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TEILDOKUMENT:

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Jörg Ueltzhöffer
Eurostudie: Katalonien, Schottland und Baden-Württemberg im Vergleich


Die im Sommer 1995 im Auftrag des Sozialministeriums vom Mannheimer SIGMA-Institut erstellte sozialempirische Studie zu Bereitschaft und Motiven der Bürger, sich bürgerschaftlich zu engagieren (Geislingen-Studie), wurde in vergleichbarer Form wenig später nicht nur im katalanischen Olot sondern vor wenigen Wochen auch im schottischen Stirling durchgeführt. Somit liegen jetzt erstmals aus drei europäischen Regionen vergleichbare repräsentative Daten zum bürgerschaftlichen Engagement auf Gemeindeebene vor. Sie lassen in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Gemeinsamkeiten erkennen, aber auch Unterschiede.

So zeigen die Befunde vom Erleben von sozialer Nähe bzw. sozialer Distanz in allen drei Städten ein ähnliches Antwortprofil: zwischen 69 % (Geislingen) und 78 % (Olot) der befragten Bürger empfinden die „soziale Kälte in unserer Gesellschaft" als bedrohlich. Gleichzeitig haben aber zwischen 73 % (Stirling) und 87 % (Olot) der Bürger den Eindruck, daß sie helfende Hände finden, wenn sie Probleme haben. In Olot und Stirling wurde darüber hinaus der Geislingen-Befund bestätigt, daß derartige Netzwerke jüngeren Menschen in höherem Maße zur Verfügung stehen, als älteren. Die über 60jährigen geben auch in Olot und Stirling weniger häufig als die unter 40jährigen an, daß es im Bedarfsfall Menschen gibt, die ihnen helfen.

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Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement

Die Zahl der Bürger, die sich in ihrer Gemeinde bürgerschaftlich engagieren wollen, liegt mit 61 % in der schottischen und 70 % in der katalanischen Stadt über dem für Geislingen gemessenen Wert von 38 %. Dies liegt zum einen zweifellos auch daran, daß die Befragten in Geislingen nach ihrer unmittelbaren Bereitschaft gefragt wurden, an konkreten bür-

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gerschaftlichen Projekten (Begegnungsstätte im neuen Altenzentrum, „Bürger im Kontakt") teilzunehmen, während in Olot und Stirling aufgrund einer anderen Ausgangssituation nach der allgemeinen Bereitschaft gefragt wurde, sich bürgerschaftlich (z.B. in Freiwilligenarbeit jeder Art) zu engagieren. Auf der anderen Seite signalisiert der zwischen den drei Städten gemessene Unterschied aber auch, daß der Gedanke bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland besonders förderungswürdig ist. Darauf haben auch andere international vergleichende Studien hingewiesen.

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Warum Bürger sich engagieren wollen

Die Frage nach den Motiven der Menschen, sich bürgerschaftlich zu engagieren, zeigte zwischen Schotten, Katalanen und Baden-Württembergern wiederum eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit. Das Motiv der Hilfe für Schwächere wurde in allen drei Städten am häufigsten genannt und landete jeweils auf dem ersten Platz. In Stirling wie in Geislingen erwies sich auch der Wunsch, etwas Nützliches für die Gemeinschaft zu tun als wichtiger motivationaler Anreiz (in beiden Städten auf Platz 3 der Rangreihe). Die Katalanen werteten dagegen das Motiv der Freiwilligkeit - wer ihre Geschichte kennt: verständlicherweise - höher als die Bürger in den anderen Städten.

Auf einen bedeutsamen Unterschied der Wertorientierung verweist dagegen der Befund zur Akzeptanz pflichtethischer Motive, wie sie in der gegenwärtigen Kommunitarismusdebatte besonders nachhaltig von amerikanischen Autoren eingefordert werden. Bei unterschiedlichen Zustimmungsniveau landete das Bürgerpflichtmotiv sowohl in Geislingen als auch in Olot im letzten Drittel der im Interview vorgegebenen 17 potentiellen Motive. In Stirling wurde das Bürgerpflichtmotiv dagegen weitaus höher bewertet (6. Platz). Die dahinter erkennbaren soziokulturellen und historischen Unterschiede (in Deutschland beispielsweise das Erleben der Nazi-Diktatur) zeigen, wie wichtig der Dialog unter Europäern zu diesem Thema ist, wie auch die Akzeptanz der jeweils anders gearteten Pluralität von Werten und Motiven.

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Einig sind sich die Bürger von Stirling, Olot und Geislingen allerdings in einer anderen Frage. Der in der jüngsten Sozialstaatsdiskussion nicht selten geäußerte Gedanke, bürgerschaftliches Engagement sei vor allem wegen der damit verbundenen Möglichkeit einzufordern, die Finanznöte öffentlicher Kassen zu lindern, stößt in den drei Städten auf wenig Gegenliebe. „Weil Stadt und Land sparen müssen" ist nur für wenige ein motivierender Grund für bürgerschaftliches Engagement: in Geislingen lediglich für jeden fünften engagementbereiten Bürger, im schottischen Stirling gar nur für 15 %.

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Bürgerschaftlicher Dialog

In welch hohem Maße sich engagementbereite Bürger für kommunale Belange interessieren, zeigen die folgenden Zahlen: über Belange der Stadt diskutieren „häufig" mit Freunden und Bekannten in Geislingen 57 %, in Olot 49 % der Befragten, und (wiederum ein Spitzenwert) 73 % der engagementbereiten Bürger in Stirling. Auch diese Befunde stehen im scharfen Kontrast zu dem öffentlich nicht selten vermittelten Bild eines Bürgers, der sich nur noch um seine eigenen Angelegenheiten kümmert.



Einen bemerkenswerten Unterschied zwischen den engagementbereiten Bürgern von Olot und Stirling auf der einen und Geislingen auf der anderen Seite erbrachte allerdings die Frage nach der grundsätzlichen

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Kommunikationsoffenheit gegenüber Fremden (die ja den Hauptteil unserer Mitmenschen auch in der Gemeinde ausmachen). Während in Stirling und Olot jeweils zwei Drittel der engagementbereiten Bürger - eigenen Angaben zufolge - ohne große Schwierigkeiten auch auf Menschen zugehen, die sie „nicht sehr gut kennen", sind dies in Geislingen lediglich 45 %, also weniger als die Hälfte. Da Empathie für die Lebenssituation des fremden Nächsten wie auch die Bereitschaft, sich darüber zu verständigen, zu den Grundvoraussetzungen einer auf der Selbstverantwortung der Bürger aufbauenden Bürgergesellschaft gehört, sollte uns dieser Unterschied zumindest nachdenklich machen.



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Erwartungen der Bürger an die Politik

Schulung und Qualifizierung als Voraussetzung für die Erfüllung bürgerschaftlicher Aufgaben erzielte in allen drei Städten ähnlich hohe Zustimmungswerte (zwischen 20 % und 26 %). Auf Anerkennung von Seiten des Staates für bürgerschaftliches Engagement legen dagegen jeweils nur sehr wenige Bürger Wert: in Geislingen 14 %, in Stirling 9 % und in Olot gar nur 3 %.



Teilweise deutliche Unterschiede zeigen sich dagegen bei der Bewertung von finanziellen Zuwendungen und personellen Hilfen. Während man in Geislingen auf personelle Hilfen (37 %) weitaus größeren Wert legt als auf Geld bzw. Sachleistungen (19 %), verhält es sich in Stirling gerade umgekehrt. Dort setzten 42 % Geld/Sachleistungen auf Platz 1 der

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Rangskala von Erwartungen an Stadt oder Staat, personelle Hilfen aber nur 17 %. Ein ähnliches Antwortmuster, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie in Stirling, findet sich auch in Olot. Auf jeden Fall wäre es interessant und lohnenswert, gerade zu diesem Thema den europäischen Dialog fortzusetzen.



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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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