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Hessen

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Beginn und Grundphilosophie des Reformprozesses

In Hessen gab die Landesregierung 1994 den Anstoß zur Verwaltungsmodernisierung. Der Hintergrund war auch hier eine voraussehbare Verknappung der Finanzmittel: Hessen mußte nach der Deutschen Einheit durch den neu definierten Länderfinanzausgleich höhere Beiträge leisten.

In fünf regierungsinternen Arbeitsgruppen, gebildet aus Vertretern der Zentralabteilungen der Ministerien, wurden unter Federführung der Staatskanzlei die Leitlinien für eine Reform der Hessischen Landesverwaltung erarbeitet. Das Kabinett verabschiedete sie unter dem Titel „Eckpunkte Hessische Landesverwaltung 2000" am 17. Januar 1995. Ziel war die Umwandlung der Verwaltung in ein kunden- und ergebnisorientiertes Dienstleistungsunternehmen, in dem auf motivierte, qualifizierte Beschäftigte, eine kooperative Führung sowie ergebnis- und kostenorientiertes Arbeiten Wert gelegt wird.

Aufbauend auf diesen Vorgaben erarbeitete der Zentrale Arbeitsstab Verwaltungsreform im Innenministerium detailliertere „Handlungsvorschläge zur Modernisierung der hessischen Landesverwaltung", die von der Regierung mit Kabinettsbeschluß vom 12. März 1996 verabschiedet und mit Beschluß vom 14. Juli 1998 weiterentwickelt wurden. Die vorgeschlagenen Projekte betreffen insbesondere die Verbesserung der Kundenorientierung und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, die Delegation von Aufgaben aus den Ministerien an nachgeordnete Behörden, Deregulierung und die Einführung neuer Steuerungsmodelle mit kaufmännischer Buchführung, Kosten- und Leistungsrechnung, Controlling und Budgetierung.

Angesichts der hohen Personalausgaben haben sich seit 1997 Personalkosteneinsparungen und der Aufgabenabbau zu neuen Schwerpunkten der Verwaltungsmodernisierung entwickelt.

Der Regierungswechsel im April 1999 wird sicherlich zu neuen Schwerpunkten des Reformprozesses führen, die zur Zeit (Frühjahr 1999) aber noch nicht abzusehen sind.

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Akteure und Arbeitsstrukturen

Zur Organisation des Reformprozesses wurde Anfang 1995 im Innenministerium der „Zentrale Arbeitsstab Verwaltungsreform" eingerichtet, der die Reformaktivitäten bündeln und verstärken soll. Dieser Arbeitsstab ist dem Innenminister, der innerhalb der Landesregierung für die Verwaltungsreform zuständig ist, unmittelbar zugeordnet. Die Umsetzung der „Handlungsvorschläge" und die Durchführung von Pilotprojekten liegen in der fachlichen und politischen Verantwortung der jeweiligen Ressorts. Der Zentrale Arbeitsstab Verwaltungsreform führt über Soll-Ist-Vergleiche ein Umsetzungs-Controlling. In Pilotprojekten betreibt der Arbeitsstab insbesondere die Einführung des Neuen Steuerungsmodells.

Daneben sind für drei zentrale Bereiche der Verwaltungsreform besondere Stellen eingerichtet worden: Die in der Staatskanzlei angesiedelte Arbeitsgruppe „Verwaltungsvereinfachung" prüft zentral die Verwaltungsvorschriften des Landes. Seit Februar 1998 ist ein Staatssekretärsausschuß „Aufgaben- und Organisationskritik" eingerichtet, der unter dem Vorsitz des Chefs der Staatskanzlei die Aufgabenkritik ressortübergreifend koordinieren soll. Dem Ausschuß wird ein unterstützender Arbeitsstab zur Seite gestellt, dessen Geschäftsführung dem Finanzministerium obliegt. Als Kompetenzzen-

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trum zur Reform des Haushaltsrechts hat der Finanzminister die Koordinierungsstelle „Reform des Haushalts- und Rechnungswesens" eingerichtet. Zur Koordination der von den Ressorts eigenverantwortlich umzusetzenden Maßnahmen dienen Besprechungen der Zentralabteilungsleiter unter Vorsitz des Abteilungsleiters des Innenministeriums.

Der Landtag hat als zuständiges Gremium den Ausschuß für Informationsverarbeitung, Datenschutz und Verwaltungsreform eingerichtet.

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Strukturreformen

Im Kabinettsbeschluß „Handlungsvorschläge"von 1996 ist eine umfassende Aufgabenkritik in Anknüpfung an die Produktdefinitionen als grundlegender Bestandteil der hessischen Verwaltungsreform enthalten. In einem Arbeitspapier der Staatskanzlei von 1997 wurden etwa 20 Bereiche konkret für eine aufgabenkritische Untersuchung vorgeschlagen. Der Ende 1997 erstmals zusammengetretene Staatssekretärsausschuß „Aufgaben- und Organisationskritik" wählte davon fünf Bereiche aus, deren Behörden und Einrichtungen im ersten Schritt bis Oktober 1998 untersucht wurden. Die Analysen sollen nicht zuletzt Potentiale für den Stellenabbau aufzeigen.

Ebenfalls mit dem Kabinettsbeschluß „Handlungsvorschläge" von 1996 werden alle Ministerien aufgefordert, die Aufgaben ihrer Geschäftsbereiche zu überprüfen. Bisher ist es noch nicht gelungen, hieraus in nennenswertem Umfang den Abbau von Aufgaben abzuleiten. Weggefallen ist in den Ministerien die Hierachieebene der Gruppenleiter.

Im Verwaltungsbereich Umwelt und Energie des Umweltministeriums, im Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung und in der hessischen Verwaltung für Versorgung und Soziales laufen Organisationsentwicklungsprozesse, die auf die Optimierung von Struktur und Abläufen abzielen. Die Prozesse sind auf breite Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angelegt. So sind z.B. die entsprechenden Ausschüsse des Ministeriums für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zur Hälfte mit den Personalvertretungen besetzt.

Die vormals 17 hessischen Sonderbehörden im Umweltbereich sind zu acht Umweltämtern zusammengefaßt und in die drei Regierungspräsidien als Abteilungen integriert worden.

Weitere Strukturreformen, die auf Straffung, Vereinfachung und Zusammenlegung zielen, fanden unter anderem bei der Forstverwaltung, bei der Polizei, der Schulverwaltung und der Straßen- und Verkehrsverwaltung statt. Rund 20 Prozent der Ämter in den umorganisierten Bereichen wurden aufgelöst. 850 Stellen erhielten einen kw-Vermerk.

Seit längerem wird in Hessen eine Umstrukturierung der Mittelinstanz diskutiert. Insbesondere für eine politische Neuordnung der Region Rhein-Main werden Lösungen gesucht, die dem Gebiet unter anderem eine zentrale Vertretung ihrer Belange verschaffen sollen. Von SPD-Seite wurde ein Modell für ein Regionalparlament vorgelegt. Die CDU fordert dagegen die Abschaffung der drei hessischen Regierungspräsidien, die sie durch sechs gewählte Regionalversammlungen ersetzen möchte.

Einige Einrichtungen des Landes sind in kaufmännisch geführte Landesbetriebe überführt worden, zum Beispiel die Staatsbäder und die Staatsweingüter.

Gegen die Umsetzung des Projektes „Neues Immobilienmanagement", mit dem die Liegenschafts- und Gebäudebewirtschaftung effektiviert werden soll, erheben bislang die Ressorts erhebliche Bedenken.

In mehreren Verwaltungseinheiten beschäftigten sich die Beteiligten in Pilotprojekten mit dem Thema Qualitätsmanagement. Die Projekte werden zur Zeit nicht mehr vom zentralen Arbeitsstab Verwaltungsreform gefördert, da zunächst mit Produktdefinitionen eine outputorientierte Basis der weiteren Prozesse geschaffen werden soll.

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Vorschriften- und Verfahrensvereinfachungen

Die Deregulierung hat die hessische Landesregierung zu einem Schwerpunkt der Verwaltungsreform erhoben. Die Entwürfe von Landesgesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften prüft seit 1993 die bei der Staatskanzlei angesiedelte Arbeitsgruppe „Verwaltungsvereinfachung" auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Kostenwirksamkeit. Die Arbeitsgruppe wählt auch Sachbereiche aus, in denen sie bestehende Vorschriften im Sinne einer Aufgabenkritik überprüft. In den Jahren 1995 bis 1997 hat die Arbeitsgruppe 390 Vorlagen behandelt und davon in über einem Drittel angeregt, auf die beabsichtigte Regelung zu verzichten oder Vorschläge zur Vereinfachung gemacht.

Zwischen 17 und 30 Prozent der Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalte der Ministerien sind in Hessen von den Ressorts abgebaut worden. Erwogen wird auch, in Landkreisen probeweise und befristet die Gültigkeit aller Ministerialerlasse auszusetzen. Weitere Überlegungen zur Delegation von Verantwortung zielen in Hessen auf die Verkürzung von Dienstwegen: Durch die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf nachgeordnete Ebenen soll vermieden werden, daß Verwaltungsvorgänge über alle Instanzen laufen müssen.

Aus den „Handlungsvorschlägen" leitete sich unter anderem auch ein Untersuchungsauftrag über die Wirksamkeit der hessischen Zuwendungsprogramme ab. Eine externe Beratungsfirma hat analysiert, wie die Programme in ihrer Wirkung transparenter und effektiver gestaltet werden können. Zu den Empfehlungen zählen die Einführung meßbarer Zielgrößen, Förderziel-Kennzahlen, die Verringerung der Anzahl der Programme, die Einführung eines transparenten Berichtswesens und Controllings, Befristung der Programme, Plafondierung, Pauschalierung und der Abbau von Sachausstattungs- und Personalqualifikations-Standards. Eine Umsetzungskonzeption von 1998 soll nun in der Praxis erprobt werden.

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Personalmanagement

Stelleneinsparungen waren in Hessen zunächst nicht als besondere Zielsetzung der Verwaltungsreform vorgesehen. 1997 ließ jedoch die Staatskanzlei, angesichts der mit 46,6 Prozent höchsten Personalausgabenquote aller Bundesländer, ausrechnen, wieviel Personal abgebaut werden müsse, um diese Quote mittel- und langfristig zumindest nicht weiter steigen zu lassen. Das Ergebnis: Insbesondere wegen der steigenden Pensionslasten müßten 31.000 Stellen, ca. 20 Prozent des Personals der Landesverwaltung, bis zum Jahr 2020 gestrichen werden. Nach Vorlage dieser Rechnungen im Kabinett ist der Stellenabbau zu einem zentralen Thema der Verwaltungsreform geworden. Insbesondere die Aufgabenkritik wurde vor diesem Hintergrund forciert. In der Legislaturperiode 1995/99 hat die Landesregierung annähernd 3000 Stellen abgebaut.

Entlassungen im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform hat die bisherige hessische Regierung ausgeschlossen. Sie appelliert aber an die Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Dienststelle, Ressort oder auch den Dienstort zu wechseln. Um die Motivation zu fördern und Mobilitätsanreize zu schaffen, sollen Personalentwicklungsperspektiven aufgebaut werden. Bislang sind jedoch wenig konkrete Personalentwicklungsmaßnahmen zur Umsetzung gekommen.

In Hessen verdeutlicht sich besonders im Bereich Personalmanagement, daß die Finanznot, ebenso wie in den anderen Bundesländern, einerseits zwar Reformen anstößt, andererseits gleichzeitig Grenzen setzt: Die Finanzmittelknappheit schränkt Personalentwicklungsvorhaben wegen des Kostenaufwandes ein, zudem verhindert der Stellenabbau auch massiv Aufstiegschancen der Beschäftigten.

Umgesetzt wurden eine Reihe von Qualifizierungsmaßnahmen, wie beispielsweise Führungskräftetrainings. Eine Personalbörse als behördeninterne Vermittlungsstelle verzeichnet wie in den meisten anderen Bundesländern nur einen begrenzten Zulauf.

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Die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung legte im Oktober 1998 ein Konzept für ein Personalmanagementsystem auf EDV-Basis vor, mit der ein Personalausgaben- und Personalkostencontrolling geleistet werden kann. Das System soll die dezentralen Personal- und Stellenverwaltungen mit der zentralen Personalberechnung online verbinden.

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Mitarbeiterbeteiligung

1996 wurden alle 160.000 Beschäftigten in der hessischen Landesverwaltung aufgefordert, sich mit eigenen Vorschlägen an der Verwaltungsreform zu beteiligen. Der Rücklauf war gering und wird von den Reformbeauftragten in der hessischen Landesverwaltung als Zeichen für die skeptische Grundhaltung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber den Reformen gedeutet. Die nachträgliche Verbindung der Modernisierungsvorhaben mit höheren Vorgaben für den Stellenabbau dürfte die Motivation zur aktiven Beteiligung weiter gesenkt haben.

Die 1995 zwischen dem Innenminister und den Gewerkschaften zunächst ohne Beteiligung des Beamtenbundes abgeschlossene Rahmenvereinbarung wird kaum dazu beitragen, den Beschäftigten ihre Skepsis vor den anstehenden Veränderungen zu nehmen, da sie noch vor Aufnahme des Personalabbaus als Reformziel formuliert und unterschrieben wurde. Um die Ideen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotzdem gezielt für die Reformen zu erschließen, soll das Vorschlagswesen überarbeitet werden. Eventuell wird das Verfahren aus dem Dienstweg herausgelöst, damit beispielsweise auch Vorschläge formuliert werden können, die auf Einschränkungen oder Abschaffung übergeordneter Positionen oder Ebenen zielen. In den bisherigen Reformverfahren sind die Beschäftigten bislang bei einzelnen Vorhaben in Projektteams oder Arbeitsgruppen beteiligt worden.

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Neue Steuerungsinstrumente

Die Einführung neuer Steuerungsinstrumente findet in Hessen deutliche Instrumentierung. Zur Erprobung der Elemente des neuen Steuerungsmodells wurden in Hessen sieben Landesbehörden der Ortsstufe ausgewählt. Die Entscheidung fiel auf Dienststellen, die gegenüber Bürgern oder Unternehmen direkt Leistungen erbringen, so daß die Aspekte Außenwirksamkeit, Ergebnis- und Kundenorientierung in die Beurteilung der Pilotprojekte mit einfließen können. In den Pilotbehörden bildeten sich Arbeitsteams, die zunächst Aufgaben und Produktkataloge entwickelten. Mit der jeweiligen übergeordneten Behörde wurde vereinbart, welche Produkte in welcher Zeit mit welchen Ressourcen hergestellt werden. Weitere Beteiligtenteams entwickelten die Grundlagen für die Einführung der Kostenrechnung auf Basis der doppelten Buchführung sowie die Grundlagen für ein standardisiertes produkt- und finanzbezogenes Controlling. Die Dienststellen erhielten ein festes Personal- und Sachmittelbudget. Die dienstaufsichtlichen und personalrechtlichen Befugnisse wurden ebenfalls an sie delegiert.

Aufbauend auf den erstellten Produkt- und Aufgabenkatalogen und auf den Zielvereinbarungen mit den Steuerungseinheiten wird in den Pilotbehörden die Ablauf- und Aufbauorganisation produktorientiert vereinfacht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden autonom klären, in welcher Form die vorgegebenen außenwirksamen Leistungen am einfachsten und wirkungsvollsten erbracht werden können.

Darüber hinaus laufen zur Zeit weitere Pilotprojekte im Rechnungswesen:

  • Drei Hessischen Hochschulen und dem Statistischen Landesamt sind Globalhaushalte zugeteilt.

  • Kosten- und Leistungsrechnungen verschiedener Ausgestaltung sind beziehungsweise werden im Umweltministerium, beim Staatsbauamt Wiesbaden, beim Landsvermessungsamt und in der Archivschule Marburg eingeführt.

  • Im Rahmen von sechs Pilotprojekten wird die Personalkostenbudgetierung erprobt.

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  • Dienststellenbudgetierung – auf Abteilungsbudgets weiter heruntergebrochen – wenden u.a. ein Teil der Forstämter und der Umweltbereich des Ministeriums für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit an.

  • Die mit einer umfassenderen Budgetierung notwendig einhergehende Umstellung auf einen Produkthaushalt wird mit dem Pilotprojekt „Produkt-/Programmhaushalt" beim Hessischen Umweltministerium erprobt. Der Haushalt 1998/99 für die künftigen Staatlichen Umweltämter als Abteilungen der Regierungspräsidien enthält die außenwirksamen Leistungen in 16 Produktgruppen zusammengefaßt.

Die hessenweite Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens mit doppelter Buchführung und Kosten-Leistungs-Rechnung, Steuerung über Produkte und dezentraler Budgetierung soll spätestens im Jahr 2008 mit der Umstellung des Landeshaushalts auf einen Programmhaushalt abgeschlossen sein.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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