Das Jahr 2012 lief am Arbeitsmarkt besser als erwartet: Die Arbeitslosigkeit sank auf den niedrigsten Stand seit 1991. Wegen gestiegener Beitragseinnahmen und rückläufiger Ausgaben - insbesondere für die Arbeitsförderung - konnte die Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Überschuss von 2,6 Mrd. Euro erzielen. Doch diese Reserve wird voraussichtlich schon in diesem Jahr weitgehend aufgezehrt - auch weil der Bund seinen Haushalt einmal mehr auf Kosten der Arbeitslosenversicherung saniert. Mittelkürzungen für das Hartz-IV-System sollen gleichfalls zur Entlastung des Bundeshaushalts beitragen.
Die gute wirtschaftliche Entwicklung hat sich 2011 fortgesetzt. Trotz wieder aufflammender Finanzkrise verlief die Konjunktur günstiger als zunächst prognostiziert. Der Arbeitsmarkt konnte wieder an das Vorkrisenniveau anschließen. Dies ging mit einer günstigeren Finanzentwicklung bei der Arbeitslosenversicherung (SGB III) und dem Hartz-IV-System (SGB II) einher. Die Arbeitslosenversicherung schloss das Haushaltsjahr 2011 mit einer »schwarzen Null« ab, doch zentrale Herausforderungen bleiben - insbesondere weil die Bundesregierung weiter Beitragsmittel zweckentfremdet und sich zunehmend aus der arbeitsmarktpolitischen Verantwortung zurückzieht.
Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei der Entscheidung über längst notwendige Mindestlöhne immer noch hinterher. So gibt es - außer in den skandinavischen Ländern und Österreich - in fast allen ändern EU-Ländern generelle Mindestlöhne. Bei uns hingegen trägt Hartz IV noch zusätzlich zur Ausweitung des Niedriglohnsektors bei. Denn alle (noch so schlechten) Jobs sind für Hartz IV-Bezieher zumutbar bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit. Lediglich wenn Lohnwucher vorliegt und sittenwidrige Löhne gezahlt werden, können die Hartz IV-Träger Unternehmen »belangen« und finanziell Schaden geltend machen, weil die gezahlte Fürsorge dann erstattet werden muss. Doch viel zu selten wird geprüft, ob Hartz IV möglicherweise erstattet werden muss, weil gesetzlicher Lohnwucher vorliegt. Besonders hoch ist das Verarmungsrisiko für Bedarfsgemeinschaften mit mehreren Kindern und nur einem Erwerbseinkommen im Haushalt. Dabei soll der Hartz IV vorgelagerte Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit eigentlich verhindern, soweit die Eltern zwar ihre eigene Existenz sichern können, aber durch die Kinder zum Hartz IV-Fall werden. Da der Kinderzuschlag jedoch zu niedrig und die Anspruchsvoraussetzungen zu eng sind, entfaltet er mit gut 250.000 begünstigten Kindern nur wenig Wirkung. Um Armut und Hartz IV-Bedürftigkeit auch bei größeren Familien zu verhindern, muss über flächendeckende Mindestlöhne hinaus zugleich der Kinderzuschlag und das Wohngeld für Familien ausgebaut werden. Der DGB setzt sich für eine Umgestaltung der Familienförderung ein, die sicherstellt, dass steuerrechtlich alle Kinder gleich behandelt werden und eine sozialpolitische Förderung über Kinderzuschlag oder ein neues Kindergeld insbesondere auf einkommensschwache Haushalte mit Kindern konzentriert wird.
Bundessozialministerin von der Leyen hat kürzlich davor gewarnt, dass selbst Arbeitnehmern, die 2.500 Euro brutto pro Monat verdienen und 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, künftig Altersarmut drohe. Tatsächlich arbeiten derzeit in Deutschland aber zunehmend mehr Beschäftigte zum Niedriglohn und verdienen wesentlich weniger als 2.500 Euro. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass auch Beschäftigte mit sozialversicherten Vollzeitjobs - vor allem seit Einführung der Hartz-Gesetze - ein steigendes Niedriglohnrisiko haben. Ebenso wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit sie in Armut und prekäre Lebenslagen geraten.
Im internationalen Vergleich glänzt Deutschland mit relativ niedriger Jugendarbeitslosigkeit. In vielen Ländern ist die Jugendarbeitslosigkeit drei bis viermal so hoch wie bei uns. Doch von der Öffentlichkeit bisher kaum registriert, baut sich auch in Deutschland eine zahlenmäßig relative große und stabile Gruppe auf, deren Arbeitsmarktprobleme sich verschärfen. Rund ein Sechstel aller jungen Menschen von 25 bis 34 Jahren hat beispielsweise keinen Berufsabschluss, geht nicht zur Schule oder absolviert keine Ausbildung. Wie sich ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt gestaltet und was für sie getan wird bzw. getan werden müsste, wird im Folgenden näher analysiert.
Der demografische Wandel in den Betrieben ist in vollem Gange. Belegschaften altern und der Fachkräftebedarf steigt. Doch längst nicht alle Betriebe sind hierauf vorbereitet. Ungünstige Arbeitsbedingungen sowie gesundheitliche Beeinträchtigungen verhindern oftmals eine sichere und würdevolle Arbeit bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze. Zwar steigt die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an, doch die Regelaltersgrenze von 65 Jahren wird nur von einer kleinen Minderheit in sozialversicherter Beschäftigung erreicht. Wer den Job verliert, hat nach wie vor schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt. Betriebliche Zukunftsaufgabe ist daher, die Gestaltung alternsgerechter Arbeitsbedingungen und die Sicherheit sowie Entwicklungsperspektiven auch älterer Beschäftigtengruppen zu verbessern.
Seit Anfang der 1990er Jahre haben die Schwierigkeiten beim Übergang von der allgemeinbildenden Schule in eine Berufsausbildung drastisch zugenommen und ein erheblicher Teil der Jugendlichen hat unmittelbar nach Verlassen der Schule keine Ausbildung beginnen können. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass der Anteil der jüngeren Erwachsenen ohne Berufsabschluss heute höher ist als zu früheren Zeiten. Nach wie vor müssen aus öffentlichen Mitteln Milliarden aufgewendet werden, um die Defizite beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf zu verringern. Den Löwenanteil bringen dabei - wie der folgende Beitrag zeigt - die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung auf, obwohl doch die berufliche Ausbildung und Integration Jugendlicher in die Arbeitswelt eine betriebliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Arbeitsmarkt und wirtschaftliche Entwicklung haben sich im vergangenen Jahr günstiger entwickelt, als prognostiziert und erhofft werden konnte. Die wieder steigende Beschäftigung und sinkende Arbeitslosigkeit wirken sich günstig auf die Arbeitslosenversicherung und das Hartz-IV-System aus. Davon wusste insbesondere der Bund zu profitieren. Dennoch kürzt er in diesem Jahr die arbeitsmarktpolitischen Hilfen und greift erneut tief in die Taschen der Beitragszahler. Die Arbeitslosenversicherung droht - trotz der Anhebung des Beitragssatzes von 2,8 auf 3,0 Prozent - in den nächsten Jahren in eine chronische Unterfinanzierung und Verschuldung zu geraten.
Nach über zweimonatigem Ringen im Vermittlungsausschuss steht seit Ende Februar endlich ein Ergebnis. Es ist aber mehr als enttäuschend. Das betrifft sowohl die neuen Regelsätze und das zugestandene gesellschaftliche Existenzminimum als auch die Einführung von Mindestlöhnen. Weder wird das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Februar 2010 zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums angemessen umgesetzt, noch wird der enge Zusammenhang von Hartz-IV-Bedürftigkeit und Armut trotz Erwerbstätigkeit adäquat angegangen. Dazu kommt noch eine Finanzierung zu Lasten der nicht am Hartz-IV-System beteiligten Arbeitslosenversicherung. Im Folgenden werden die Neuregelungen zu den Regelsätzen und zum Bildungspaket für Kinder sowie zur Finanzierung der Reform analysiert und bewertet. Eine ausführliche Übersicht über die vielen einzelnen gesetzlichen Neuregelungen bringt die Soziale Sicherheit demnächst.