Monatsberichte über die Entwicklung in Polen

Hrsg. vom Ostbüro der SPD (1955 - 1965)

Online-Edition der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Monatsberichte über die Entwicklung in Polen

Herausgeber der hier vorgelegten Monatsberichte über die Entwicklung in Polen war das Ostbüro (OB) der SPD, eine sich im Laufe der Zeit mehr und mehr verselbständigende Abteilung des SPD-Parteivorstandes in Bonn. Dieses war kurz nach der Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD zur SED 1946 gegründet worden und hatte nach einem Positionspapier von Anfang 1955 fünf Hauptaufgaben zu erfüllen:
"1. Die Pflege der Beziehungen zu den Sozialdemokraten in der Sowjetzone - 2. Sammlung und Auswertung von Informationen über die Entwicklung in der Sowjetzone - 3. Aufklärung und Propaganda - 4. Grenzarbeit - 5. Flüchtlingsüberprüfung und -betreuung"(Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Nachlass Stefan Thomas, Ordner "Jan. - Juni 1955").

In diesem Sinne führte das OB vielfältige Aktionen durch, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, und gab zahlreiche Informationen für und über die SBZ/DDR heraus, Tarnschriften, Flugblätter, Radiosendungen und -kommentare in RIAS sowie hektographierte Berichte über die Situation in der "Zone". So stammte u.a.. über die Hälfte der bis Anfang der 50er Jahre erschienenen mehr als 50 SOPADE-Berichte vom OB bzw. beruhte auf dessen Quellen. Als diese Berichte eingestellt wurden, erschienen quasi als Ersatz ab 1953 die "Monatsberichte über die Entwicklung in der Sowjetzone" (ab 1968 "... in Mitteldeutschland"). Darüber hinaus folgten ab 1954 monatliche "Berichte über die Entwicklung in der Sowjetunion" und schließlich ab 1955 auch über die Entwicklung in Polen. Berichte über Ostblock-Staaten, die sporadisch bereits in vereinzelten Artikeln ab1953 publiziert worden waren, so in SPD-nahestehenden Medien und im ebenfalls vom OB ab 1953 herausgegebenen "Sozialdemokrat" (mit dem Untertitel "Für das Volk - gegen seine Unterdrücker", einem Dünndruckinformationsblatt, welches auf verschiedenen Wegen in die "Zone" gelangte), gehörten eigentlich nicht zu dem eigentlichen und o. g. Aufgabenbereich des OB. Es setzte sich jedoch bezüglich der UdSSR die Meinung durch, "man müsse die Interdependenz der Entwicklung in der DDR und der Sowjetunion berücksichtigen" (Buschfort, Das Ostbüro der SPD, Diss. 1989, S. 505).

Für die Berichte über die Vorgänge in Polen dürfte sicherlich ein Motiv in dem persönlichen Interesse des Leiters des OB, Stefan Grzeskowiak alias Stefan Thomas, aufgrund seiner familiären Herkunft zusehen sein; einige Spötter unterstellten ihm auch wegen seiner in englischer Kriegsgefangenschaft geknüpften Kontakte zu dortigen "Diensten" eine gewisse MI 5-Attitüde.

As weiteren Grund verweist Buschfort auf Berichte über Unruhen und Sabotageakte in Polen gegen die als Besatzungsmacht auftretende UdSSR, die dem OB seit einiger Zeit vorlagen, für die ihm jedoch kein geeignetes Publikationsorgan zur Verfügung gestanden habe (Buschfort, Das Ostbüro der SPD, Diss. 1989, S. 507); nicht auszuschließen ist in diesem Zusammenhang wohl auch, dass man mittels eines solchen auf einen weiteren Unruheherd im Ostblockgefüge nach dem Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 aufmerksam machen wollte. Bestätigt wird diese Mutmaßung letztlich auch durch den Hinweis Buschforts auf einen Artikel im "Sozialdemokrat", in dem nach dem DDR-Volkaufstand 1953 über "verstärkten Widerstand in Ungarn, Polen und der CSSR" berichtet wurde (so u.a. Sozialdemokrat Jg. 1, Nr. 1. vom Juli 1953, nach Buschfort, Das Ostbüro der SPD, Diss. 1989, S. 511). Im Zuge der Vorgänge in Ungarn 1956 (Ungarnaufstand) erweiterte das OB folgerichtig die Berichterstattung vom August 1956 bis Januar 1957 auch auf die "europäischen Länder der Volksdemokratien" (nach der ersten Ausgabe wegen möglicher Missverständnisse umbenannt in "Berichte über die Entwicklung in Polen, Ungarn und der CSR"), um auch über dortige mögliche Auswirkungen zu informieren.

Im Gegensatz zu den Berichten über die DDR, bei denen man auch auf Informanten zurückgreifen konnte, war man bei den Berichten über die anderen Ostblockstaaten lediglich auf Informationen aus in- und ausländischen Medien angewiesen, die man bereits vor 1955 zu sammeln begonnen hatte (der diesbezügliche Bestand im OB umfasst allein zu Polen 16 Ordner, dazu weitere 4 Ordner ab 1959 ausschließlich zur Oder-Neiße-Grenze; hinzuzurechen sind weitere 10 Ordner zum Thema "Volksdemokratien" inkl. Polen - dies alles ohne die ausgewerteten polnischen Zeitungen). Die Auswertung polnischer Zeitungsartikel erfolgte via Ostbüro Berlin - welches auch die polnischen Zeitungen beschaffte - vornehmlich durch einen als freien Mitarbeiter tätigen emigrierten polnischen Journalisten namens Mieczyslaw Zarzacki, der diese ab Juli/August 1955 bis zum September 1965 (kurz vor Ausscheiden von Thomas als Leiter des OB 1966) zu monatlichen Berichten zusammenfasste (Buschfort, Das Ostbüro der SPD, Diss. 1989, S. 507; Buschfort, Das Ostbüro der SPD, München 1991, S. 104; s. a. Briefe Thomas an Zarzacki vom 24. 11. und 7.12.1960 in: AdsD, Bestand OB des SPD-PV, 0390 I). Es handelte sich um Übersetzungen aus der polnischen Presse, ergänzt durch andere Zeitungsberichte, leicht kommentiert, aber in der Regel - wie auch bei den SU-Berichten - primär als Information und nicht als Kritik ausgerichtet. In Verbindung mit offiziellen Verlautbarungen und nicht-geheimen Unterlagen sollte über die Situation in Polen informiert werden, wobei man natürlich zwischen den Zeilen zu lesen verstand und in der zensierten und gleichgeschalteten Presse des Ostblocks auf auch manchmal mögliche kritische Stimmen setzte. Während die Berichte über die Entwicklung in der DDR vornehmlich an in- und ausländische politische Personen und Instanzen gingen, bestand an den Berichten aus Polen (und der UdSSR) darüber hinaus ein großes Interesse bei universitären Osteuropa- und Slawistikinstituten. Die Angaben über die Auflagenhöhe schwanken zwischen 300 - 500 Exemplaren (nach Buschfort, Das Ostbüro der SPD, Diss. 1989, S. 509); der Umfang betrug in der Regel um die 20 Seiten, anlässlich besonderer Ereignissen konnten die Berichte jedoch beträchtlich umfangreicher sein. Der Inhalt gliederte sich grob auf in: Innere Entwicklung, Wirtschaft, soziale und kulturelle Probleme sowie Polen und Ausland.

Horst-Peter Schulz, Juli 2007



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