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[Seite der Druckausg.: 86 (Fortsetzung)]

A. Braun: Meine Damen und Herren, wir sind jetzt 19 Uhr 30 wieder im Plan, und der Nachbar, den wir heute abend noch betrachten werden, sind die Niederlande. Ich darf ganz herzlich als sozusagen schon traditionelle Teilnehmer an dieser europäischen Runde Greet Pels und Henk Schippers hier begrüßen. Herzlichen Dank, daß Ihr Euch auch diesmal wieder die Mühe gemacht, die Situation in den Niederlanden hier für uns zu bearbeiten, und ganz besonderen Dank, daß Ihr im voraus diese schönen vielen Sheets zur Verfügung gestellt habt, damit niemand etwas mitschreiben muß, was ja bei unserer tischlosen Versammlung immer etwas schwierig ist. Ich werde mich jetzt hier aus der

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Moderation verabschieden und die Teilnehmerliste weiter durch den Saal begleiten, damit die dann morgen auch wirklich fertig ist. Herr Haag wird freundlicherweise hier jetzt das Präsidium übernehmen. Verfahren wie üblich: Ihr stellt Euch vor, es könnten ja Leute da sein, die Euch nicht kennen, und dann geht’s los. Danke schön.

Henk Schippers: Guten Abend, mein Name ist Henk Schippers, ich war vor vielen Jahren politisch aktiv in den Niederlanden auf Provinzebene und ich arbeite jetzt beim Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport in Holland und habe dabei ungefähr einen Tag pro Woche zu tun mit Altenpolitik, mit Altenverbänden und Projekten für Altenverbände. Ich habe eine kleine Wohngruppe mit Greet Pels, zu zweit, und sie stellt sich selber vor.

Greet Pels: Ich bin also Greet Pels; ich weiß es ist in deutsch ein bißchen schwierig auszusprechen, aber Sie dürfen ruhig Greet zu mir sagen, darauf höre ich auch. Ich wohne also mit Henk zusammen; ich bin tätig beim Allgemeinen Holländischen Bund für Ältere, der Bund für 50+ Leute und arbeite da als Organisationsberaterin. Daneben bin ich Mitglied im Gemeinderat in Ridderkerk, wo wir wohnen.

H. Schippers: Geht es so, können Sie so das hören? Wir haben für heute abend ungefähr 28 Folien gemacht, die projiziere ich dann, aber wir haben auch auf jeden Stuhl den Text hingelegt. So können Sie mitlesen, wenn Sie wollen, und auch dahinten, wo Sie nicht so gut sehen können, was hier steht, können Sie das auch auf den Folien lesen. Ich habe jede Folie ein Sheet genannt, das ist das englische Wort dafür. Wir haben heute abend ein Sheet vorbereitet, was wir überschrieben haben „Wohnen der Generationen in den Niederlanden". Das ist ein Überblick darüber, was bei uns über Wohnen für alte Menschen zu sagen ist

Aber wir fangen zuerst mit einigen Zahlen über Ältere in den Niederlanden an, wieviele das sind; wie das ist mit dem Wohnbesitz. Danach werden wir etwas sagen über Ausgangspunkte für Wohnen von Älteren und dann geben wir einen Überblick über Wohnformen, die wir in Holland kennen. Und danach gehen wir der Frage nach, wie tun wir das

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in Holland, wie wird das alles ermöglicht. Dann haben wir noch etwas über die Kosten und die Finanzierung. Und zum Schluß noch etwas über die Rolle der Älteren in Holland. Was wir tun, machen wir gemeinsam; ich fange an mit dem ersten Teil.

Die Anzahl älterer Menschen in Holland haben wir hier auf dieser Folie und darauf können Sie sehen, daß fast ein Drittel der Holländer über 50 Jahre ist und daß die Holländer von 65+, das ist das offizielle Rentenalter, 13 % der Bevölkerung ausmachen, das ist jeder siebte. Ich denke, daß Deutschland eine höhere Anzahl hat und auch eine höheren Anteil, also dies sind die Zahlen in Holland. Wenn wir nach der Zukunft gucken, dann sehen wir, daß wir ab jetzt ein schnelleres Wachstum erwarten können und zwischen 2010 und 2020 gibt es eine Verdopplung beim Zuwachs von alten Leuten und 2020 ist jeder fünfte Holländer 65+. Und auch dann gibt es in Deutschland höhere Anteile älterer Menschen als bei uns.

Wenn wir nach der Erwerbstätigkeit gucken, dann gibt es eine schlechtere Situation als in Deutschland. In den Niederlanden ist die Arbeitspartizipation von älteren Menschen viel niedriger als hier in Deutschland und anderen Ländern. Sie können sehen, daß bei uns zwischen 50 und 54 Jahren, 59 % der Niederländer erwerbstätig sind, in Deutschland sind es 70 %. Und wenn die Holländer älter werden, zwischen 55 und 59 sind es 39 % und in Deutschland immer noch 60 %. Das alles ist nicht so gut für die Ökonomie. Ich denke, daß wir in Holland die Arbeitskraft von älteren Leuten und auch ihre Erfahrung brauchen für die Ökonomie. Ich meine auch, daß es nicht so gut ist für die Gesundheitsvorsorge in Holland. Wenn man nicht arbeitet bei uns, bezahlt man wenig Steuern und auch keine Prämien, und damit können wir auch nicht die Versorgung für die sehr alten Leute in der Zukunft bezahlen. Wir haben sehr viel dafür getan, daß viele Leute zwischen 55 und 65 auch tatsächlich in Arbeit bleiben. Das ist jedenfalls eine Diskussion, die jetzt angefangen hat in Holland; in den letzten Jahren sind wir dabei, daß wir das auch tatsächlich realisieren.

Nun etwas über Wohnungen in Holland. Wir haben normale Wohnungen und Altenwohnungen; und die Zahlen darüber habe ich in Folie 5

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aufgeschrieben. Sie können sehen, daß ein Drittel der alten Menschen ab 75 Jahren in einer Altenwohnung wohnen; darunter sind sehr viele Alleinstehende. Das heißt auch, daß es ein bißchen so ist, weil viele Altenwohnungen zu klein sind für alten Menschen von heute, und das hat damit zu tun, daß wir viele Altenwohnungen vor 20, 25 Jahren bauten und damit auch kleine Wohnungen. Das waren damals gute Wohnungen, heute findet man die ein bißchen klein. Viele dieser alten Wohnungen haben nicht mehr als drei Zimmer und sind damit klein. Ja, ich denke in Deutschland sieht man das etwas anders; bei uns ist es aber doch eine Erfahrung, daß viele von den Altenwohnungen jetzt nicht mehr so gewollt werden von den alten Leuten von heute. Wir haben das den „bremsenden Vorsprung" genannt; jetzt bauen wir andere Altenwohnungen. Aber wir haben so viele Altenwohnungen aus den letzten Jahrzehnten, die nicht so begehrt sind; und das ist auch ein Problem in den Niederlanden, ein Luxusproblem, denke ich.

Eigenschaften von Altenwohnungen: ich habe hier die Altenwohnungen den üblichen Wohnungen gegenübergestellt. Da kann man sehen, daß doch viele Altenwohnungen Einfamilienhäuser sind, ungefähr eine von drei Wohnungen. Und dann hat man auch verhältnismäßig viele Parterrewohnungen und Appartementhäuser mit Aufzug, das sind die meisten Alten - Wohnungen in Holland. Man kann auch sehen, daß die meisten Wohnungen in der Periode ab 1965 gebaut wurden. Die meisten Wohnungen, ich denke eine normale Erscheinung, sind Mietwohnungen. Und auch wenn man nach der Anzahl der Zimmer schaut, dann sind das ein, zwei oder drei, da hat man fast alle Altenwohnungen damit erfaßt und dann hat man noch einige wenige Altenwohnungen, die haben mehr Zimmer. Das ist ungefähr das Bild von den Altenwohnungen in Holland.

Nun etwas über Wohnlasten: die Kaltmiete, also die Miete ohne Nebenkosten, weicht zwischen alten und jüngeren Haushalten wenig voneinander ab, wenn man dieselben Haushaltsgrößen vergleicht. Die Nettowohnlasten von Alleinstehenden sind deutlich niedriger als von anderen alten Leuten und das hat damit zu tun, daß viele alleinstehende alte Menschen in Holland wenig Einkommen haben, deswegen auch individuelle Mietsubventionen bekommen, und damit dann auch weni-

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ger Miete bezahlen, wenn man nach den Nettowohnlasten schaut. Und das ist auch so gewollt, dafür ist die Mietsubvention gedacht: auch alten Menschen, die nicht so viel Einkommen haben, doch eine gute Wohnung zu geben und auch noch genug Einkommen zu lassen, um davon zu leben. Andererseits ist die Miete pro Kopf von einer alleinstehenden Person durchschnittlich viel höher als die Miete in einem Mehrpersonen - Haushalt. Also sie bekommen zwar eine Mietsubvention, aber sind doch noch schlechter dran als die Mehrpersonenhaushalte. Wenn man nach dem Wohneigentum guckt, kann man sehen, daß Wohnungseigentum in Holland zunimmt. Das kommt daher, daß viele heute alte Menschen in den letzten 20 Jahre die Möglichkeit hatten, eine Wohnung zu kaufen. Diese Wohnung besitzen sie jetzt, haben auch die Hypothek abbezahlt, und damit sind für viele ältere Leute mit einer eigenen Wohnung jetzt die Wohnlasten viel niedriger als für andere Menschen die Miete. Das ist in Folie 7 auffallend, wenn man nach den Prozentenpunkten von Mietquote und Wohnlastenquote geht. Aber bei den Wohnlasten der Eigentümer ist es ein bißchen schwierig, weil nicht immer eingerechnet ist, daß man die Wohnung bzw. das Haus unterhalten muß. Oft fehlen auch die Versicherungen und Gemeindelasten. Aber normalerweise hat man mit einer eigenen Wohnung eine bessere Position als mit einer Mietwohnung. Auch in Deutschland wird das so sein, denke ich.

K.Vollmer: Die Angaben in der Grafik sind in Gulden gemacht. Wie wechselt der Gulden zur Mark zur Zeit?

G. Pels: 1000 Mark sind rund 1200 Gulden.

H. Schippers: Also dann ist ab Folie 8 Greet an der Reihe.

G. Pels: Wir haben das heute nachmittag auch schon gehört in Bezug auf Dänemark, und ich glaube das stimmt auf alle Fälle: man soll so lange wie möglich so selbständig wie möglich in der eigenen Wohnung bleiben. Und wenn dann die eigene Wohnung nicht mehr paßt, dann doch wenigstens in der eigenen Umgebung. Das sind schon Ausgangspunkte, es ist aber nicht immer so erreichbar.

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Aber im Rahmen dieser Ausgangspunkte werde ich Ihnen einige Trends nennen, die sich bei einer Untersuchung erwiesen haben. Auf dem Gebiet des Wohnens gab es Anzeichen dafür, daß Ältere länger in der eigenen Wohnung wohnen wollen. Der Prozentsatz der Älteren, die in Heimen wohnen, sinkt z.B. absolut und relativ in Holland. Aufgrund dieses Trends und der demographischen Entwicklung müssen 2015 ungefähr 50 % des gesamten Wohnungsbestands anpaßbar sein. Und wegen seinem relativen Rückstand in der heutigen Situation wird auf dem sozialen Mietsektor ein wichtiger Akzent liegen müssen. Man muß also vor allem von Gemeinden, von Baugenossenschaften, von Korporationen verlangen, dafür zu sorgen, daß von ihrem Wohnungsvorrat ein großer Teil der Wohnungen so renoviert wird, daß man auch da ältere Leute wohnen lassen kann. Ein Trend ist auch, daß Wohnraum für Ältere immer mehr im bestehenden Wohnungsvorrat gefunden wird. Ältere werden damit stärker integriert mit den anderen Generationen wohnen. Wir haben eine Zeit gehabt, da hat man doch sehr große Gebäude für Altenwohnungen und - Appartements gebaut. Mit sehr langen Korridoren, mit allerhand schönen Wohnungen dahinter und ab und zu Dienstleistungen auch dabei. Heute wird aber jetzt mehr und mehr versucht, die Wohnungen in kleinerer Anzahl einfach in die Wohnviertel hinein zu bekommen, so daß man vielleicht schon die alten Nachbarn hat. Und wir meinen auch, daß es für jüngere Leute in einem Viertel sehr gut ist, daß nicht nur Jüngere da wohnen, und die Älteren in so einem Gebiet, dem man schon von außen ansieht, aha, da wohnen die Opas und Omas. Wir hoffen, daß das alles so gelingt, aber jedenfalls ist es schon der heutige Trend.

Normen für angepassten Wohnraum für Ältere werden mehr und mehr zur allgemeinen Norm von Anpassbarkeit und Zugänglichkeit. Immer öfter wird in einer Art von Anpassbarkeit gebaut; sodaß, wenn man da wohnt und Behinderungen bekommt, die Wohnung einfach angepaßt werden kann. Daß man sozusagen lebenslang in derselben Wohnung wohnen kann, ohne daß es allzu viel kostet, die Wohnung umzurüsten. Um es Älteren möglich zu machen, selbständig zu bleiben, ist auch Aufmerksamkeit gefragt für die Wohnumgebung. Die soll sozial sicher sein und man benutzt da Nachbarschaftsprävention, Sicherheitsnetzwerke usw. Aber nicht nur die soziale Sicherheit auch die Verkehrssi-

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cherheit und der Zugang zur Wohnumgebung durch Pflasterung, Beleuchtung und sichere Gehwege für langsamen Verkehr ist wichtig. Meiner Meinung nach, sollte dieser Trend auch viel Aufmerksamkeit darauf richten, daß mehr Scootmobile, das sind diese Dreiradmopeds für Ältere, benutzt werden können, und daß die nötige Fahrwegbreite sowohl draußen als innerhalb von Kaufhäusern und Kaufcentren, auf Parkplätzen usw. vorhanden ist. Man sieht sie bei uns immer mehr in diesen überdachten Kaufcentren: da kommt wieder so ein Älterer mit seinem Scootmobil und das muß passieren können, da dürfen nicht allerhand Sachen im Wege stehen. Ab und zu, da fahren die wirklich zu schnell. Aber das wird auch erst ein Problem werden, wenn auch die Jüngeren denken, ach, das ist aber sehr schön! Und wenn zu viele von diesen Dingern auf dem Markt und im Zweit- oder Drittverkauf sind, dann muß man doch jetzt schon darüber nachdenken, ob es dann noch genügend Abstellplätze gibt usw.. Als letztes möchte ich auf den Trend hinweisen, daß Ältere denselben Bedarf haben wie jüngere Leute an Möglichkeiten zur Bewegung, zum Verreisen, oft in Zusammenhang mit täglichen Lebensgewohnheiten, wie Einkäufe machen und Familie und Freunde besuchen. Deshalb müssen gute und zugängliche öffentliche Transportmittel entwickelt werden. Und jetzt ist er wieder dran.

H. Schippers: Schön, nicht. Als nächstes geht es um die Wohnformen, die wir in Holland kennen, und zuerst möchte ich noch etwas sagen über Trends. Und da haben wir zunächst das barrierefreie Bauen, das kennen Sie auch in Deutschland. Dann das „Aufplussen" des bestehenden Wohnungsbestandes, das ist auch eine Politik in Holland. Aufplussen, kennen Sie das nicht nicht? Normale Wohnungen verbessern, etwas Plus geben für alte Leute, das ist, was wir mit Aufplussen meinen.

G. Pels: Das war auch in Holland kein existierendes Wort, das ist extra erfunden worden um dem, was man da macht, einen Namen zu geben.

H. Schippers: Gut, dann haben wir noch die Möglichkeit in den Wohnungen Anpassungen vorzunehmen. Ich möchte auch etwas sagen über Seniorenlabel und danach über Serviceflats und Wohnzentren. Wir haben auch „Anlehnwohnungen" in den Niederlanden; das sind Wohnun-

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gen bei Altenheimen, dann haben wir noch die Wohnsorgekomplexe und schließlich ist auch das Gruppenwohnen eine Idee in Holland, womit man sich schon ungefähr15 Jahre beschäftigt.

Über das hinaus, was Greet soeben über die Trends gesagt hat, möchte ich noch sagen, daß in Holland viele alte Menschen selbständig wohnen bleiben wollen und daß sicher sehr viele von ihnen das auch können, aber daß man in der Zukunft damit rechnen muß, daß viele Menschen einige Mobilitätsprobleme haben und auch für die muß man Möglichkeiten suchen. Viele ältere Menschen sind sehr zufrieden mit ihrem eigenen Haus und möchten auch nicht so schnell umsiedeln. Wenn sie das dennoch tun, dann hat das gesundheitliche Ursachen. Und in Holland ist der Wohnungsbestand noch nicht so günstig für alte Leute, das muß noch besser werden. Und dafür haben wir gerade auch die Möglichkeiten des Aufplussen; darauf komme ich noch.

Der erste Punkt ist jetzt also das barrierefreie Bauen. In Holland ist es so, daß jede neu gebaute Wohnung anpassbar gebaut werden soll. Und damit meint man, daß es eine normale Wohnung ist, aber die Wohnung muß direkt erreichbar sein durch Menschen mit einem Handicap. Und es soll auch Anpassungsmöglichkeiten in den Wohnungen geben, die einfach durchzuführen sein müssen, weil es möglich sein muß, daß wenn andere Leute mit anderen Handicaps kommen, daß man auch an diese Personen die Wohnungen anpassen kann. Ziel ist es, daß die Wohnung angepaßt wird an die Leute, die da hinziehen, und nicht umgekehrt, sobald man nicht mehr in einer Wohnung wohnen kann, daß man umziehen muß in eine andere Wohnung. Es handelt sich darum, daß die Menschen in den Wohnungen sehr alt werden können und da auch wohnen bleiben können. Es geht hauptsächlich um freie Durchgänge in die Wohnungen; dafür hat man insgesamt 112 Forderungen aufgestellt für die Wohnungen. Und es geht dann um freie Durchgänge, um die Verkehrsräume in den Wohnungen, daß die breit genug sind für Rollstühle, und freie Bodenflächen und die Höhe der Toiletten, die sind immer zu niedrig: wenn man Besuch bekommt von jemand in einem Rollstuhl, dann ist es ein Problem. Es geht auch um Höhenunterschiede, die nicht größer sein dürfen als maximal 2 cm. Man macht da sehr viel in Holland, und es ist auch so, daß die Behörden, die Gemeinden,

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die Organisationen für Behinderte und auch die Altenverbände damit sehr viel zu tun haben. Sie wollen erreichen, daß man neue Wohnungen anpaßbar und man barrierfrei baut, weil das gut ist für alle Leute und auch eine ziemlich einfache Lösung für die Probleme von vielen Menschen, die in einer Wohnung ein bißchen schwieriger laufen aber trotzdem mobil sein können.

Und dann das „Aufplussen": da geht es um die bestehende Wohnungen in Holland. Neue Wohnungen kann man anpassbar und barrierefrei bauen, aber viele Wohnungen in Holland müssen auch geeignet gemacht werden für die alten Leute, die da wohnen bleiben wollen bis ins hohe Alter; und in Holland geht es um ungefähr 800.000 Wohnungen, die man aufplussen, besser machen, anpassen muß an die Möglichkeiten von alten Leuten. Wir haben vor einigen Jahren damit angefangen, daß wir für viele Wohnungen in Holland oberhalb des dritten Stockwerks,für die keine Aufzüge vorhanden waren, Programme gemacht haben, um Aufzüge zu bauen. Und die Wohnungen sind danach sehr gut bewohnbar für alte Leute, die da auch oft wohnen, weil das normalerweise nicht so teure Wohnungen sind. Wir haben beim Aufplussen ein Basispaket dafür entwickelt. Und wenn man eine Wohnung aufplussen will, dann kann man dafür eine Reichsprämie bekommen von 2000 Gulden pro Wohnung. Das ist eine Stimulanz, für Wohnbau-Genossenschaften, um damit anzufangen, und das tut man auch häufig, weil die Wohnungen danach besser vermietet werden können an alte Menschen. Die Punkte für das Basispaket haben zu tun mit dem Wohngebäude; das heißt damit, daß man z.B. sichere Treppen baut, daß die Stufen also flach und rutschfest sind, daß man in die Wohnumgebung auch eine gute Beleuchtung hat, daß man auch...

G. Pels: Wir haben ein Wort gesucht, das im Wörterbuch nicht zu finden ist und ich habe dann gesagt, es müßte etwa heißen„schräg abfallender Eingang".

Zurufe: Rampe!

H. Schippers:....also Rampen für Rollstühle z.B. einbaut. Und in dem Basispaket steht auch, daß die Türen 85 cm breit sein sollen und

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210 cm hoch, mindestens; und dann kann die Wohnung auch besser gebraucht werden durch Menschen in einem Rollstuhl. Neben dem Gebäude hat man auch für die Wohnung eine Liste von Punkten, die man in den Wohnungen installieren soll, die man dafür aussucht. Es ist in Holland so, daß viele Baugenossenschaften suchen nach Komplexen in ihrem Wohnungsbestand, die man zusammen aufplussen kann und so zusammen besser, geeigneter machen kann für das Wohnen für alte Menschen. Und ich habe den Eindruck, daß das ein Trend ist in Holland, der sich sehr schnell durchsetzt, weil viele Baugesellschaften und Baugenossenschaften Probleme haben mit älteren Wohnungen, Wohnungen die 10, 20 Jahren alt sind, und auch deshalb Aufpluss-Möglichkeiten geben müssen, weil die Chancen, diese Wohnungen weiterhin vermieten zu können, sich dann erheblich verbessern.



Wir haben eine weitere Möglichkeit in Holland, daß Wohnungen angepaßt werden können....

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B. Kiefer: Bei diesem bisherigen Vorgehen, wer deckt da den Rest der Baukosten, von 6000 Gulden laut Ihrer Folie? Wird das vom Mieter übernommen?

H. Schippers: Nein, das ist die Baugenossenschaft, die bezahlt das, und ich denke, daß die Miete ein bißchen hochgehen wird.

B. Kiefer: Gibt es da keine Regeln?

H. Schippers: Nein, ich denke nicht.

B. Kiefer: In Deutschland können 11% der wertverbessernden Maßnahmen auf die Miete umgelegt werden.

Pels: Ja, aber in diesem Fall geht es nicht um die periodischen Verbesserungen. Es sind spezielle einmalige Projekte.

B. Kiefer: Ja, eine einmalige Verbesserung, das verstehe ich. Das kostet 6000 Mark abzüglich 2000 Prämie, dann bleiben 4000 Mark übrig,

H. Schippers: 4000 Gulden

G. Pels: Ja, aber da spielt die Provinz eine Rolle: man beantragt bei der Gemeinde Geld; und die Baugenossenschaften haben vielleicht noch irgendwo einen Fond, den sie dazu benutzen können. Und außerdem versucht man auch, das mit der normalen Renovierung der Wohnung zusammenfallen zu lassen. Aber genau kann ich Ihnen das nicht sagen.

H. Schippers: Es gibt keine Regeln dafür, man sucht im Einzelfall nach Lösungen, um das finanzierbar zu machen.

R. Narten: In Holland ist das etwas anders als bei uns: die Wohnungsgesellschaften haben eine jährliche Mieterhöhungs - Vorgabe vom Staat; die bezieht sich auf ihren gesamten Bestand, und die können dann innerhalb ihres Bestandes ein bißchen ausgleichen. Aber im Ganzen dürfen die Mieten im Durchschnitt nicht mehr als um diesen Prozentsatz steigen. Das ist das eine; und das zweite ist, daß die Mieten

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nach einem bestimmten Punktesystem berechnet werden, daß also für bestimmte Qualitätsmerkmale Punkte vergeben werden, und danach werden dann die Anpassungen berechnet. Wenn also die Wohnqualität steigt, können die Mieten erhöht werden. Aber insgesamt dürfen die Unternehmen ihre Gesamtmiete aus dem Wohnungsbestand nicht stärker erhöhen.

G. Haag: Ja, ich glaube die entscheidende Antwort war die, daß neben den Mitteln der Reichsprämie von 2000 Gulden auch noch andere Geldquellen angezapft werden können, um diese Kosten der Aufplussung zu bezahlen. Nicht wahr, so ist es.

H. Schippers: Ja, gut. Dann haben wir noch eine andere Möglichkeit, um in der Wohnung Anpassungen vorzunehmen, und das ist das Gesetz für die Versorgung Behinderter und das sind Anpassungen von Wohnungen für die Benutzung durch behinderte und alte Menschen. Es geht um Anpassungen in den Wohnungen, die ungefähr bis zu Kosten von 45.000 Gulden möglich sind. Die Gemeinde regelt und finanziert die Anpassungen und es geht darum, daß man versucht, das Umsiedeln und die Neueinrichtungen von Wohnungen für behinderte und alte Menschen zu verbessern. Es geht auch um bautechnische Anpassungen von Wohnungen: Alte brauchen andere Türen, eine andere Toilette oder auch andere Wohnhilfsmittel oder auch einen Treppen - Aufzug. Das sind die Möglichkeiten, die wir in Holland haben für größere Anpassungen in einer Wohnung. Es war früher nur für Behinderte möglich aber in den letzen Jahren können auch alte Menschen das benützen und damit auch ihre Wohnung so anpassen, daß sie damit noch Jahre in der eigenen Wohnung bleiben und in der gewohnten Wohnumgebung leben können. Und das ist sehr wichtig.

G. Pels: Wenn es sich um Anpassungen handelt, die mehr als 45.000 Gulden kosten, dann muß das schon beantragt werden. Weil das dann speziell für Behinderte gedacht ist, wird das dann bei einem Krankenkassenrat beantragt und das dauert wahrscheinlich sehr lange. Also versucht man immer, Anpassungen gerade unter dieser Grenze zu erledigen; aber wenn es unbedingt nötig ist, dann kann man auch diesen höheren Betrag beantragen.

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H. Schippers: In Holland haben wir in den letzten Jahren auch ein Konsumenten-Gütezeichen, das heißt bei uns Seniorenlabel, das ist ein Gütezeichen, das Seniorenverbände vergeben an Wohnungen, die sehr gut benutzbar sind für alte Menschen. Es geht dabei um die Sicherheit, bequeme Benutzung, Zugänglichkeit und Anpassbarkeit der Wohnungen. Ein Seniorenlabel wird vergeben z.B. an einen Komplex von Altenwohnungen, in dem die Wohnungen minimal drei Zimmer haben, wo die Leute mit zwei Personen außen sitzen können, wenn Zentralheizung vorhanden ist für alte Leute, wenn in der Nähe der Wohnungen Geschäfte sind, wo man einkaufen kann, und wenn auch in der Nähe der Wohnungen eine Post oder eine Bank da ist für Sachen, die man da erledigen muß. Und wichtig ist auch, daß die alten Leute in die Nähe von ihrer Wohnung mit einem öffentlichen Transportmittel kommen können und nicht weit weg von Bussen und Zügen sind. Auch hat man viel Aufmerksamkeit der Beleuchtung der direkten Umgebung gewidmet. Das Seniorenlabel ist gekommen, weil die Altenverbände und auch andere Verbände das sehr wichtig finden, daß Gemeinden, die für alte Leute bauen, auch wissen, was die alten Leute selber von ihren Wohnungen und ihrer Wohnumgebung erwarten. Und ein Seniorenlabel ist in Holland bei vielen Gemeinden sehr verbreitet und man arbeitet auch bei der Planung von Wohnungen für alte Leute mit dem Seniorenlabel.

G. Haag: Wer vergibt dieses Seniorenlabel? Wer erteilt das?

G. Pels: Die Verbände geben es aus, aber beim Bauen und Planen sind meistens auch Ältere dabei selbst beteiligt, und dann wird gleich gesagt, wir wollen das unter diesem Seniorenlabel bauen. Dann gibt es ein großes Handbuch mit all diesen Anforderungen und dann wird es zum Schluß hoffentlich auch tatsächlich verliehen. Es ist schon mal vorgekommen, daß man anfangs gesagt hat, ach, das bauen wir mit dem Seniorenlabel und daß am Ende trotz aller Kosten das doch nicht erreicht wurde. Und dann wird das auch nicht vergeben. Aber es wird in der Regel von den Altenverbänden vergeben.

I. Hoffmann: Wie erreicht man denn, daß das dann bei Fertigstellung immer noch den gleichen Standard hat?

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G. Pels: Ich denke schon, wenn man von vielen von diesen Sachen ausgeht, können die sich nicht einfach ändern. Wenn man 3 Zimmer hat, hat man 3 Zimmer. Und wenn man eine Zentralheizung hat, die für das Schlafzimmer gesondert regelbar ist, dann soll das gut bleiben. Aber ich bin mir da nicht sicher, wie das geschieht.

T. Schäublin: Wer hat das Label ausgedacht, wer finanziert es?

G. Pels: Wir haben in Holland eine Stiftung „Experimenteller Volkswohnungsbau" und die hat mit Leuten aus den Altenverbänden zusammen dieses Gütezeichen entwickelt. Ich war dabei, es war sehr schön.

Zwischenfrage: Gilt Ihr Mindeststandard von drei Zimmern auch für den Einpersonenhaushalt?

G. Pels: Ja, wir gehen davon aus, daß einer wohnen, schlafen und Gäste empfangen können muß. Und wenn man lang in seiner Wohnung bleiben soll, dann muß man auch die Möglichkeit haben, daß die Pfleger oder Pflegerinnen im Haus bzw. in der Wohnung verbleiben können. Und wir gehen auch davon aus, daß jeder Ältere seine eigene Hobbies hat und daß er oder sie einfach Platz dafür braucht.

Hilde Schmidt - Nebgen: Kostet das Label etwas, was muß man dafür bezahlen?

G. Pels: Nein, man muß nur diese Bedingungen erfüllen.

H. Schippers: Es muß so sein, daß eine Gemeinde oder eine Baugesellschaft etwas bauen wollen und das Gütezeichen, das Seniorenlabel, erhalten wollen. Damit sie das an ihren Wohnungen und ihrem Komplex anbringen kann: ich biete hier Wohnungen an, die altersgerecht sind. Guckt mal, ich habe das Seniorenlabel. Und es scheint auch ein bißchen so, daß viele Anbieter das doch erreichen wollen, daß das Seniorenlabel an ihre Wohnungen vergeben werden kann.

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G. Pels: Ich glaube diese Entwicklung zur Zertifizierung geht in Holland schon lange vor sich. Ich habe mich immer gewundert, daß es in Deutschland als reguläre Wohnungen für Ältere Einzimmerwohnungen geben kann. Ich kenne in Holland nur ein einziges Projekt, wo wir drei Einzimmerwohnungen haben. Und das war eine spezielle Seniorenwohnanlage und die sind schlecht vermietbar. Wir wollen einfach keine Einzimmerwohnungen haben und vielleicht liegt es auch daran, daß die Altenverbände doch etwas zu sagen haben, wenigstens, daß sie wissen, was alte Leute selber wollen.

S. Strömer: Wie groß sind diese Dreizimmerwohnungen in der Regel, wieviele Quadratmeter haben sie?

G. Pels: Es gibt spezielle Vorschriften bei Sozialmietwohnungen und die normale Größe liegt bei 60, 70 Quadratmeter für eine Wohnung.

S. Strömer: Und die finanzielle Belastung; was kostet das jetzt im sozialen Wohnungsbau, wenn man den vergleicht, können sich Behinderte und Senioren das überhaupt noch leisten?

H. Schippers: Es sind normale Wohnungen für alte Menschen, die in die normale Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus passen.

G. Pels: Das hat auch mit diesen ganzen Vorschriften für anpassbar bauen zu tun: Weil wir z.B. schon ausgehen können von breiten Türen und von allerhand anderen solchen Sachen, die damit zu tun haben, ist das Seniorenlabel nur ein Plus. Und wenn man dann genügend Wohnungen auf einmal baut, kann man mit den Produzenten auch Gespräche über Preise führen. Die Grenze für einen Mietzuschuß liegt etwa bei 700 Gulden, und man versucht darunter zu bleiben. Das gelingt nicht immer, aber man braucht auch nicht nur Sozialmietwohnungen. So man kann auch andere Wohnungen bauen, die diese Gütezeichen bekommen können; man kann ja auch Eigentumswohnungen bauen, die das auch haben, und die verkaufen. Mit diesen drei Dingen zusammen macht man dann die Pläne und macht es für die, die weniger Einkommen haben doch bezahlbar.

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G. Haag: Also in Deutschland sagt ja auch das Kuratorium Deutsche Altershilfe schon seit Jahren, wenn Ihr größere Komplexe baut, und baut die von vornherein altengerecht, sind die Mehrkosten relativ gering. Hinterher die Wohnungen umzurüsten, das ist die eigentlich teure Sache. Und das ist auch der große Vorteil, daß man in Holland von vornherein beim Wohnungsbau sagt, er muß mehr oder weniger altengerecht ausgestattet sein.

H. Schippers: Man kann entweder anpassbar bauen, barrierefrei bauen oder aufplussen und auch das Seniorenlabel sind alles Maßnahmen, damit man in 5, 10 Jahren nicht mehr Probleme hat mit Wohnungen für Menschen, die behindert sind, alt sind. Das muß, ich denke, auch sehr gut sein für die Baugesellschaften und Baugenossenschaften, um sagen zu können, wir haben bessere Wohnungen als andere. Und so führt das zu einer Verbesserung für den gesamten Wohnungsbestand in Holland für alte Leute.

G. Hirche: Seit wievielen Jahren wird systematisch diese Politik betrieben, diese Wohnungen so zu bauen?

G. Pels: Anpaßbar gebaut wird jetzt, denke ich, seit 8 Jahren.

H. Schippers: Ja, das ist nicht so einfach zu sagen. Wir haben ungefähr vor 25 Jahren angefangen mit dem Bau von Wohnungen für alte Leuten, die Anlehnwohnungen - da komme ich noch drauf. Aber wir haben dabei auch eine Entwicklung durchgemacht: anpaßbar bauen, aufplussen und andere Maßnahmen sind daneben entstanden. Es hat auch etwas zu tun mit der Politik, daß in Holland weniger Menschen in Einrichtungen wohnen wollen und mehr zuhause bleiben wollen oder in Wohnungen, die angepaßt sind für alte Leute, so daß sie dort zum Beispiel sterben können und nicht mehr noch in ein Altenheim oder Pflegeheim gehen müssen.

H. Stolarz: Frage zum Seniorenlabel. Schreibt das Seniorenlabel eigentlich einen Aufzug vor?

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G. Pels: Das Seniorenlabel schreibt vor, daß man überall in die eigene Wohnung kommen können muß. Also wenn es Wohnungen gibt in zwei Stockwerken, dann muß da ein Aufzug sein. Oder wenn es eine eigene Wohnung ist,- über zwei oder drei Stockwerke -, dann muß man, auch wenn man behindert ist, nach oben kommen können. Und vielleicht muß es dann nachträglich anpaßbar sein, denn das Seniorenlabel hat auch etwas zu tun mit Kosten, aber dann muß es wenigsten so gebaut sein, daß mit geringsten Kosten ein Treppenlift installiert werden kann.

B. Kiefer: Wenn das so toll ist mit dem Bau von Wohnungen für alte Leute in Holland im Gegensatz zur BRD, hängt das auch damit zusammen, daß der weitaus größte Teil des Mietwohnungsbestandes eben im Besitz von Genossenschaften, von Baugenossenschaften ist im Gegensatz zu unserer Situation.

H. Schippers: Wir haben ungefähr 6 Millionen Wohnungen und 2,5 Millionen sind in den Händen von Baugenossenschaften. Ich weiß nicht, ob das ein hoher Prozentsatz ist, aber sie haben viel zu tun in Holland und sind wichtig dafür, was in Holland mit Wohnungen und Wohnen geschieht.

G. Haag: Ich glaube die Frage ist jetzt hinreichend beantwortet. Ich meine, um noch einmal zu dem Label zu kommen, das ist ein Nachfrageproblem. Derjenige, der ein solches Label vorweisen kann, hat andere Chancen, seine Wohnungen vermieten zu können, als derjenige, der das nicht hat. Also wir haben ja heute eine ähnliche Entwicklung langsam auch im stationären Bereich, daß die Leute sich um ein Gütesiegel bemühen. Warum bemühen sie sich um ein Gütesiegel? Weil wir immer mehr freie Plätze im stationären Bereich haben, die Leute mehr Chancen haben auszuwählen, und wenn ich die Chance habe auszuwählen, dann gucke ich natürlich nach einem Gütesiegel. Und so ähnlich stelle ich mir das hier mit dem Gütesiegel vor.

H. Schippers: Ja, ich muß mal auf die Zeit gucken und ich denke, daß ich vielleicht noch über wenige andere Dinge sprechen sollte. Bisher haben wir gesprochen über Wohnen und Wohnungen von alten Men-

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schen, ohne daß sie da gleichzeitig Versorgung und Hilfe bekommen. Wir kennen in Holland noch Serviceflats und Wohnzentren, das sind komplexe Wohnungen für alte Leute. Ein Serviceflat ist ein bißchen eine teure Angelegenheit, eine für etwas reiche alte Menschen

G. Haag: Mit unseren Seniorenstiften vergleichbar.

H. Schippers: Wohnzentren sind etwas für normale Menschen, will ich sagen. In beiden hat man Wohnungen und man bekommt dazu einige Hilfe von einem Hausmeister, man kann Mahlzeiten bekommen und es gibt auch einen Pflegedienst. Es hängt ein bißchen davon ab, ob man in einem Serviceflat wohnt, wo man viel davon anbietet, und das gilt auch für die Wohnzentren. Es sind jedenfalls Wohnformen, wo es um Dienstleistungen geht, die sie den Menschen anbieten, die da wohnen; aber es geht nicht um die Pflege von Menschen. Das muß man dabei unterscheiden. Aber wenn man da wohnt, hat man ein bißchen mehr Sicherheit für Hilfe und das ist was für Menschen, die das schätzen.

G. Haag: Aber ich muß diese Dienstleistungen zusätzlich bezahlen?

H. Schippers: Ja, die bezahlt man mit der Miete oder man bezahlt sie, wenn man sie bekommt. Normalerweise ist es so, daß man da wohnt, eine Miete bezahlt, und in der Miete sind die Dienstleistungen einberechnet. Und dann kann man auch sicher mit der Leistung rechnen.

K. Vollmer: Bekommt man die Dienstleistung dann nur auf Anforderung, oder gibt es bestimmte Leistungen, die automatisch erbracht werden?

G. Pels: Es gibt die automatischen,z.B. daß man eine Notrufanschluß hat oder daß da ein Hausmeister arbeitet, den man fragen kann, hängen Sie mir das hier an die Wand; meine Toilette spült nicht gut, wollen Sie mal danach gucken. Aber wenn man Mahlzeiten oder Putzfrauen braucht oder Pflege, dann muß man das extra anfordern und extra bezahlen.

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K. Vollmer: Das bezeichnen wir mit den Begriffen Grundleistung und Wahlleistung.

G. Pels: Ja, das kann bei jedem Komplex anders geregelt sein. Da kann man ein Abonnement haben oder eine freie Vereinbarung treffen, wenn man sich das leisten kann. Da kann man keine Regel nennen in Holland, das ist sehr unterschiedlich.

K. Vollmer: Ich versuche immer den Vergleich herzustellen zu unserem Betreuten Wohnen, aber da haben Sie uns enttäuscht.

H. Schippers: Zum Betreuten Wohnen vielleicht noch: neben diesen Serviceflats und Wohnzentren kennen wir in Holland auch noch Anlehnwohnungen. Das sind Wohnungen, die neben einem Altenheim dazu gebaut sind, womit die Versorgung von dem Altenheim auch in den Anlehnwohnungen angeboten werden kann. Das ist ein Angebot, wo man dicht an die Versorgung herankommt, die ein Altenheim bietet. Man kann selbständig wohnen in so einer Anlehnwohnung, auch wenn man eine Indikation für ein Altenheim hat. Man muß in Holland für die stationären Einrichtungen für alte Menschen eine Indikation von der Regionalen Indikations Organisation (RIO)haben. Sonst kann man nicht darin wohnen.

G. Pels: Es ist ein ganz neues Institut.

H. Schippers: Die letzte Entwicklung in Holland hat zu tun mit den Wohn - Pflege - Komplexen. Es gibt in Holland eine Entwicklung, daß man weniger Altenheime bauen will, daß aber auch die Menschen da nicht so gerne hingehen wollen. Auch für Plätze in den Pflegeheimen gibt es keine so große Nachfrage wie man das vor 5 oder 10 Jahren noch dachte. Jetzt versucht man, Wohn - Pflege - Komplexe zu bauen. Das sind selbständige Wohnungen, wo es gemeinschaftliche Räume gibt für Regeneration, Hobby, Küche und Gästezimmer; man hat Dienstleistungen und Pflegeangebote. Es gibt auch Räume für Pflege-Anbieter von außen, die da arbeiten können und den Leuten in den Wohn - Pflege - Komplexen helfen können. Es geht in den Wohn - Pflege - Komplexen um „Pflege nach Maß". Wir wissen, in den Alten

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heimen, wo man wohnt und die Versorgung bekommt, man muß alles, was einem angeboten wird, auch abnehmen. Und das ist in den Wohn - Pflege - Komplexen nicht so. Es geht auch darum, den Menschen Sicherheit zu bieten; man hat deshalb meistens auch einen Hausmeister. Was aber anders ist als die frühere Situation in den Pflegeheimen, ist, daß man für das Wohnen bezahlt und getrennt davon bezahlt man für die Versorgung. Und was man für die Versorgung bezahlt, hängt davon ab, was man an Versorgung braucht und dem Wohn - Pflege - Komplex aus seinem Angebot abnimmt.. Und auch für die Wohn - Pflege - Komplexe braucht man eine Indikation. Man kann aber auch da drin wohnen, wenn man etwa „nur" indiziert ist für Hilfen in der Wohnung, für Haushalts - Versorgung.

Wir hatten noch etwas über Gruppenwohnungen, auf deutsch wohl „Wohngemeinschaften", vorbereitet; aber das haben Sie auf dem einen Video - Band sehen können, das werde ich jetzt weglassen.

Wenn ich ein bißchen versuche, zusammenzufassen, dann kann man sehen, daß bei uns in Holland der Bedarf bei Alten- und Pflegeheimen nicht so schnell wächst, wie man gedacht hat; bei den Plätzen in Alten(Wohn)heimen nimmt er sogar ein bißchen ab: wir haben weniger als vor 10 Jahren. Daneben kommen Wohn - Pflege - Komplexe, die nehmen zu, und wie das weitergeht in Holland, ist ein bißchen abhängig von der Politik und der Gesetzgebung darüber. Man hat eine Diskussion in Holland, wie die Weiterentwicklung der herkömmlichen Einrichtungen für alte Menschen mit den neuen Entwicklungen etwa von Wohn - Pflege - Komplexen zusammengehen soll in der Zukunft. Ich denke, daß die herkömmlichen Einrichtungen weniger werden und die Wohn - Pflege - Komplexe zunehmen sollen. Das hat auch viel zu tun mit der anderen Entwicklung, daß viele Menschen in den Niederlanden in ihrem eigenen Haus bleiben wollen und dafür Anpassungen, Aufplussen, brauchen, um das zu tun. Und auch von Seiten der Politik in Holland tut man dafür viel und hat auch eine Priorität auf solche Maßnahmen gelegt. Damit versuchen wir, eine realistisch Chance dafür zu bieten, daß jeder in Holland, solange wie das möglich ist, in der eigenen Wohnung bleiben kann. Man sieht, daß auch gegenwärtig Änderungen in der Diskussion sind ;und vielleicht können wir in 5 Jahre ein

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deutlicheres Bild davon geben, wie wir uns entschieden haben, in welcher Richtung wir weitergehen.

U. Kruse: Wie ist das mit den Kosten für die Pflege; gilt das bei Ihnen auch zunächst das Aufbrauchen der eigenen Vermögenswerte, wie das bei uns ja immer noch ist?

H. Schippers: In Holland hatten wir die Situation, daß man in einem Pflegeheim einen einkommensabhängigen Beitrag bezahlt hat; dagegen mußte man für ein Altenheim alles bezahlen, bis man kein Geld mehr hatte; und auch das Vermögen mußte aufgezehrt werden. Das war im Vergleich mit den Pflegeheimen nicht so gut, und vor ungefähr 2, 3 Jahren hat man das geändert und jetzt braucht man auch für einen Platz im Altenheim nur den einkommensabhängigen Beitrag zu bezahlen und überdies kann man das Vermögen behalten.

G. Pels: Das kann man den Kindern schenken.

H. Schippers: Das braucht man nicht mehr einzusetzen für einen Platz in einem Altenheim.

A. Braun: Das hat den Trend in Richtung Pflegeheim gemildert.

H. Schippers: Die Diskussion in Holland läuft in folgende Richtung: Pflegeheime und Altenheime sind nicht mehr so verschieden, die entwickeln sich auf einander zu, werden ungefähr dasselbe. Und das hat auch viel zu tun mit der Diskussion darüber, was wir für die Zukunft wollen: mehr Heime oder mehr Wohn - Pflege - Komplexe. Auch für die Übersichtlichkeit in der Altenversorgung ist es gut, wenn wir versuchen, für Altenheime und Pflegeheime dieselbe Regelungen zu haben, auch bei der Finanzierung.

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[Anschließende Diskussion]

G. Haag: Also ehe wir jetzt in die allgemeine Diskussion einsteigen, möchte ich Ihnen beiden erstmal sehr herzlich danken für den Beitrag. Ich möchte mich bei Ihnen dafür danken, daß Sie ihn in deutscher Sprache vorgetragen haben. Ich möchte Ihnen aber auch besonders noch danken für die schriftlichen Vorlagen, die Sie hier uns ausgege-

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ben haben, denn all das, was Sie jetzt aus Zeitgründen nicht mehr sagen konnten, das können wir hier sogar noch nachlesen und haben die Möglichkeit Sie morgen in Einzelgesprächen dazu auch noch zu befragen, wenn hier also offene Fragen bleiben. So, und nun haben wir also noch 20 Minuten Zeit, in eine allgemeine Diskussion einzusteigen.

Zwischenfrage: Sind alle Parteien in Holland derselben Meinung, daß alle diese von Ihnen geschilderten Trends unterstützen?

H. Schippers: Wenn Sie politische Parteien meinen, dann denke ich, daß wir politisch in Holland eine große Übereinstimmung haben über die Richtung, in die wir gehen sollen.

Zwischenfrage: Zum Personalschlüssel; bei einer Pflegekraft pro Patient, wie sie Ihr sheet 19 für die Pflegeheime ausweist, kann es sicher nicht so sein, daß dieser Personalschlüssel nur von gelernten und qualifizierten Fachkräften ausgefüllt wird. Da würde ich gerne mal von Ihnen hören, wie das aussieht, wie das Personal zusammengesetzt ist.

G. Pels: Ich glaube, soweit können wir das nicht genau sagen; denn man sucht sich die Ziffern aus,und man zählt da jeden Menschen mit. Aber in Holland kann ich mir kaum vorstellen, daß das Personal in Pflegeheimen nicht fast alles gut qualifiziert ist.

H. Schippers: Ja und wir arbeiten viel mit Leuten in Ausbildung, aber jemand, der nicht qualifiziert ist, bekommt keine Arbeit in einem Pflegeheim. Das kann ich mir nicht vorstellen.

G. Pels: Aber ich weiß nicht, was man da mitgerechnet hat, z.B. die Putzfrauen.

G. Haag: Ich glaube die Frage war vor dem Hintergrund, daß wir im Augenblick aufgrund von mangelnden Finanzen die Situation verzeichnen, daß unsere noch vor 2, 3 Jahren relativ gut aussehenden Zahlen im Personalbereich im Augenblick in einem Maße schrumpfen, daß die Qualität der Pflege in Frage gestellt werden muß. Und die Frage ging wohl dahin, verzeichnen Sie in Holland eine ähnliche Ent-

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wicklung oder müssen Sie sagen, nein, an dem Punkt spart Holland nicht.

H. Schippers: Ich denke nein; die Diskussion geht nicht in die Richtung, daß wir weniger qualifiziertes Personal in Pflegeheimen bekommen. Wir machen uns schon Sorgen über qualifiziertes Personal, das man einsetzen kann, das man bekommen kann. Man ist auch in der Richtung tätig, daß wir versuchen, diese Berufe etwas attraktiver zu machen. Ich denke, daß wir an den der hohen Qualifikation von Menschen, die in Pflegeheimen arbeiten, auch in Zukunft festhalten.

G. Pels: Was man auch bei uns sehr stark merkt, ist, daß bei der Hilfe zu hause, bei der Familienhilfe inzwischen Mangel an Personal herrscht und daß man da jetzt anders reagiert. Erst hat man immer gesagt, wir haben nicht genügend Geld; jetzt ist das Geld da, aber jetzt haben wir keine Leute, die da arbeiten wollen. Und nun versucht man auch da eine Art Jobrotation, Zirkulation zu machen von Leuten, die einige Zeit in der Familienhilfe bei Älteren arbeiten, dann einige Zeit im Heim. Oft ist das angenehmer, wenn man Kinder hat, daß man feste Zeiten hat und nicht abends und morgens früh zu den Patienten soll. Und nach einiger Zeit gibt es auch solche Plätze; und weil es meist große Gesellschaften sind, machen die dann einen Plan, daß das Personal wechselt; das macht das Ganze auch attraktiver, damit versucht man jetzt gerade viele Frauen zu werben.

G. Haag: Wenn Sie den ambulanten Bereich ansprechen, der also die häusliche Versorgung mit sicherstellt, verzeichnen Sie da wie in der Bundesrepublik eine starke Zunahme von gewerblichen Betrieben; daß es also nicht mehr frei - gemeinnützige Wohlfahrtsverbände oder kirchliche Dienste sind sondern gewerbliche Träger?

G. Pels: Wir haben die sogenannten anerkannten Gesellschaften, die dann auch ihre Rechnungen bezahlt bekommen von Krankenkassen und gemäß dem allgemeinen Gesetz über besondere Krankheitskosten. Wir haben daneben andere Träger, aber im letzten Jahr wurde beschlossen, daß man sich nicht auf Marktwirkung verlassen will und daß

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die anderen also vorläufig noch keine Anerkennung durch die Kassen bekommen.



Burkhard Wischemann: Zunächst einmal ist es kein Thema hier, aber ich möchte es gerne wissen. In Holland gibt es unheimlich viele alte Häuser - in Großstädten, Amsterdam z.B. und Den Haag usw. - uralte Häuser. Wie will man die modernisieren? Oder will man die eines Tages wegreißen?

G. Pels: Man stützt die Fassade, reißt den Hintergrund weg und baut neue Wohnungen dahinter. Und von vorne sieht es aus wie immer und die Hinterseite ist modern. Aber das kann man nicht immer machen.

B. Wischemann: In den alleinstehenden Häusern mit ein oder zwei Wohnungen da sind Treppen dabei, die sind für uns gefährlich, lebensgefährlich. Treppenlift einbauen kann man gar nicht, die sind zu eng, was macht man da?

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A. Braun: Woanders wohnen!

G. Pels: Aber es gibt noch immer solche Wohnungen, wo Leute sehr gerne wohnen. Aber wenn man nach Amsterdam kommt und sich die alten Viertel ansieht, da ist schon sehr viel renoviert, sehr viel abgerissen und neu gebaut worden.

B. Wischemann: Ich spreche von alten Häusern!

G. Pels: Ja, ich auch. Ich bin da geboren, wir haben unsere Kinder da wohnen. Sehr viele alte Häuser werden renoviert und bekommen dann doch Treppen, die bequemer sind. Aber sehr viele jüngere Leute wohnen noch immer gerne in diesen alten Wohnungen, die sehr billig sind, und die nehmen die Treppe wegen der Miete in Kauf. Und ältere Leute siedeln um; das ist nicht immer schön, aber es geschieht. Und außerdem, glaube ich, sehr viel wird anpassbar renoviert.

N.N.: Ich wollte etwas dazu sagen, wie es kommt, daß in Holland manche Dinge sich besser durchsetzen als in Deutschland. Ich habe in Holland 17 Jahre gewohnt, ich kann das ein wenig beurteilen. Ich glaube, in Holland gibt es eine andere Grundtendenz in diesen Fragen. Mir kommt es so vor, als hätte es sehr viel damit zu tun, daß es in Holland große, starke Seniorenverbände gibt, die sich auch durchsetzen. Und die gibt es in Deutschland eben nicht - aus welchen Gründen auch immer, das brauchen wir nicht erörtern. Einerseits stellen sie Forderungen, andererseits bilden sie ihre Mitglieder aber auch weiter; sie fördern sie auch, es werden z.B. Angebote gemacht, werden Hilfestellungen gegeben im Bereich des Wohnens. Ich denke das ist ein ganz gravierender Unterschied

H. Schippers: Ja und wir haben auch eine spezielle Sozialpolitik für alte Menschen: die AOW, damals konzipiert von der Partei der Arbeit, von Drees. Und auch bei den Diskussionen, die wir in Holland haben mit den Altenverbänden, den Behindertenverbänden und überhaupt den Organisationen von behinderten und alten Menschen, kommt die Politik nicht darum herum, auf die Wünsche zu hören und was ihre Verbände sagen. Wir haben in Holland auch einen starken Patienten- und

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Konsumentenverband für Krankenhaus- und Arztleistungen. Wir haben eine politische Strukturierung der Gesellschaft gehabt, da haben wir alles gleich dreifach: allgemein, katholisch und evangelisch. Das gibt auch noch die Möglichkeiten, daß wir ein bißchen stärker sind; weil wenn ein katholischer Verband da ist, dann muß die evangelische Kirche auch so etwas haben. Das ist ein anderes Leben mit gesellschaftlichen Gruppen und Interessen, und wie man sich organisiert, um etwas zu tun.

T. Schäublin: Also ich möchte gerne auf etwas hinweisen im Zusammenhang damit, daß Sie ja jetzt eine neue Regierung haben. Da gibt es in Holland eine Beratungsstelle, die erwähnt worden ist vorher wegen dem Label, eine Beratungsstelle, die die Regierung berät. Ich habe zufällig vor kurzem in einem deutschen Text gefunden, was die Beratungsstelle, die auch das Label entwickelt hat, was die für Kompetenzen hat, was die machen kann und konnte. Diese Stiftung, für Wohnexperimente, die ZEV, die also 1988 errichtet wurde, die hat die Förderung von Neuerungen auf dem Gebiet von Wohnungsbau und Wohnungswesen zugunsten eines besseren Anschlusses an gesellschaftliche Marktentwicklungen zum Ziel. Die Förderung der Zusammenarbeit der an dem Wohnungsbau und Wohnungswesen beteiligten Marktteilnehmer, also auch in Bezug auf die Behörden. Jährlich entwirft der ZEV einen Jahresplan usw. und jetzt kommt der wichtigste Punkt: einem Experiment kann die ZEV Unterstützung verleihen, wenn es in ein Versuchsprogramm paßt und bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind. Aber, sie können auch die Regierung dahingehend beraten, daß sie ein Experiment durchführen, das nicht gesetzeskonform ist. Die können eine Ausnahmeregelung finanzieren, um zu sehen, geht das gut. Und dann haben sie etwas sehr wesentliches gemacht, z.B. haben sie dann vor acht Jahren acht von diesen Wohngruppen - Experimenten einer Evaluation unterzogen und erklärt wo und wie und was ist gut und was ist schlecht. Also ich bin erstaunt, was die fertiggebracht haben.

G. Haag: Aber das wirft ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis zwischen freien Vereinigungen und Instituten einerseits und behördlichen, staatlichen Stellen andererseits. Und das ist in Holland eben grundsätzlich anders als bei uns. Das finden wir auch in den skandina-

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vischen Ländern. Nichtwahr hier haben also namhafte Institutionen eine ganz andere Form der Zusammenarbeit mit staatlich - kommunalen Stellen, als das bei uns der Fall ist. Was meinen Sie, wieviel kluge Vorschläge vom Kuratorium Deutsche Altershilfe, die sozusagen nicht gesetzeskonform waren, bis jetzt in den letzten 10 Jahren an die Regierung herangetragen wurden. Und wie wenig davon überhaupt je realisiert wurde. Man nimmt das zur Kenntnis und legt das ab. Vielleicht möchten Sie widersprechen, Herr Stolarz?

H. Stolarz: Im Gegenteil, ich möchte noch eins draufsetzen: wir haben einen sehr guten Kontakt vom KDA mit denen. Wir haben auch zusammen eine Konferenz gemacht letztes Jahr, aber davon will ich jetzt nicht erzählen, sondern nur sagen, was für deutsche Verhältnisse schwer vorstellbar ist: die werden also voll finanziert von der Regierung, also institutionell gefördert und zwar nicht nur von einem Ministerium sondern von zwei Ministerien. Und zwar, wie sich das eigentlich gehört bei solch einer Aufgaben, vom Bauministerium und dem Sozialministerium.

H. Schippers: Nein, dem Gesundheitsministerium, meinem Ministerium. Es funktioniert auch so ein bißchen wie ein Sparringpartner für die Ministerien; man versucht zusammen, das alles ein bißchen weiterzubringen, als die Ministerien allein das nur könnten. Das ist ein guter Club, tut gute Dinge und hat auch ein großes Vertrauen von allen Leuten, auch in den Baugesellschaften und so.

G. Haag: Wir haben jetzt noch drei oder vier Minuten, ehe Sie Ihren wohlverdienten Feierabend haben sollen, um morgen wieder ganz frisch und fit zu sein. Ich möchte aber noch eine Frage ganz kurz stellen, nämlich die Frage nach der Indikation. Also Sie haben erwähnt, übrigens hat das Herr Theisler auch erwähnt, daß Sie eine kleine Kommission haben, in der sozusagen der Antrag auf Aufnahme in eine Institution erstmal überprüft wird in Hinblick auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit. In Holland, meine ich, auch stark verbunden mit einer allgemeinen Beratung. Viele Leute denken, ja ich muß in ein Heim, weil es sonst keine Möglichkeit mehr gibt; und unter Umständen stellt sich im Rahmen dieser Beratung heraus, da gibt es ambulante

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oder teilstationäre Hilfen und es ist vielleicht noch gar kein Heimaufenthalt erforderlich. Solche Kommissionen haben Sie ja nun in Holland schon seit vielen, vielen Jahren, haben also eine lange Tradition. Wir haben in Deutschland oftmals darüber diskutiert, beim Deutschen Verein und so, ob wir nicht auch solche Kommissionen haben sollten. Die Verfechter dieser Meinung sagten immer, wenn alte Menschen den Wunsch haben, in ein Heim zu gehen und können das selbst bezahlen, dann sollen sie das also auch tun; aber wer hier Steuermittel in Anspruch nehmen will, der müßte sich eigentlich auch die Frage gefallen lassen, ist denn das wirklich notwendig hier in diesem Falle oder gibt es vielleicht noch ganz andere Möglichkeiten? Aber das war bei den Wohlfahrtsverbänden und sonstwo also nicht durchsetzbar, die Einrichtung solcher Heimkommissionen. Und mich interessiert jetzt einfach nochmal, welche Erfahrungen positiv oder negativ haben Sie mit diesen Indikationskommissionen gemacht?

G. Pels: Die ersten Indikationskommissionen sind glaube ich schon in ‘76 eingerichtet worden und das Ziel war, unabhängig von irgendeinem, der irgendwie mit der Sache zu tun hat, festzustellen, ob ein alter Mensch, ja oder nein, in einem Altenheim passend wohnen könnte. Es gab damals zu wenig Plätze und zuviele Anfragen und die Wartelisten wurden besonders lang. Und man hat gesagt, man soll das doch ein bißchen aussortieren. Es hat sich ergeben, daß das eigentlich sehr gut wirkt. Aber es ist sehr schwierig, immer objektiv zu bleiben, wenn man die Umgebung kennt, wenn man die Häuser kennt und die Probleme. Denn es sollte auch gesagt werden, man kann auch diese oder jene Hilfe irgendwo anfordern; z.B. Mahlzeiten zuhause bekommen oder allerhand andere Sachen konnten angeboten werden. Ja, die Leute sollten beraten werden. Und wenn man dann weiß, daß es überhaupt keinen Platz gibt in einem Altenheim in der Umgebung, dann ist es einfacher zu sagen, ach fragen Sie doch da Hilfen nach, oder zu sagen, für Sie könnte es noch lange dauern, sie müssen das tun. Und damit war das Ziel, auch deutlich werden zu lassen, wieviel Plätze in Altenheimen sinnvoll seien, das war nicht mehr abzuschätzen. Denn statt zu beraten, wurde immer wieder gesagt, das oder das ist angemessen für Sie, bloß weil da was anzubieten war.

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Danach sind soviel mehr Möglichkeiten zur Pflegeversorgung, zur Hilfe gekommen, daß man gesagt hat, wir sollten eigentlich eine Stelle haben, wo man mit allen Fragen hingehen kann. Und später hat man gesagt, wir sollten eigentlich eine Indikationskommission haben, wo man mit allen Fragen von Pflegeheim, Altenheim, Familiendienst, warme Mahlzeiten, Gymnastik, weiß was alles, zurecht kommen kann. Und jetzt haben wir das dann auch noch ausgeweitet, sodaß das nicht nur ein Ausschuß ist auf Kommunalebene, sondern daß die Organisation auf regionaler Ebene gemacht wird, und daß man dieselben Regeln in einer ganzen Region zur Anwendung bringt. Und daß man auch eine Gesamtsicht bekommt von den Wünschen unter alten Leuten, die in einer ganzen Region leben, in einem Heim oder nicht in einem Heim, zuhause einen Familiendienst brauchen oder was auch immer. Und es gibt viele Schwierigkeiten, um das alles zu regeln. Zum Beispiel sagen Wohngruppen, wir bestimmen selbst, wer in unsere Wohngruppe wohnen soll. Die Indikationskommission kann sagen, es wäre für Sie vielleicht eine gute Idee, in einer Wohngruppe zu wohnen; aber man kann da nicht jemanden einschieben, denn das muß passen, die wollen das selber entscheiden. Es ist auch schwierig, eine Indikation für ein Altenheim zu geben, wenn es da keinen Platz gibt. Oder für Familiensorge, wenn es keine Frauen oder keine Männer gibt, die das machen wollen. Da kann man schon eine Indikation haben, aber die Realisierung bleibt immer schwierig. Aber wir haben seit kurzer Zeit in allen Regios in Holland diese Organisationen, und da kann man für Pflegeheim, Altenheim und Familienpflege Anfragen stellen.

H. Schippers: Das ist die regionale Indikation; aber was wir auch haben in Holland, ist, daß wir versuchen, die Versorgung, was den Menschen angeboten wird an Altenheimen, Pflegeheimen, Zuhauseversorgung, auch zu planen auf derselben regionalen Ebene, so daß man die Planung und die Indikation ein bißchen miteinander vergleichen kann. Wir hoffen, daß uns die Indikation auch sagt, was man mit der Planung auch verwirklichen soll. Also wenn man sagt, da brauchen wir viele Plätze für Zuhauseversorgung, dann muß die Zuhauseversorgung auch in der Planung mehr Plätze bekommen. Das ist noch nicht soweit, aber das ist die Politik in Holland, um das so zusammen zu bringen: Planung und Indizierung auf derselben Ebene.

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G. Haag: Also ganz kurz noch zwei Wortmeldungen. Bitte.

S. Strömer: Noch eine ganz kurze Nachfrage: ist das eine völlig unabhängige Kommission oder sitzt da auch die Geldgeberseite der Zuschüsse für Pflegeheime usw. mit drin? Wie bei uns etwa der MdK, wo eigentlich die Geldgeberseite entscheidet, wer in ein Pflegeheim kommt.

G. Pels: Das ist bei uns nicht so: im Vorstand von dieser regionalen Kommission sind die Gemeinden vertreten, ja es gibt das schon die Versicherer und die Anbieter, aber auch die Abnehmer von Versorgung oder Pflege oder Wohnung, die Konsumenten, sind da drin. Aber pro Gemeinde hat man dann von diesem Vorstand aus dann wieder Sachbearbeiter, die die Sache ausführen und die sind unabhängig und müssen das auch so unabhängig wie möglich ausführen.

K.Vollmer: Wer sucht diese Leute aus und wer bestimmt die Mitglieder?

H. Schippers: In der Kommission sitzen auch die Abnehmer, an der Planung der Versorgung sind auch die Patienten-und Konsumenten- Organisationen beteiligt, um mitzusprechen über die Planung und für die Planungskommission sind die Patienten- und Konsumenten-Organisationen in den Regios gefragt. Jede Regio hat eine Plattform mit Patienten- und Konsumentenorganisationen; die müssen Leute dafür aus ihre eigenen Organisation, Patientenorganisation oder Altenverband holen und in die Kommission für die Indikation und für die Planungskommission entsenden.

G. Haag: Gut, dürfen wir damit einen Schlußstrich ziehen. Nochmals ganz herzlichen Dank an unsere beiden Referenten heute abend. Wir haben damit heute in einem spannenden Tag einen guten Einblick bekommen in die Arbeit sowohl in Deutschland, wie auch in Dänemark und nun in den Niederlanden und werden dann morgen noch grenzenlos auch über die Situation in Frankreich noch etwas erfahren.

[Seite der Druckausg.: 116 = Leerseite]


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