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Reformbedarf beim Telekommunikatonsgesetz : Berührungsflächen der horizontalen Regulierung von Telekommunkation und Medien / Wolfgang Schulz - [Electronic ed.] - Bonn, [2002] - 10 S. = 35 KB, Text . - (Analysen der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Informationsgesellschaft ; 8)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2002

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




  1. Die gesetzliche Ausgestaltung "horizontaler Regulierung" von Technik und Inhalt weist insbesondere vor dem Hintergrund neuer, hybrider Dienste Defizite und Reibungspunkte auf.

  2. Das grundlegende Verhältnis von "dienendem" Telekommunikations- und "herrschendem" Medienrecht muss in seiner bisherigen Form überdacht und neu austariert werden.

  3. Eine grundlegende Novellierung des TKG sollte die Möglichkeit bieten, derzeitige regulatorische und abgrenzungsbedingte Defizite an dieser auch ökonomisch entscheidenden Stelle auszugleichen.

  4. Die gebotene Koordination von Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post und Regulierungsinstanzen der Länder könnte durch Schaffung eines gemeinsamen Regulierungsrates erreicht werden.


Zusammenfassung

Ebenso wie im europäischen Recht wird auch in Deutschland in den Bereichen Information, Kommunikation und Medien ein Ansatz horizontaler Regulierung verfolgt, d.h. die Seite der technischen Infrastruktur (etwa Kabelnetze) wird von der der Inhalte-Dienste (etwa Rundfunk) getrennt. Während der Bund 1996 mit der Schaffung des TKG einen Rechtsrahmen für die Ebene der technischen Übertragung schaffte, gelten für die Inhalte-Dienste – soweit sie massenkommunikativen Charakter haben – landesrechtliche Regelungen. Bei der Schaffung des TKG wurden viele Vorschriften jedoch aus der Perspektive der "klassischen" Telekommunikation formuliert, ohne die sich bereits damals abzeichnende Problematik der Konvergenz von Technik und Inhalt entsprechend zu berücksichtigen. Aufgrund von Fragen bei Anwendungsbereich und Begriffsdefinition sowie durch die Entstehung neuer hybrider Dienste zeigen sich Regelungsdefizite und Berührungsflächen zwischen Medien- und Telekommunikationsrecht – zwei Bereiche, die von unterschiedlichen Regulierungszielen und -konzepten geprägt sind. Nach traditioneller Auffassung hat die Telekommunikationsordnung der Rundfunkregulierung zu "dienen"; die Normen sind rundfunkfreundlich zu gestalten und auszulegen. Dieser Grundsatz läßt sich allerdings zunehmend weniger durchhalten: Bedingungen der Netzwerkökonomie mit komplexen, multilateraler Beziehungen zwischen physischen Netzen, Protokollen und Diensten prägen die Entwicklung. An Berührungsflächen zwischen Telekommunikations- und Medienrecht lassen sich Defizite der Konzeption des TKG zeigen: Telekommunikationsbegriff, Frequenzverwaltung, Netzzugang, Entgeltregulierung, Billing und der Sinn der Lizenzierung belegen die Notwendigkeit, neue Formen gesetzlicher Regulierung vorzusehen. Ohne Koordination und Kooperation zwischen der Regulierungsbehörde und den zuständigen Landesstellen wird dies allerdings nicht machbar sein – eine Chance, auf die Idee eines Kommunikationsrates zurückzukommen.


Reformfahrplan und Handlungsbedarf im Telekommunikationsrecht

Das federführende Bundeswirtschaftsministerium hat relativ früh mit Überlegungen zu einer grundlegenden Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) begonnen. Wesentlicher Anstoß dafür sind die im Frühjahr diesen Jahres in Kraft getretenen Richtlinien eines Paketes, mit dem die EU einen Wust von vor allem der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes dienenden Richtlinien in ein Gesamtkonzept zusammengefasst hat. Die Veränderungen sind so grundlegend, dass schon aus diesem Grunde die nationalen Telekommunikationsordnungen bis zum 24.6.2003 – dem Ende der Umsetzungsfrist – einer gründlichen Revision unterzogen werden müssen, um das nationale Recht europarechtskonform zu halten. Dies bietet allerdings auch Anlass, an anderen, nicht im Mittelpunkt der Regelungen der Richtlinie stehenden Punkten Reformen anzugehen.

Der folgende Beitrag will Anregungen dazu geben, und zwar in einem Bereich, der nur vordergründig als Randmaterie des Telekommunikationsrechts erscheint, nämlich die Abgrenzung zum Recht der Inhalte-Dienste, vor allem der Medien.

Es ist evident, dass allein über Anwendung der Individualkommunikation, etwa Telefonie – fest oder mobil – die Investitionen nicht zu amortisieren sind, die etwa im Bereich UMTS getätigt wurden und noch zu tätigen sind. Untersuchungen gehen daher auch davon aus, dass hybride Dienste oder massenkommunikative Angebote am ehesten die Zahlungsbereitschaft der Kunden hervorrufen und so zur Wertschöpfung im gesamten Bereich Telekommunikation beitragen werden (NFO Infratest, Monitoring Informationswirtschaft, 4. Faktenbericht 2002, S. 366). An dieser Stelle offenbaren sich allerdings deutliche Schwächen im derzeitigen Regelungskonzept in der Bundesrepublik Deutschland.


Defizite der gesetzlichen Ausgestaltung "horizontaler Regulierung" von Technik und Inhalt

Ebenso wie das europäische Recht wird auch in Deutschland ein Ansatz horizontaler Regulierung verfolgt, d.h. im Bereich Information, Kommunikation und Medien wird die Seite der technischen Infrastruktur von der der Inhalte-Dienste getrennt. Während der Bund 1996 mit der Schaffung des TKG einen Rechtsrahmen für die Ebene der technischen Übertragung schaffte, gelten für die Inhalte-Dienste – soweit sie massenkommunikativen Charakter haben – landesrechtliche Regelungen, vor allem der Rundfunkstaatsvertrag (RStV), Landesmediengesetze und der Mediendienstestaatsvertrag (MDStV). In schwieriger Abgrenzung zum Mediendienstestaatsvertrag existiert zudem das vom Bund erlassene Teledienstegesetz (TDG).

Das TKG wurde – beeinflusst durch europarechtliche und auch anglo-amerikanische Regulierungsansätze – aus der Perspektive der "klassischen" Telekommunikation entwickelt. Dies zeigt etwa die Lizenzpflicht: Es sind nicht die Dienste lizenzpflichtig, die auch perspektivisch einer spezifischen Vorabkontrolle bedürfen, um Risiken etwa für die Verbraucher zu begegnen, sondern die ehemaligen Monopolbereiche der Bundespost.

Die viel diskutierte "Konvergenz", also die vor allem durch Digitalisierung ermöglichte Verfügbarkeit ganz unterschiedlicher Dienste auf ein- und derselben technischen Infrastruktur, spricht nun keineswegs gegen einen horizontalen Regulierungsansatz. Im Gegenteil: Im Prinzip begünstigen sie eine technikneutrale Inhalte-Regulierung. Allerdings bedarf es dazu einer Bestimmung der unterschiedlichen Regelungsmaterien, damit an den unvermeidlichen Berührungsflächen zwischen Telekommunikations- und Medienregulierung keine Reibungspunkte entstehen. Die Erfahrung der letzen Jahre hat gezeigt, dass – nicht nur, aber auch – beim Telekommunikationsgesetz Anpassungsbedarf besteht. Diese Berührungsflächen sind rechtlich besonders heikel, da sie auch die Grenze zwischen Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenz markieren. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht schon sehr früh erkannt, dass in diesem Feld nicht eine starre Grenzziehung Aussicht auf Erfolg verspricht, sondern nur Koordination und Kooperation (BVerfGE 12, 205 [248]). Dies zu gewährleisten, gebietet das verfassungsrechtliche Gebot länder- bzw. bundesfreundlichen Verhaltens.


Ungleiche Nachbarn:
Verhältnis der Materien Telekommunikations- und Medienrecht

Die Novellierung würde leicht fallen, wären die unterschiedlichen Bereiche nicht von unterschiedlichen Regulierungszielen und damit verbunden auch -konzepten geprägt. Beim Telekommunikationsrecht handelt es sich um sektorspezifisches Wettbewerbsrecht, dessen Ziel die Herstellung funktionsfähigen (in der Richtlinie heißt es nun "wirksamen") Wettbewerbs ist. Die Besonderheit besteht vor allem in der Herstellung von Wettbewerb auf einem Markt, der immer noch stark vom ehemaligen Monopolisten geprägt ist, auch wenn – abhängig vom umstrittenen Marktbegriff im TKG – in einigen Bereichen wohl nicht mehr von Marktbeherrschung (oder in der neuen Terminologie der Richtlinie "significant market power" bzw. "beträchtlicher Marktmacht") gesprochen werden kann. Der Rundfunkbereich dagegen ist über Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Vorgaben verpflichtet, die in Begriffen wie "Vielfalt" oder "kommunikative Chancengleichheit" ihren Ausdruck finden. Rundfunk wird – so die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – nicht primär im (ökonomischen) Interesse des Veranstalters durchgeführt, sondern im Interesse umfassender freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung gewährleistet. Ob und inwieweit der ökonomische Wettbewerb dieses Ziel zu sichern vermag, dies hat der Gesetzgeber zu beurteilen.

Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Medienfreiheiten und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Rundfunk ohne Telekommunikation nicht denkbar ist, anders herum Telekommunikation ohne Rundfunkdienste aber sehr wohl, hatte sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Grundsatz vom "dienenden" Charakter des Telekommunikationsrechts etabliert. Das Telekommunikationsrecht war so auszuformen und auszulegen, dass es der Rundfunkordnung diente (vgl. BVerfGE 12, 205, 227; Gersdorf, Die dienende Funktion der Telekommunikationsfreiheiten, AfP 1997, 424, 426 ff.). Eine solche "Herrschaft" des Medienrechts wird angesichts rechtlicher, aber auch faktischer Veränderungen nicht mehr durchzuhalten sein. Die Verfassung will, dies ist in Art. 87f GG normiert, marktwirtschaftlichen Wettbewerb in diesem Bereich, es handelt sich danach gerade nicht mehr um ein Staatsmonopol, das man für bestimmte Zwecke in Dienst nehmen kann. Faktisch lässt sich Telekommunikation auch keineswegs mehr als reine "Durchleitung" begreifen, sondern zunehmend um intelligente Netzwerke, die nicht schlicht im Sinne eines Vorrangs des Rundfunks strukturiert werden können. Auf der anderen Seite bleibt Rundfunkübertragung von technischen Voraussetzungen abhängig, deren Vorhandensein – und zunehmend auch deren Qualität – gesetzlich gewährleistet werden muss.

Ein zu entwickelnder Ansatz zur reibungsloseren Verzahnung der beiden Rechtsgebiete wird sich also weniger auf das "Ob", als vielmehr auf das konkrete "Wo" und "Wie" des Dienens bzw. Herrschens konzentrieren, wobei die teilweise gegensätzlichen – auch verfassungsrechtlichen – Anforderungen der Ordnungsprinzipien miteinander in Ausgleich gebracht werden müssen. Regelungen müssen aufeinander bezogen und systematisch miteinander verknüpft werden.


Die einzelnen Schnittflächen: Telekommunikationsbegriff, Frequenzverwaltung,
Netzzugang, Entgeltregulierung, Billing, Lizenzen

Im Folgenden sollen einige Bereiche markiert werden, in denen das bisherige Regelungsregime bereits Reibungsverluste zeigt oder diese aufgrund technischer oder ökonomischer Entwicklungen zu erwarten sind. Dabei ist noch offen, auf welcher Seite – der des Telekommunikations- oder der des Medienrechts – eine Regelung erfolgen sollte (oder kompetenzrechtlich erfolgen müsste). Die folgenden Bereiche sind solche, bei denen – prima facie – eine Regelung im Telekommunikationsrecht nahe liegt.

  • Begriff der Telekommunikationsdienstleistung

Die Anwendung der Regelungen des TKG hängt weitgehend davon ab, dass "Telekommunikation" im Sinne des § 3 Nr. 16 TKG bzw. eine "Telekommunikationsdienstleistung" gemäß § 3 Nr. 18 TKG vorliegt. Der Gesetzgeber hat einen modernen Ansatz gewählt, und alle relevanten gesetzlichen Begriffe selbst definiert, darunter auch die eben genannten (inwieweit dieses Verfahren auch Nachteile mit sich bringen kann, bedarf an dieser Stelle nicht der Erörterung). Als Telekommunikation werden in der sehr weiten Definition alle Vorgänge der Über-mittlung von Nachrichten ohne Rücksicht auf deren Inhalte gefasst, Telekommunikationsdienstleistungen sind alle gewerblichen Angebote von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte.

Dies führt im Hinblick auf "hybride Dienste" zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Das Multiplexing etwa, also die Bündelung unterschiedlicher Datenströme zu einem Transportdatenstrom, ist Voraussetzung für eine Übermittlung, selbst aber wesensmäßig kein Übermittlungsvorgang. Die Erfassung von Nutzungsdaten für das "Billing" ist eng mit der Übertragung von Nachrichten verbunden, selber aber eigentlich kein solcher Vorgang, usw. Die bisherige Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) stellt auf den Nutzungsschwerpunkt ab. Aber lässt sich dies zukünftig noch durchhalten? Wo ist der Nutzungsschwerpunkt etwa bei der Übertragung von Fernsehen über Breitbandkabel in private Haushalte – in der technischen Übermittlung oder im Angebot von Fernsehen?

Vieles spricht dafür, eine an die Konvergenzentwicklung angepasste, bereichsspezifische Abgrenzung vorzunehmen, um gesetzgeberisch auf die verschiedenen Wettbewerbssituationen und Gefährdungslagen entsprechend flexibel reagieren zu können.

  • Frequenzordnung

Primäres Ziel der telekommunikationsrechtlichen Frequenzverwaltung (§§ 44 ff. TKG) ist eine effiziente und störungsfreie Nutzung von Frequenzen. Gerade im Bereich des Frequenzmanagements – und zwar auf allen Stufen, die das TKG hier vorsieht – werden naheliegender Weise rundfunkrechtliche Belange berührt.

Schon bei der ersten Stufe, der Frequenzbereichszuweisung nach § 45 Abs. 1 TKG, geht es um die Gesamtkapazität, die für die terrestrische Übertragung von Medienangeboten zur Verfügung steht. Hier ist keineswegs nur die terrestrische Übertragung betroffen. Die Relevanz dieser Norm wurde vor einigen Monaten deutlich, als die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der sogenannten Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung dazu tendierte, diese so auszugestalten, dass Rundfunkprogramme in Kabelanlagen nur noch eingeschränkt hätten übertragen werden können. Fernsehhaushalte hätten möglicherweise ohne RTL oder ProSieben auskommen müssen. Schlecht abgeschirmte Kabelanlagen hatten Störstrahlung ausgesandt, die sich auf Funkfrequenzen auswirkte, die für die Flugsicherung an Flughäfen zur Verfügung stehen. Dieser Konflikt machte offenbar, dass es an dieser Stelle an einer systematischen Einbeziehung der Interessen des Rundfunks im TKG fehlt. Da die Problematik bislang lediglich aufgeschoben und nicht aufgehoben ist, besteht hier weiterhin gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

Dies gilt auch für die zweite Stufe, die Erstellung des sogenannten Frequenznutzungsplans gemäß § 46 TKG. Die geographischen Senderstandorte haben erhebliche Bedeutung für die Topologie von Sendernetzen für Rundfunk- oder Mediendienste. Die Bedeutung dieser Schnittstelle wird gegenwärtig offenbar, wenn es um das Frequenzmanagement für terrestrisches digitales Fernsehen geht. Das in Kooperation zwischen Regulierungsbehörde und den zuständigen Stellen der Länder verfasste Eckpunktepapier für das Frequenzzuteilungsverfahren zur Einführung des terrestrischen digitalen Fernsehens (DVB-T) mag eine praktikable Lösung für dieses Verfahren bieten; eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage zumindest zur Sicherung der Verfahrensrechte der Länder in dieser Frage schiene aber wünschenswert.

Bei der konkreten Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunkprogrammen hat der Bundesgesetzgeber im TKG (§ 47) bereits eine zeitliche und sachliche Priorität der landesrechtlichen Zuteilungsentscheidung normiert. An dieser Stelle fehlt es eher an entsprechenden Regelungen auf Seiten der Länder, die die Zuständigkeit für Fragen des Frequenzmanagements klären.

  • Regulierung des Zugangs zu Netzen und Diensten

Die Regelungen, die das TKG im Bereich des Netzzuganges vorsieht, zielen nicht nur auf die Herstellung eines funktionsfähigen Wettbewerbs in einem ehemaligen Monopolbereich. Es gilt, die aus Größenvorteilen und irreversiblen Kosten ausgehenden Gefahren der Diskriminierung von Nutzern und Wettbewerbern zu minimieren und das hohe Innovationspotential der Verknüpfung und Nutzbarkeit von Netzwerken für alle Anbieter zu öffnen. Berührungspunkte mit dem Medienrecht gibt es im Rahmen des Netzzugangs dort, wo technische Dienstleistungen eng mit der Erbringung von Inhalte-Diensten verknüpft sind, etwa beim bereits angesprochenen Multiplexing, bei dem es Diskriminierungsmöglichkeiten gibt, die auf die Übertragungsqualität durchschlagen (weniger zugeteilte Bandbreite kann ruckelige Bilder bedeuten), bei Conditional Access-Systemen, die den Zugang zu Inhalte-Diensten steuern sowie wiederum bei dem Angebot von Betreibern von Breitbandkabelnetzen, die auch Content vermarkten.

Dieses Problem wäre marginal, würde das Problem des Zugangs im Telekommunikations- und Medienrecht auf gleiche Weise regulatorisch gelöst. Dies ist aber nicht – oder zumindest nicht immer – der Fall. Strukturell geht es um den Zugang von Wettbewerbern zu so genannten "wesentlichen Einrichtungen", die Voraussetzungen, unter denen ein solches Zugangsrecht gewährt wird und die Folgen, also die Möglichkeiten des Regulierers, das ob und wie der Leistungserbringung zu bestimmen. Hier sind durchaus Unterschiede zu beobachten, die aus der unterschiedlichen Zielsetzung der Regelungsmaterien folgen. So kennt das Telekommunikationsrecht wegen seines Liberalisierungsansatzes – eine asymmetrische Regulierung zu Lasten des ehemaligen Monopolisten – durchaus eine "negative Diskriminierung" des Incumbents. Eine "positive Diskriminierung" bestimmter Wettbewerber ist dem wettbewerbsrechtlich geprägten Telekommunikationsrecht aber fremd. Im Bereich des Medienrechtes – hier des Rundfunkrechtes – kommt es auf kommunikative Chancengleichheit an; dies kann auch Privilegierung etwa von öffentlich-rechtlichen, lokalen oder nicht-kommerziellen Programmen bedeuten. Für die Distribution von Angeboten, die verfassungsrechtlich als Rundfunk einzustufen sind – nicht nur bei dem, was heute als digitales Fernsehen bezeichnet wird, sondern auch bestimmte Angebote über UMTS werden so einzustufen sein – kommt es entscheidend darauf an, zu wissen, für welche Dienstleistungen die Netzzugangs- und Missbrauchregelungen des TKG (heute §§ 33, 25) und wo die Regelungen des Rundfunkrechtes (vor allem §§ 53 und 52 RStV) anwendbar sind.

  • Beispiel: Zugang zu analogen und digitalen Kabelnetzen

Deutlich wird diese Abgrenzungsproblematik insbesondere bei der Regulierung analoger und digitaler Breitbandkabelnetze. Die Probleme – und auch die volkswirtschaftliche Bedeutung – zeigte sich jüngst noch einmal bei der Entscheidung des Kartellamtes über den Kauf einiger Teile des Kabelnetzes durch Liberty Media. Die Anwendbarkeit der Vorschriften zum (allgemeinen) Netzzugang nach dem TKG auf das Verhältnis Kabelnetzbetreiber und Rundfunkveranstalter bedarf daher einer eindeutigen Klärung. Diese Klärung muss auch dem Umstand Rechnung tragen, dass Einigkeit darüber herrscht, dass sich eine Bewirtschaftung digitaler Kabelanlagen – gerade auch angesichts der Kosten für einen technischen Ausbau – nur rechnet, wenn diese als Multimedia-Plattform genutzt werden. Business-Modelle der Kabelbetreiber sehen daher häufig (wenn auch mit unterschiedlicher Bedeutung) das Angebot eigener Inhalte durch den Kabelbetreiber vor (vgl. Dreier, Callahan, Liberty und NTL - Die Strukturen hinter den Netzen, Recherchereport für die BLM, 2002).

Auf Länderseite wurde für digitale Kabelnetze durch § 52 RStV ein Must-Carry-Regime errichtet, das den Kabelbetreibern Durchleitungsverpflichtungen auferlegt, ihnen aber auch Freiräume zur Bewirtschaftung eröffnet. Neben ungeklärten Fragen der Entgeltregulierung in diesem Bereich (dazu sogleich) geraten die Länderregelungen, würde man sie problemgerecht weiter entwickeln, an kompetenzrechtliche Grenzen, etwa wenn es darum geht, gesetzlich sicher zu stellen, dass in dafür geeigneten Kabelanlagen überhaupt Rundfunk verbreitet wird. Dies mag im Augenblick noch durch ökonomische Umstände gesichert sein, für die Zukunft ist allerdings keineswegs klar, dass es für Kabelbetreiber immer das attraktivste Geschäftsmodell sein wird, auch Rundfunk zu verbreiten. Ganz abgesehen davon, dass bei einer Umstellung etwa auf den IP-Standard des Internet Regelungen, die an eine kanalmäßige Verbreitung einzelner Programme anknüpfen, tendenziell leer liefen. Derartige Netze sind bereits in Betrieb.

Auch im nachgelagerten Bereich, etwa bei der Zuteilung konkreter Bit-Raten im Bereich des Multiplexing, bewegen sich die landesrechtlichen Regelungen zumindest auf die kompetenziellen Grenzen zu. Hier bedürfte es der Klärung, inwieweit im Telekommunikationsrecht etwa hinreichend Vorsorge dafür getroffen wird, dass eine Diskriminierung bei der Zuteilung von Bit-Raten ausgeschlossen ist. Wo im Bereich der gerechten Behandlung von Rundfunkprogrammen die oben genannten Grundsätze kommunikativer Chancengleichheit gelten, muss der Bundesgesetzgeber mit Blick auf den Grundsatz länderfreundlichen Verhaltens die telekommunikationsrechtlichen Regelungen zumindest so ausformen, dass die Länder eine an kommunikativer Chancengerechtigkeit orientierte Zugangsregulierung vornehmen können.

  • Entgeltregulierung

Die telekommunikationsrechtlichen Vorschriften zur Entgeltregulierung haben das Ziel, einen Missbrauch der Machtposition eines marktbeherrschenden Unternehmens durch wettbewerbswidrige Auf- oder Abschläge bei den Preisen zu verhindern. Dahinter steht die wirtschaftstheoretisch begründete Annahme, dass Aufschläge auf die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung für Märkte charakteristisch sind, in denen keine vollkommene Konkurrenz herrscht. Besonders wer sogenannte Bottleneck-Ressourcen kontrolliert, kann sich die Kosten-Preis-Schere zu Nutze machen, um die Leistungsbereitstellung für Konkurrenten nur zu hohen Kosten zu ermöglichen und gleichzeitig die Endkunden mit günstigen Angeboten zu locken. Der Streit um die "letzte Meile", also den Draht zur Telefonbuchse des Endkunden, illustriert dies eindringlich.

Für die zwei eben angesprochenen Problembereiche, nämlich die Verbreitung von Rundfunk (im verfassungsrechtlichen Sinne, also auch von Mediendiensten) im Kabel und für Zusatzdienste wie Multiplexing oder Conditional-Access-Dienste, die zweifelsohne derartige Bottleneck-Ressourcen darstellen, stellt sich wiederum die Frage nach der Anwendbarkeit telekommunikationsrechtlicher oder medienrechtlicher Vorschriften der Entgeltregulierung. Die Lösung scheint auch hier einfach zu sein, da die entsprechenden rundfunkrechtlichen Vorschriften (§§ 52 und 53 RStV) keine expliziten Vorschriften zur Regulierung von Entgelten enthalten, im Gegenteil: die Begründung etwa von § 52 RStV macht deutlich, dass den Landesmedienanstalten keine Kompetenz zur Preisregulierung eingeräumt werden sollte.

Dabei wird unterstellt, dass – wo nötig – eine Preisregulierung im Rahmen des TKG stattfindet und dies zur Sicherung der medienrechtlichen Ziele geeignet ist. Beides sind allerdings brüchige Grundannahmen. Denn – wie eingangs am Begriff der Telekommunikation gezeigt – ist keineswegs sicher, welche Dienstleistungen überhaupt in den Anwendungsbereich der telekommunikationsrechtlichen Preisregulierung fallen und ob bei der Durchführung dieser Preisregulierung im TKG den medienrechtlichen Zielen Genüge getan wird. Da der Preis ein zentrales Element zur Beurteilung der Frage darstellt, ob ein Angebot als "angemessen" klassifiziert werden kann, kommt dieser Stellschraube zentrale Bedeutung zu. Die telekommunikationsrechtlichen Regeln der Entgeltregulierung sollten sich für diese Anforderungen "öffnen". Bislang geht die Rechtspraxis der RegTP davon aus, dass es einer ausdrücklichen Privilegierung im Landesmedienrecht bedarf, um etwa eine kostenlose Verbreitung durch einen Kabelbetreiber nicht als diskriminierend anderen verbreiteten Programmen gegenüber erscheinen zu lassen (vgl. auch § 3 Abs. 4 TentgVO).

  • Billing

Wie bereits angesprochen, verlängert sich im digitalen Zeitalter die Wertschöpfungskette im Kommunikationsbereich. Intermediäre wie Information-Broker, Anbieter von Navigatoren, auch technische Dienstleister wie Multiplexer treten hinzu. Den Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen kommt hier an einer Stelle eine Schlüsselrolle zu, da sie in der Regel über den Endkundenkontakt verfügen und bereits auch das Billing anbieten. Für Telekommunikationsdienstleistungen hat der Nutzer sogar einen Anspruch darauf (§ 15 TKV), dass die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen von "seinem" TK-Betreiber auf einer einheitlichen Rechnung erscheinen. Hier steht zum einen zukünftig die Frage im Raum, wie dies bei anderen Telekommunikationsanbietern gehandhabt werden soll, etwa bei Betreibern von Breitbandkabelanlagen oder mobilen Kommunikationsplattformen wie UMTS. Zum anderen kann es für Kunden, TK-Anbieter und Content-Anbieter interessant sein, auch das Content-Billing über den TK-Betreiber abzuwickeln. Damit stellen sich an dieser ökonomisch ganz entscheidenden Stelle Fragen des chancengleichen Zugangs zu dieser Dienstleistung für unterschiedliche Content-Anbieter, Anforderungen des Verbraucherschutzes werden sichtbar, die Frage der Bündelung und Entbündelung dieser Dienstleistungen erhält Bedeutung, und so fort. Auch hier kann und sollte ein moderneres Telekommunikationsrecht auf diese bisher wenig beachteten Sachverhalte reagieren.

  • Lizenzierung

Die Lizenzpflicht im Telekommunikationsbereich orientiert sich derzeit noch sehr stark – dies wurde bereits angesprochen – an den ehemaligen Monopolmärkten. Die Lizenz war ein Instrument, die monopolisierten Bereiche in den Wettbewerb zu überführen und dabei Interessen des Kundenschutzes zu wahren.

In der nächsten Stufe der Telekommunikationsregulierung wird man sich stärker von diesen traditionellen Perspektiven loslösen können. Offenbar ist sogar die Abschaffung aller Lizenzpflichten im TKG ins Auge gefasst (Eckpunkte Telekommunikation des BMWi für eine Stellungnahme der Bundesregierung zum Tätigkeitsbericht der RegTP 2000/2001 und zum Sondergutachten der Monopolkommission "Wettbewerbsentwicklung bei Telekommunikation und Post 2001; Erwägungsgrund 7 und Art. 2 Abs. 2 EG-Genehmigungsrichtlinie). Es ist sicher zu begrüßen, dass von einer traditionellen Begründung Abstand genommen und danach gefragt wird, welche Funktion eine Vorab-Kontrolle durch Zulassungsvorbehalt unter heutigen, stärker wettbewerbsgeprägten Bedingungen haben kann. Dabei ist – neben den Anforderungen an Klarheit, die etwa Privilegierungen (z.B. die Inanspruchnahme fremder Grundstücke) voraussetzen – auch an indirekte, moderne Formen der Verhaltenssteuerung zu denken. So dient etwa die Lizenz für TK-Betreiber in Großbritannien als Vehikel, Regelungen zum Verbraucher-, aber auch Jugendschutz bei Mehrwertdienste-Anbietern (in Deutschland bspw. die Firmen hinter den berühmt-berüchtigten 0190er Nummern) durchzusetzen. Diese unterliegen selbst nicht der TK-Regulierung. Die TK-Betreiber werden aber per Lizenzauflage verpflichtet, die Codes der freiwilligen Selbstkontrolle in diesem Bereich zu Bedingungen ihrer Verträge mit den Mehrwertdienste-Anbietern zu machen. Auf die dargestellte Problematik der Schnittbereiche von Telekommunikations- und Medienrecht übertragen, könnte die Lizenz hier als Hebel für die "Durchreichung" von medienrechtlichen Vorgaben dienen.


Koordination der Regulierung: Schaffung eines Kommunikationsrates?

Betrachtet von der telekommunikationsrechtlichen Seite mit Blick auf die medienrechtlichen Anschlussstellen, machen die vorgenannten Punkte den Bedarf einer stärkeren Koordination auf der Ebene der gesetzlichen Regelungen deutlich. An vielen Punkten scheint jedoch bereits jetzt durch, dass das Problem nicht bis ins Letzte durch die Gesetzgeber bearbeitet werden kann. Preisregulierung etwa kann nur durch die Vorstrukturierung von Verfahren und Vorgabe von Maßstäben effizient und flexibel sein. Letztendlich obliegt die Entscheidung auch im Hinblick auf die Berücksichtigung rundfunkrechtlicher Belange aber der Regulierungsinstanz. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse laufen darauf hinaus, dass gerade für in besonderer Weise wissensbasierter Sektoren eine unmittelbare Steuerung durch den Gesetzgeber immer weniger in Betracht kommt und eine Regulierungsinstanz, die in den Prozess der Wissensvermittlung eingebunden ist, die Prozessteuerung übernehmen muss. Insofern ist es konsequent, dass die EU auf starke, mit gewisser Unabhängigkeit versehene Regulierungsinstanzen hinwirkt. Allerdings müssen für eine gelockerte Bindung an den parlamentarischen Gesetzgeber entsprechende ergänzende und alternative Mechanismen der Legitimationssicherung eingebaut werden. Dies sei hier nur am Rande erwähnt.

Für den hier beleuchteten Aspekt bedeutet dies: Auch auf der Ebene der Regulierungsinstanzen bedarf es einer verstärkten Kooperation, etwa zwischen der RegTP und den Landesmedienanstalten bzw. der auf Länderseite zur Medienaufsicht eingesetzten Kommissionen. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag, über neue Mechanismen einer strukturellen Sicherung von Kooperation nachzudenken, etwa in Form eines Regulierungsrates, den die selbständig bleibenden einzelnen Regulierer in ihrer Arbeit aufeinander bezieht, nachdrücklich zu begrüßen. Dieser Vorschlag ist bereits vielfach unterbreitet worden, bislang aber ohne durchschlagende politische Resonanz geblieben. Vielleicht ist das Nachdenken über eine grundlegende Novelle des TKG der richtige Zeitpunkt, auch an dieser Stelle das Regulierungssystem auf die Herausforderungen der Informationsgesellschaft einzustellen.


Zum Autor

Dr. Wolfgang Schulz ist Direktor des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung an der Universität Hamburg; er lehrt und prüft zudem am Fachbereich Rechtswissenschaften. Ein Schwerpunkt der Arbeiten in seinem Forschungsfeld am Institut bilden Fragen der Modernisierung von Regulierung angesichts technischer Konvergenz.

Der Autor dankt Stephan Dreyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hans-Bredow-Institut, für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Analyse.


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