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Veränderungen in der Securite Sociale Frankreichs - Auswirkungen auf die Alterssicherung der Frauen
ein Beitrag von Dr. Hannelore Jani, Ville d'Avray


A. Braun

Meine Damen, könnten Sie sich bitte setzen, die Herren sitzen alle. Wir kommen jetzt genau mit der Viertelstunde, die wir uns vorher Verspätung eingehandelt haben, zum nächsten Teil. Machen wir es so, wie vorher auch, Sie stellen sich vor, was Sie so tun und dann stürzen wir uns auf das französische System.

Dr. Hannelore Jani

Mit meiner Vorstellung, das haben Sie nun inzwischen gemerkt, ist eine Enttäuschung verbunden, ich habe also nicht den Akzent „französisch", ich spreche relativ normal Deutsch, weil ich lange, das heißt bis zum Staatsexamen in Deutschland gelebt habe und auch in Deutschland studierte, das heißt deutschen Ursprungs bin. Also wenig Verdienst auf diesem Gebiet. Ich arbeite in einem französischen Institut für Sozialgerontologie, das in Paris angesiedelt ist, und zwar als Forschungsleiterin. Der Name des Instituts CLEIRPPA, das sage ich nun französisch, und beschäftigt sich, wie gesagt, mit soziogerontologischen Problemen. Wir arbeiten mit älteren Menschen nicht zusammen, sondern für sie, als Partner nur für die Kassen, Ministerien, also Leute, die aus beruflichen Gründen mit Altersfragen zu tun haben; also nicht mit den alten Menschen selbst, außer, zum Beispiel, in meinem Bereich dadurch, daß wir sie freundlicherweise gelegentlich befragen.

Ich bringe als Referenz für Sie den Vorteil mit, daß ich also im Gegensatz zu meinen französischen Kollegen Deutsch spreche, aber andererseits bringe ich den Nachteil, daß ich, im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen kein Spezialist auf dem Gebiet der Rentenfragen bin. Das wird dazu führen, daß ich nicht so gerne auf schwierige Fragen antworten kann und was nun schwierig ist, es ist sehr relativ. So bin ich also besonders dankbar, daß die Kaffeepause so spät angefangen hat und die Schweiz so lange gedauert hat, denn das Essen, das wird pünktlich sein, weil die Küche uns ihre Zeit auferlegt und damit also für schwierige Fragen auf jeden Fall keine Zeit sein wird.

A. Braun

Ätsch, wir haben heute abend ein kaltes Büffet.

H. Jani

Ja, aber es kommen ja noch die Schweden hinterher und damit wollen wir ja vor Mitternacht aufhören.

Zum französischen System. Es ist dem deutschen relativ ähnlich, ist aber dennoch in vielen Dingen recht anders. Es ist, wie auch das deutsche System, sehr komplex, aber anders komplex. Es steht natürlich nicht zur Debatte, daß ich heute, obwohl ich das vielleicht gerade noch könnte, auf die verschiedenen, und sehr spezifischen Unterschiede und Komplexitäten eingehe. Sondern ich werde mehr über das allgemeine System sprechen und nicht über die ganzen Sondersysteme, die es für bestimmte Berufssparten gibt.

Grundsätzlich und das gilt für alle Arbeitnehmer in Frankreich, ist jeder pflichtversichert und zwar vom ersten Franc an, den er verdient. Damit kann ich gleich in Klammern hinzusetzen, daß es in Frankreich keine 610-DM-Jobs gibt, wie auch in der Schweiz nicht. Und zwar pflichtversichert auf dem Gebiet, wenn man jetzt nur die Bereiche nimmt, die sich auf die Alterssicherung mehr oder weniger auswirken können. Pflichtversichert was Krankheit betrifft, Alter betrifft, Witwenschaft betrifft, Sterben und Invalidität. Also um jetzt nur die fünf Hauptbereiche zu nennen. Alter und Krankheit haben eine Basiskasse, die in etwa der AOK in Deutschland entsprechen mag und die heißt „sécurité sociale", also die soziale Sicherheit. Krankheit und Alter sind da getrennt in zwei verschiedenen Kassen und dann gibt es die Sondersysteme, auf die ich also nicht weiter eingehen werde. Zusätzlich zu diesen Basiskassen gibt es dann die Zusatzkassen, die aber im Gegensatz zum deutschen System Pflichtkassen sind, mehr oder weniger berufsabhängig sind, die man sich aber nicht aussuchen kann, sondern die sucht der Arbeitgeber aus; jedenfalls noch im augenblicklichen System. Es gibt so gut wie keine betriebliche Absicherung. Man kann sich unter bestimmten Umständen freiwillig in der „sécurité sociale", nicht in den Zusatzkassen, versichern, und zwar sowohl für Krankheit als auch für die Altersabsicherung, zum Beispiel können dort Eltern ihre erwachsenen Kinder, die keine Arbeit finden, versichern. Oder eine Frau, die aus irgendwelchen Gründen Arbeitsunterbrechung macht, sie kann sich dort weiterversichern. Alle Sozialabgaben sind wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern einkommensabhängig, wobei die Leistungen es später nicht unbedingt sind. Ausnahme dabei ist, im Gegensatz zu Deutschland, die Beihilfe, - und das Wort sagt es schon -, für Pflege im Alter. Es handelt sich in Frankreich bei dem neuen Gesetz, das wir seit Anfang ‘97 haben, nicht um eine Versicherung, sondern um eine Beihilfe.

Also es handelt sich um keine Versicherung und - um nicht zu sagen, sie untersteht der Sozialhilfe - aber sie ist ihr sehr stark angeglichen, inklusive der Rückzahlungsverpflichtung. Grundsätzlich kann man sagen, daß das System, da alle, die ein Arbeitseinkommen haben, Abgaben machen müssen, demokratisch ist, und daß das französische System die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau garantiert. Aus der Tradition - das ist in vielen Ländern so, wir haben darüber insbesondere heute vormittag über Deutschland sehr viel gehört - ist es so, daß es für den Mann selbstverständlich ist in unserer Gesellschaft, daß er arbeitet, und möglichst Vollzeit arbeitet. Dieser gesellschaftliche Anspruch besteht auch heute an die Frau noch nicht. Daraus ergibt sich die materielle lebenslängliche Abhängigkeit der Frauen vom Mann, das heißt vom Vater, dann vom Ehemann, und später, nach dem Tod des Ehemannes vom Sohn, Bruder usw. Daraus entsteht auch, daß die Frau sich - ich spreche jetzt selbstverständlich nicht über die heute 30jährige oder 40jährige Frau, die im Arbeitsprozeß steht, aber über die Generation der Frauen, die heute in Rente sind - daß diese Frauen sich zum größten Teil auch heute noch aus der Tradition, über diese drei, wie soll ich sagen, Männertypen identifizieren, das heißt Vater, Ehemann, Sohn und eventuell Bruder. Das ist traditionsgebunden und das basiert auf der unterschiedlichen Rollenverteilung von Männern und Frauen, über die man sehr viel Gutes und Schlechtes sagen kann. Ich möchte das ganz wertfrei darstellen und insbesondere darauf hinweisen - ich nehme an, daß das nicht nur in Frankreich so ist - daß es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, in ihren Wertsystemen, das heißt in geschlechtsspezifischen „Wertsystemen". Der Mann aus der Tradition her verantwortlich für das Einkommen, hat als ersten Wert die Arbeit, die ja gesellschaftlich heute noch einen sehr hohen Stellenwert hat, morgen sicherlich nicht mehr, nehme ich an, also das ist meine Hypothese. Während eine Frau, selbst wenn sie voll im Arbeitsprozeß steht, heute vielleicht diese Priorität setzt für die Arbeit, aber sie nicht unbedingt als einzigen Wert hinstellt, sondern daß sie andere Werte neben der Arbeit hat wie zum Beispiel die Familie oder andere Dinge. Ich weiß nicht, wie weit diese geschlechtsspezifischen Unterschiede erziehungsbedingt, traditionsbedingt sind oder wie weit, darüber arbeiten zum Beispiel Amerikaner sehr viel, wie weit da nicht genetische oder biologische Unterschiede eine Rolle spielen. Aus diesem Grunde und dieser Fragestellung heraus bin ich auch immer etwas skeptisch, so starke Ansprüche für Frauen zu stellen, wie zum Beispiel, was heute immer angeklungen ist, mit der Teilzeitarbeit für die Frauen, aber darauf komme ich später zurück.

Grundlegende gesellschaftliche Änderungen haben dazu geführt, daß die Frau sich zunehmend im Arbeitsmarkt bewegt hat und weiterhin auch bewegt. Sicherlich stärker in Frankreich oder zumindest früher schon in Frankreich als in Deutschland unter anderem, weil die Einschulung sehr viel früher geschieht. Im Schnitt sind 90 % der Kinder im Alter von 4,5 Jahren eingeschult. Dadurch entsteht natürlich für die Frau eine ganz andere Freiheit, in den Beruf zu gehen oder zurückzugehen. Schwierig wird es laut Statistik, wenn das dritte Kind geboren wird. Dann geht die Frau sehr häufig definitiv oder für längere Zeit zumindest aus dem Arbeitsmarkt raus, aber noch nicht beim zweiten und schon gar nicht beim ersten Kind. Das sind heute auf jeden Fall Einzelfälle. Das heißt, damit hat die Frau materielle Unabhängigkeit erhalten, sie hat ein eigenes Arbeitseinkommen und sie hat eigene Ansprüche auf Rente.(Ich sage also immer Rente, weil wir nicht diese subtile Unterscheidung zwischen Pension und Rente haben; wenn ich Rente sage, hat das nicht abwertendes oder aufwertendes sondern es ist die Altersversorgung.)

Aber, diese Entwicklung ist erstens relativ neu und zweitens ist es auch heute noch so, daß viele Frauen, die verheiratet sind, nicht im Arbeitsmarkt stehen; sei es, weil es ihre Männer so wollen oder weil sie es selbst so wollen. Und denen geht es natürlich anders, weil sie nicht diese ma-terielle Unabhängigkeit erhalten können. Dazu habe ich kürzlich einen interessanten Hinweis gelesen, in der „Sozialpolitischen Umschau" aus Deutschland: Es gibt eine Wisssenschaftsumfrage Delphi II, aus der sich ergeben hat, daß für 57 % der befragten Wissenschaftler kein Zweifel daran besteht, daß Frauen in naher Zukunft mindestens ein Drittel der Führungspositionen in der Wirtschaft besetzen werden. Ob das so hoch sein wird oder nicht, ist vielleicht nicht so sehr wichtig; wichtig ist, daß Frauen sicherlich andere Positionen im Arbeitsmarkt haben werden. Es sei denn, daß sie das Gesellschaftsspiel mitmachen, sich nun aus dem Arbeitsmarkt zurückzuziehen und zu den drei Ks zurückzukehren, was ich für sehr unwahrscheinlich halte.

Aus der gesellschaftlichen und geschlechtsspezifischen Rollenverteilung und der daraus folgenden materiellen lebenslänglichen Abhängigkeit der Frau ergibt sich, daß das französische System Ausgleichmaßnahmen geschaffen hat, die ursprünglich nur zugunsten der Witwen, also der Frauen, geschaffen worden sind. Heute aufgrund der Gleichberechtigung, steht sie auch den Witwern zu, das heißt sämtliche Witwenansprüche sind auf die Männer übertragen worden, aber nicht unbedingt mit den gleichen Rechten wie die Frauen. Dazu gehören insbesondere drei Dinge. Das „capital déces", das Sterbegeld. Dazu die pension de reversion (Witwen/ Witwer- Geld) das entspricht, glaube ich, der deutschen Witwenrente, und die pension veuvage, das ist eine Witwenversicherung, diese ist nicht altersabhängig nach unten. Das Sterbegeld wird sowohl vom Basissystem, der sécurité sociale gezahlt, als auch von den Zusatzkassen. Das Ziel ist, obwohl es etwas idealistisch ist, daß 3 bis 5 Jahre von dem Moment des Todes des Ehepartners an ein gewisses Jahreseinkommen gesichert wird. Was dann nach 3 bis 5 Jahren geschehen soll, ist nicht so klar, denn es setzt nichts anderes dann anschließend ein. Ob man dabei vorausgesetzt hat, daß die Frauen sowieso alt sind, daß die Frauen dann schon sterben, oder ob die Erwartung dahinter steht, daß die Frauen inzwischen in den Beruf zurückgegangen sind, das kann ich nicht beantworten.

A. Braun

Dann würde ich es deutsch doch lieber ein „Übergangsgeld" nennen.

H. Jani

Dann die pension de reversion, was der deutschen Witwenrente entspricht. Sie ist recht kompliziert; und da ich keine Zeit hatte - bzw. mein Computer zusammengebrochen war - um Ihnen jetzt ein schönes Transparent an die Wand zu werfen, habe ich etwas auf der Tafel herumgemalt. Es gibt die drei Systeme: das ist die Basiskasse, dann gibt es das System AGIRC, das ist für die höheren Angestellten die obligatorische Zusatzkasse, und ARCO sind die obligatorischen Zusatzkassen für die, die keine höheren Angestellten sind, Arbeiter und normale Angestellte. Diese pension de reversion setzt frühestens im Alter von 55 Jahren in dem Basissystem ein, im höheren Angestelltensystem aber mit Abschlägen im 55. Lebensjahr, erst mit dem 60. Lebensjahr mit den vollen Ansprüchen. Bei ARCO gibt es den Unterschied zwischen Frauen und Männern, Frauen müssen mindestens 50 Jahre alt sein und Männer mindestens 65. Teilweise sind diese Leistungen einkommensabhängig, um diese Witwenrente zu bekommen, darf man nicht mehr als den garantierten französischen Mindestlohn als Gesamteinkommen haben. Bei den anderen Kassen gibt es keine Einkommensabhängigkeit, um diese Ansprüche aus den Rechten, die der Mann bekommen hat, beanspruchen zu können. Nur in diesem System, das steht nicht auf der Tafel, ist die Dauer der Ehe mit entscheidend als Bedingung, und zwar muß die Witwe mindestens zwei Jahre verheiratet gewesen sein mit dem Mann, von dem sie nun die Ansprüche übernimmt zum Teil. In den anderen Zusatzkassen gibt es das nicht. Wenn die Witwe wieder heiratet, dann hört in allen drei Systemen die Zahlung sofort auf. Darum gibt es sogenannte wilde Ehen heute besonders gerne selbst unter älteren Menschen, obwohl das zu ihren Traditionen eigentlich noch nicht so gut paßt, wie es bei Jüngeren der Fall ist.

Was geschieht mit den Geschiedenen? Es ist unterschiedlich, und das ist in allen drei Systemen dasselbe, und davon abhängig, ob eine Wiederverheiratung erfolgt war des Mannes, der gestorben ist. Der gestorbene Mann konnte sich ja vorher schon einmal wieder verheiratet haben, nachdem er nun geschieden war. Das heißt, er kann mehrere Witwen hinterlassen. Dann wird die Rente in allen Systemen nach dem Prorata der Ehejahre unter den Witwen aufgeteilt. Besteht keine Wiederverheiratung seitens der Witwe, dann hat sie den vollen Anspruch. Wenn sie geschieden ist und verwitwet, dann kriegt sie die volle pension de reversion, obwohl sie gar nicht mehr mit dem Mann zusammengelebt hat die letzten 30 oder ich weiß nicht wieviel Jahre. Die Ansprüche sind in Prozent der Rente, die der Mann bekommen hat oder bekommen hätte, 54 % aus dem Basissystem, und bei den beiden Zusatzsystemen sind es jeweils 60 %.

Es ist sehr häufig so, daß man beiden Systemen angehört als Arbeitnehmer. Und dann natürlich auch als Rentenbezieher beiden Systemen angehört, so daß dann auch die Witwe aus beiden Systemen etwas bekommt. Das liegt daran, daß man einmal ja erst später höherer Angestellter sein kann und im Anfang der Karriere es nicht war, das heißt es besteht dann ein Wechsel von der einen zur anderen Gruppe, es kann aber daraus entstehen, das ist meistens der Fall, daß man, weil es ja mehr oder weniger berufliche Kassen sind, und die der Arbeitgeber aussucht, daß wenn ich jetzt den Arbeitgeber wechsle, ich auch die Kasse wechseln muß. Ich glaube der Durchschnitt in Frankreich ist, daß man 5 Kassen in dem ganzen Lebenslauf irgendwann einmal angehört hat. Jetzt nur bei den Zusatzkassen, es gibt aber auch weitaus mehr. Und die werden dann aber über diese Gruppen kompensiert. Alle sind obligatorisch.

Zwischenfrage

Auch für die Freiberufler?

H. Jani

Ja, die gehören zu den Sondersystemen, genau wie die Eisenbahn, die Landwirtschaft, die Knappschaften, Elektrizitäts- und Gaswerke, es gibt etwa 20 Sondersysteme. Systeme, die völlig separat sind, sind Landwirtschaft sowie Handel und Industrie. Sie müssen alle pflichtversichert sein, aber haben alle Sondersysteme. Ich glaube es gibt 300, also es gibt mehr Kassen als Käsesorten, wobei es, glaube ich, 330 Käsesorten gibt.

C. Prinz

Welche Altersgrenzen gibt es für die Witwenrente?

H. Jani

Im Alter von 55 bei Witwern ist der Abschlag fällig und erst mit 60 voll, bei Frauen mit 50 und erst mit 55 voll.

C. Prinz

Was ist mit Frauen mit 45 Jahren?

H. Jani

Die hat keine Ansprüche auf die Altersversicherung: dazu kommen wir beim nächsten Punkt. Da ist Bedingung, daß der Verstorbene, also früher war es ja der Mann, heute kann es der eine oder die andere sein, eine Mindestzeit versichert war, eingezahlt hat. Es kann ja ein Ehemann mit 20 Jahren sterben. Und er hat gerade sein Abitur gemacht, dann hat er selbst keine Ansprüche. Dann kann auch die Frau keine Ansprüche bekommen. Aber man nimmt dann an, daß er nicht gerade eine 80jährige geheiratet hat, und daß sie dann selbst Zeit hat, eigene Dinge aufzubauen oder sich eine andere Absicherung, zum Beispiel über eine Heirat zu verschaffen. Die oder der Überlebende muß weniger als 55 Jahre alt sein, weil ja dann mit 55 Jahren die andere Leistung einsetzt. Sie muß mindestens ein Kind haben und in bestimmten Kassen muß sie es dann mindestens auch 9 Jahre erzogen haben. Sie darf sich nicht wieder verheiraten. Sie darf keine Einkünfte haben, die über 11524 Francs, das heißt etwa 3500 Mark, liegen, und zwar während der letzten drei Monate bevor der Mann gestorben ist. Sie wird nur für 3 Jahre gezahlt und längstens bis zum 55. Lebensjahr. Sie ist degressiv. Also, wenn ich die Höhe vom 1. Januar 1997 nehme, sind es etwa 900 Mark im Monat für das erste Jahr, 600 Mark im zweiten und dann 450 im dritten Jahr.

Dann hat sie natürlich, wie alle Frauen und Männer, Ansprüche auf Rente, wenn sie gearbeitet haben. Ich komme also jetzt zu dem Anfang zurück, einmal aus der Basiskasse, securité sociale, und dann aus den Zusatzkassen. Das Renteneintrittsalter, das gesetzliche, ist 60 bzw. 65 Jahre in Frankreich, für die volle Rente, für die vollen Ansprüche. Das heißt mit 60 Jahren kann jeder Arbeitnehmer seine Rente beantragen, aber wenn er nicht die 137 Trimester hat, bekommt er eben nicht die volle Rente. Dasselbe gilt natürlich auch mit 65 Jahren, nur ist dann die Wahrscheinlichkeit etwas größer. Wer über 65 arbeitet, und dann immer noch die 137 Trimester nicht hat, der bekommt dann besondere Zuschläge, weil er über die Altersgrenze hinaus arbeitet. Das gilt für Männer und für Frauen. Die Rentenhöhe ist selbstverständlich - wie in den meisten europäischen Systemen - abhängig vom Einkommen. Und zwar läuft das in Frankreich über ein Punktesystem, das so kompliziert ist, daß ich mich noch nie daran gewagt habe. Seit 1973 werden die durchschnittlichen Rentenjahre während der ganzen Karriere gerechnet, während jetzt neu ist, daß es auf der Basis der 25 besten Jahre gerechnet wird. Es waren auch schon mal die 10 besten Jahre. Daraus ergibt sich ein Minimum und ein Maximum. Das Minimum ist etwa 38 000 Francs, sagen wir 11 000 Mark pro Jahr, das Maximum ist 82 000 Francs, also 24 000 Mark.

Es gibt Anrechnungszeiten: für die Männer zum Beispiel die Militärzeit, - wenn Frauen Militärzeit machen, das gibt es in Ausnahmefällen, das wird natürlich auch angerechnet - Ausbildungszeiten für Männer und Frauen, dann gibt es die Erziehungsjahre, und dann gibt es, das steht zwar nur wenigen Menschen zu, ein complement familiale. Das ist also ein Zuschuß, ein Familienzuschuß, den gibt es seit 1985, das ist eine Beihilfe, die gezahlt wird bei sehr geringen Einkommen und wenn die Frau oder heute auch der Mann, dann mehrere Kinder erzieht. Das einzig interessante in unserem Zusammenhang an diesem complement familiale ist, daß dann die Familienkasse, das ist die dritte Branche im französischen System - Alterskasse, Krankenkasse, Familienkasse, - daß die Familienkasse dann für diese Frauen einzahlt für die Alterssicherung. Das kann für die Frau sehr interessant werden, wenn sie ohnehin eigene Ansprüche aufgebaut hat. Das sind dann also zusätzliche Punkte, die sie da bekommt, die sich möglicherweise sehr positiv auf ihre Altersversorgung später auswirken kann.

Es gibt mindestens einmal im Jahr Rentenanpassungen, manchmal zweimal im Jahr, das ist unterschiedlich. Dann gibt es Rentenaufstockungen unter bestimmten Umständen. Das ist ein sehr kompliziertes System, ich habe mir nicht die ganzen Dinge notiert, auch nicht mal durchgelesen, was, wodurch man Sonderpunkte bekommen kann, außer dem Punkt, daß sie Frauen zusteht, die mindestens 3 Kinder großgezogen haben. Heute ist das viel 3 Kinder; aber in der Altersgruppe 60 und darüber von 1997 gilt das für 39 %. Insgesamt kann man sagen, daß die gesetzliche, rechtliche Gleichstellung bei den Altersrenten bzw. Pensionen besteht, aber de facto die Chancengleichheit für Männer und Frauen nicht besteht in Frankreich, da die Alterssicherung vom Arbeitsmark bzw. vom Einkommen abhängig ist.

Weiterhin möchte ich unterstreichen, daß es sehr große Schwankungen gibt vom durchschnittlichen Renteneinkommen nach Berufssparten, nach den ARCO oder AGIRC -Systemen, nach den Zusatzkassen also und unter anderem nach dem Geschlecht. Insbesondere verheiratete Frauen mit Kindern haben weniger Arbeitsjahre im Lebenslauf als Männer, dann entsteht eine Benachteiligung, darüber wurde heute morgen sehr viel gesagt durch die Teilzeitarbeit, die meist Frauen machen. Dann gibt es entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht unbedingt Einkommensgleichheit bei gleicher Arbeit. Dann haben Frauen zum Beispiel, selbst wenn sie gleiche Berufsausbildung haben, - was heute vielleicht der Fall ist, aber früher nicht der Fall war bei den Frauen, die heute über 65 oder 70 sind - keine gleichen Aufstiegschancen, sie haben also eine stärkeres Risiko in Bezug auf ihre Karriere, weil sie sie häufiger unterbrechen; teilweise natürlich auch freiwillig unterbrechen. Ich spreche von den verheirateten Frauen im Moment.

Zur Teilzeitarbeit wollte ich gerne etwas hinzufügen. Natürlich ist Teilzeitarbeit aus meiner Sicht zumindest ein sehr zweischneidiges Schwert. Einerseits ist sie immer als sozialer Vorteil und soziale Errungenschaft gelobt worden, weil dadurch die Frau, auch wenn sie zwei Kinder hat, doch wieder in den Arbeitsmarkt zurückgehen kann und so weiter und so weiter. Also einerseits wurde es und wird es als sozialer Vorteil hingestellt, andererseits hat es aber große negative Effekte, insbesondere auf die Alterssicherung. Und darüber sind sich viele Frauen nicht klar oder wollen sich darüber nicht klar werden, genau wie junge Menschen, wenn sie anfangen zu arbeiten. Ihnen ist die Alterssicherung irgendwie völlig gleichgültig. Weil das so weit weg ist und sie noch nicht wissen, wie schnell die Zeit vergeht. Dahinter steht natürlich die Problematik der Frau zwischen Beruf und Familie. Ungleichheiten sind meist systembedingt und sie ergeben sich insbesondere aus der Bindung an die Erwerbstätigkeit. Es gibt Systeme, die nicht so funktionieren oder nur teilweise so funktionieren, die also über Steuern finanziert werden. Man kann es nicht anders machen, solange diese Bindung besteht, daß Ungleichheiten einfach aus der unterschiedlichen Einkommenssituation dann folgen. Aufgrund der fundamentalen Wandlung, die sich augenblicklich auf dem Arbeitsmarkt vollzieht und die meines Erachtens nur im Anfangsstadium steht, wird sich, denke ich, folgerichtig, aber das ist nur meine Theorie, auf dem Gebiet der Alterssicherung in den kommenden Jahren auch ein fundamentaler Wandel vollziehen müssen. Solange wir von dem System auf der Hypothese der Vollbeschäftigung und auf einer gewissen Freiwilligkeit der Arbeit seitens der verheirateten Frauen ausgehen, solange läuft das System. Aber die Zeiten sind vorbei, so daß sich in dem Wandel des Arbeitsmarktes auch die Alterssicherung völlig wandeln muß: Die Arbeit ist knapp und sie wird noch knapper sein.

Wie sehen die Ungleichheiten aus, was die Pensionshöhen anbetrifft? Meine Angaben beziehen sich auf das Einkommen vor Steuer der Bevölkerung 60 Jahre und darüber, das sind rund 7 Millionen Haushalte in Frankreich, im Mai 1997 war die Durchschnittsrente für Männer knapp 8000 Francs, und für Frauen 4300 Francs. Ehepaare: es wird etwas barbarisch aber interessant, dort wo beide eigene Rentenansprüche haben, ist die Rente der Frau immer geringer als die Rente des Mannes, und zwar durchschnittlich um 30 %. Beide Einkommen zusammen liegen aber nur 10 % höher als dort, wo die Frau keine eigenen Ansprüche aufgebaut hat. Da fragt man sich, warum Frauen, die verheiratet sind, was die Alterssicherung anbetrifft, überhaupt arbeiten. Es muß wirklich wunderschön sein zu arbeiten. (Also ich finde das auch)

Was die Witwen anbetrifft, die eigene Rentenansprüche aufgebaut haben, dann liegt ihr durchschnittliches Renteneinkommen nur 15 % höher als bei denen, die keine eigenen Ansprüche aufgebaut haben. Dazu möchte ich sagen, Sie wissen es alle, aber ich möchte es in Erinnerung rufen, daß in der heutigen Altenbevölkerung selbstverständlich viele Frauen überhaupt nie eigene Renten aufgebaut haben. Weil sie schwarz gearbeitet haben oder in der Landwirtschaft zum Beispiel mitgearbeitet haben, zwar viel gearbeitet haben, aber keine eigenen Ansprüche aus ihrer Arbeit heraus aufgebaut wurden. Fazit ist: wenn die Arbeit der verheirateten Frauen, erstens, während der Lebenszeit des Mannes, und zweitens, wenn sie verwitwet sind, sich derartig geringfügig auswirken, dann auch, weil das Auffangsystem, über das ich anfangs gesprochen habe, sein Ziel der Armutsvermeidung relativ gut oder zumindest nicht allzu schlecht erreicht hat. Ich weiß nicht, ob ich das anfangs gesagt habe: ich habe heute morgen bei dem ersten Vortrag daran gedacht, diese französischen Auffangsysteme sind zur Armutsvermeidung verheirateter Frauen, das heißt nun verwitweter Frauen, der Witwen geschaffen worden. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Unterschied zum deutschen System, wenn ich das heute morgen richtig verstanden habe. Aber dahinter steht auch die Tatsache, daß Frauen in Bezug auf den Arbeitsmarkt andere Verhaltensweisen als Männer haben. Nämlich in die Teilzeitarbeit übergehen, nicht unbedingt weil sie dazu gezwungen werden, sondern weil sie andere Dinge tun möchten, wie zum Beispiel ihre Kinder selbst erziehen.

Mein dritter Abschnitt ist, woraus entstehen diese Ungleichheiten, obwohl ich vieles davon schon gesagt habe. In erster Linie aus der Tatsache, daß die Alterssicherung in Frankreich wie anderswo als arbeitsabhängig definiert ist und damit abhängig ist von den Versicherungsjahren und von der Einkommenshöhe während der Lebensarbeitszeit. Das heißt, die Alterssicherung reproduziert die Einkommensungleichheiten der Arbeitswelt. Und in zweiter Linie, als Folge dessen, was ich gerade gesagt habe, für Frauen entstehen Benachteiligungen insbesondere aus der Teilzeitarbeit, aus unterbrochenen und sehr selten vollen Karrieren, aus niedrigeren Löhnen bzw. Gehältern für dieselbe Arbeit, aus weniger Chancen, auf höhere Posten zu kommen in ihrem Berufsleben auch bei sehr guter Ausbildung, und also insgesamt dadurch, daß das Durchschnittseinkommen der Frauen weitaus niedriger ist, als das der Männer.

Zum Schluß zwei Beispiele, zwei Extrembeispiele, die sich aus dem Spiel der Ungleichheiten ergeben. Auf der einen Seite steht die sehr alte Witwe eines Landwirtes, die keinen Beruf erlernt hat, aber viel gearbeitet hat, ihre Rente ist um 60 % niedriger als die Durchschnittsrente. Auf der anderen Seite das verheiratete Pariser Ehepaar, beide mit guter Ausbildung, beide höhere Angestellte, beide eigene Rentenansprüche. Ihre Rente ist um 130 % höher als die Durchschnittsrente, das heißt dieser zweite Fall hat eine Rente, die fünf bis sechsmal höher liegt als die des ersten Falles. Ich danke Ihnen.

A. Braun

Ja, vielen Dank Frau Jani. Sie haben uns jetzt freundlicherweise eine ganze halbe Stunde herausgearbeitet, in der wir Sie jetzt noch mit Fragen plagen können, gegen die Sie sich zwar schon einen guten Schutz umgebaut haben, daß Sie so genau nicht Bescheid wüßten, aber ich nehme an, es geht doch mehr in die Details. Ich habe zunächst eine Nachfrage zur Zahl der Trimester, ich glaube, da habe ich etwas Falsches gehört. 137, das wären 49 Jahre. Es sind 39 und dreiviertel Jahre, also muß irgendetwas mit den Trimestern nicht stimmen.

Susanne Becker

Ein Trimester ist ein Quartal. Also Trimester hört sich für uns Deutsche so an, als seien es 4 Monate, also ein Drittel eines Jahres, aber es ist ein Quartal, 3 Monate. Das waren bis 1994 150 Trimester oder 37,5 Jahre, aber das ist jetzt erhöht worden, die Trimesterzahl bis zum Jahr 2008, so daß dann 160 Trimester also 40 Jahre erforderlich sind. Also auch eine Regelung, Spar-Reform, die zu Lasten von Frauen geht, indem sie eine Versicherungsdauer für eine volle Rente um 2,5 Jahre erhöht.

C. Riedel

Ich bin Vertreterin vom Deutschen Frauenrat. Ich hätte natürlich gerne ein bißchen mehr zur Familienkasse gewußt, weil das ja bei uns jetzt so heftig in der Diskussion war. Nach meinem Eindruck hier in der deutschen Diskussion, ist zwar der Name übernommen worden, aber ansonsten alles andere nicht. Insbesondere die Finanzierung. Ich habe gelesen, die französische Familienkasse sei im wesentlichen von Arbeitgeberbeiträgen gespeist, davon war bei uns hier in der deutschen Diskussion natürlich überhaupt nicht die Rede, aber wenn Sie dazu noch etwas mehr sagen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Zur caisse familiale.

H. Jani

Ich danke Ihnen für die Dankbarkeit, aber ich fürchte, daß ich hier wirklich unkompetent bin. Ich glaube, daß Herr Braun darüber mehr weiß, als ich. Die Familienkasse wird behandelt wie auch die anderen Sozialabgaben. Wir haben ja nicht 50 % wie Deutschland. Sondern der Arbeitnehmer zahlt weitaus weniger. Etwa 25 %, während im Schnitt der Arbeitgeber 50 % an den Beiträgen zahlt. Insofern ist es natürlich auch in der Familienkasse mehr der Arbeitgeber als der Arbeitnehmer, aber das ist eine etwas eine normannische Antwort, weil ich nämlich die echte nicht kenne.

A. Braun

Also trotz des deutschen Gerüchts, wir hätten die höchsten Lohnnebenkosten, unsere Arbeitgeber seien am stärksten belastet, ist in aller Regel die Beteiligung der Arbeitgeber in anderen Ländern, wenn man alle Sparten zusammenzählt, höher als die der Arbeitnehmer. Das Problem bei den Leistungen der französischen Familienkasse, allocations familiale besteht darin: sie wird eben weitgehend aus zwar auch arbeitseinkommensbezogenen Beiträgen aber allein der Arbeitgeber finanziert, andererseits gibt es Koalitionen zwischen der Parlamentsmehrheit und den Gewerkschaften, um dort Verbesserungen durchzusetzen, weil es sozusagen die eigenen Leute und die Staatskasse wenig kostet. In der Rentenversicherung ist das anders. Da beschließen sozusagen die Arbeitgeber und die Gewerkschaften in den Organen, die über Leistungen und über das Budget zu beschließen haben, auf Kosten der Staatskasse, die dann das Defizit tragen muß, und seit vorigem Jahr ist ja nun zum ersten Mal der Haushalt der securité sociale Bestandteil des Staatshaushalts, damit also sozusagen nicht die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer dem Staat dauernd ein Defizit zuschieben, ohne daß der sich im Prinzip dagegen wehren kann. Also, die Finanzierung ist eine völlig andere, diese Vorstellung halbe halbe, und dann nur lohnbezogen trifft in Frankreich nicht zu, trifft auch in vielen anderen Ländern überhaupt nicht zu. In Skandinavien sind zum Beispiel die Beiträge der Arbeitgeber auch traditionell sehr viel höher, insbesondere in den Zusatzkassen, als die der Versicherten.

H. Schmidt-Nebgen

Wir haben eine verwirrende Vielfalt heute gehört über Systeme in der Schweiz und in Frankreich und meine Frage wäre jetzt nicht für die heutigen Alten, sondern für die heutigen Jungen, die vielleicht ein paar Semester in Paris studieren oder dort arbeiten oder die in die Schweiz gehen oder umgekehrt. Frau Dr. Lieberherr sagte heute morgen, wenn die Leute im Ausland waren, dann fällt Ihnen da was aus der Rente. Gibt es eine europäische Verbundverrechnung? Wie funktionieren die verschiedenen Systeme, wie werden die Zeiten angerechnet oder sogar, wenn jemand in die USA geht, wie wirkt sich das auf seine späteren Bezüge aus? Gibt es da ein System oder wie läuft das? Also ich kann es mir nicht vorstellen.

H. Jani

Wenn Sie weiter so schöne schwere Fragen stellen, dann können wir ganz früh Abendbrot essen.

A. Braun

Wir haben zwei Systeme, das eine betrifft die Europäische Union. In der Gemeinschaft gilt sozusagen automatisch, daß die Rentenansprüche, die in verschiedenen Ländern der Gemeinschaft erworben worden sind, dann von einer Kasse später ausbezahlt werden. Es wird also sozusagen auf-
addiert. Für die Länder außerhalb der Gemeinschaft, zum Beispiel die Schweiz, oder die USA, ist es nur dann der Fall, wenn es ein Sozialversicherungsabkommen gibt, das dies ausdrücklich vorsieht. Also in der Regel können Sie es sich so vorstellen, daß, wenn einer in 5 verschiedenen Ländern der Gemeinschaft erwerbstätig war, die jeweils unter dem dortigen Regime erworbenen Ansprüche für diese getrennten Zeiten ausgerechnet werden und dann in einer Art internen Finanzausgleich der Versicherungsträger ausgezahlt werden.

H. Schmidt-Nebgen

Nach deutschem Recht später ausbezahlt werden?

A. Braun

Nein. Sie kriegen in Deutschland ihre deutschen Ansprüche und zusätzlich zahlt Ihnen dieselbe Kasse noch die französischen Ansprüche aus, aber nach französischer Rentenberechnungsregel.

Zwischenfrage

Wenn jemand z.B. nach Portugal geht, könnte sich das sehr negativ auswirken, weil es nach deren System geht.

A. Braun

Er erwirbt eben nur Ansprüche nach portugiesischem Recht. Er erwirbt nicht sozusagen Versicherungsjahre hier. Das geht nicht.

K. Fölster

Ich habe zwei Fragen. Eine hoffe ich, daß sie nicht zu schwierig ist, vielleicht können wir es auch später aufnehmen. Wir haben über diese unterschiedlichen Umlageverfahren und diese Kapitalfondsverfahren für die Finanzierung von Renten gesprochen. Nun gibt es ja in den Gewerkschaften oder den Sozialdemokratischen Parteien Europas sehr unterschiedliche Meinungen. Die Deutschen lehnen ein Kapitaldeckungsverfahren hauptsächlich ab. In der Schweiz haben wir gehört hier von unserer Kollegin, sie lehnt es ab. In Schweden haben das die Gewerkschaften ja vor 30 Jahren angefangen und sind sehr reich durch Kapitalfonds und bejahen sie. Gibt es in dem französischen System auch eine Kapitalfondsfinanzierung oder ist das reine Umlage, also von Generation zu Generation?

H. Jani

Reine Umlage, wobei aber gerade in der Zeit während der mehr rechts stehenden Regierung, unter Chirac, ziemlich viele Stimmen laut geworden sind, daß man es doch vielleicht anders machen sollte. Aber es hat sich sehr schnell gezeigt, daß man die sécurité sociale in Frankreich nicht anrühren darf.

K. Fölster

Darf ich noch eine Frage stellen? Die Frauengruppen, die politischen Frauengruppen, oder die sich äußern, was ist ihre Priorität an Veränderung? Was kritisieren die am meisten, was wollen die? Wenn Sie nur ein oder zwei Sachen nennen wollen.

H. Jani

Das weiß ich nicht. Tut mir leid. Ja, doch es gibt feministische Bewegungen in Frankreich, aber ich bin sehr wenig in deren Nähe angesiedelt und darum weiß ich nicht viel darüber. Ich weiß, daß sie weniger virulent sind als zum Beispiel die englischen oder amerikanischen.

M. Veil

Gibt es frauenpolitische Stellungnahmen oder eine frauenpolitische Perspektive, wie wir das hier immer sagen, zu der sozialen Sicherung der Frau? Weil ich such das immer!

H. Jani

Meines Wissens nicht.

A. Braun

Also es gibt kein Pendant zu Organisationen wie dem Deutschen Frauenrat. Es gibt vielleicht ein paar Frauenbewegte unter den militants in den Gewerkschaften, ja, aber die haben dann sozusagen nicht den Resonanzboden oder die beachtenswerte Größe, daß ihre Stimme auch gehört wird. Also Vorstellungen, daß es zum Beispiel in Frankreich so etwas geben könnte wie Stellungnahme des deutschen Frauenrates zu Veränderungen in der Rentenversicherung, das ist nicht aufzufinden. In der Hinsicht sind sie nicht organisationspolitisch zugespitzt. Das ist dort kein Problem.

I. Hoffmann

Das mag vielleicht auch deshalb kein Problem sein, weil ich annehme, die Rahmenbedingungen für Berufstätigkeit der Frauen ist in Frankreich besser als zum Beispiel bei uns in Deutschland. Die Kinder kommen früher zur Schule, sie haben eine Ganztagesschule, und wenn ich das richtig weiß, die école maternelle ist angeschlossen ans Schulsystem, also nicht ausgegliedert, Kommunen können die Kindergärten nicht bezahlen. Bei uns ist es ja schon toll, der Rechtsanspruch auf den Kindergartenplatz ab dem 3. Lebensjahr, und der ist noch nicht einmal gedeckt, und dann haben wir diese blödsinnigen Öffnungszeiten der Kindergärten. Können Sie mir sagen, wie die Kindergartenzeiten laufen? Also ich weiß, daß in Frankreich in einer Stadt, in der ich im Urlaub war, 70 % der Kinder mit 2 Jahren bereits in der école maternelle sind, die der Schule angegliedert ist. Da müssen die Kinder nicht irgendwie weit gefahren werden, wenn ich das richtig weiß. Und dann hätte ich noch eine Frage. Wieviele Kinder hat die durchschnittliche Frau im Verhältnis zur deutschen Mutter? Dann habe ich noch eine Frage, wieviel Frauen sind berufstätig im Verhältnis zu den deutschen Frauen, sagen wir mal voll berufstätig, oder gibt es da Vergleiche?

H. Jani

Ich glaube, um beim letzten anzufangen, daß die Berufstätigkeit der Frauen in Frankreich heute in etwa gleich ist, in Deutschland in etwa gleich ist wie in Frankreich, wobei ich aber nicht die Prozentzahlen kenne, bei Teilzeit und Vollzeit. Meines Erachtens ist die Teilzeitarbeit in Frankreich wesentlich weniger ausgeprägt als in Deutschland unter den Frauen. Was natürlich irgendwo mit dem Schulsystem zusammenhängt. Dann hatten Sie gefragt?

I. Hoffmann

Was kostet die école maternelle?

H. Jani

Es gibt in Frankreich kein Schulgeld, und da die Kindergärten, die école maternelle, ins Schulsystem gehört, gibt es da kein Schulgeld. Aber genau wie, ob ich nun 17 bin und in der Schule esse oder 2einhalb, dafür müssen die Eltern dann bezahlen, wobei dann das einkommensabhängig ist und das kann unter Umständen sogar gratis sein.

I. Hoffmann

Wie finanziert der französische Staat dies, denn bei uns scheint das unmöglich zu sein.

H. Jani

Durch Steuern. Also man kann in die école maternelle, die Vorschule wollen wir mal sagen, sowie man windelfrei ist. Daß die Kinder mit 2,5 Jahren zu 70% in der Schule sind, das glaube ich nicht. Aber ich weiß, daß es mit 4,5 Jahren 90% sind, mit 2 Jahren sind sehr wenig Kinder im Grunde eingeschult, weil sie können ja kaum laufen.

I. Hoffmann

Ich war in den Sommerferien also in Rhone und da war gerade Schulbeginn und da machen die 3 Seiten nur zum Schulbeginn in der Zeitung. Jede Klasse ein Photo und da wird das dann groß ausgebreitet, auch diese école maternelle, sie sind sehr stolz drauf. Japaner und Amerikaner kämen zu Besuch, um sich das anzuschauen. Aber sie haben nicht gesagt das gilt für ganz Frankreich. Das war also für das Département Rhone.

H. Jani

Das gilt nicht für ganz Frankreich, daß 70 % mit 2 Jahren eingeschult sind, das gilt nicht, aber die école maternelle ist ein nationales System, die gibt es in ganz Frankreich.

A. Braun

Ich kann Ihnen die Zahlen rausdrucken, in zwei Bereichen. Nämlich einmal wie hoch die Deckungsrate durch Kindergartenplätze ist und die zweite Zahl wie die Deckungsrate durch Krippenplätze ist. Die kann ich Ihnen rausdrucken, dann können wir uns das angucken.

C. Riedel

Ja, ich wollte auch eine Anmerkung machen, da gibt es ganz schönes Heftchen „Frauen in Europa" vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegeben, das hat eine sehr ausssagekräftige Statistik. Kostet nix. Kann man sich schicken lassen. Da das mit dem Kapitaldeckungsverfahren jetzt schon mehrfach angesprochen worden ist, möchte ich mir jetzt auch noch mal eine Anmerkung dazu erlauben. Nicht nur, daß es unsinnig viel Geld kostet, seit der Lektüre des für mich wirklich bahnbrechenden und erkenntnisreichen Buches „Die Globalisierungsfalle" ist für mich sonnenklar, was passiert, wenn in dieser Billionenhöhe jetzt noch weitere Kapitalstöcke durch die internationalen Finanzmärkte geistern. Ich denke, da ist der Zusammenbruch mehrerer Regierungen und Währungen vorprogrammiert. Also nicht nur, daß es ein riesiges Problem ist, das Geld überhaupt zu akkumulieren, es muß ja auch über Jahre und Jahrzehnte irgendwie verwaltet werden und es wird auf den intenationalen Finanzmärkten zu Spekulationen genutzt und das ist eine Katastrophe. Also das als Anmerkung.

I. Ziekursch

Ich wollte noch darauf aufmerksam machen, daß der Unterschied zwischen Stadt und Land ja in den Sicherungssystemen in Frankreich immer sehr gravierend, sehr stark war. Wie hat sich das in der letzten Zeit ausgewirkt?

H. Jani

Der Unterschied ist nicht Stadt - Land. Das ist ein Unterprodukt. Der Unterschied ist Landwirtschaft und Nicht-Landwirtschaft. Die Landwirte sind in ihrem Sondersystem weiterhin sehr unterprivilegiert im Vergleich zum anderen. Daher auch dieses Extrembeispiel mit der Witwe eines Landarbeiters oder Landwirtes.

J. Rustleben

Das wird keine schwere Frage.

H. Jani

Oh, danke.

J. Rustleben

Stellen Sie sich vor, ich bin eine arme französische Frau, mein Mann ist gestorben, welche Möglichkeit habe ich, wenn er in 5 Kassen oder mehr war, zu kontrollieren, daß meine Rente richtig berechnet ist?

Zweitens, wie lange muß ich warten, das heißt also, - ja ich drücke mich mit Absicht so einfach aus, ich könnte mich wesentlich komplizierter ausdrücken -. Wie lange muß ich warten, bis ich genau weiß, wieviel Rente ich bekommen? Ich denke zum Beispiel an einige Schwierigkeiten, die deutsche Rentenempfänger hin und wieder haben.

H. Jani

Dank der Computer geht das heute sehr schnell. Dank des Computers ist es auch so, daß keine Kasse mehr durchfallen kann. Das heißt, die verschiedenen Rentenansprüche, die sind ja alle heute nicht mehr irgendwo registriert. Sondern sie sind auf den Computern der verschiedenen, dieser drei großen Gruppen gespeichert. Und dann, das weiß ich von Herrn Maier, der bei der AGIRC gewesen ist, weiß ich ganz genau aus welchen Kassen das Geld gekommen ist. Da gibt es überhaupt keine Probleme. Selbstverständlich ist es besser, wenn ich dann als avertierte Frau immer schön aufgepaßt habe, daß mein Mann nicht diese Punkteabrechnung für die Rente weggeschmissen hat. Zum Beispiel mein Sohn, der schmeißt die ständig weg, weil er erst 24 ist und sagt, was soll der Quatsch. Ich bewahre meinen sehr gut auf, weil ich etwas älter bin als er. Aber ich glaube, solche Frauen gibt es heute eigentlich nicht mehr, die so mit geschlossenen Augen durch die materielle Welt gegangen sind, daß sie alles ihrem Mann überlassen haben und nicht mal selbst einen Scheck ausstellen konnten

(Zwischenrufe)

H. Jani

Zumindest ist dieser Frauentyp im Aussterben, würde ich sagen. Und die Bearbeitung geht sehr schnell, ich glaube 2 Monate oder so was.

A. Braun

Also jetzt wird als Problem des Tages in Erinnerung bleiben, Frauen, die keine eigenen Schecks ausstellen. Haben wir noch eine weitere Wortmeldung?

G. Braun

Also, wenn’s keine gibt, dann will ich doch was fragen, und zwar, Sie haben vorher gesprochen - die Frau in der Landwirtschaft und das Ehepaar in Paris - über die Durchschnittsrente. Aber die Durchschnittsrente als solche habe ich nicht parat, hatten Sie die vorher gesagt?

H. Jani

Ich wage es nicht mehr die in Deutsche Mark umzurechnen, das sind 8000 francs für Männer und 4300 für Frauen. Das gesamte Rentensystem ist sehr stark angehoben worden in den letzten 10 Jahren, in den 70er Jahren war es noch sehr schlecht, während heute das Renteneinkommen, das durchschnittliche Renteneinkommen über dem durchschnittlichen Arbeitseinkommen eines Arbeiters liegt.

A. Braun

Das Problem dabei ist, daß das nach diesen Kassen zum Teil auch sehr stark differiert. Ich habe aus der Libération vor einiger Zeit mal eine sehr schöne Übersicht rauskopiert, in der sieht man deutlich, daß es hinter allen Durchschnitten stark auseinanderfallende Leistungen für unterschiedliche Gruppen gibt. Also ganz unten ist die Landwirtschaft, dann kommen aber zum Beispiel schon diejenigen, die seit den 60er Jahren in die Versicherung der kleinen Selbständigen, Handwerker und so was, zahlen mußten. Die haben auch relativ geringe Erträge und dann gibt es ganz deutliche Unterschiede zwischen diesen beiden Klassen von Angestellten und gehobenen Angestellten, also, hinter den Durchschnitten von 8000, 4000, da kommen dann also Spreizungen auch bei den Männern zwischen 16000 und 3000 raus und bei den Frauen sind dann die Spreizungen noch etwas stärker. Also ist es wie bei uns, mit den reinen Durchschnitten kann man wenig anfangen, man muß etwas genauer hingucken. Wenn Sie mir 5 Minuten Zeit geben, dann hole ich die Grafik und werfe die Ihnen an die Wand, vielleicht erledigen sich dann einige Fragen, die Sie zu der inneren Struktur haben.

H. Jani

Und vielleicht kann ich in diesen 5 Minuten etwas nachholen, was ich versäumt habe, Ihnen zu sagen, nämlich daß Frankreich ein garantiertes Altersminimum hat. Das Minimum vieillesse, das sich aus zwei Dingen zusammensetzt. Einmal dem Mindestanspruch aus der eigenen Rente und - also wenn die sehr, sehr niedrig ist,- dann kann man zusätzlich aus dem Solidaritätsfond Geld bekommen. Es sind hauptsächlich Frauen heute, früher waren klassisch dort etwa 2,5 Millionen Frauen, die diese garantierte Mindestrente bezogen, heute sind es nur noch etwa 1,5 Millionen, weil das Rentenniveau so sehr stark angewachsen ist. Und weil eben jüngere Frauen in der Alters- Bevölkerung eben mehr eigene Rechte aufgebaut haben.

G. Braun

Auch ich habe noch eine Frage. Es gibt doch seit einigen Jahren noch ein anderes Finanzierungsmittel für die Alterssicherung, diese eine zusätzliche Abgabe, die auf Vorschlag von Rocard eingeführt wurde, was uns immer sehr imponiert, daß so was noch zusätzlich gemacht wird. Eine Abgabe auf alle Einkommen und wahrscheinlich nicht nur Einkommen sondern auch andere Besitztümer, die dazu dient, die Einkommen bzw. die Finanzierung der Altersversicherung zu verbessern. Ich weiß den genauen technischen Ausdruck nicht.

H. Jani

Das ist die CGS. Das dient aber nicht unbedingt, meines Wissens, der Rentenzahlung oder der Alterssicherung, sondern das sollte das große soziale Loch stopfen. Das ist praktisch eine soziale Sondersteuer, die weiterhin erhoben wird.

A. Braun

Also zu der Frage von vorher. Das ist eine Statistik, die sinnigerweise gemacht wurde in Zusammenhang mit unserer 218-Diskussion. „Versorgung mit Kindergartenplätzen für Kinder ab 3 Jahren." Da haben wir in Frankreich 100, in Deutschland 79. Interessanter sind aber diese Zahlen, da haben die Dänen für jedes zweite Kind unter 3 Jahren eine Versorgung. Wenn man sich dann die Erwerbstätigkeitskurve ansieht, zeigt sich, daß die dort nicht abbricht, sondern durchgezogen ist. Also soviel zu den Fragen, ob Rhone typisch ist.

I. Hoffmann

Öffentlich finanziert, bedeutet das kostenfrei für die Eltern oder bedeutet das nur, daß Bundes- oder Landesmittel zugeschossen werden?

A. Braun

Nein, daß die Einrichtung öffentlich finanziert ist.

I. Hoffmann

Über die Elternbeiträge sagt das nichts.

A. Braun

Also nochmal: in Frankreich sind die Dinge im Grunde kostenfrei, bis auf die Beteiligung an der Verpflegung, aber auch für die kann es Zuschüsse geben, zum Beispiel von der Gemeinde. In Frankreich gibt es auch jeweils bei Schuljahresbeginn und dann noch einmal nach einem halben Jahr besondere Zuschüsse für die Kosten des besonderen Aufwandes für Kinder in der Schule. Das haben wir auch nicht.

K. Fölster

Darf ich etwas zu der Grafik sagen? Erstens öffentlich finanziert bedeutet natürlich, daß es mit Steuermitteln finanziert ist, aber die verschiedenen Länder hier haben eine unterschiedliche Art, wie man die Eltern auch beitragsmäßig heranzieht. Das kommt nicht raus. Dann noch etwas anderes: Was wir Kindergärten nennen, also für Kinder ab 3 Jahre; was hier nicht gezeigt wird, ist, wo die meisten Halbtags-Kindergarten sind, wo die Kinder das Recht haben auf Ganztags- oder Dreivierteltagseinrichtungen. Da sind nämlich auch große Unterschiede.

I. Hoffmann

Ja und es kommt nicht heraus, daß 100 % der 3jährigen Kinder in Frankreich, in die école maternelle gehen, das ist kein Kindergarten.

A. Braun

Dann zu den Unterschieden bei den Renten. Diese Strukturen, von denen ich vorhin sprach. Daß sich hinter dem Durchschnitt etwas ganz anderes verbirgt, wenn man mal guckt, in dem allgemeinen System, also dem régime générale, sind es nun hier 4869, aber schon bei den Landwirten sind diese 1700 Francs. Also, nehmen Sie das mal 0,3, dann sehen Sie wie wenig das ist, bei den gehobenen Angestellten sind es 10000, also bei den Beamten sind es 10000, bei den Sondersystemen also Bergbau, Schiffahrt, Elektrizität und Eisenbahn sind es 6600, bei den Nichtselbständigen in der Landwirtschaft sind es 2800, also etwa 50 % mehr als bei den ehemalig Selbständigen in der Landwirtschaft. Und wenn Sie dann sehen, wieviel die einzelnen Gruppen Trimester zusammenbringen, also die Maßzahl war 160, da sehen Sie dann auch, daß die besten Chancen, auf hohe Zahlen zu kommen die fonctionnaires haben und die geringsten Chancen haben die kleinen Selbständigen, also die Handwerker, die da drin sind. Und dann muß man sehen, wo der Schwerpunkt liegt, also diese vornehmen 10000 Francs-Rentner, von denen gibt es gerade mal etwas unter 5 %, auch die Handwerker, Selbständigen spielen eine relativ geringe Rolle, noch, das wächst noch an, der Schwerpunkt liegt hier in dem régime générale. Und wenn Sie sich dann die Unterschiede zwischen Männern und Frauen angucken, dann sind die natürlich auch gewaltig. Die Pension hier bei den Männern 7400, bei den Frauen 3200, und da kommt ein Durchschnitt von 5000 Francs heraus und Sie können auch hier sehen, daß diese Zusatzleistungen dann auch wieder sehr unterschiedlich verteilt sind, so daß also dann in der Summe die Männer 7960, also das waren Ihre 8000, und die Frauen etwas über 4300 kriegen. Es verbirgt sich eine sehr stark differenzierte Landschaft der Pensionen dahinter, aber sie hat eben nicht die Eigenschaft wie bei uns, daß sie bis Null geht. Also, es gibt einen Sockel, das ist ja das, was uns von allen anderen rundrum unterscheidet, daß es bei uns keinen festen Boden unter den Füßen gibt, sondern daß es eben nach dem Motto „Die Rente ist verdient" gegen Null gehen kann, das heißt keine Mindestsicherungsansprüche irgendwo eingebaut sind seit 1957. Da hat Frau Veil heute morgen darauf hingewiesen, vor 1957 und dann bis 1989 in der alten DDR gab es diese nachgebauten Plafonds, die hat man 57 energisch beseitigt, während alle anderen um uns herum sie haben.

Und zu den Beiträgen. Das ist die Finanzierung des gesamten Systems der sécurité sociale. Und da können Sie dann sehen, wenn Sie die 91er Summe nehmen, 1 Billion 859 Milliarden wurden sozusagen ausgegeben, davon entfielen auf die Arbeitgeber 963 Milliarden und auf die Versicherten 527 Milliarden, also keineswegs 1:1 sondern eher 2:1 und es kamen hinzu hier die Zuweisungen aus öffentlichen Mitteln. In dieser Größenordnung machen sie ein Drittel der Arbeitgeberbeiträge aus, also das was bei uns Bundeszuschuß heißt. Und der Streit geht eben darum, ob die beiden sich zusammentun können, um die Höhe des Bundeszuschusses sozusagen zu ihren Gunsten, zu Lasten der Steuerzahler zu beeinflussen. Und auch die Unterfinanzierung, die es in den einzelnen Sparten gab, die hat sich dramatisch verändert. Also insgesamt - das System ist mit 64 Milliarden 1995 unterfinanziert gewesen - der größte Brocken war das System Krankheit, das System Alter nur etwas unterfinanziert und im Bereich der Familie hat das System sogar Überschüsse gemacht. Ja also, auch das ist etwas, was wir mit unserer Art von ja Systemfinanzierung eigentlich nicht vergleichen können.

H. Jani

Ich wollte eben gerne an die Tafel schreiben, wie das mit dem minimum vieillesse ist. Also ich nehme als Beispiel, wenn der Haushalt aus einer Person besteht. Und nicht aus einem Ehepaar, dann ist der Plafond, also die Schwelle, 42193 Francs per annum. Das heißt, das Geld steht denjenigen zu, die nicht mehr als diese Summe pro Jahr haben. Wenn das so ist, dann ergibt sich ein minimum vieillesse von rund 14.000 DM pro Jahr und das besteht aus dem AVTS, das sind also die eigenen Ansprüche, die aufgebaut werden konnten plus Anrechnungsjahre und andere Gratispunkte, wie wir die nennen. Das sind 17147 und dann kommt der FNS dazu. Das ist also der Solidaritätsfonds mit 24000 rund. Jetzt gibt es aber viele Frauen, die überhaupt keine eigenen Rechte aufgebaut haben, denn diese Anrechnungszeiten, die gelten ja nur dann, wenn man wenigstens ein bißchen eigene Ansprüche hat. Es gibt also viele Frauen, gerade in der heutigen Altersbevölkerung, die diesen Anspruch nicht haben. Die kommen also nicht auf das garantierte Minimum. Sondern die haben dann nur diese 24000. Und dann können sie natürlich zur Sozialhilfe gehen, die setzt dann ein.

Zwischenfrage

Das habe ich nicht verstanden. Was ist jetzt die genaue Mindestsicherung, also können Sie die Zahlen noch mal erläutern, was die im einzelnen bedeuten.

A. Braun

Also, ein Ein-Personen-Haushalt: 3474 Francs pro Monat ist der Betrag, den Sie mindestens haben müssen mit dem, was sie aus anderen Ansprüchen haben und dem was sie dazu bekommen ; für den Zwei-Personen-Haushalt 6085 Francs im Monat, also auch da. Also nochmal, für den Ein-Personen-Haushalt rund 1000 Mark, etwas mehr, und für den Zwei-Personen-Haushalt so in der Größenordung von 1800. Das ist sozusagen der untere Sockel im Alter. Nicht in allen Fällen von Armut, nicht in allen Fällen von Bedürftigkeit, aber für den Fall, daß jemand älter als 65 ist, dann gilt dies sozusagen als die armutsvermeidende Altersleistung. Und die wird eben aus einem anderen Topf bezahlt als aus den Versicherungsbeiträgen nämlich aus diesem nationalen Solidaritätsfonds, der gespeist wird aus einer allgemeinen Abgabe auf alle Arten von Einkommen, nicht nur Arbeitseinkommen sondern auch Gewinneinkommen, Spekulationsgewinne oder was auch immer.

Dürfen wir diese Pause, die entstanden ist, als Einverständnis deuten, daß wir dann zum Abendessen gehen? Dann bedanke ich mich noch einmal herzlich bei Frau Jani.


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