Der Fall: Schnüffel-Software auf dem Arbeitsplatzrechner eines Betriebsratsvorsitzenden? Was wie aus einem Krimi klingt, hat sich genau so in einer Augsburger Großbäckerei zugetragen. Der Arbeitgeber ließ ein Kontrollprogramm installieren, das die Zugriffe auf das Zeiterfassungssystem heimlich aufzeichnete. Mit den so gewonnenen Erkenntnissen begründete er dann die fristlose Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden. Dem wollte das Augsburger Arbeitsgericht jedoch nicht folgen. Der Autor stützt die Ansicht des Gerichts und weist in seinem Beitrag auf weitere wichtige Gesichtspunkte hin, die einem Einsatz von Spähprogrammen entgegenstehen.
Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist eine Abwägung zwischen den Interessen des AG an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses und den Interessen des AN an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes zwingend geboten. Dabei müssen alle Umstände des Einzelfalls vom Schaden des AG über der Schwere des Verschuldens bis hin zur familiären Situation des AN berücksichtigt werden. Genauso wird im Be reich der personenbedingten Kündigung verfahren. Bei der betriebsbedingten Kündigung galten ursprünglich dieselben Grundsätze. In den 1960-er Jahren vertrat das BAG den Standpunkt, auch bei ihr müsse eine »umfassende« Interessenabwägung stattfinden. Dabei seien die wirtschaftlichen und sonstigen Vorteile des AG gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die dem AN entstehen. Ende der 1970er Jahre veränderte das Gericht seinen Standpunkt: Aufgrund der Interessenabwägung könne es nur in seltenen Ausnahmefällen zu einer meist nur vorübergehenden Weiterbeschäftigung kommen, »wenn der AN aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig ist.« In der jüngeren Rspr. findet die Interessenabwägung nur noch (formelhafte) Erwähnung, wenn es um die Aufzählung der Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung geht. Dass betriebsbedingte Kündigungen nicht mit dem Argument bekämpft werden, die Interessen der AN seien zu wenig berücksichtigt worden, erscheint nicht nur vom Ergebnis her höchst anfechtbar.
Die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) ist ein wichtiges Mittel, um die Erosion des Tarifsystems zu stoppen. Die seit Jahren geführte Reformdiskussion hat ihren Niederschlag in drei Gesetzentwürfen der Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag gefunden. Der Beitrag diskutiert die darin enthaltenen Vorschläge und spricht sich u.a. für folgende Maßnahmen aus: Beschränkung des Tarifausschusses auf eine beratende Funktion, Wegfall des 50-%-Quorums insbesondere für Tarifverträge über Gemeinsame Einrichtungen, Allgemeinverbindlicherklärung aller repräsentativen Tarifverträge, kein Unterschreiten eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags durch andere Tarifverträge, ggf. Ausdehnung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen auf vergleichbare Branchen und schließlich Zuständigkeit der Arbeitsgerichte statt der Verwaltungsgerichte für Streitfragen um die AVE.
Der Beitrag thematisiert die immer zahlreicher werdenden Sonderordnungen, die unter Verweis auf Sicherheitsbedürfnisse das überkommene Arbeitsrecht überlagern. Dazu gehören die zahlreichen öffentlich-rechtlichen Vorgaben, die bei der Arbeit mit gefährlichen Technologien zu beachten sind; sie sind im Luftverkehr nicht weniger fühlbar als in kerntechnischen Anlagen. In jüngster Zeit werden Kundenberater bei Banken einem vergleichbaren Regime unterstellt. Wer in sicherheitsempfindlichen″ Bereichen tätig ist, muss sich eine umfassende Überprüfung seines Privatlebens gefallen lassen, weil dieses für seine soziale Verlässlichkeit″ von erheblicher Bedeutung sein kann. Politische Feinderklärungen″, wie sie in den 1950-er Jahren gegenüber Kommunisten erfolgten und wie sie heute in noch schärferer Form gegen potentielle Unterstützer von Terroristen bestehen, führen zu einer Art Ausbürgerung aus dem Arbeitsmarkt. Zwar betrifft das Sicherheitsrecht″ heute nur einen kleinen Teil der Beschäftigten, doch besteht die rechtliche Möglichkeit, weite Bereiche des Wirtschaftslebens für sicherheitsrelevant zu erklären und das Terrorlistenscreening zu einer universellen Praxis zu machen.
Die Arbeitsrechtswissenschaft hat sich in Dt. bisher kaum um die Auswirkungen der Finanz- und der Eurokrise gekümmert. In einem Bereich hat die Finanzkrise allerdings doch einen arbeitsrechtlichen Niederschlag gefunden. Manager in Banken und Versicherungen seien zu hohe Risiken eingegangen, die sich dann realisiert und die zu der schwersten Bankenkrise seit den 1920er geführt hätten - so die verbreitete Einschätzung. Dies wurde auf die Struktur der Vergütungen zurückgeführt; für kurzfristige Umsatzsteigerungen konnten enorme Boni verdient werden. Deshalb wurden hier Grenzen gezogen. Basis hierfür ist das »Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen« v. 21.7.10, durch das eine Reihe von Vorschriften in das Kreditwesengesetz (KWG) und in das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) eingefügt wurden. Auf ihrer Grundlage wurde dann relativ schnell die Instituts-Vergütungsverordnung v. 6.10.10 (InstitutsVergV) erlassen, die sich auf Kreditinstitute bezieht, sowie die Versicherungs-Vergütungsverordnung vom selben Tag (VersVergV). Anders als das »Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung« v. 31.7.09 beziehen sich diese Vorschriften nicht nur auf Organmitglieder, sondern auch auf AN, die in der fraglichen Branche tätig sind. Im Vergütungssektor bleiben die Eingriffe trotz eines großen normativen Aufwands im Grunde relativ bescheiden; den Großverdienern, die gerne als besondere Leistungsträger gesehen werden, kann nicht übermäßig viel geschehen. Das eigentliche Problem - die Verknüpfung von Vergütung und wirtschaftlichem Erfolg bei den Ent lohnungsformen - wird nicht angegangen. Wer »erfolgreich« mit Risiken umgeht bzw. viele Abschlüsse tätigt, erhält im Regelfall weiterhin eine höhere Vergütung. Würden ein Prokurist mit einem Jahresgehalt von 500.000 und ein (eher bescheiden dotiertes) Vorstandsmitglied mit einem Jahresgehalt von l Mio. wirklich weniger Engagement und Kreativität zeigen, weil keine zusätzlichen Boni winken? Es mag sein, dass die Ideologie des »Immer mehr« tatsächlich die Köpfe okkupiert hat - doch wäre es nicht an der Zeit, daran mal etwas zu ändern?
Die Personalvertretung wird von vielen als Stiefkind des Arbeitsrechts behandelt. In den Lehrbüchern wird sie nur kurz erwähnt, die betriebsverfassungsrechtliche Literatur verweist selten auf sie. Betriebsratsvorsitzende wichtiger Unternehmen treten schon mal im Fernsehen auf, schwerlich aber ein Personalratsvorsitzender. Die Folge liegt nahe: Werden in einem Bundesland Personalratsbefugnisse abgeschafft, fühlen sich nur ganz wenige betroffen. Urteilt das Bundesverfassungsgericht, in allen wichtigen Angelegenheiten dürfe es keine volle Mitbestimmung geben, weil das Letztentscheidungsrecht der demokratisch gewählten Regierung gewahrt bleiben müsse, so wird auch dies mit Gleichmut hingenommen. Schließlich ist ja nur eine vergleichsweise kleine Gruppe betroffen. Wie ist dieses Schattendasein zu erklären? Ich will - ganz unwissenschaftlich - zunächst mit eigenen Erfahrungen beginnen. Anschließend soll der »Abstand« zwischen Personalvertretung und Betriebsverfassung dargestellt und auf seine Ursachen befragt werden. Auch die Tatsache, dass sich im Alltag kein Widerstand regt, lässt sich erklären. Schließlich werden einige Vorschläge gemacht, wie der Status quo verbessert werden könnte.
Die Existenz des Arbeitsrechts ist in vieler Hinsicht prekär. Insbesondere im Dienstleistungsbereich werden viele Funktionen auch in der Weise erfüllt, dass Beschäftigte ihre Arbeitnehmereigenschaft verlieren. Allerdings könnten bei aufgedrängter Selbstständigkeit Loyalität und Einsatzbereitschaft leiden. Auf jeden Fall sollte man mehr darüber nachdenken, wie man das Ausweichen in eine Beschäftigung außerhalb des Arbeitsrechts verhindern oder beschränken könnte. Eine »kleine Lösung« würde darin bestehen, arbeitnehmerähnliche Personen einem wachsenden Teil arbeitsrechtlicher Normen zu unterstellen. Eine »große Lösung« wäre die Neudefinition des Arbeitnehmerbegriffs, der alle diejenigen erfassen müsste, die nicht als »echte« Selbständige mit eigenen Risiken und eigenen Chancen angeschen werden können. Schwieriger ist die Einwirkung auf alle jene Entscheidungen, die Auswirkungen auf die AN haben: Man müsste Staatsgrenzen überwinden, aber auch von der Vorstellung Abschied nehmen, das Einzelunternehmen als ausschließlichen Adressaten arbeitsrechtlichcr Pflichten auf Arbeitgeberseite zu sehen. Implementationsprobleme des Arbeitsrechts lassen sich bewältigen, wenn man nur bereit ist, von den Erfahrungen anderer Länder zu lernen.