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TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:

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3. Reformpraxis westdeutscher Kommunen - wesentliche Elemente und Problemstellungen

Die skizzierten Anforderungen entspringen einer Debatte, die von den Themen her über die neoliberalen Rezepte aus den 80er Jahren wie Deregulierung und Privatisierung hinausgeht. Diese Debatte zielt auf die Redefinition öffentlicher Aufgabenerledigung. Es geht um Organisationsreformen mit dem Schwerpunkt dezentrale Führung und Verantwortungsdelegation, um Arbeitsstrukturen und Motivation der Mitarbeiter/innen sowie um die Qualität der Dienstleistungen, d.h., es geht um eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung.

Dies schlägt sich nicht nur in der wissenschaftlichen Erörterung von Theorien und Modellen zur Verwaltungsreform nieder, sondern auch in konkreten Reformprozessen, vor allem im kommunalen Sektor. Bei der Umsetzung von Reformkonzepten in Kommunal- und Kreisverwaltungen dominieren bislang noch Pilotprojekte mit Versuchscharakter, in denen Erfahrungen mit innovatorischen Ansätzen gesammelt werden. Ob man heute, nach drei bis vier Jahren kommunaler Verwaltungsreform, schon von einer konsolidierten Entwicklung hin zu tiefgreifenden Strukturreformen sprechen kann, ist fraglich. Um so wichtiger scheint daher ein intensiver Erfahrungsaustausch und eine immer wieder erneuerte Diskussion zu den Inhalten und Zielen von Reorganisation und zu den Möglichkeiten praktischer Umsetzung.

Dies war auch die Zielsetzung des von der Friedrich-Ebert-Stiftung 1994 durchgeführten Workshops "Verwaltungsreform in westdeutschen Städten und Gemeinden". Zu den Chancen und Möglichkeiten, Organisationsreformen auch bei Zwang zur Haushaltssicherung anzugehen oder aufrechtzuerhalten, wurden Vertreter der Städte Hannover, Neumünster und Offenbach befragt.

Sozusagen ein Reformprojekt der zweiten Generation, eine auf umfassende Beteiligung setzende Veränderung nicht nur der Aufbauorganisation, sondern auch der Arbeitsabläufe, wurde von einem Vertreter aus der Verwaltung des Main-Kinzig-Kreises präsentiert. Fragen der Initiativwirkung spezieller Reformantworten zeigte die wissenschaftliche Begleitforschung zum Bürgerladen Hagen auf. Zuletzt nahm die Vertretung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der ÖTV Stellung zur Frage der Zielbestimmung öffentlicher Verwaltung, der Reform der Gemeindefinanzen, wie auch zur Frage des Reformpotentials und der zentralen Bedeutung von Veränderungsprozessen unter Einbeziehung aller.

Ausgehend von den Ergebnissen dieser Gesprächsrunden zu Haushaltskonsolidierung als Rahmenbedingung kommunaler Verwaltungsreform und Binnenmodernisierung der Kommunalverwaltung, soll nun versucht werden, nicht nur die Voraussetzungen für Reformerfolge zu diskutieren, sondern vor allem die prozeßbezogenen Elemente, Methoden und Instrumente der Reformpraxis in den genannten Verwaltungen herauszuarbeiten. Es bietet sich an, dies entlang der wichtigsten Innovationsbereiche und -themen zu tun.

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Initiatoren und Reformpotential bei Strukturreformen in der öffentlichen Verwaltung

Die Überlegung, daß ein enger Zusammenhang bestehen könnte zwischen der Entstehung eines Reformpotentials für einen qualitativen Umbau der Verwaltungsstrukturen und dem schon in den 80er Jahren zunehmenden Druck auf die öffentliche Verwaltung, ist sicher nicht ganz falsch. Sowohl der Trend zu Staatsrückbau und Privatisierung als auch die Politik pauschaler Einsparungen forderten andere und differenziertere Antworten geradezu heraus.

Welche Entwicklungen sind zu verzeichnen? Ist es gerechtfertigt, von einem "Innovationsklima" zu sprechen? Von welchen Kräften werden Reformprozesse angestoßen oder vorangebracht?

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Die Reformprozesse in den Verwaltungen, die auf dem Workshop der Friedrich-Ebert-Stiftung über ihre Probleme und Erfahrungen berichtet haben, sind stark geprägt durch Formen des gemeinsamen Initiativwerdens (Gestaltungsprojekt Bürgerladen Hagen), der sachbezogenen Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsführung und Personalvertretung (Hannover und Offenbach) oder gar der intensiven Kooperation (Main-Kinzig-Kreis).

Dagegen hat der Reformprozeß in Neumünster eher den Charakter einer politisch organisierten "Reform von oben". Man könnte auch sagen, es handelt sich um einen von der Politik entschieden betriebenen Kraftakt, nachdem auch die katastrophalsten Haushaltslagen jahrelang kein vernunftgeprägtes Innehalten bewirkten.

Die Initiative ging in Neumünster (kreisfreie Stadt mit 80.000 Einwohnern) von einer informellen Gruppe sozialdemokratischer kommunalpolitischer Leistungsträger aus. In Reaktion auf ständig steigende strukturelle Haushaltsdefizite (1991 35 Millionen DM) wurde ein erster Ratsbeschluß zur Durchführung einer Organisationuntersuchung der Stadtverwaltung durchgesetzt; der Untersuchungsauftrag zielte auf direkte Vorschläge zur Senkung des Kostenniveaus und auf die Prüfung von Chancen und Risiken einer Verwaltungsreform nach dem KGSt-Modell "Konzern Stadt". Um die Zielsetzung Konsolidierung abzusichern, wurde ein zweiter Ratsbeschluß herbeigeführt: "Die Ergebnisse des Organisationsgutachtens werden Beratungsgrundlage für den Haushaltsentwurf 1993, der im übrigen im Verwaltungshaushalt die Ansätze des Haushaltes 1992 enthält."

Daß ein mit dem entsprechenden Autoritätsanspruch präsentiertes Umsteuern von der Verwaltung nicht umgehend angenommen wird, auf Seiten des Personalrats auch zu Verweigerungshaltungen führt, ist wenig verwunderlich. "Eine massive Einsparpolitik schafft erst einmal Frust und Demotivation, sowohl in Politik, Administration als auch in der Öffentlichkeit. Meine These ist, daß das Umstrukturieren sinnstiftend und motivationsfördernd ist und daß dementsprechend Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen einhergehen sollten mit der Schaffung von mehr Eigenverantwortlichkeit in der Verwaltung. Hier geht es um Arbeitsplatzzufriedenheit und immaterielle Werte, Werte, die für zunehmend mehr Menschen zunehmend wichtiger werden" (Thorsten Wenck).

Trotz verschiedener Machtkämpfe hat sich schließlich doch ein an der Sache orientiertes Reformklima hergestellt. Gründe dafür könnten darin bestehen, daß

Über die Bündnisse und die Kooperation von Initiatoren hinaus stellt sich an Reformprozesse die Frage nach der Einbeziehung der Beschäftigten. Hier entfaltet auch der Begriff des Organisationsentwicklungsprozesses seine eigentliche Bedeutung: Etwas, was von unten wachsen soll, gestaltet werden soll, muß notwendigerweise partizipativ angelegt sein. Die Einbeziehung aller als Erfolgsvoraussetzung für den Umbau der öffentlichen Verwaltung wird vor allem von der Gewerkschaft ÖTV betont:

Wie ist es aber um die Beteiligungsbereitschaft der Beschäftigten bestellt? Befragungen von Beschäftigten in der Verwaltung belegen immer wieder, wie konträr die bestehenden Strukturen zu den Interessen und Bedürfnissen von Beschäftigten stehen:

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Angestauter Frust und die erhebliche Unzufriedenheit mit Vorgesetztenverhalten, Arbeitsorganisation und Stellenbesetzung, Weiterbildungsmöglichkeiten, Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten (um nur einige zentrale Problemfelder zu benennen) kennzeichnen die Stimmungsbilder. Daß darin auch ein Potential zur Mitwirkung an Veränderungsprozessen liegen kann, hat sich im Main-Kinzig-Kreis und anderswo deutlich gezeigt.

Das gewerkschaftliche Reformpotential und damit auch die Gestaltungsansätze und Initiativen, die aus der intensiv geführten Reformdebatte der ÖTV heraus entstanden sind oder auf das Engagement von Personalvertretungen zurückgehen, werden hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Reformprozesse oftmals unterschätzt. Die gewerkschaftliche Betriebspolitik hat in weiten Teilen eine Abkehr von der fundamentalistischen Verhinderungspolitik vollzogen, die noch die Auseinandersetzungen um Technikeinführung in den 80er Jahren geprägt hat. Gerade die Reformprozesse in den bei dem Workshop vertretenen Kommunal- und Kreisverwaltungen stehen beispielhaft für die gewerkschaftliche Bereitschaft zur konstruktiven Mitgestaltung und sachbezogenen Zusammenarbeit. Grenzen und Konfliktlinien, auf die der gewerkschaftliche Mitgestaltungswille dabei trifft, verweisen auch auf unabstreitbare, grundlegende Schwierigkeiten bei der Umstrukturierung der Verwaltung:

Reformprojekte bedürfen bestimmter Regelungsformen. In Dienstvereinbarungen, Beteiligungspapieren, Rahmenvereinbarungen oder Kooperationsverträgen wird beschrieben, welche allgemeinen Grundsätze und Reformziele das Reorganisationsvorhaben bestimmen, welche Maßnahmen und Verfahren gewählt werden und in welcher Form Personalvertretung und Beschäftigte an dem Prozeß zu beteiligen sind. Festgelegt wird zumeist auch die Art der Projektorganisation, d.h. die Lenkungsausschüsse, Beiräte, Projekt- und Arbeitsgruppen, Anhörungen, Einführungsworkshops etc.

Als ungewöhnliches Beispiel für eine Vereinbarung über Ziele, Kriterien und Durchführung eines Reformprozesses kann der hier dokumentierte Kooperationsvertrag zwischen der Gewerkschaft ÖTV und dem Landkreis Main-Kinzig gelten:

1.

Die Gewerkschaft ÖTV und der Landkreis Main-Kinzig wollen gemeinsam einen Organisationsentwicklungsprozeß vorantreiben, der unter folgenden Kriterien ablaufen soll:

  • Der Entwicklungsprozeß soll effizientere und produktivere Formen der Verwaltungsarbeit im Main-Kinzig-Kreis voranbringen.

  • Dazu gehören insbesondere die Anwendung betriebswirtschaftlicher Führungs- und Steuerungsmethoden (z.B. Budgetierung, Methoden des Controlling etc.), veränderte Formen der Personalpolitik und Personalentwicklung, neue Mitarbeiterorientierung, eigenverantwortliche Arbeitsformen, Produkt- und Kundenorientierung, veränderte Führungsformen.

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2.

Beide Seiten verständigen sich darauf, daß dieser Veränderungs- und Anpassungsprozeß den Besonderheiten des Auftrags der öffentlichen Verwaltung Rechnung tragen muß. Dies bedeutet:

  • Die Dienstleistungsqualität der öffentlichen Verwaltung ist entscheidend von der Art und Bedingung ihrer Entstehung abhängig. Ein offener Entwicklungsprozeß mit qualifizierter Mitarbeiterorientierung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des öffentlichen Dienstes ist die Grundlage für einen Erfolg dieses Projektes.

3.

Beide Seiten stimmen darin überein, daß dieser Organisationsentwicklungsprozeß als ein partizipativer Prozeß angelegt werden soll. Dies heißt:

  • Es wird in jedem Prozeßabschnitt von beiden Seiten zu prüfen sein, ob alle Möglichkeiten der Beteiligung der Beschäftigten über die personalvertretungsrechtlichen Möglichkeiten hinaus wahrgenommen worden sind.

  • Darüber hinaus muß geprüft werden, ob in diesem Prozeß eine im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben mögliche Öffnung zum Bürger zur Anwendung kommt.

  • Das Ziel dieses Organisationsentwicklungsprozesses ist, eine Dienstleistungsqualität zu entwickeln, die in hohem Maße durch die Partizipation der Mitarbeiter und Bürger bestimmt wird.

4.

Der Landkreis und die ÖTV-Kreisverwaltung wollen alle Möglichkeiten prüfen, dieses Projekt zu einem beispielhaften Reformprojekt der Anpassung der Kreisverwaltungsstrukturen an moderne Anforderungen zu gestalten. Die Gewerkschaft ÖTV wird ihrerseits durch die Hauptverwaltung prüfen, ob sie Mittel und Möglichkeiten im Rahmen ihres Projektes "Zukunft durch öffentliche Dienste" zur Unterstützung dieses Vorhabens zur Verfügung stellen kann.

5.

Zur Durchführung dieser Aufgabe wird ein paritätisch besetzter Projektbeirat eingerichtet. Dieser entscheidet insbesondere über

  • Delegation von Entscheidungen
  • Fortführung des Projektes nach Zwischenbilanzen
  • Umsetzung von Projektabschnitten mit Auswirkungen auf den Bestand von Arbeitsverhältnissen.

Der Beirat trifft seine Entscheidungen nur einvernehmlich.



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Sanierungsstrategien und Verwaltungsreform (Stadtverwaltung Offenbach)

Das Beispiel der Stadt Offenbach kann, was die Sanierungszwänge betrifft, als ein Szenario gelten, das bei der anhaltenden Tendenz des Auseinanderdriftens von kommunalen Ausgaben und Einnahmen immer mehr Städten droht. Offenbach, eine kleine Großstadt mit 114.000 Einwohnern, stand schon Anfang der 90er Jahre vor dem Haushaltskollaps (Kreditaufnahme, um Zinsen und Tilgung finanzieren zu können). Es zeichnet Offenbach aus, nicht auf die äußeren Gründe der exorbitanten Verschuldung zu verweisen, sondern die gesamte Sachlage klar zu benennen. Die wesentlichen Punkte dabei sind:

Das 1991 von einer Großen Koalition aufgelegte Sanierungsprogramm sah eine sukzessive Reduzierung der Defizite vor, d.h., ein ausgeglichener Haushalt sollte 1995 erreicht werden. Darüberhinaus wurden strategische Ansätze entwickelt, die eine Verbesserung der Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Stadt Offenbach zum Ziel hatten. Ein Punkt war die strategische Weichenstellung im Wohnungsbau: Es wurde begonnen, statt Sozialwohnungen Wohnungen für mittlere und höhere Einkommensschichten zu bauen. Die Stadtspitze will hier bei der durch Wanderungs- und Verdrängungseffekte im Rhein-Main-Gebiet mitbedingten Sozialstruktur gegensteuern und darüber auch die Einnahmesituation (Einkommenssteueranteile) verbessern. Weiterhin zielt die städtische Politik auf Wirtschaftsansiedlung, wobei in unmittelbarer Nachbarschaft zur Metropole Frankfurt a.M. niedrige Bodenpreise und damit preiswerte Büroflächen Vorteile sind, die trotz schlechten Images ausschlaggebend sein können. Gestützt auf die günstige Kostenstruktur und auf kurze Bearbeitungszeiten bei Baugenehmigungen (3 Monate) als weiteren Wettbewerbsvorteil, ist die Stadt gezielt auf Unternehmen zugegangen. Diese Bemühungen beginnen sich für die Stadt auszuzahlen, wie Oberbürgermeister Gerhard Grandtke betont: Innerhalb von zwei Jahren konnten 5.000 Arbeitsplätze dazugewonnen werden, und auch an den höheren Einkommens- und Gewerbesteueranteilen sei abzulesen, daß der eingeschlagene Weg Wirkung zeigt.

Was den städtischen Haushalt betrifft, so war der Sanierungskurs in der Zwischenzeit massiv verschärft worden. Ausgelöst durch die konjunkturelle Entwicklung wurde das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts auf 1992 vorgezogen. Welche direkten Auswirkungen das hat, ist beispielhaft an der Höhe der städtischen Investitionen abzulesen. Von den nur 57 Mio. DM, die der Haushalt 1993 bei strikter Vermeidung einer Netto-Neuverschuldung als Gesamtinvestitionsvolumen auswies, gingen 37 Mio. DM in den S-Bahn-Bau. Das heißt, daß 1993 ganze 20 Mio. DM für Kindergärten, Schulen, Straßenbau etc. zur Verfügung standen.

Die Entscheidung, den Haushaltsausgleich nicht aufzuschieben, sondern mit einer Verschärfung des Sanierungkurses einen sofortigen Verzicht auf Netto-Neuverschuldung zu ermöglichen (auch weil bei einem mit Krediten finanzierten Schuldendienst eine Dynamisierung der Verschuldung zu befürchten ist), war nur um den Preis harter Einschnitte zu haben. Die Stadtverwaltung Offenbach konzentriert sich auf "reine Hoheits- und Leistungsverwaltung" (Grandtke, 1993). Alle Bäder, das städtische Theater, zwei Jugendzentren und eine Stadtteilbibliothek wurden geschlossen, weiterhin erfolgte eine strikte Ausgliederung und Verselbständigung städtischer Einrichtungen (von Entsorgungs- und Reinigungsbetrieben bis zu den Altenheimen), und bis Ende 1995 sollen die rund 2.500 Stellen auf 1.200 reduziert werden. In den Stellenabbau fließt die Ausgliederung von Organisationseinheiten mit ein: So waren bis einschließlich Stellenplan 1993 165 wirkliche Streichungen und 574 durch Ausgliederung abgebaute Stellen zu verzeichnen.

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In ihren Ausprägungen erinnert die Sanierungsstrategie zweifellos an Methoden, mit denen in der Privatwirtschaft angeschlagene Unternehmen wieder auf Kurs gebracht werden. Um den Sanierungs- und Umstrukturierungsprozeß zu steuern, wurde eine Controlling-Einheit aufgebaut, mit Finanz- und Personalcontrolling, mit Beteiligungscontrolling, um die Eigenbetriebe zu steuern; die Querschnittsbereiche sollen zu Serviceeinheiten umgebaut werden, und die Budgetierung soll so aussehen, daß die Einhaltung der Vorgaben gesteuert wird. Es ist ein Prozeß, der mit immensem Druck von oben durchgeführt wird.

Bei der geschilderten Sachlage dürfte es schwer fallen, die Notwendigkeit der unmittelbaren Sanierungsmaßnahmen zu bestreiten, zumal die Ausgliederungen, die Rechtsformänderungen bei städtischen Betrieben nicht als pure Haushaltssanierung abgebucht werden können (ihre Entwicklung wird ja städtischerseits gesteuert). Gewerkschaft und Personalvertretung wirken initiativ an dem Prozeß mit, ein Schwerpunkt ist die inhaltliche Ausgestaltung bei der Schaffung der Eigenbetriebe; dazu zählen neben sozialen Regelungen auch Akzentuierungen wie eine ökologisch verträglichere Abfallwirtschaft, die auf das lange Drängen der Gewerkschaft zurückgeht. Bleibt aber die Frage danach, welche Akzente bei den einschneidenden Maßnahmen gesetzt wurden und wie es um Elemente von Organisationsentwicklung in der Offenbacher Stadtverwaltung bestellt ist.

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Reorganisationvorhaben mit dem Schwerpunkt umfassender Dezentralisierung (Stadtverwaltung Hannover)

Steuerungs- und Ressourcenprobleme wurden in verschiedenen westdeutschen Großstädten schon in den 80er Jahren thematisiert. Gerade in den fachlich stark gegliederten Großstadtverwaltungen wurden bei unübersehbar wachsenden Anforderungen Koordinationsprobleme immer deutlicher, d.h., die Erkenntnis nahm zu, daß in dem vorherrschenden bürokratischen System neue oder gewandelte Aufgaben des kommunalen Sektors bzw. Anforderungen an ihn kaum angemessen aufgenommen werden können.

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Dies war auch der Ausgangspunkt in Hannover, wo erste Schritte in Richtung auf ein Reorganisationsvorhaben sehr früh angestoßen wurden, d.h., noch bevor das Ausmaß einer strukturell bedingten Haushaltskrise (wie in anderen großen Städten sind die Stichworte: Auszehrung der Einnahmebasis und Sozialstruktur) sichtbar wurde, die durch den konjunkturellen Einbruch und durch die hohen Verteilungslasten der deutschen Einheit noch verschärft wurde:

Der hannoversche Reformansatz kann als Strategie einer »konzernartigen Dezentralisierung der Kommunalverwaltungderungen an die Verwaltung gerecht werden zu können.

Mit Veränderungen bei Querschnittsaufgaben (Organisationsarbeit, Personalarbeit, Finanzwesen, Informationsversorgung, IuK-Technik) und bei Querschnittsämtern sollte die Umsetzung beginnen, zudem wurden 4 Pilotämter bestimmt. Nur bestimmte Maßnahmen sollten allein die Pilotämter betreffen. Dagegen sollten sich Veränderungen bei der Ressourcenbewirtschaftung, wie die Dezentralisierung des Beschaffungswesens, und bei der Personalplanung und Stellenbesetzung auf alle Fachämter auswirken. Insofern kann von einem Konzept flächendeckender Dezentralisierung gesprochen werden.

Durch die weitere Verschlechterung der Haushaltslage (1992 betrugen allein die aufgelaufenen Haushaltsdefizite 220 Mio. DM) geriet der Umsetzungsprozeß unter den Druck von Einsparnotwendigkeiten. Um deutlich zu machen, daß es sich nicht um ein kurzfristiges Problem handelt, wurde ein Haushaltskonsolidierungs-Gesamtrahmen für die Jahre 1993 bis 1996 festgelegt. Der Oberstadtdirektor zu den Konsolidierungsmaßnahmen:

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Die Frage der Verwaltungsreform wird vor allem durch die Einschnitte in den beiden erstgenannten Bereichen berührt. Der Gesamtrahmen umfaßt zum einen eine globale Vorgabe von oben, um den Abbau von 1.000 Stellen festzuschreiben, andererseits ist er auch an den Reformzielen orientiert: Es wurde entschieden, mit direkten Sparvorgaben in eine Art Budgetierung einzusteigen; den Dezernaten sind nun Eckwerte vorgegeben, die auch nicht nachträglich verschärft werden. Ab dem Haushalt 1995 ist für jedes Dezernat ein Budget vorgesehen, verbunden mit größeren Spielräumen bei der Umsetzung. Weiterhin wurde untersucht, ob auf Ämter- und Abteilungsebene die Organisationsstruktur sinnvoll gestrafft werden kann, wo Leitungs- und Kontrollfunktionen abgebaut werden können. Dies führte zu Zusammenlegungen wie der des Amtes für Zivilschutz und der Feuerwehr oder zur Integration des Statistischen Amtes in das Amt für Koordinierung und Controlling und zudem zur Reduzierung der Zahl von Abteilungen in 12 Ämtern, verbunden mit der Präferenz für Arbeitsgruppen und Projektstrukturen bei bestimmten Aufgabenstellungen.

Die Frage ist, welche Ergebnisse bei den Veränderungsprozessen, wie sie der hannoversche Reformansatz intendierte, trotz der einschneidenden Konsolidierungsmaßnahmen zu verzeichnen sind. Zwei der wichtigsten flächendeckenden Maßnahmen waren die Dezentralisierung des Beschaffungswesens sowie Informations- und Kommunikationstechnik:

Die Projektleitung (Lenkungsgruppe) hat 1993 eine Schwerpunktsetzung zugunsten von Pilotbereichen und umfassenderen Modellversuchen vorgenommen. Die dezentralen Organisationprojekte dagegen sind Resultat einer Entwicklung, bei der Fachbereiche beginnen, Umstrukturierungen selbst in Angriff nehmen.

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Eine noch detailliertere Darstellung würde den Rahmen dieser Studie sprengen. Abschließend sollen aber noch einige weitere Aspekte hervorgehoben werden. Auf dem schwierigen Innovationsfeld der Verantwortungsabgrenzung zwischen Rat und Verwaltung ist aus Hannover als konkreter Schritt bekannt, daß der Personalausschuß einen Teil seiner Entscheidungskompetenz in Personalangelegenheiten, insbesondere bei Beamtenernennungen, an die Verwaltung abgegeben hat. In der Verwaltung selbst hat sich im Verlauf des Einführungs- und Umsetzungsprozesses der Dezentralisierungsansatz inhaltlich so weiterentwickelt, daß man inzwischen von einem sich selbst tragenden Erneuerungsprozeß sprechen kann. Stichworte sind hierbei Verbesserung der Arbeitsorganisation (Neuordnung von Zuständigkeiten, Delegation von Entscheidungskompetenz auf die Sachbearbeiterebene), aber auch Orientierung auf Übertragbarkeit (durch gezielte Auswertung der Erfahrungen in Pilotbereichen und Modellversuchen). Was Führungsinstrumentarien wie Controlling und Berichtswesen angeht, sei auf die vergleichende Betrachtung dieses Kapitels im Abschnitt über "Grundsysteme der Steuerung und Information" verwiesen. Daß der immer neu fortgeschriebene hannoversche Reformansatz Erfolgsfaktoren zu erkennen und zu integrieren versteht, läßt sich an der nachfolgend dokumentierten Projektankündigung ablesen:

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Veränderung arbeitsorganisatorischer Strukturen und Mitarbeiterorientierung (Main-Kinzig-Kreis)

Als bisheriges Hauptanliegen der Binnenmodernisierung in Kommunal- und Kreisverwaltungen sind Organisationsreformen auszumachen. Die Dezentralisierungskonzepte zielen darauf, die Überkomplizierung des Verwaltungsapparates abzubauen, Funktionen zusammenzuführen und Verantwortung zu delegieren. In der Reformdebatte der letzten Jahre ist aber immer deutlicher formuliert worden, daß sich das Ziel einer entschieden leistungsfähigeren Verwaltung - eine wesentliche Voraussetzung, um Privatisierungsvorstellungen entgegentreten zu können - nur dann wird erreichen lassen, wenn die Umstrukturierung auch die Ebene der Arbeitsorganisation umfaßt. Als ein (noch) seltenes Beispiel für ein Reorganisationsvorhaben, bei dem von Anfang an gerade auch die Arbeitsprozesse und die Arbeitsabläufe selbst untersucht und umgestaltet werden, kann der Reformprozeß im Main-Kinzig-Kreis gelten.

Es handelt sich um ein Reorganisationsvorhaben, dessen Zielsetzung und Praxis über bisher bekannte Steuerungsreformen hinausgeht, sozusagen weit radikaler ist, und das zudem von den Grundvoraussetzungen her bemerkenswert ist. Ausgangspunkt war kein Organisationsgutachten, sondern eine Eigenuntersuchung, d.h. die eigenständige Entwicklung von Inhalten und Zielsetzungen. Für die erste Umsetzungsphase wurde ein Beratungsteam mit Projektmanagementfähigkeiten und Moderationskompetenz herangezogen, inzwischen steht das Projektteam der Kreisverwaltung jedoch auf eigenen Beinen.

Der initiierte Organisationsentwicklungsprozeß wird als ein Verfahren verstanden, das darauf angelegt ist, Interessen und Bedürfnisse aller Mitglieder einer Organisation zu berücksichtigen. Management, Personalvertretung und die Beschäftigten sollen sich gleichermaßen und gleichberechtigt beteiligen. Die Frage ist, wie wird dies konkret umgesetzt?

Kennzeichen der Entwicklung hin zu einem von Gewerkschaft und Personalrat sowie den Arbeitgebern gemeinsam getragenen Reformvorhaben war und ist eine offene, sachbezogene Kooperation. Noch vor Unterzeichnung des Vertrages wurden die Beschäftigten in Dienst- und Personalversammlungen ausführlichst über die Zielsetzung des Konzeptes "Betriebswirtschaftliche Neuorientierung", die Rolle der Beratungsfirma etc. informiert.

Zum Auftakt des Veränderungsprozesses wurde eine Befragung der Bürger/innen (Standortbestimmung nach außen) und der Beschäftigten (Standortbestimmung nach innen) durchgeführt. Bei der schriftlichen Befragung der Mitarbeiter/innen (ca. 120 Fragen) ergaben sich, neben der Rücklaufquote von 67%, auch hinsichtlich der Mitarbeitermotivation und der Einschätzung der Arbeitsorganisation auffallende Ergebnisse:

Die Befragung machte somit erhebliche Defizite im Bereich der Führung, der internen Kommunikation sichtbar, woran sich, ebenso wie an der Unzufriedenheit mit den Arbeitsstrukturen, die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Reform zeigte. Bezogen auf Arbeitsstrukturen und Mitarbeiterpotential, konnte

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das nur heißen, daß motivierende, auf Eigenverantwortung und Teamarbeit beruhende Organisationsstrukturen aufgebaut werden müssen, daß das Anforderungsprofil an Führungskräfte sich ändern muß, daß dem Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeit der Verwaltung und der Motivation und Qualifikation von Beschäftigten besondere Aufmerksamkeit gelten muß. Daß Unzufriedenheit von Mitarbeiter/innen noch nicht völlige Distanz und Rückzug bedeuten muß, machte die Beteiligungsquote an der Befragung deutlich. Innovationspotential und umfassende Beteiligungsbereitschaft sind vorhanden, wenn die Mitarbeiter/innen von Anfang an in Innovations- und Gestaltungsprozesse miteinbezogen werden. Unter dieser Prämisse ist der Weg, der beim Reformprozeß in der Verwaltung des Main-Kinzig-Kreises eingeschlagen wurde, ganz wesentlich gekennzeichnet durch entschiedene Bemühungen um Enthierarchisierung und um eine Veränderung der Kommunikations- und Informationsstrukturen.

Der sogenannten Analysephase, die seit Herbst 1993 in der Verwaltung des Main-Kinzig-Kreises läuft, gingen noch Workshops mit den Beschäftigten voraus, in denen Ideen gesammelt und Zielvorstellungen entwickelt wurden. Zielsetzung der Analysephase ist es, ca. 50 Hauptprozesse der Verwaltung zu untersuchen. Zunächst einmal wurden Hauptprobleme und Ansatzpunkte diskutiert, ein Soll-Modell entwickelt, das mit Führungskräften/Projektleitung diskutiert wurde und sich in einem Katalog zu bearbeitender Problemfelder und konkreter Umsetzungsvorschläge niederschlug.

Nunmehr bildet die Projektleitung - ein Arbeitsgremium, das Mitarbeiter der Beraterfirma, des Personal- und Organisationsamtes und des Personalrats versammelt - Analyseteams, die in zuvor ausgesuchte Bereiche gehen und mit den Mitarbeitern dort die wichtigsten Arbeitsvorgänge und Produkte diskutieren, Vorschläge machen und die Zielsetzung zu klären versuchen. Der weitere Prozeß, d.h., die Veränderung der Arbeitsprozesse, aber auch die Schritte zu einem System der Produktbeschreibung, zur Erarbeitung von Kennzahlen, soll von den Analyse-Arbeitsgruppen in den Bereichen selbst durchgeführt werden. Deren Bildung erfolgt auf freiwilliger Basis, Leitungspersonen sind ausgeschlossen.

Die bisherige Erfahrung zeigt, daß sehr viel Unterstützung notwendig ist. Der Anspruch seitens der Projektleitung und der Analyseteams an die Mitarbeiter/innen hat sich oft als zu hoch erwiesen. Besonders schwierig ist es offenbar, Veränderungen bei Problemen und in Bereichen durchzusetzen, bei denen besonders gewohnte Denkmuster und starre Einstellungen vorherrschen. Dennoch halten es die Initiatoren für unverzichtbar, Lösungsansätze gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erarbeiten, so aufwendig dies auch sein mag. Nur deren Einbeziehung in den Prozeß des Umdenkens bietet die Chance, bürokratische Strukturen nachhaltig zu überwinden und das Element der Selbststeuerung zu stärken. Zielsetzung ist eine schnelle Umsetzung der von den Beschäftigten eingebrachten Ideen und der in den Analysegruppen erarbeiteten Ergebnisse, damit die Motivation erhalten bleibt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß die Politik akzeptiert hat, die Detailoptimierung der Arbeitsprozesse nicht unter den Vorbehalt politischer Entscheidungen zu stellen.

Das - wenig überraschende - Ergebnis der Untersuchung von Arbeitsprozessen in der Verwaltung des Main-Kinzig-Kreises kann so zusammengefaßt werden: Die Arbeitsprozesse sind durchweg hierarchieorientiert, d.h. geprägt durch übermäßige Kontrolle der Sachbearbeitung, Unterschriftsvorbehalte, reine Zuarbeitstätigkeit. Der Projektbericht stellt dazu fest:

Der Veränderungsansatz, der die Diskussionsprozesse in den Analyse-Arbeitsgruppen mit prägt, zielt darauf, Arbeitsprozesse vom zu erstellenden Produkt, d.h. von der zu erbringenden Leistung her zu denken, zu fragen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten dafür gebraucht werden und wie qualifiziert die Mitarbeiter/innen sind. Das führt zu Konzeptionen autonomerer und damit effizienterer

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Sachbearbeitung, der Grundgedanke der Teamarbeit gewinnt an Bedeutung. Notwendigerweise damit verbunden ist der Bruch mit den arbeitsteiligen und hierarchischen Strukturen. Für die Beteiligten quer durch alle Hierarchieebenen ist das kein einfacher Prozeß, die tradierte Verwaltungskultur mit ihren Normen, ihrem Statusdenken etc. macht sich immer wieder bemerkbar. Es sind also Einstellungsveränderungen, neue Denkweisen nötig, eine Veränderung in den Köpfen.

Die Umsetzung der Arbeitsgruppen-Ergebnisse in den untersuchten Bereichen mit den und durch die Beschäftigten hat 1994 begonnen. In Hinblick auf das Ziel selbständiger und autonomer Sachbearbeitung soll ein Personalentwicklungskonzept aufgelegt werden. Tiefgreifende Strukturreformen wie die im Main-Kinzig-Kreis sind unausweichlich auch mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigtenstruktur verknüpft:

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Grundsysteme der Steuerung und Information (Main-Kinzig-Kreis und Stadtverwaltung Hannover)

Die neuen Steuerungskonzepte, mit denen Wege zu einer sachgerechteren und effizienteren Leistungserbringung beschritten werden, gehen von dem Grundgedanken der Delegation von Verantwortung aus. Die Verantwortung für Geld und Stellen, für die Leistungserbringung, wird nach unten verlagert, die Produkte bzw. Leistungen selbst und die Höhe der benötigten Ressourcen werden von den Führungsgremien definiert. Dies erfordert andererseits Verfahren und Instrumente, die Informationen bereitstellen, die Zieleinhaltung abfragbar und beurteilbar machen. Gerade die Entwicklung dieser Instrumente und die Einführung ganz neuer Systematiken bedeuten für Kommunal- und Kreisverwaltungen ungeheure Veränderungen.

Der Organisationsentwicklungsprozeß in der Verwaltung des Main-Kinzig-Kreises zeichnet sich dadurch aus, daß er gleichzeitig bei der Aufbauorganisation und den Arbeitsprozessen selbst ansetzte. Zum einen werden ergebnisbezogene Organisationseinheiten (Ämter) oder Bereiche (Fachbereich, Dezernat) gebildet, deren interne Struktur an definierten Zielen ausgerichtet wird. Zum anderen werden die arbeitsorganisatorischen Strukturen, wie oben ausführlich geschildert, von Grund auf verändert.

In den Versuch, dabei ein System der Produktbeschreibung aufzubauen, sind Beschäftigte und vor allem auch Führungskräfte miteinbezogen. "In unserem Verständnis von Produktbeschreibungen werden vom Grundsatz her Kosten und Leistungsseite zusammengeführt und beschrieben. Wichtig hierbei ist, daß als wesentlicher Unterschied zur Privatwirtschaft zumindest im Bereich der Leistungsverwaltung die Ausgabenseite der Leistungsseite zugeordnet werden muß, da z.B. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz keine Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne darstellen, sondern der Kern der Dienstleistungen für den Bürger/die Bürgerin sind" (Bieberle, Kaminsky 1994). Im Zusammenhang mit der Produktbeschreibung sollen über ein Kennzahlensystem Informationen zu den Leistungen erfaßt werden. Die Kennzahlen sollen ermöglichen, "Aussagen über die Entwicklung der wesentlichen finanziellen Blöcke zu machen, d.h., die Frage zu stellen, wovon die Entwicklung eines Ausgabenblocks abhängt"(ebd.); z.B. Produkt Schülerbeförderung: Ausgaben von 11 Millionen sind in Bezug zu setzen zu Schülerzahlen, Anzahl der Schulen, Beförderungskilometer, Fallzahlen, etc.

Die Projektleitung benennt als weiteren wesentlichen Gesichtspunkt, daß die Einführung des betriebswirtschaftlichen Instruments der Kostenrechnung - das den Prozeß der Leistungserstellung zahlenmäßig abbilden soll - ein entsprechendes EDV-Konzept voraussetzt und auch das Feld der Personalentwicklung berührt. Kostenrechnung, auch der Umgang mit Kennzahlen, setzen eine betriebswirtschaftliche Qualifizierung voraus.

In einer ganz einfachen Sicht kann unter Controlling die Aufgabe der Planung, Kontrolle und Information und damit der Ansatz, eine angemessene Grundlage für die Entscheidungen der verschiedenen Führungsebenen zu schaffen, verstanden werden. Im Main-Kinzig-Kreis wird Controlling als Verfahren und in seinem Zusammenhang mit den Reformzielen von der Projektleitung wie folgt eingeordnet:

Flächendeckende Verantwortungsdelegation bei bestimmten Ressourcen, vor allem aber Pilotprojekte und Modellversuche mit vermehrter Ressourcenverantwortung kennzeichnen den Reformprozess in der Stadtverwaltung Hannover. Dabei werden bei den umfassenderen Modellversuchen, wie schon beschrieben, Instrumente wie Kosten/Leistungs-Rechnung und Controlling erprobt.

Auf welche Verfahren zur Sicherung der Steuerung stützt sich nun eine so große Stadtverwaltung bei der weiteren Konsolidierung eines Weges, der den Verwaltungseinheiten in Budget-, Personal- und Organisationsfragen mehr Entscheidungskompetenz und Verantwortung bringen soll? Hier ist der Controlling-Ansatz zu nennen, der unter folgenden Prämissen steht:

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(Landeshauptstadt Hannover, Sachstandsbericht zur Verwaltungsreform 1994)

Es zeigt sich, daß unter den Bedingungen der Haushaltskonsolidierung die Entwicklung bzw. der Ausbau neuer Instrumente prioritätenorientiert erfolgt. Dahinter steht auch ganz realer Druck wie der, daß Hannover verpflichtet ist, der Bezirksregierung über die Umsetzung des Konsolidierungsprogramms zu berichten. Andererseits erfolgte die Entwicklung und Erprobung des zentralen Controllings der Personalkosten nicht nur unter Konsolidierungsaspekten. Es ging bei der Arbeit an diesem Steuerungsinstrumentarium auch um die Gewinnung von Erfahrungen für weitergehende Einsatzmöglichkeiten, da der Steuerungsbedarf bei zunehmender Dezentralisierung steigt. Die Einführung auf Dezernatsebene erfolgte 1994.

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Kundenorientiertes Verwalten und Personalentwicklung (Bürgerladen Hagen)

Verwaltungstätigkeit auch aus der Perspektive jener zu sehen, die Verwaltungsleistungen nachfragen bzw. die Adressaten von Gebührenbescheiden, Maßnahmen etc. sind, hat schon die Diskussion der 80er Jahre um Entbürokratisierung und Rechtsvereinfachung mitbestimmt. Die Interaktion zwischen Bürger/innen und Verwaltung und ihre Erwartungshaltungen waren Gegenstand empirischer Untersuchungen der Verwaltungsforschung. Zugleich wurden Vorstellungen entwickelt, die über Konzepte von Anlaufstellen für Bürgerinnen und Bürger hinausgingen. Vorbildfunktion hatte und hat das Modell des Bürgeramtes Unna, das schon 1986 eingerichtet wurde.

Der Bürgerladen (BL) in Hagen ist ein von Gewerkschaft und Gesamtpersonalrat initierter Modellversuch der Stadtverwaltung, der 1991 eingerichtet wurde. Als unter dem Druck der Haushaltssituation eine Schließung der zusätzlichen Einrichtung Bürgerladen gefordert wurde, hat die wissenschaftliche Begleitforschung ein erweitertes Konzept für ein Bürgeramt mit Bürgerladenstruktur erarbeitet. Es gelang aufzuzeigen, daß eine grundlegende Umstrukturierung des gesamten Bereichs publikumsintensiver Dienstleistungen dazu führen würde, daß Fachämter entlastet werden, Doppelbearbeitungen wegfallen, kurz, Produktivitätseffekte zu erwarten sind. Vorgeschlagen wurde die Zusammenlegung von Einwohnermeldeamt und Bürgerinformationsstelle zu einem zentralen Bürgeramt sowie der "Ausbau der Bezirksverwaltungsstellen auf den Servicestand des Bürgerladens" (Stadt Hagen 1993). Der Rat der Stadt hat ein von diesen zentralen Punkten ausgehendes Konzept im April 1994 einstimmig beschlossen.

Leo Kißler von der Begleitforschung des Modellversuchs »Bürgerladen» Hagen faßt die wesentlichen Elemente und die Bedeutung des Modellversuches zu Innovationsprozessen in der kommunalen Verwaltung wie folgt zusammen:


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 2000

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