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Sachsen-Anhalt

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Beginn und Grundphilosophie des Reformprozesses

In Magdeburg wurde schon ab 1991 jenseits von Kreis- und Gemeindegebietsreform - bei der unter anderem die Landkreise von 37 auf 21 reduziert wurden - systematisch über eine Neuorganisation und Reform der Landesverwaltung nachgedacht. Landesregierung und Landtag gaben ab 1991 Untersuchungen zu Aufgaben, Aufgabenverteilung und Aufbauorganisationen in Auftrag.

Kernbereich der Umstrukturierungsbemühungen war von Beginn an die Mittelinstanz. Vor diesem Hintergrund wurde durch Kabinettsbeschluß vom April 1993 die Kommission „Aufgabenverlagerung" eingesetzt, um Vorschläge für die funktionsgerechte Verteilung der staatlichen Aufgaben auf die Verwaltungsebenen des Landes sowie auf die Landkreise, kreisfreien Städte und Gemeinden zu erarbeiten. Die Kommission entwickelte Verlagerungsvorschläge, die jedoch nur zu rund einem Fünftel umgesetzt wurden.

Im Januar 1993 wurde vom Landtag die Enquête-Kommission „Verwaltungsreform" eingesetzt. Sie erhielt den Auftrag, Kriterien für eine leistungsfähige und bürgernahe Verwaltung zu entwickeln, anhand dieser Kriterien die bestehenden Verwaltungsstrukturen zu überprüfen und Vorschläge zur Neuorganisation zu unterbreiten. Die Kommission kam diesem Auftrag mit insgesamt 136 Vorschlägen nach, die sie in ihrem Bericht 1994 wenige Monate vor dem Regierungswechsel vom Juni 1994 vorstellte. Als Leitlinien der Verwaltungsreform empfahl die Kommission unter anderem dezentrale Ressourcenverantwortung, regelmäßige Aufgabenanalysen, die Berücksichtigung festzulegender Anforderungen an die IuK-Technik, die Delegation von Vollzugsaufgaben aus den Ministerien sowie die Zusammenarbeit in projektübergreifenden Projektgruppen.

Die damalige Regierungskoalition sagte zu, bei der Fortführung der Verwaltungsreform die Vorschläge der Enquête-Kommission zu berücksichtigen. Aus der Koalitionsvereinbarung ließen sich die Hauptziele Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Gewährleistung der Bürgerorientierung, Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sowie Stärkung der Motivation und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten ableiten. Im Dezember 1995 billigte das Kabinett die Umsetzung von 133 Reformmaßnahmen, die eine in der Staatskanzlei angesiedelte Projektgruppe erarbeitet hatte. Sie betreffen im wesentlichen die Bereiche Aufgabenkritik, Aufgabenverlagerung/Privatisierung und Optimierung von Ablauf- und Aufbauorganisation.

Die jetzige Legislaturperiode (1998 - 2002) wird maßgeblich durch das augenblicklich zentrale Vorhaben der Verwaltungsmodernisierung geprägt: die Reform der Mittelinstanz. Des weiteren strebt die Regierung an, die Aufbauorganisation der Ministerien zu reformieren, den Einsatz der Informationstechnik zu optimieren und die Einführung betriebswirtschaftlicher Elemente voranzubringen.

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Akteure und Arbeitsstrukturen

Seit Juni 1998 koordiniert die „Zentrale Stelle für Organisation", die beim Innenministerium angesiedelt ist, die Verwaltungsreform in Sachsen-Anhalt. Sie löst die Stabsstelle „Verwaltungsreform" ab und übernimmt deren Aufgaben vollständig. Die Mitglieder der „Zentralen Stelle" sollen die Umsetzung von Reformprojekten begleiten, dem Kabinett über die Umsetzung berichten und Anregungen für weitere Maßnahmen geben.

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Strukturreformen

Sachsen-Anhalt will bis zum Jahr 2007 seine drei Regierungspräsidien auflösen und deren Aufgaben in einem zu gründenden Landesverwaltungsamt konzentrieren, das dann die alleinige Behörde der allgemeinen Mittelinstanz sein wird. Dieses Ziel soll in einem mehrstufigen Prozeß erreicht werden, der bereits 1994 angelaufen ist:

  1. Aus den Regierungspräsidien werden die Bereiche ausgegliedert, die nicht der Bündelung bedürfen. Polizei, Schulaufsicht und Katasterverwaltung sind bereits herausgelöst.

  2. Die Aufgaben der Landesämter und Sonderbehörden der Mittelinstanz Sachsen-Anhalts werden auf die Regierungspräsidien übertragen, sofern ihre Bündelung sinnvoll erscheint, und ansonsten möglichst auf die Kommunalebene übertragen.

  3. Diese Neuverteilung der Zuständigkeiten ist nur eine Vorstufe, da die Aufgaben der Regierungspräsidien bis zum Jahresende 2006 schrittweise im Landesverwaltungsamt zentralisiert werden.

    Im Zusammenhang mit dieser Reform der Mittelinstanz stehen eine Reihe weiterer Umstrukturierungen: Nachdem 1995 bereits eine Polizeistrukturreform stattfand, reduzierte Sachsen-Anhalt 1997 die Schulaufsichtsverwaltung. Die Arbeit von drei Regierungspräsidien und 24 Schulaufsichtsbehörden wird seitdem in neun staatlichen Schulämtern geleistet. Zum 1. Februar 1998 übertrugen die Schulaufsichtsämter Entscheidungsbefugnisse auf die Schulleiterinnen und -leiter. 1997 wurden auch die Tierzucht- und die Katasterverwaltung zweistufig organisiert. Auf dem Gebiet des Wasserrechts sind zum 1. Juni 1998 Zuständigkeiten von den Regierungspräsidien als obere Wasserbehörden auf die kommunale Ebene delegiert worden, indem man Genehmigungsvorbehalte abgebaut hat.

    Die vorgesehene Zentralisierung bisher bei den Regierungspräsidien angesiedelter Aufgaben wird mit der Zusammenfassung der vier Kassen des Landes zu einer Landeszentralkasse fortgesetzt, die am 1. Januar 1999 ihre Arbeit aufgenommen hat. Durch die Beschränkung der Kassenverwaltung auf einen Standort und die Ausstattung mit einem neuen Kassenverfahren wird die Zahl der Beschäftigten auf die Hälfte reduziert.

    Weitere Maßnahmen zur Optimierung der Landesverwaltung fanden beispielsweise in der Straßenbauverwaltung und bei den Universitätskliniken des Landes statt: Das Landesamt für Straßenbau wurde von Vollzugsaufgaben entlastet, um sich stärker auf zentrale Planungs- und Steuerungsaufgaben konzentrieren zu können. Den Universitätskliniken sind zum September 1997 Kompetenzen im Bereich der Wirtschaftsführung sowie der Bauplanung und -durchführung übertragen worden.

    Sachsen-Anhalt hat im Zuge der Verwaltungsreform das Landesmaterialprüfungsamt und die Kantine des Innenministeriums in Landesbetriebe umgewandelt. Auch zwei Staatshochbauämter und ein Rechenzentrum sollen zu Landesbetrieben werden.

    Die Reformbemühungen fanden noch in einem anderen Bereich Niederschlag: Die Landesregierung überarbeitete 1997 die „Gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien". Damit wurden die Regelungstiefe vermindert und den Ressorts größere Spielräume in der Ablauforganisation zugestanden. Verändert wurde auch das Zeichnungsrecht. Die Bearbeitenden zeichnen nun grundsätzlich abschließend. Ferner sind in der neuen Geschäftsordnung Führungsgrundsätze aufgestellt, die einen kooperativen Führungsstil betonen.

    Die vorgesehene Reform der Aufbauorganisation bei der Ministerialverwaltung begann in einem ersten Schritt mit einer Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung im Innenministerium. In der Untersuchung wurde die Frage geprüft, ob alle im Ministerium wahrgenommenen Aufgaben dort zu erledigen und wie sie zu erledigen sind. In diese Aufgabenkritik wurden alle Beschäftigten einbezogen: Sie entwickelten jeweils Einsparvorschläge für ihren

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    eigenen Aufgabenbereich. Denkhürden versuchte die Lenkungsgruppe des Projektes zu überwinden, indem sie vorgab, daß jede und jeder Beschäftigte 40 Prozent der eigenen Jahresarbeitszeit zur Disposition stellen soll. Gleichzeitig versicherte die Hausleitung den Beschäftigten, daß keine Entlassungen erfolgen, sondern Freiräume für neue Aufgaben geschaffen werden sollen. Während dieser Untersuchung erarbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 1.119 Vorschläge, von denen 860 von einer Lenkungsgruppe als umsetzbar anerkannt wurden.

    Eine gerade begonnene Organisationsuntersuchung überprüft die IuK-Technik in der Landesverwaltung. Sie zielt darauf ab, den Einsatz der Informationstechnik unter Berücksichtigung der gewachsenen Infrastruktur effektiver zu gestalten und zu prüfen, ob die bestehenden Einrichtungen den technischen und wirtschaftlichen Anforderungen genügen.

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    Vorschriften- und Verfahrensvereinfachungen

    Zur Beschleunigung von Genehmigungs- oder sonstigen Verfahren wurde in einem Regierungspräsidium die Einrichtung eines „Invest-Beirates" ermöglicht. Das Gremium wird innerhalb von acht bis zehn Tagen eingesetzt, nachdem die Beschreibung eines zu genehmigenden Projektes eingereicht wurde. Der Beirat setzt sich aus dem Dezernat des Regierungspräsidiums, Vertreterinnen oder Vertretern des betroffenen Landkreises und der Gemeinde sowie gegebenenfalls weiteren Genehmigungsbehörden zusammen. Bei einem Treffen zwischen dem Investor oder Planer und dem Invest-Beirat informieren sich beide Seiten über das Projekt beziehungsweise über die vorgeschriebenen Genehmigungsverfahren und die Förderfähigkeit. Auf diesem Weg lassen sich die Verfahren insbesondere in der ersten Phase beschleunigen.

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    Personalmanagement

    1994 nahm sich die damalige Regierung vor, die Stellenzahl in der Landesverwaltung bis 1999 auf der Grundlage eines Personalentwicklungskonzepts von etwa 83.000 auf rund 70.000 Stellen zurückzuführen.

    Um diese ehrgeizigen Ziele, die einem Personalabbau von rund 4 Prozent pro Jahr entsprechen, sozialverträglich zu erreichen, richtete das Land am 1. Februar 1997 eine „Personalbörse" zur behördeninternen Vermittlung von Arbeitskräften ein. Insbesondere Beschäftigte aus Bereichen, in denen es aufgrund von Reformmaßnahmen zu Personalfreisetzungen kommt, sollen über die Personalbörse in andere Verwaltungsbereiche vermittelt werden. Wie in anderen Bundesländern bleiben die Erfolge beschränkt. Da die Umstrukturierungen in der Landesverwaltung in der Zukunft noch eine erhebliche Zahl von Wechseln in andere Dienststellen bedingen, bemüht sich das Innenministerium weiter um inhaltliche und technische Verbesserungen der Personalbörse.

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    Mitarbeiterbeteiligung

    Im Dezember 1995 wurde eine „Gemeinsame Erklärung der Landesregierung Sachsen-Anhalt, der ÖTV, der DAG und des DBB zur Umsetzung der Verwaltungsreform" unterzeichnet. In der „Gemeinsamen Erklärung" sind unter anderem die Beteiligungsmöglichkeiten für die Beschäftigten geregelt sowie deren Information über die Reformvorhaben. Allerdings galt die „Gemeinsame Erklärung" nur für den Zeitraum der 2. Legislaturperiode. Seit Amtsantritt der aus den Wahlen vom April 1998 hervorgegangenen neuen Landesregierung eröffnet sich hier ein wichtiges Feld für die Vertretungen der Beschäftigten.

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    Neue Steuerungsinstrumente

    Die Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente gewinnt in der Landesverwaltung allmählich an Bedeutung. Bislang ist in Sachsen-Anhalt eine betriebswirtschaftliche Vollkostenrechnung nur beim Landesmaterialprüfungsamt eingeführt.

    Budgetierungsprojekte laufen erstmals seit dem Haushaltsjahr 1996/97. Die staatliche Archivverwaltung, das Landesamt für Archäologische Denkmalpflege und das Landesamt für Arbeitsschutz bewirtschaften Globalbudgets. In der Arbeitsschutzbehörde sollen auch Produktbe-

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    schreibungen erstellt, die Führung durch Zielvereinbarungen eingeführt und ein Controlling aufgebaut werden. Zur Organisation dieses komplexen Prozesses sind neben der Projektgruppe beim Landesamt auch eine Lenkungsgruppe im Ministerium und Arbeitsgruppen zur Entwicklung oder Erprobung erarbeiteter Lösungen eingerichtet worden. Die Beschäftigten und die Personalräte sind eingebunden. Die im ersten Jahr erzielte Effizienzrendite und die beobachteten Flexibilitäts-, Motivations- und Kompetenzzuwächse könnten dazu führen, daß in Sachsen-Anhalt in naher Zukunft mit der Budgetierung weiterer Verwaltungsbereiche gerechnet werden kann.


    © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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