und Gesundheit" auch noch einige Bemerkungen. [Seite der Druckausg.: 243] Zur Pflegeversicherung; es ist bekannt, daß wir in der SPD eine andere Pflegeversicherung wollten - sowohl von der Finanzierung, wie auch von den Leistungen her - und wenn ich mir das so vorstelle, als in der Pflege tätig Gewesene, dann habe ich wirklich ganz naiv gedacht, diese Pflegeversicherung würde alles, was an Pflege da ist, eben sowohl im häuslichen Bereich wie auch in den stationären Einrichtungen, würde eben das mithelfen zu finanzieren. Und in diesen 20 Jahren Diskussion hat es meiner Meinung nach sehr viele Verschlechterungen und auch Bürokratisierungen dieser Idee gegeben und was jetzt rausgekommen ist, ist für mich in vielen Punkten ziemlich unwürdig. Trotzdem habe ich zugestimmt, weil ich eingesehen habe, nach 20 Jahren Diskussionen kann man zu so einem Gesetz nicht einfach ja/nein sagen; ich habe gedacht, gut, erstmal verabschieden, die Erfahrungen damit abwarten und dann wirklich auch Verbesserungen einbringen. Was sind für mich die ganz kritischen Punkte ? Schon die Einstufung in Pflegestufe I, II, III ist für mich eigentlich unwürdig und dann, daß sehr viele überhaupt nicht in Pflegestufe I kommen, sondern in der sogenannten Pflegestufe 0 sind. Und das sind eben sehr, sehr viele Menschen, die inzwischen zu uns kommen und sagen, wie kann denn das sein, im Gesetz ist festgelegt, daß wir also eine Besitzstandswahrung haben sollen und die wird jetzt überhaupt nicht gemacht. Die Sozialämter haben sich geweigert, wir haben vom Bundestag aus im Juni ihnen nochmal mit einer Initiative gesagt, sie haben das zu tun, sie haben es immer noch nicht gemacht und jetzt ist wieder eine Initiative von allen Parteien im Bundestag, daß zumindest das Gebot der Gleichwertigkeit und der gleichguten Behandlung in finanzieller, in pflegerischer Hinsicht gewährleistet sein muß. Also zumindest diese Verbesserung ist jetzt die erste, die in Angriff genommen wird, weil wir wirklich sehen, es hat sehr viel Ungerechtigkeiten gegeben. Das Zweite; es ist viel über das sogenannte Wirtschaftlichkeitsgebot gesprochen worden, was ich wirklich sehr schlimm finde, weil ich eben aus der Pflege komme. Ich denke, wenn man diesen Paragraphen 29 mal anguckt die Leistungen müssen wirksam und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen", dann finde ich das ziemlich hart. Wenn man sich überlegt, wer bestimmt was das Notwen- [Seite der Druckausg.: 244] dige ist ? Hier sitzt ein Vertreter der Kasse und ihm will ich das gar nicht anlasten. Er muß natürlich gucken, wie er sein Geld ordentlich verwaltet und gerecht verteilt. Aber ich finde, das ist im Gesetz eigentlich schon so angelegt, daß es überhaupt nicht zu einer menschlichen Pflege wirklich beiträgt, sondern es wird eine bürokratische Pflege, die jetzt auch noch nach Minuten abrechnet wird: so und soviel Minuten für das Waschen oder für das Essengeben oder für andere Leistungen, das finde ich nicht gut. Deswegen auch hier Handlungsbedarf, um das zu verbessern, aber ich habe die Befürchtung und das sage ich einfach so offen, die Leute, die solche Gesetze machen sind eben eher Juristen und sicher nicht Leute, die praktische Arbeit in der Pflege kennen und beurteilen können. Dritter kritischer Punkt - und es waren nur ein paar kleine Ansätze, die ich da einfach sehe - das ist die Situation der Pflegekräfte. Wer soll eigentlich die Pflegeleistung zuhause und in den Heimen machen ? Ist überhaupt nicht bedacht worden in diesen 20 Jahren Diskussion. Wir haben eine Heimmindestpersonalverordnung nach der also 50 % der Pflegekräfte ausgebildete Kräfte sein sollen. Sie ist in vielen Heimen noch nicht erfüllt, es gibt auch noch eine Übergangszeit; ich habe mal bei uns in den Heimen eine Umfrage gemacht, da war es zwischen 20 und 60 % wirklich ausgebildete Kräfte. Die Bundesanstalt für Arbeit spricht von 300.000 qualifizierten Pflegekräften, die wir brauchen; sie haben nicht gesagt in welcher Zeit, aber ich nehme an wirklich in den nächsten Jahren. Dafür ist überhaupt keine Vorsorge getroffen worden. Und das ist so eines meiner Ziele in meinem Ausschuß - mit den Leuten im Gesundheits- im Bildungsausschuß zusammen, daß wir eine bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung auf den Weg bringen. Die erste Lesung zu diesem Gesetz hat es gegeben, jetzt geht es darum, wie Bund und Länder wirklich zusammenfinden;iich hoffe, daß wir das vielleicht im nächsten Jahr schaffen. Das so als ganz konkrete Maßnahme, um die ich mich kümmere. Positive Sachen gibt es natürlich auch, das ist ganz, ganz klar. Also die Absicherung von denen, die pflegen, oder auch die Kurse, das möchte ich alles wiederholen, es gibt sicher gute Dinge, aber ich finde die kritischen, die muß man deswegen erwähnen, weil man da dran weiterarbei- [Seite der Druckausg.: 245] ten muß. Das einfach als ein paar kurze Bemerkungen zum Thema Pflegeversicherung. Zum Thema Alter und Gesundheit insgesamt möchte ich wenigstens zwei Gedanken nennen, die ich für am wichtigsten halte, Sie sind auch schon angesprochen worden. Das eine ist, daß ich denke, Prävention muß einen ganz, ganz anderen Stellenwert haben bei uns, um eben Pflegebedürftigkeit im Alter entweder zu vermeiden oder eben geringer werden zu lassen. Das möchte ich einfach mal erzählen: ich war vor kurzem in Skandinavien und habe dann in Dänemark gehört, daß dort sehr intensiv diskutiert wird im Gesundheitsministerium, ob z.B. für alle 60-jährigen einfach das Angebot einer ganz gründlichen Untersuchung mit Gesundheitsberatung nicht möglich wäre, und ob das nicht sehr viele Kosten, die später eintreten, tatsächlich vermeiden könnte. Ich denke das ist eine faszinierende Idee, warum nicht einfach eine Gesundheitsberatung in regelmäßigen Abständen, die Kassen werden natürlich sofort sagen, ja, das kostet zwar viel, aber meine Theorie wäre, es spart auch viel. Das ist immer das Schwierige bei Präventionen, nachzuweisen, wieviel kann ich eigentlich damit sparen ? Ja, das ist der eine Gedanke. Also unser Gesundheitssystem, ich habe es selber neulich mal ausprobiert, weil ich vom Fahrrad stürzte, da habe ich nicht einmal die Mindeststandards in Anspruch" nehmen können. In einer Unfallchirurgie. Ich versteh ein bißchen was von Pflege, es war keine Wundbehandlung, es wurde keine ordentliche Ernährung gemacht, es wurde keine Krankengymnastik gemacht, es war so miserabel; ich möchte niemandem Angst machen, aber es war wirklich kein Mindeststandard da und ich denke, wenn man das sieht, daß in Krankenhäusern, wo gut ausgebildetes Personal ist, so etwas passiert, dann müssen wir darum kämpfen, daß sowohl dort die Standards wirklich einigermaßen eingehalten werden und genauso eben dann auch in der ambulanten und der stationären Pflege. Der zweite Gedanke ist auch angesprochen worden, das ist die Rehabilitation. Sie hatten das Beispiel vom Apoplex, also vom Schlaganfall genannt; da ist wirklich bekannt, daß innerhalb von zwei Jahren nach einem Schlaganfall vieles an Fähigkeiten wieder zurückgeholt werden, wieder trainiert werden kann. Ich weiß es selber von der Reha-Einrichtung bei uns in Trossingen, also in meinem Nachbarwahlkreis: wenn [Seite der Druckausg.: 246] jemand mit 60 Jahren einen Schlaganfall hat, dann bekommt er selbstverständlich einen Platz, wenn jemand mit 80 oder mit 85 einen Schlaganfall hat, dann kann es sein, daß die Warteliste so lang ist, daß er oder sie eben keine Chance hat auf einen Rehaplatz. So kann es nicht gehen und das weiß Frau Solinger, unsere Sozialministerin, auch und deswegen ihr Plan, eben genügend Rehabilitationsplätze einzurichten und auch das hier Geriatriekonzept enthält eben wirklich auch eine geriatrische Rehabilitation. Auf der einen Seite ist das Gesundheitsbewußtsein gewachsen; wir wissen alle sehr viel mehr über Medizin und über gesünder leben; aber ich denke, an der Umsetzung hapert es wirklich ganz heftig, wie ich an mir selber merke: ich weiß sehr vieles, was ich falsch mache, daß ich nicht Mittag esse und dann eben so nebenher meinen Kuchen in mich hineinschlinge oder so etwas. Oder, daß ein Spaziergang draußen natürlich sinnvoller wäre, als nur den ganzen Tag im Zug oder im Auto oder in einer Sitzung sitzen, aber an der Umsetzung hapert es tatsächlich und ich denke, da muß man Kompromisse finden und man muß auch sicher lernen, da einfach zu sehen, was ist gut für mich, was ist gut für die anderen und wirklich einen sinnvollen Weg finden. Im Gesundheitsausschuß, das ist der nächste Punkt, ist gerade eine große Anfrage noch nicht öffentlich gestellt worden, aber sie ist von uns vorbereitet worden, von der SPD, zu Demenzerkrankungen. Das fand ich also einen sehr guten Gedanken; dort ist eine Kollegin, die sich sehr darum kümmert, die 28 Fragen zusammengestellt hat, die jetzt gerade eingebracht werden, so daß wir hoffentlich mal ordentliches Datenmaterial bekommen und eben auch wissen oder eben auch überlegen können, was zu tun ist. Der zweite Ansatzpunkt - der führt jetzt ein bißchen in eine andere Richtung, aber ich komme gleich wieder zum Punkt - ist, daß wir auch einen sehr gründlichen Antrag zu Kind und Umwelt eingebracht haben. Und zwar Kindergesundheit und Umweltbelastung. Und das finde ich deswegen so wichtig, weil es ja bekannt ist, welche Schwierigkeiten gesundheitlicher Art Kinder heute immer mehr haben von den Allergien über die Atemwegserkrankungen, und daß das ja alles irgendwo mit Umweltbelastungen zu tun hat. Vielleicht eine kleine Zahl dazu: europaweit wird jedes zehnte Kind, so habe ich es neulich gelesen, mit Behinde- [Seite der Druckausg.: 247] rungen geboren, jetzt geistige oder körperliche oder irgendwelche Schäden, in Rußland ist es jedes vierte Kind und da können wir uns ja überlegen, woran das liegt. Das hat ganz sicherlich eben auch Umweltschäden als Ursache. Als dieser Antrag in erster Lesung besprochen wurde von den Regierungsparteien, solange wir die Faktoren nicht genau kennen, können wir ja auch nichts dagegen tun. Aber gerade deswegen, denke ich, muß man ja versuchen, sie möglichst genau rauszukriegen und ich denke, wenn man das für Kinder rausgekriegt und eben überlegt, daß man die Schadstoffgrenzen niedriger senkt, das kommt uns allen zugute und insbesondere auch den Älteren und damit habe ich jetzt den Bogen zu unserem Thema geschlossen. Und letzte Bemerkung noch: was tun wir in unserem Ausschuß, also in Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in der Richtung ? Also das ist jetzt Altenpolitik allgemein, da haben wir zwei Dinge, um die wir uns im Moment sehr kümmern. Das eine ist das Heimgesetz, wo wir einfach sagen, z.B. auch die teilstationären Einrichtungen sollen die Standards des Heimgesetzes erfüllen, sollen überprüft werden. Das ist der eine Bereich und der andere Bereich ist die Altenpflegeausbildung, da kümmere ich mich darum und da sage ich, da müssen wir auch möglichst hohe Standards für diese Ausbildung erreichen, zumindest so hohe wie in der Krankenpflege, denn warum sollen alte Menschen schlechter gepflegt werden oder von weniger qualifizierten als eben kranke Menschen ? Das so einfach als ganz kleiner Überblick über die Initiativen, die da sind. Ich habe vorher noch vergessen zu sagen, aber Alfred hat es, glaube ich, schon erwähnt, ich bin also in der Enquete-Kommission Demographischer Wandel", es hat in der letzten Legislaturperiode anderthalb Jahre lang diese Enquete-Kommission gegeben. Sie hat einen riesengroßen Zwischenbericht vorgelegt, 700 Seiten oder wieviel, das ist eine Krankheit von Kommissionen, daß die das immer so ausführlich machen. Und sie ist jetzt wieder eingesetzt worden, auch wieder für 1-2 Jahre, und dann soll es einen Schlußbericht geben. Und meine letzte Bemerkung: wir bekommen ungeheuer viele Berichte mit vielen klugen Gedanken, Ideen und Vorschlägen, die Frage ist immer nur, wird irgendeine Konsequenz daraus gezogen ? Und da bitte ich ganz, ganz herzlich darum, daß Sie als Vertreterinnen und Vertreter einer Generation, die [Seite der Druckausg.: 248] hier ganz stark betroffen ist, daß Sie mithelfen, daß wirklich an der Umsetzung gearbeitet wird. Vielen Dank. Braun Ich hatte den Eindruck, daß Herr Kesselheim auf die letzten Bemerkungen von Herrn Backhaus-Maul zu Überlegungen für Fortschreibung/Novellierung Pflegeversicherungsgesetz Erwiderungsbedarf hat; die Reaktion würden wir jetzt gerne noch abfragen und dann würde ich vorschlagen, daß wir Kaffeepause machen und danach gemeinsam die drei Dinge diskutieren. Kesselheim Aber, also, ich denke nach der Pause werden wir auf manches noch eingehen müssen. Zur Qualität fand ich ungeheuer spannend, was Herr Backhaus-Maul sagte, aber auch richtig aus der Sicht des Gesetzes, nur da sind wir ja inzwischen ein gutes Stück weiter und daß man da vielleicht nochmal ein bißchen drüber spricht. Frau Lörcher ich möchte Ihnen auch Mut machen ruhig weiterhin so dicke Berichte in der Enquete-Kommission zu nutzen, selbst wenn in der Politk gerne solche Berichte zur Seite gelegt werden, für uns Praktiker sind die unheimlich wichtig: auch der Zwischenbericht ist eine reine Fundgrube gewesen. Was ich nicht - auch für die Pausengespräche - so im Raum stehen lassen möchte, ist das, was Herr Backhaus-Maul zum Novellierungsbedarf gesagt hat. Die Gerüchte, die da in dieser Woche durch die Zeitungen gegangen sind. Also, alle diejenigen, die in die Diskussionsprozesse um die Änderung des Pflegeversicherungsgesetzes eingebunden sind, glaube ich, wissen ein bißchen konkreter worum es geht. Frau Lörcher hat ja auch schon beschrieben, diese wichtige und gute Initiative zur Änderung der Pflegestufe 0; das wird höchste Zeit, daß da Klarheit geschaffen wird. Es ist schlichtweg falsch, anzunehmen, daß die Härtefälle abgeschafft werden, also das möchte ich hier im Raum nicht so stehen lassen und die Initiative, das darf man noch nicht einmal dem Bundesarbeitsministerium in so einer Diskussion unterstellen. Die Initiative, die dazu kommen wird, hat schlicht und einfach das Ziel, sicherzustellen, daß die [Seite der Druckausg.: 249] Regelung über die Härtefälle praktikabler wird. Wir haben ungeheure Probleme mit dem, was im Gesetz jetzt drinnensteht, daß wir die 3 Prozent bzw. in der stationären Pflege die 5 Prozent beziehen müßten auf alle Pflegebedürftigen in Deutschland. Und das ist also kaum zu handhaben, weil man dann tatsächlich eine bundesweite Liste führen müßte, was ist an Pflegebedürftigen da und wenn da einer draus verstorben ist, dann darf der Nächste reinrücken. Wie das alles funktionieren soll, weiß kein Mensch, da haben wir sehr intensive Gespräche gehabt, das Problem auch noch nicht vernünftig in Härtefallrichtlinien regeln können, das BMA plant jetzt, und ich hoffe daß das auch im A+S-Ausschuß und dann anschließend im Plenum des Bundestages und im Bundesrat so akzeptiert wird, daß diese 3 Prozent ausschließlich bezogen werden auf die einzelne Pflegekasse. Daß jede einzelne Pflegekassen ihren Pool hat. Das ist das Ziel, was da verfolgt wird und ich denke das ist eine vernünftige Geschichte. Auch bei den Beratungsbesuchen, denke ich, geht es um einen vernünftigen Ansatz; wobei ich nicht dementieren will, daß die Preisvergütungen dort gekürzt werden sollen. Bisher gibt es in den Regelungen über die Beratungsbesuche keine Preisvorgabe. Die Preisvorgabe kann zwischen dem Pflegedienst, der den Beratungsbesuch macht, und dem Pflegebedürftigen frei ausgehandelt werden. Eine Vielzahl von Pflegediensten machen das sehr anständig, nehmen da Vergütungen, die sich an den früheren Zeitansätzen in der Krankenversicherung, diesen berühmten 30 DM, orientieren; da ist sicherlich absolut nichts dagegen zu sagen. Es gibt aber einige, ja da ist aus meiner Sicht der Begriff unanständig schon fast eine Beschönigung, wie die damit umgehen. Es gibt Preisvorstellungen für einen solchen Beratungsbesuch von 120 bis 150 DM. Das heißt, daß also die Pflegebedürftigen in der Pflegestufe I, von den 450 DM Pflegegeld die sie bekommen, dann alle halbe Jahr nochmal 150 DM abzweigen sollen, für einen solchen Besuch. Und selbst wenn es nur 120 DM sind, das ist einfach mindestens unanständig - wenn nicht noch etwas anderes; da will das BMA offensichtlich versuchen, durch ganz konkrete Preisfestschreibungen, die sich in der Basis 30 bis 50 DM bewegen sollen, sicherzustellen, daß solche Ausreißer nicht mehr passieren. Das finde ich gut. Kollektive Verhandlung, da wird im übrigen nur präziser beschrieben, was schon im Gesetz drinnensteht. Das wollte ich [Seite der Druckausg.: 250] also nur klarstellen, damit auch nicht für die Pause da eventuelle Ängste übrig bleiben. Braun Also, 20 Minuten Pause, fünf nach vier weiter. [Abschluß-Diskussion]: Braun Wolfgang Kraft hat dem Henk Schippers das Mikrofon dagelassen und er hilft uns jetzt bei der Diskussionsrunde. Ich rufe alle drei Statements gemeinsam auf; wer meldet sich zu Wort ? Frau Schmidt-Nebgen, Sie hatten vor der Pause noch eine Wortmeldung ? Pausen sind doch was wunderbares ! Hirche Ich wollte fragen, was die Neuheiten bei den Möglichkeiten der Kombinierung der Pflegeleistung sind. Sie sagten, daß es da neue Regelungen geben wird oder schon gibt und was darunter zu verstehen ist, die Kombination von Sachleistung und Geldleistung. Und die zweite ist eigentlich eine Bemerkung, und eine Bitte um Unterstützung. Sie haben zurecht gesagt - also in allen drei Beiträgen kam das zum Ausdruck - daß sowohl die Prävention als auch die Rehabilitation ein weitaus größeren Stellenwert haben müssen in der Gesellschaft. Das Problem ist aber, daß das ja wohl unterschiedliche Töpfe sind. Und wenn man an der einen Seite was einspart, daß das nicht ohne weiteres für die andere Seite zur Verfügung steht. Ich möchte vollständig zustimmen, was wir vorher abfangen können, das werden gar nicht erst Pflegefälle und da gibt es ganz besonders in Dänemark sehr gute Erfahrungen. Die haben nämlich trotz der demographischen Entwicklung, die sich abzeichnete, Pflegeheime nicht neu gebaut, sondern mehr in den Vorpflegebereich geleistet, und das ist eine ganz hervorragende Sache, was die da gemacht haben. In dem Zusammenhang die Frage und die Bitte, die Rehabilitationskoordinierungsstellen, die wir in Berlin haben, wir sind selbst Träger einer solchen Stelle, [Seite der Druckausg.: 251] die sind schon wieder vakant. Denn die arbeiten nach dem AFG und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse müssen jedes Jahr neu beantragt werden für diese vier Mitarbeiter. Im Grund ist es dann rausgeschmissenes Geld, wenn das, was man da an Personalkosten, an Sachkosten und an Leistung investiert hat, nachher nicht weitergeführt wird. Die haben sich bewährt und die sind wirklich wichtig. Sie haben das ja hier nachdrücklich bestätigt. Die werden jetzt fürs zweite Mal verlängert und sind sie vakant, weiß man gar nicht, was dann weiter wird; das ist noch nicht geklärt. Braun Weitere Wortmeldungen, erst ein bißchen sammeln. Ja, Herr Dürrschmidt. Dürrschmidt Ja, also erstens, habe ich die große Bitte etwas mehr zu den Pflegekoordinierungsstellen zu sagen, nochmal zwei, drei Sätze, weil ich kann mir zur Zeit die Effekte noch nicht richtig vorstellen. Sie sagen zwar in öffentlicher oder nichtöffentlicher Trägerschaft. Nun frage ich mich, welche Effekte werden dann wirklich erreicht neben den Pflegekassen. Ob Sie da ein bißchen was dazu sagen könnten. Und die zweite Frage, wenn jetzt an der Novellierung der Pflegeversicherung gearbeitet wird, würden mich nicht nur die Probleme der Pflegestufe, die ich eigentlich als sehr problematisch sehe, weil man dort glaube nicht die Effekte erreicht, die man eigentlich erreichen müßte, sondern das hier wieder bloß eine Geldumlagerungsmachinerie ist und sie bringt eigentlich nicht die Pflegeleistungen für die, die jetzt da rausgefallen sind und unbedingt was nötig haben. Wir haben ja nach wie vor das Bundessozialhilfegesetz; wo das einspringen könnte, würde mich auch wirklich interessieren, ob denn das wirklich so gute Effekte bringt; ich bezweifle es ganz entscheidend. Mich interessieren aber Änderungen, wie das, was z.B. Sachsen und Bayern in den Bundestag eingebracht haben - besonders die Karenztage oder das was an Urlaubstagen reinkommen soll oder was mit dem zweiten Feiertag oder überhaupt einem Feiertag wird, was Sachsen betrifft. Und der letzte Punkt, der mich ganz brennend interessiert: ich [Seite der Druckausg.: 252] habe gestern die Süddeutsche Zeitung hier gelesen, dort ist die dritte Stufe der Gesundheitsreform angesprochen worden, daß z.B. physiotherapeutische Maßnahmen und Rehabilitation in Richtung Kuren nur noch als Wahlleistungen angedacht sind. Es würde mich auch ganz einfach mal interessieren, wie dort die Position ist und der Stand dazu. Also wenn das durchkommt, dann brauchen wir über das, was auch die letzten Worte von Frau Lörcher waren, also mehr Vorbeugendes und mehr Rehabilitation, um eigentlich fürs Alter und natürlich auch in Richtung Behinderungen vieles mehr dort an Kosten abzufedern, gar nicht nachzudenken. Pütjer Ja, ich hatte ja das Glück im letzten Jahr hier das Seminar über die Pflegeversicherung mitzumachen und habe da viel mitgenommen. Und seitdem habe ich ein Problem, was gerade in den letzten Wochen besonders an mich herangetragen worden ist von Leuten, die betreut werden durch Sozialstationen. Das Personal, was den Leuten zugeteilt wird zur Betreuung, soll drei Stunden am Tag betreuen. Die kommen vormittags eine Stunde und mittags nochmal zwei Stunden, das sind die Zeiten, die auf die Liste aufgeschrieben werden und die sie sich von den Betreuten quittieren lassen. In Wirklichkeit sind sie in der ersten Stunde, wenn es hochkommt 30 bis 40 Minuten da und mittags in den 2 Stunden höchstens 1 Stunde. Es wird die volle Zeit bezahlt und da ich hier so kompetente Gesprächspartner habe, möchte ich doch annehmen, daß ich hier mal eine konkrete Antwort mit nach Hause nehmen kann. Danke. Braun Noch eine Wortmeldung, ja bitte, Frau Dursch. Dursch Also meine Frage geht dahin, was für eine Ausbildung haben die Leute, die von der Pflegekasse in die Wohnungen geschickt werden, um festzustellen, in welche Stufe der alte Mensch kommt. Ich habe das erlebt in der Nachbarschaft, da kam eine ganz Junge um 9 Uhr morgens und hat [Seite der Druckausg.: 253] festgestellt, daß der alte Herr also überhaupt nicht in Frage kommt. Denn der alte Herr kam um 9 Uhr aus dem Bett, war also ausgeruht und am nachmittag um 4 und abends ganz schlimm, er kann fast nicht mehr laufen und kriegt auch vom Herzen und von der Durchblutung her die größten Schwierigkeiten. Dann gibt doch das falsche Beurteilungen. Die Zeit des Besuches müßte dann doch auch Rücksicht nehmen, wie die Gesundheit dieses alten Menschen innerhalb des Tagesverlaufs wechselt. N.N. Bitte noch ein paar kurze Anmerkungen zu der Eingangsschwelle; eine Stunde oder anderthalb Stunden. Mir ist in Erinnerung, daß die AOK seinerzeit eine Stunde als Eingangsstufe wollte und nur vom Ministerium angewiesen worden ist, das heraufzusetzen. Es steht ja jetzt fest, daß
Vollmer Es wäre mir recht, wenn Sie, Herr Kesselheim, nachher noch zum Thema zweite Stufe der Pflegeversicherung Stellung nehmen könnten, inwieweit sich da schon gewisse Perspektiven abzeichnen und in dem Zusammenhang auch wie weit das Problem der dementen Menschen hierbei neu berücksichtigt wird. Es ist ja bekannt, daß es zumindestens jetzt im ambulanten Bereich Schwierigkeiten macht. Ich weiß einen konkreten Fall, der schließt etwas an die Frau Dursch an, wo die Dame als [Seite der Druckausg.: 254] nicht pflegebedürftig eingestuft wurde, obwohl sie hochgradig dement ist. Gotlind Braun Ich würde nochmal ganz gerne etwas genaueres zu Rehabilitation hören. Also ich bin, als ich das erste Mal den Text gelesen habe, was alles im Pflegeversicherungsgesetz geregelt ist, sehr erfreut darüber gewesen, daß da ein wichtiges Kapitel auch die Rehabilitation ist. Jetzt habe ich aus verschiedenen Bereichen, sowohl aus dem ambulanten Bereich als zu befürchten bei den dann geltenden Regeln im stationären Bereich gehört, daß es wohl nicht finanziert werden wird. Also wir haben gestern von Teilnehmern aus dem Bereich der stationären Pflege gehört, daß es nicht mehr berücksichtigt wird als Kosten, die irgendjemand zahlen muß, wenn Pflegepersonal ausser pflegenden z.B. auch rehabilitative Maßnahmen macht. Also wie wird der Grundsatz verwirklicht, daß Rehabilitation vor Pflege eigentlich sehr wichtig sein sollte. Braun So, können wir hier mal jetzt eine Runde einlegen, sonst ist die Hälfte vergessen. Lörcher Also ich werde sicher nicht auf alles, aber wenigstens auf ein paar Dinge eingehen. Das erste wäre: bei Vorsorge/Prävention gibt es einen anderen Träger als die Kassen meines Wissens nicht, die Kassen machen Prävention. Also ich frage regelmäßig bei meiner AOK wieviel wird für Prävention ausgegeben und läßt sich das dann auch irgendwie rechnen, was dadurch gespart wird. Aber meine Kasse z.B. in Villingen-Schwenningen gibt rund ein Prozent ihrer Kosten für die Prävention aus; und sie sagen, daß sie da sogar relativ hoch liegen im Durchschnitt, weil bundesweit langfristig insgesamt 2 Prozent angestrebt sind - so wie meine Kasse mir gesagt hat. Zweites Thema, der Medizinische Dienst wurde angesprochen, den habe [Seite der Druckausg.: 255] ich einfach vorher vergessen zu erwähnen. Ich halte es für ganz, ganz wichtig, daß nicht nur Ärzte, sondern wirklich erfahrene Pflegekräfte bei diesem Medizinischen Dienst arbeiten. Ich weiß, daß das Kuratorium Deutsche Altershilfe sich auch sehr darum bemüht, weil einfach die Pflegekräfte oft so den täglichen Bedarf gerade bei der häuslichen Pflege viel besser beurteilen können. Ein Arzt ist gut für die Diagnose, aber was eben an täglicher Pflegehilfe nötig ist, kann oft die Schwester von der Sozialstation besser beurteilen. Deswegen fand ich die Frage sehr gut, zu sagen, was für Voraussetzungen bringen eigentlich diese Leute mit, die doch eine sehr wichtige Entscheidung fällen. Drittens wollte ich noch sagen, es wurde auch immer von der Wirtschaftlichkeit gesprochen und von den Kosten des Sozialstaates. Das ist ganz wichtig, zu klären. Eigentlich ist ja der Sozialstaat deswegen so teuer geworden, weil wir eine so hohe Arbeitslosigkeit haben und mit dieser hohen Arbeitslosigkeit kommt weniger Geld sowohl insgesamt in den Bundeshaushalt wie aber auch in die Sozialversicherungskassen. Und deswegen, denke ich, solange wir an diesem wirklich riesigen gesellschaftlichen Problem nichts machen, brauchen wir uns nicht zu beschweren, daß in den Kassen zuwenig Geld ist. Also da unterscheiden wir uns schon sehr stark von den Regierungsparteien, die z.B. eigentlich alle Leistungen an die Bundesanstalt für Arbeit streichen wollen. Wir haben gesagt, das geht überhaupt nicht in einer Situation von Millionen Arbeitslosen, zumal meiner Meinung nach Qualifikation wirklich das Wichtigste ist in unserer Gesellschaft. Es wurde vom Standort Deutschland gesprochen und da ist mir ein Wort von Tony Blair, dem englischen Labourführer eingefallen, das ich neulich gelesen habe, Bildung ist die beste Wirtschaftspolitik". Und wenn wir qualifiziert ausgebildete Leute haben, dann kommen wieder mehr Ideen rein und die Ideen müssen verwirklicht werden und dann werden wir auch besser dastehen mit unserer wirtschaftlichen Situation. Diesen Standortfaktor dürfen wir überhaupt nicht vernachlässigen; und wenn wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen, und in Bildung, Wissenschaft und Forschung investieren, dann werden wir auch insgesamt wirtschaftlich - aber auch sozial - besser dastehen. Letzter Punkt vielleicht noch zur Qualität. Es wurde sehr viel über Qualität der Dienste gesprochen. Auch der ambulanten Dienste. Da wollte [Seite der Druckausg.: 256] ich auch nur einen ganz kritischen Punkt anmerken. Ich weiß von großen Sozialstationen - und das wollte ich auch nachfragen, ob das so ist - daß drei Fachkräfte in einer Sozialstation vorgeschrieben sind; so habe ich das gehört und bis jetzt für richtig angesehen. Wenn aber eine große Sozialstation zwanzig Pflegkräfte hat, d.h. daß sie vielleicht 17 unausgebildete oder nur wenig qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, was ist, wenn diese 17 die Arbeit machen und die anderen 3 ab und zu mal da sind und vielleicht die Verwaltung machen, das kann doch eigentlich nicht der Sinn der Sache sein. Also da bitte ich doch, daß wir uns nochmal ganz genau Gedanken machen auch vom Gesetzgeber her. Qualifikation muß da sein, natürlich gibt es auch Arbeiten, die eben auch jemand machen kann, der vielleicht nur eine einjährige Ausbildung hat oder der schon lange im Haus gearbeitet hat oder in der ambulanten Pflege und eben die weniger wichtigen Dinge machen kann. Aber trotzdem, ich halte es für ganz wichtig, daß Leute eine gute Ausbildung haben, auch in Hinblick auf die Rente. Es ist ja vor allem eine Frauenarbeit und wir wissen ja, daß Frauen eben im Alter oft die niedrigere Rente haben und ich denke, das muß nicht so sein. Kesselheim Ja, ich kann da gleich nahtlos anschließen. Frauen sind nicht nur diejenigen mit der niedrigsten Eckrente, ich glaube immer noch unter 1100 DM, sondern auch diejenigen die pflegen. Von daher denke ich ist es auch wichtig, daß die Rentenversicherung, daß jetzt die Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden. Vielleicht noch einmal zu den Kosten des Sozialstaates Frau Lörcher. Da habe ich zufälligerweise auf der Fahrt hierhin in einer als konservativ bekannten Zeitung heute morgen gelesen, daß die Kosten des Sozialstaates von 1990 bis 1994 von 33 auf 30 Prozent des Bruttosozialproduktes zurückgegangen sind. Wenn ich hier nicht säße als offizieller Vertreter einer bestimmten Einrichtung, sondern wenn ich hier als Privatmann säße, dann würden mir jetzt gerade in Hinblick auf die Diskussion, die hier geführt wird, Kostenpotentiale, Einsparung usw., eine Menge kritische Fragen einfallen, wenn ich mir diese Zahlen vor Augen führe. Aber als Vertreter des AOK Bundesverbandes habe ich dazu zunächst mal keine Meinung. Man muß sich ja über die Runden zu helfen wissen. Also das ist sicherlich schon spannend. [Seite der Druckausg.: 257] Wenn ich das so von der Reihenfolge der Fragen her sehe, dann denke ich, ist das, was am wichtigsten oder am meisten unter den Nägeln brennt, die Rehabilitation. Ich denke, eins müssen wir sicherlich vorausschicken, Rehabilitation ist ja nicht erst durch die Pflegeversicherung erfunden worden, sondern Rehabilitation hat auch in Deutschland eine lange Tradition und von daher ist das eigentlich nichts Neues. Neu ist nur, daß Rehabilitation für alte Menschen plötzlich gemacht werden soll. Und da hat mir Ihr Beispiel, was Sie vor der Pause gebracht haben so gut gefallen, hinsichtlich des Schlaganfall-Patienten. Tatsächlich ist ja das Bewußtsein in der Bevölkerung, daß Rehabilitation für alte Menschen möglich und wichtig ist, so gut wie nicht ausgeprägt. Heute ist das noch so, daß man sagt, wenn Oma tüttelich ist, dann ist das normal, da brauch man nichts mehr machen. Das heißt, wir müssen die ganze Infrastruktur für diese Rehabilitation noch aufbauen. Das ist kräftig ins Laufen gekommen im letzten halben Jahr, es gibt inzwischen auch Grundsätze der Spitzenverbände der Krankenkassen für die Rehabilitation alter Menschen, in denen im Grunde genommen die ambulante Rehabilitation - und der Schwerpunkt liegt auf der ambulanten Rehabilitation - sehr dezidiert beschrieben ist. Und nach allen Erfahrungen ist es ja so, wenn erstmal so etwas in bestimmten Bandbreiten von Finanzierung und Reglementierung gebracht ist, dann fängt das auch an zu laufen. Von daher, bitte keine Wunder erwarten von die Pflegeversicherung; zumindestens soweit wir als AOK Pflegekasse sind, werden wir Motor dieser Entwicklung sein. Wobei ich keinen Hehl daraus machen will, aus meiner Sicht ist die Konstruktion der Rehabilitation sehr verunglückt. Einige von Ihnen haben ja schon kritisch gefragt, ist das denn richtig, daß das die Krankenversicherung macht, gehört das nicht besser in die Pflegeversicherung? Wir haben schon im Gesetzgebungsverfahren kein Hehl daraus gemacht, daß wir meinen, das sei auf jeden Fall vernünftiger in der Pflegeversicherung aufgehoben. Weil die Prozesse, die in Gang kommen müssen, nur anzustoßen, ist ja so die halbe Miete. Vernünftig wäre es, daß derjenige, der da anstössig sein soll im positiven Sinne, auch im Grunde genommen die Gesamtverantwortung bis hin zur Finanzierung hat; das kennen wir auch in allen anderen Rehabilitationsbereichen so. [Seite der Druckausg.: 258] Der damalige Abteilungsleiter im BMA, der das Rehabilitationsangleichungsgesetz gemacht hat - inzwischen ist er befördert worden, er ist jetzt Staatssekretär, das ist für eine Beamtenlaufbahn zumindest ungewöhnlich, daß man vom Direktor zum Staatssekretär wird, aber bei politischen Beamten geht das - der hat mal das Prinzip der finalen Rehabilitation geschaffen, d.h. die Rehabilitation findet in dem Zweig statt, der letztlich auch bei anderen Kosten die Ersparnisse einfährt. Das fehlt hier. Wir müssen damit leben, aber wir sind zumindest in einer Beziehung froh, daß es dann wenigstens bei der Krankenversicherung gelandet ist, weil wir schon meinen, daß unsere Versicherten sich da auf uns verlassen können, daß das dann auch funktionieren wird. Aber es ist in der Tat ein Bereich, der jetzt langsam wachsen muß und das kommt, wie heißt das so schön in Berlin, jetzt in die Puschen". Also von daher wird das schon werden. In dem Zusammenhang halten wir es auch für ganz wichtig, solche Instrumentarien wie IAV zu nutzen oder das Berliner Modell. Ich habe jetzt gerade mit Schrecken gehört, daß die Diskussion über das Auslaufen der Finanzierung schon wieder losgeht; ich denke, da werden wir Acht geben. Weil danach gefragt wurde, wie funktioniert das ? Das geht eigentlich ganz einfach: es gibt Fachkräfte, die finanziert werden; hier in Baden-Württemberg in der IAV z.B. haben es die Wohlfahrtsverbände übernommen und die Kranken- und Pflegekassen haben sich in die Finanzierung dann mit eingebunden. Es sind Fachkräfte, die sich darum kümmern, daß der Ablauf der medizinischen Betreuung in den Krankheitsfällen vernünftig koordiniert wird. Wir wissen ja, daß es für viele Familien sehr schwierig ist, sich darüber klar zu werden, welche Profession ist denn jetzt am ehesten geeignet, um mit der Krankheit am besten weiterhin umzugehen. Um auch da den Schlaganfallpatienten zu nehmen: wenn man ausschließlich dem Arzt in der Klinik ausgeliefert ist in Hinblick darauf, wann die Rehabilitation beginnt, muß man auch die Hoffnung haben, daß dieser Arzt a) gut qualifiziert ist und b) auch von seinem Krankenhausleiter genügend Kompetenz hat, um die medizinischen Aspekte vor die wirtschaftlichen Aspekte zu setzen. Wenn dieses gelingt, dann kommt man sehr schnell in die Rehabilitation. Dort, wo es da Konfliktfelder gibt, ist es wichtig, daß von außen jemand da ist, der diese Prozesse in Gang bringt und dann auch hilft. Vielfach machen das So- [Seite der Druckausg.: 259] zialarbeiter. Das also so in der Kürze. Auch etwas, was noch zur Rehabilitation paßt: auch wir haben das Gerücht gehört oder die Papiere zumindestens gesehen, in denen diskutiert wird, die Krankenversicherung in Wahlleistungen und Regelleistungen zu unterteilen und dann sind die Hilfsmittel und weite Bereiche der Rehabilitation im Bereich der Wahlleistungen. Ich denke, damit tut man dem Gesundheitssystem keinen Gefallen. Das führt lediglich zu neuen Ausgrenzungen und all den damit verbundenen Problemen. Aber da wird man abwarten müssen, wie die Diskussion um die Strukturreform III insgesamt noch läuft. Pflegedienste: das ist die Frage gestellt worden nach dem Aufschreiben der Zeiten, also der Pflegedienst, der 3 Stunden aufschreibt und kürzere Zeit nur da ist. Zunächst mal möchte ich allen Gerüchten entgegentreten, daß es in der Pflegeversicherung ausserhalb der Feststellung der Pflegebedürftigkeit Zeitansätze gibt. Natürlich arbeiten wir mit Zeitansätzen, das habe ich ja selbst vorhin ausgeführt, bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Die Pflege selbst entzieht sich aus meiner Sicht völlig jeglichem Zeitansatz. Man kann nicht sagen Waschen dauert 10 Minuten, Ankleiden 5 oder von mir aus auch eine Stunde. Pflege ist eine sehr individuelle Sache und gerade dann, wenn man das Ernst meint, was ich auch vorhin im Referat gesagt habe, daß Pflege aktivierend stattfinden muß, dann ist es noch wichtiger, daß sie tatsächlich in dem Zeitumfang stattfindet, der dafür erforderlich ist und zumindestens aus unserem Hause gibt es auch keinerlei Zeitansätze. Was dazu dann noch paßt, Frau Lörcher, es gibt aus unserem Hause auch keine Hinweise darauf, wieviel Fachkräfte die Sozialstation beschäftigen muß. Ich weiß, daß hier in Baden-Württemberg die Vertragspartner sich auf diese Dreierregelung geeinigt haben. Wir halten die für falsch; sie begrenzt zum Einen den Zugang zum Markt für Pflegedienste, die diese Voraussetzung nicht erfüllen; sie ist vielleicht erklärbar daraus, daß man sagt, jemand der einen Pflegedienst als Einzelkraft betreibt und das war die Intention des Vertrags, zumindestens der AOK als sie sich in den Vertrag mit reinbegeben hat, der kann niemals 24 Stunden rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Aber 24 Stunden für die Pflege zur Verfügung zu stehen, ist eine der Voraussetzungen um tatsächlich als Pflegedienst zugelassen zu werden. Nur, solche Rufbereitschaften kann man auch im Rahmen von Kooperationen u.ä. organisieren, dafür muß man nicht so viele Leute [Seite der Druckausg.: 260] haben. Ich habe auch Signale dafür, daß zumindestens die AOK Baden-Württemberg da anfängt, nochmal drüber nachzudenken. Ausbildung: Ausbildung desjenigen, der ins Haus kommt. Und daran war auch die Anfrage drangehangen, Qualifikation der Gutachter. Wir beschäftigen für die Begutachtungen in der Pflegeversicherung in den Medizinischen Diensten Pflegefachkräfte. Es ist vorgesehen, daß es im Grunde genommen ein Team gibt aus Arzt und Pflegefachkraft, welches die Begutachtung gemeinsam vornimmt, weil medizinische und pflegerische Voraussetzungen zu prüfen sind, wobei aus unserer Sicht auf dem pflegerischen Aspekt das Schwergewicht liegt. Soweit erforderlich, sollen auch andere Fachkräfte beteiligt werden, z.B. wenn es darum geht, die wohnraumverbessernden Maßnahmen zu beurteilen, aber auch zur Beurteilung von sozialer Situation. Da wird es sich oft anbieten, Sozialarbeiter mitzunehmen. Das ist im Grunde genommen auch gewährleistet. Ich sage mal, das Papier ist da aber sauberer als die Praxis. Aber da bitte ich auch um Verständnis für deren Situation: der Medizinische Dienst hat im letzten halben Jahr über 1 Million Gutachten fertigen müssen. Und alle waren sehr daran interessiert, daß diese Gutachten relativ rasch kommen; wir hatten berechtigte Kritik, daß Gutachten ein Vierteljahr und länger dauerten. Man muß einfach entscheiden, gerade in so einer Anlaufphase, wenn so ein Antragsberg zu bearbeiten ist, nimmt man dann in Kauf, daß Mängel entstehen oder will man, daß die Gutachten von hoher Qualität sind. Ein Medizinischer Dienst - nämlich der in Westfalen-Lippe hat gesagt - alle Anfechtungen hinsichtlich rascher Begutachtung stören uns nicht, wir machen die Gutachten in der Qualität wie das Papier sie erfordert. Der Medizinische Dienst Westfalen-Lippe ist deshalb kräftig in der Schußlinie - meines Erachtens auch zu Recht - er braucht nämlich zur Zeit immer noch 8 Monate und das ist nicht hinnehmbar. Also von daher muß man zumindest in so einer Anfangsphase durchaus entscheiden Qualität oder Quantität; wir haben Quantität für richtig gehalten, zumal ja auch Wiederholungsbegutachtung, Nachbegutachtung stattfinden. Vielleicht ist aber auch aus diesem Quantitätsproblem heraus zu verstehen, daß wir zur Zeit im AOK-Bereich zumindest über 30 % Widersprüche haben. Aber das ist sicherlich vernünftig, weil man dann anschliessend nochmal in die Qualität gehen kann. [Seite der Druckausg.: 261] Also, Pflegefachkraft und Arzt und gegebenenfalls andere noch; gleichwohl wird man nicht die Effekte verhindern können, die Sie völlig richtig beschrieben haben, die ja auch in der Psychiatrie beschrieben werden als Hallo-Effekte. Nämlich, daß in der Situation der Begutachtung sich jemand anders darstellt, als es tatsächlich sich verhält. Ich glaube, das hat auch ein Stück mit dem menschlichen Stolz zu tun, daß man nicht alles offenbart, was man nicht mehr kann. Von daher ist das für die Gutachter sehr schwierig. Wir sehen das auch bei den Behinderten, insbesondere bei der Begutachtung behinderter Kinder. Die Eltern sind es gewöhnt, in Gesprächen immer herauszustellen, was ihre Kinder können und von daher bei den Kindern auch positive Effekte hervorzurufen. In dieser Begutachtungssituation ist das das Falscheste, was man machen kann, beschreiben, was alles gekonnt wird. Sondern da muß man beschreiben, was man alles nicht kann; und dann eventuell in der Anwesenheit dieses Kindes. Das ist eine ganz schwierige Situation. Wir raten immer dazu, daß die Familien ein sogenanntes Pflegetagebuch führen. Die Lebenshilfe z.B. hat dazu schon seit Jahren extra ein Formular aufgelegt, weil Begutachtungen ja jetzt nicht nur in der Pflegeversicherung stattfinden, und anhand eines solchen Pflegetagebuchs kann man festhalten, wie denn die Pflege zuhause tatsächlich läuft. Und wenn man das mal 2, 3 Wochen gemacht hat, und dann dem Gutachter vorlegt, ist das meines Erachtens die halbe Miete. Also, wenn Sie da Probleme haben, kann ich Ihnen nur raten, den Leuten zu empfehlen, das zu machen. Das gilt dann auch für die Begutachtung Dementer, wo gerade diese Effekte besonders schwer festzustellen sind und wo dann noch hinzukommt, daß das Gesetz eine Begutachtung der Defizite fordert. Bei Dementen gibt es normalerweise nur" ein Defizit, nämlich daß die Orientierung fehlt. Das kann man zwar durch geschickte Fragen feststellen, aber gleichwohl das Messen dieses Anteils an Anleitung und Betreuungsbedarf ist ungeheuer schwierig. Damit will ich den Medizinischen Dienst gar nicht unbedingt verteidigen; wir wissen, daß das eine der Schwachstellen ist, da arbeiten wir auch daran, aber wir werden auf Dauer damit leben müssen, daß dort Ungerechtigkeiten bestehen. Das ergibt sich einfach aus den Krankheitsbildern. In dem Zusammenhang auch noch etwas zu der Diskussion eine Stunde oder anderthalb Stunden". Ich habe deshalb in meinem Referat die Ent- [Seite der Druckausg.: 262] scheidungswege zu den anderthalb Stunden hin so ausführlich beschrieben, weil diese Diskussion ist ja in der Öffentlichkeit geführt worden. Ich will kein Hehl daraus machen, daß das für mich persönlich eine der schmerzlichsten Niederlagen der ganzen Pflegeversicherungsdiskussion war - in den 20 Jahren, die ich daran teilgenommen haben - daß wir auf anderthalb Stunden gehen mußten, weil fachlich spricht vieles dagegen. Es hat nur das eine Argument dafür gesprochen, was ich auch im Referat beschrieben habe: die Finanzierungsdiskussion. Und unter dem Aspekt muß ich heute sagen, war es die richtige Entscheidung, die die Selbstverwaltung getroffen hat. Denn wir haben mehr Pflegebedürftige, als die Regierung in ihrem Finanzierungskonzept drin hatte, das steht als Fakt fest. Wenn wir auch noch diesen niedrigen Einstiegswinkel - und da wiederhole ich mich aus dem Referat - gewählt hätten, dann wäre die Diskussion um die zweite Stufe der Pflegebedürftigkeit wahrscheinlich heute gar nicht mehr führbar, weil feststünde, daß das Geld nicht da wäre. Jedenfalls das Sachverständigengutachten, da kann man ja drüber streiten, ob es hilfreich war oder nicht, ich bin schon der Meinung es war hilfreich, aber das hätte sich dann wahrscheinlich in hohem Maße erübrigt. Gleichwohl, gerade auch hinsichtlich meiner inneren Einstellung will ich keinen Hehl daraus machen, das steht immer noch auf meiner Merkliste. Sobald wir uns das leisten können, werden wir diese Diskussion wieder anfangen. Schnell noch stationäre Pflege, weil das ja auch noch gefragt wurde. Stationäre Pflege wird also diskutiert, ob sie jetzt kommt oder nicht; ich wäre Hellseher, wenn ich jetzt sagen würde sie kommt bzw. sie kommt nicht. Eins ist klar, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat sich an der Stelle ausserordentlich verdient gemacht mit dem Gesetzentwurf, den sie eingebracht hat, der jetzt ein paar Wochen im Bundestag liegt, nachdem der Bundestag feststellen soll, daß die Kompensation erreicht ist und daß die zweite Stufe am 01.07. in Kraft tritt. Nach den Regelungen oder nach den Selbstbindungen, die der Bundestag im Pflegeversicherungsgesetz vorgenommen hat muß er das eigentlich dieses Jahr auch noch entscheiden. Wir drängen auf diese Entscheidung, denn wir brauchen sie. Wir brauchen sie alleine, um sicherzustellen, daß bis zum 30.06. alle 600.000 Heimbewohner begutachtet sind, inwieweit sie pflegebedürftig sind. Wir brauchen sie aber auch für die Vertragsgestaltung. [Seite der Druckausg.: 263] Wir haben zur Zeit ungeheure Schwierigkeiten, die Vertragsdiskussionen voranzutreiben, weil natürlich alle wie das Kaninchen auf die Schlange jetzt darauf starren, kommt jetzt die stationäre Pflege oder kommt sie nicht ? Unabhängig von der Frage der Kompensation werden wir die Diskussion über die stationäre Pflege auch unter dem Bezahlbarkeitsaspekt nochmal führen müssen. Das Gesetz, Frau Lörcher, ist an der Stelle ziemlich unsauber, es spricht davon, daß ein Pflegesatz zu zahlen sei für den Gesamtaufwand an pflegerischen Leistungen. Es gibt - und das ist in der Bundespflegekonferenz nochmal deutlich geworden Anfang dieses Monats - einen hohen Konsens darüber, daß gesamte pflegerische Leistungen heißt, die Leistungspalette, die das Heim heute darbietet. Es kann auch unseres Erachtens nicht sein, daß etwas anderes finanziert wird, als der Standard, der heute in den Heimen vorhanden ist. Das Bundesarbeitsministerium ist der Einzige, der diesen hohen Konsens nicht mitträgt, und da hat der Minister persönlich sich positioniert in der Bundespflegekonferenz: aus seiner Sicht haben die Pflegekassen ausschließlich die auf die Defizite bei den Verrichtungen des täglichen Lebens gerichteten Tätigkeiten des Pflegepersonals in der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zu finanzieren. Da Sie Altenpflegekraft sind, denke ich, können Sie sich vorstellen, was das bedeuten würde, welche Unruhe, welches Theater damit in die Heime käme. Da haben wir einen hohen Bedarf, daß im Gesetz sichergestellt wird, daß das Arbeitsministerium so nicht argumentieren darf. Also soweit ist der Krieg noch lange nicht gewonnen. Wenn es um Krieg geht, noch einen Aspekt: ich werde immer ein bißchen wütend, wenn ich im Zusammenhang mit der Pflege Mitnahmeeffekt" höre. Man muß sehen, die Pflege in der Familie bedeutet ein ungeheures Engagement, selbst wenn man nur 1,5 Stunden am Tage da sein muß für den Pflegebedürftigen. Jeder, der selbst mal so eine Situation hatte, weiß welche Belastungen das bedeutet; und da habe ich Zweifel, daß man, wenn dann dafür 750 DM gezahlt werden, tatsächlich von dem Mitnahmeeffekt gesprochen werden kann, sondern ich denke schon, daß das dann lediglich eine Anerkennung für das ist, was da insgesamt gemacht wird. Gleichwohl ist es sicherlich richtig, daß man an dieser [Seite der Druckausg.: 264] Stelle auch auf die Qualität der Pflege achtet. Deshalb habe ich überhaupt nichts gegen die Beratungsbesuche, wenn sie denn keine Kontrollbesuche sind, sondern wirklich eine vernünftige Beratung. Das Szenario, was da oft beschrieben wird, daß da die gestandene Oberschwester, ich tu das jetzt bewußt persiflieren, kommt und sagt, also die Schüssel dürft ihr nicht nehmen, das müßt ihr euch einen neuen Topf anschaffen und da ist also das Bett nicht mehr geeignet, das ist so sicherlich auch kein vernünftiger Umgang mit dieser Situation und weckt eher neue Widerstände, als daß es was gut macht. Ich habe im Referat schon gesagt, besser als die Geldleistungen insbesondere im Hinblick auf die Qualitätsaspekte ist die Kombinationsleistung. Das ist dann das letzte Stichwort, was ich mir noch notiert hatte. Da wurde nochmal der Wunsch geäußert, zu klären, was das ist. Ich hatte gesagt, wir haben dieses Leistungskomplexsystem vereinbart, mit dem sich dann jeder Versicherte im Grunde genommen - und wenn Sie da in die Broschüre reinschauen, sehen Sie das näher - auswählen kann die Leistungen, die er von professionellen Kräften gemacht haben will. Und dann kann er auch ausrechnen, was das kostet. Wenn er damit sein Budget überschreitet, dann muß er sowieso zuzahlen, wenn er genau im Budget bleibt, dann ist das auch in Ordnung; aber vielfach wird er sich diese Komplexe so auswählen, daß er sein Budget nicht ausnutzt. Für diesen Fall kann er die Differenz zwischen den in Anspruch genommenen Sachleistungen und dem vollen Budget als Kombinationsleistung in Geld in Anspruch nehmen. Es ist allerdings ein bißchen komplizierter, als sich das anhört. Wenn also, ich sag jetzt mal die Sachleistungen 1200 DM beträgt in der Pflegestufe II und das Budget ist dann 1800 DM, dann ist es nicht so, daß die 600 DM Differenz gezahlt werden, sondern es wird anteilig gezahlt und ich habe deshalb die Beträge jetzt bewußt so gewählt, weil das eine der wenigen Möglichkeiten ist, wo ich das im Kopf ausrechnen kann, weil dann ist nämlich die Sachleistung 2/3 des Gesamtbudgets. Dann gibt es noch 1/3 Pflegegeld und zwar von den 800 DM Pflegegeld in der Pflegestufe II zustehen, 1/3 das sind grob über den Daumen 200 und paar gequetschte DM, 266,67 DM müßte es dann wahrscheinlich sein. Ja. Die werden dann noch ausbezahlt. Das ist die ganze Kunst der Kombinationsleistung. Aber sie hat den Vorteil, als erstes hat man die professionelle Hilfe, die die Familie ein Stück ent- [Seite der Druckausg.: 265] lastet, und als zweites hat man gleichwohl noch einen Effekt, der in vielen Familien wichtig ist; da schließt sich dann auch der Kreis wieder hinsichtlich der Eckrente, mit dem ich angefangen hatte noch ein paar Mark für die Pflege oder die Zeit, die man da selbst investiert. Wobei ich andererseits, auch wenn ich gegen die Mitnahmeeffekte geschimpft habe, mindestens genauso kritisieren möchte, daß sich mehr und mehr die Mentalität durchsetzt, für alles, was gemacht wird, muß auch was bezahlt werden. Aber das ist ein ganz anderes Kapitel, das ist auch jetzt nicht öffnen möchte. So, jetzt habe ich aber genug Referat gehalten. Braun Ich kann drei Fragen zulassen; ich kann Ihnen aber nicht weiterhelfen, wenn Sie darauf keine Antwort kriegen. N.N. Ich habe noch einmal eine Frage zu den medizinischen Diensten. Also in meiner Praxis muß ich sagen, habe ich die Arbeit, ich muß das so hart sagen, als sehr mangelhaft empfunden. Ich habe drei Fälle, die also jetzt hier beweisen könnten, einmal eine 94-jährige Dame mit einer Rente von DM 1050 oder 1100. Natürlich, wie Herr Kesselheim das vorhin schon schön sagte, die alten Menschen haben auch ihren Stolz, und da kam eine junge Ärztin - die Nachbarin hat mir das nur erzählt, eine 70-jährige, die sie betreut - und, na heben Sie mal den Arm hoch, heben Sie mal den Arm hoch und keine Viertelstunde aufgehalten und nach ein paar Wochen kam eben die Absage. Also ich bin so sozial veranlagt, daß ich mir vorstelle, eine 94-jährige Frau, die natürlich stolz sagt, ich kann noch in die Küche und ich mach auch das Rippchen noch warm, aber ja niemals auf die Leiter kann, sich die Fenster putzen, nicht einkaufen gehen kann und nichts, mit solch einer knappen Rente, daß der Frau nicht einmal DM 400 zustehen, ist mir unverständlich. Und dementsprechend habe ich mehrere Fälle erlebt. Auch einen sehr alten Mann, 92 Jahre, die Männer wissen hier, die Frauen sind ja eigentlich noch immer etwas beweglicher. Und das kann nicht hinhauen. Und jetzt habe ich mal eine ganz naive Frage. Warum ist überhaupt der Medizinische Dienst eingerichtet worden, warum hat man diese Begutachtung nicht in erster [Seite der Druckausg.: 266] Linie den Hausärzten zugemutet, ich meine, da hätte ja eine Pflegerin oder eine Sozialarbeiterin dazukommen können. Die kennen doch ihre Patienten, die wissen, wo es fehlt. Wenn da ein völlig fremder Mensch hinkommt, das finde ich, muß ich sagen, nicht in Ordnung. N.N. Meine Frage ging dahin, da wird für einen Patienten pro Tag eine Stunde bezahlt, für die keine Arbeitsleistung erbracht wird. Und ich finde das nicht gut, wenn Sie das auf eine Woche zusammenrechnen und vielleicht auch 100 Patienten, dann wird an die Sozialstation Geld gezahlt wofür die überhaupt gar keine Leistung erbringen werden. Und das kann ich rechnerisch einfach nicht verkraften. Lörcher Also, ich würde mich ganz gerne verabschieden mit einer ganz kurzen Geschichte. Und zwar, in der Haushaltsplanberatung Anfang September hat Herr Blüm gewarnt vor einer Überprofessionalisierung der Pflege. Und da hat er gesagt, um einen 70-jährigen Mann zu füttern - so ein Wort würde ich nie sagen bei alten Menschen - braucht man ein großes Herz und eine ruhige Hand. Und ich habe das aufgegriffen, als ich über die Altenpflegeausbildung im Plenun gesprochen habe. Und ich wollte das einfach nur noch einmal sagen, das Ziel muß ja sein, das vielleicht der alte Mann wieder selber essen kann und so schließt sich für mich der Kreis von Qualität und Rehabilitation. Wollte ich nur noch zum Abschied sagen, ich wünsche noch ein gutes Tagungsende und eine gute Heimfahrt. Kesselheim Also, ich fang mal mit dem Preisbeispiel an von dem Sie gesprochen haben, weil das habe ich tatsächlich im Eifer des Gefechtes vergessen, oder abgehandelt im Grunde genommen mit dem, was ich von Zeitansätzen sprach, aber vielleicht ist das nicht deutlich genug geworden. Also, ich sage nochmal, es gibt keine Anweisungen von den Pflegekassen, keine vertraglichen Vereinbarungen dazu, daß die Pflege durch profes- [Seite der Druckausg.: 267] sionelle Kräfte eine bestimmte Zeit dauern muß. Die einzige Aussage, die wir dazu gemacht haben, ist, daß wir gesagt haben, die Pflege muß der individuellen Situation entsprechend dauern. Von daher kann man auch die 3 Stunden, die in der Pflegestufe III an Hilfebedarf Leistungsvoraussetzung sind, nicht unmittelbar in Verbindung bringen mit der Zeit, die der Pflegedienst tatsächlich da ist. Die 3 Stunden ist ja die Zeit, die eine Familie normalerweise brauchen würde, um in die Pflegestufe III überhaupt zu kommen; also der Gesamtaufwand. Dieser Zeitaufwand, wenn professionelle Kräfte kommen, kann das zwar sein, daß die auch diese 3 Stunden brauchen, das muß aber nicht sein. Je nachdem, wie der Hilfebedarf ist. Je nachdem, wie klein der Anteil an aktivierender Pflege ist, kann das auch durchaus weniger sein. Von daher ist es auch möglich, kürzere Zeit tatsächlich zu pflegen, ohne daß das für die Vergütung schädlich ist. Das ist zunächst mal möglich und dafür kann es dann andere geben, die länger gepflegt werden. Wo also die Pflege tatsächlich kürzer ist, wird das ja normalerweise über das Vergütungssystem mit den Leistungskomplexen vergütet, so daß sowieso keine Nebenkosten mehr anfallen können. Dort allerdings wo die Sozialstation noch Nebenkosten berechnet, und so wie sie es schildern, riecht mir das sogar nach sehr fragwürdigen mit Straftatbeständen eventuell belegten Aspekten, wenn das Beispiel so wäre - ich habe keine Zweifel, daß Sie das richtig schildern - aber das wird man ja meist untersuchen müssen. Nun, diesem Fall würde ich mit der Rechnung zur Pflegekasse gehen und die bitten, sich darum zu kümmern. Also, das kann man beheben. So und jetzt, was sicherlich das Spannendste ist, das Beispiel mit der alten Dame und dem alten Herrn. Wobei Frau Lörcher ja da schon einen Zwischenruf gemacht hatte. Aber, also eines der Probleme in der Pflegeversicherung ist wohl, daß die Erwartungshaltung in der Bevölkerung in eine andere Richtung gebracht wurde in der politischen Diskussion, als es das Gesetz tatsächlich hält. Heute können Sie bei Herrn Blüm ständig hören, daß es nie Absicht gewesen sei, eine umfassende Absicherung zu schaffen. Im Gesetzgebungsverfahren hat er das nicht gesagt, das war aber auch vor einer Bundestagswahl. Wenn Sie bitte beachten, das hört sich jetzt ganz gemein und gehässig an, und ich bitte da auch um Nachsicht, ich meine das nicht so, die Fakten des Gesetzes sind aber nun mal so: Alter ist keinerlei Kriterium dafür, daß Leistungen fließen. Die Höhe [Seite der Druckausg.: 268] der Rente ist auch keinerlei Kriterium dafür, daß Leistungen fließen. Kriterien sind ausschließlich die Defizite, die bei den Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in den Bereichen Mobilität, Ernährung und Körperpflege bestehen. Und da gibt es dann diese Zeitansätze, über die ich sprach, 1,5 Stunden, 3 Stunden, 5 Stunden, und zusätzlich, und das ist allerdings in diesem Zeitbudget mit drin, muß auch noch mehrfach in der Woche hauswirtschaftliche Versorgung benötigt werden. Aber zusätzlich. Das heißt, die Grundvoraussetzung muß erfüllt sein, daß bei den Defiziten im Ablauf des täglichen Lebens, daß bei den Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens diese Defizite bestehen. Wenn das Beispiel so ist, wie Sie es gesagt haben, das diese alte Dame nur nicht mehr auf die Leiter kommt und nur nicht mehr selbst einkaufen kann, dann ist zwar der Bedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung da, aber für die Pflegestufe I reicht es in der Tat nicht - weil zumindest wie Sie das Beispiel genannt haben und das müßte man dann nochmal untersuchen - sie bei der Körperpflege alleine zurecht kommt, bei der Nahrung alleine zurecht kommt und auch ansonsten in der Mobilität alleine zurecht kommt. Das Gutachten wäre in Ordnung. Und das ist dann keine Frage des Alters des Gutachters. Das Gutachten ist in Ordnung. Wenn Sie aber tatsächlich den Eindruck haben, daß das Gutachten nicht in Ordnung ist, kann ich Ihnen nur einen Rat geben: Widerspruch einlegen. Und da haben wir für unsere Leistungsbescheide auch eine ganz wichtige Regelung getroffen, Sie werden auf unseren Leistungsbescheiden keine Rechtsbehelfsbelehrung finden. Also unten der letzte Abschnitt, wo dann drinsteht, gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb von 1 Monat Widerspruch bei der und der Stelle einlegen. Das haben wir ganz bewußt nicht gemacht, weil wenn die Rechtsbehelfsbelehrung da drauf wäre, wäre dieser Bescheid nach einem Monat rechtskräftig und dann könnte man sich nicht mehr dagegen wehren. Wenn die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt, läuft die Frist über 1 Jahr. So daß Sie also innerhalb eines Jahres nach Zugang dieses Bescheides immer noch Widerspruch einlegen können. Also insoweit kann ich Ihnen nur den Tip geben, wenn Sie tatsächlich meinen, das sei falsch gelaufen, Widerspruch einzulegen. Aber ich sag nochmal, wenn die Verhältnisse so sind, wie Sie sie beschrieben haben, dann gibt es da keinen Anspruch. Wir bekommen da sehr viele Briefe aus den neuen Bundesländern, weil dort war es nach altem DDR- [Seite der Druckausg.: 269] Recht ja so, daß man bei einem bestimmten Alter, bei bestimmten Rentenhöhen, bei bestimmten Krankheiten automatisch ein Pflegegeld zusätzlich bekommen hat. Dadurch versteht die Bevölkerung absolut nicht, daß das plötzlich jetzt alles nach dem westdeutschen Recht so kompliziert ist, aber es ist nun mal so. Ungerechtigkeiten entstehen auf der anderen Seite auch dadurch, daß man angibt, man könne mehr als man tatsächlich noch kann, also, damit werden wir leben müssen. Braun Ich finde es schade, daß wir am Ende so ein bißchen in die Hakeleien um die einzelnen Fälle, die da jeder kennt, geraten sind. Aber das geht einem immer so; unsere Reihen werden auch zudem zunehmend lichter. Ich möchte mich bei Herrn Kesselheim ganz herzlich bedanken, daß er noch einmal nicht nur - wie ich fand sehr konsistent und sehr knapp, aber sehr durchsichtig auch dargestellt hat, wie dies nun nach der ersten Stufe Pflegeversicherungsgesetz läuft, daß er auch auf einzelne Probleme, die hier genannt wurden, nochmals eingegangen ist. Ich möchte die ganze Tagung abschließen und nun noch darauf hinweisen, nächstes Forum 25./26. Oktober 1996, wieder ein Freitag/Sonnabend Ende Oktober; was wir da machen, werden wir so ab Frühjahr etwa wissen. Sie werden alle sicher auf die Veranstaltung hingewiesen und ich hoffe, daß wir die Dokumentation zu dieser Tagung, gestern und heute, zumindest wieder so wie letztes Jahr um Pfingsten herum fertig haben, die geht Ihnen dann auch zu. Ich bedanke mich noch einmal für Ihr Interesse an unserer Tagung, ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise und für die, die hierbleiben und morgen erst abfahren, ganz normal nach den Sitten des Hauses um 18 Uhr ist Abendessen. Schöne Heimreise.
Freudenstädter Forum - Solidarität der Generationen
am 27. und 28. Oktober 1995
Folgende PolitikerInnen, VerbandsvertreterInnen und WissenschaftlerInnen haben Beiträge zum Freudenstädter Forum 1995 geleistet:
[Seite der Druckausg.: 271]
FREUDENSTÄDTER FORUM Solidarität der Generationen
Alter und Gesundheit-(skosten) am 27. und 28. Oktober 1995
Teilnehmerliste
© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001 |