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Die Modernisierung der Landesverwaltungen

Föderale Vielfalt prägt den Verwaltungsaufbau, die Politik und den verwaltungstypischen Stil der deutschen Bundesländer, und so kann es kaum verwundern, daß auch die Verwaltungsmodernisierung von Bundesland zu Bundesland variiert - übrigens durchaus unabhängig von der parteipolitischen Couleur der jeweiligen Landesregierung. Kurz: Die dezentrale Struktur der deutschen Verwaltung - eine ihrer offenkundigen Stärken - bedeutet beträchtliche Modernisierungsvielfalt und damit für den geneigten Betrachter zugleich eine gewisse Unübersichtlichkeit.

Vergleicht man die drei Ebenen im Staatsaufbau der Bundesrepublik, so fällt auf, daß der Bund mit den Ministerien und nachgeordneten Behörden noch immer das Schlußlicht bei der Modernisierung bildet. Mehr als eineinhalb Jahrzehnte nach der Ankündigung: „Wir wollen den Staat auf seine ursprünglichen und wirklichen Aufgaben zurückführen, zugleich aber dafür sorgen, daß er diese zuverlässig erfüllen kann" (so der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner ersten Regierungserklärung am 13. Oktober 1982) und mehreren Kommissionen von der ersten „Unabhängigen Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung des Bundes" (1982) bis zur Einsetzung des Sachverständigenrates „Schlanker Staat" (1995) bestand die Bilanz der früheren CDU/FDP-Regierung zur Verwaltungsmodernisierung aus vielen Worten und wenigen Taten, aus großen Ankündigungen und kleinen Reformschrittchen.

Kein Mangel herrschte an wohlklingenden Absichtserklärungen und dicken Berichten. Woran es aber erkennbar fehlte, waren konkrete Umsetzungsergebnisse von systematischen, umfassenden Verwaltungsreformen auf Bundesebene. Vor allem gab es für eine systematische Aufgabenüberprüfung der Bundesverwaltung kein flächendeckendes Konzept. Jedes Ressort führte nach eigenem Strickmuster eine Organisationsuntersuchung durch, die einen mit externer Begleitung (die sich empfiehlt) - so z.B. das Bundesverkehrsministerium -, andere - wie das Innenministerium - im wesentlichen mit Bordmitteln, wieder andere - wie insbesondere das Bundeskanzleramt - ließen es ganz. Die Marschroute bestimmte die jeweilige politische Führung. Auf Vergleichbarkeit mit anderen Ministerien wurde ebensowenig Wert gelegt wie auf die Übertragbarkeit der Maßnahmen und Ergebnisse.

Was die neue Bundesregierung mit diesem bunten Flickenteppich anfängt, bleibt abzuwarten. Sie tritt ein eher schwieriges Erbe an. Die Chance jedenfalls, den Umzug der Regierung und des Parlaments von Bonn nach Berlin zu einer grundlegenden Reform der Ministerialverwaltung zu nutzen, wird wohl ungenutzt verstreichen. Das eher knappe Kapitel „Moderner Staat" im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Grüne enthält jedoch das klare Bekenntnis zur Staatsmodernisierung und nennt unter dem Leitbild des „aktivierenden Staates" folgende Ziele:

  • „moderne Personalentwicklungskonzepte,

  • Förderung und Gleichstellung von Frauen,

  • die Nutzung betriebswirtschaftlicher Instrumente und

  • eine umfassende Aufgabenkritik".

Im übrigen sollen Verfahrensabläufe und Rechtsvorschriften vereinfacht sowie die Regelungsdichte verringert werden. Offen ist bisher noch, welche neuen Prioritäten die Regierung Schröder bei der Modernisierung setzen und wie sie den Reformprozeß unter verstärkter Beteiligung der Beschäftigten in den nächsten Jahr-

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en organisieren wird. Fest steht aber wohl, daß das Konzept „Schlanker Staat" - d.h. der Primat Personalabbau (ohne entsprechendes Organisations- und Personalentwicklungskonzept und ohne Einstellungskorridore für dringend benötigte Nachwuchskräfte) nicht fortgeführt wird.

Deutlich mehr Umsetzungserfolge haben bislang die Kommunen zu verzeichnen. So setzen bereits 98 Prozent der Mitglieder des Deutschen Städtetages Elemente des Neuen Steuerungsmodells ein und entwickeln dieses stark betriebswirtschaftlich inspirierte Instrumentarium nach ihren eigenen Bedürfnissen weiter. Und auch die „Kundenorientierung" wird in den Kommunalverwaltungen großgeschrieben - mit der Einrichtung von Bürgerbüros, in denen alle kommunalen Dienstleistungen aus einer Hand angeboten werden, mit erweiterten Öffnungszeiten, mit Internet-Services usw.

Auf Länderebene zeigt sich von Baden-Württemberg bis Thüringen ein breites Spektrum von Modernisierungsansätzen. Den Anfang machten vor rund 15 Jahren das Saarland und Baden-Württemberg. Diese beiden Länder hatten bereits in der zweiten Hälfte der 80er Jahre nicht nur Verwaltungsreform-Kommissionen beauftragt, sondern konkrete Umsetzungsschritte in die Wege geleitet. Im Übergang zu den 90er Jahren, d.h. nach der deutschen Einigung, haben dann auch die übrigen Länder die Modernisierung ihrer Verwaltungen eingeleitet - allerdings mit unterschiedlicher Intensität, unterschiedlichem Tempo und unterschiedlichen Methoden. Und in der Tat: Die Erfahrungen mit den bisherigen Reformprojekten in der Praxis - gerade in den hier untersuchten sechzehn Landesverwaltungen - zeigen, daß es ein Patentrezept, das sich auf alle Verwaltungseinheiten anwenden ließe, nicht gibt und auch nicht geben kann. Vielmehr muß jede Verwaltung für sich selbst den eigenen richtigen Weg der Modernisierung finden.

Gleichwohl gibt es gemeinsame Grundmotive (und -probleme), die sich in (fast) allen Bundesländern finden:

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Finanznot - Motor oder Hemmnis für Reformen?

Auslöser für Verwaltungsreformen war in etlichen Ländern die schwierige Finanzlage, die sich insbesondere nach 1990 noch deutlich verschlechterte. So hieß es zu jener Zeit in Berlin unmißverständlich: „Angesichts der dramatischen Finanzsituation Berlins ist eine rigorose Haushaltskonsolidierung mit dem Ziel der deutlichen Entlastung des Haushalts durch Senkung der Verwaltungskosten zwingend geboten". Bremen wiederum entschloß sich 1992, eine umfassende „Verwaltungsreform unter Bedingungen der Haushaltskonsolidierung" durchzuführen, um so den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts aus dem für Bremen erfolgreichen Urteil zum Bund-Länder-Finanzausgleich Rechnung zu tragen. Und das Saarland sah sich durch die „extreme Haushaltsnotlage" des Landes schon in den 80er Jahren zu den ersten Reformschritten veranlaßt.

In anderen Ländern mag die Finanznot als Impuls zur Reform nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht worden sein. Aber fast überall gehen die Erwartungen der Politiker bis heute in dieselbe Richtung: Reformen müssen schnelle Ergebnisse bringen, und zwar vor allem spürbare Einsparungen im Personal- und Sachhaushalt! Diese Erwartung wird eine - richtig verstandene - Reform aber nicht erfüllen können; schon gar nicht in den kurzen Zeiträumen, in denen Politiker zu denken pflegen (Monate - Jahre - Legislaturperioden).

Im Gegenteil: die meisten - richtig verstandenen - Reformen kosten zunächst einmal Geld, verlangen sie doch Investitionen sowohl in die technische Ausstattung als auch und vor allem in die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So hat man z.B. bei der Einführung von Kosten-Leistungs-Rechnungen feststellen müssen, daß dieses Instrument, das mittelfristig ja wirtschaftlicheres Arbeiten sicherstellen soll, zunächst einmal teuer ist: Nicht genug mit den Investitionskosten für Computer und Software, es kommen erfahrungsgemäß noch einmal doppelt so hohe Kosten für die Mitarbeiterschulung hinzu.

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Fraglich ist überdies, ob die Finanznot auf mittlere Sicht tatsächlich als Motor oder nicht eher als Bremser für Reformprozesse wirkt. Frieder Naschold warnte in einer vergleichenden Studie über Verwaltungsreformen in den OECD-Ländern: „Häufig bewirkt die ökonomische Krise den Rückfall in traditionelle Krisenbewältigungsmuster, sehr oft besteht keinerlei Zusammenhang zwischen ökonomischer Krise und Modernisierung" (Ergebnissteuerung, Wettbewerb, Qualitätspolitik. Entwicklungspfade des öffentlichen Sektors in Europa. Berlin 1995).

Wenn die Finanzkrise der öffentlichen Hand sich weiter verschärft, ist nicht auszuschließen, daß sich der Reformprozeß in Krisenmanagement durch Haushaltskonsolidierung und pauschalem Personalabbau erschöpft und sich das zur Zeit noch geöffnete Reformfenster für die Landesverwaltungen schließt.

Durchaus besorgniserregende Anzeichen gibt es bereits. So hört man beispielsweise aus den Ländern immer wieder, daß die Finanzminister bei den Sparauflagen „Ehrlichkeit bestrafen", indem sie nämlich dann, wenn in budgetierten Verwaltungseinheiten Überschüsse angespart werden, den Löwenanteil oder sogar alles Eingesparte schlucken, anstatt die freigewordenen Mittel zumindest teilweise in der Verfügung der Sparer zu lassen. Bei allem Verständnis für die Zwangslage der Haushälter: Dieses „Einkassieren" ist höchst kontraproduktiv; schwächt es doch die Sparmotivation und die Bereitschaft zum wirtschaftlichen Ressourceneinsatz bei den Budgetverantwortlichen.

Für den Augenblick jedenfalls läßt sich das hinreichend bekannte und beklagte Mißverhältnis von Haushaltsmitteln einerseits, Modernisierungsprojekten andererseits vielleicht am treffendsten mit Goethes Faust charakterisieren, wenn dieser beim ersten Blick in Gretchens Zimmer ausruft: „In dieser Armut welche Fülle!"

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Die Ressource Personal

In den Modernisierungskonzepten gehört es inzwischen parteiübergreifend zum guten Ton, die Beschäftigten als die wichtigste Ressource im Reformprozeß zu begreifen und deren aktive Beteiligung am Reformprozeß als einen der obersten Grundsätze auszugeben. In der Modernisierungswirklichkeit aber droht diese politisch korrekte Partizipationsrhetorik systematisch unterminiert zu werden durch ein anderes de facto vorrangiges Ziel: die Senkung der Personalkosten. So wurden und werden in den meisten Ländern vom Parlament oder von der Regierung konkrete Einsparziele oder -quoten zum Personalabbau vorgegeben.

Diese Verknüpfung von Personalabbau und Reform führt unausweichlich in ein Dilemma: „Die Überlagerung des Reformbeginns durch die harten Sparvorgaben hat das Reformklima... beeinträchtigt und die Reformbereitschaft bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschädigt. Verwaltungsreform sei, so lautete für viele das vorläufige Fazit, letztlich doch nur ein begrifflicher Deckmantel für ein rigides Einsparprogramm mit der Folge nachhaltiger Arbeitsverdichtungen für die Beschäftigten" - so faßte schon 1995 Burkhard Nedden (Abteilungsleiter im Innenministerium Niedersachsen) die Situation in aller Deutlichkeit zusammen.

Gleichwohl werden Reformieren und Sparen sicherlich auch zukünftig zusammengehören und sollten daher am besten auf intelligente Weise konzeptionell wie psychologisch miteinander verknüpft werden. Manche Länder, wie z.B. Berlin, bemühen sich deshalb im Rahmen eines systematischen Personalmanagements, den Zielkonflikt zwischen Stellenabbau und Personalentwicklung aufzulösen, indem die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Verwaltung durch Flexibilisierung, neue Arbeitszeitmodelle und Förderung von Teilzeitarbeit verbessert werden.

In Niedersachsen beispielsweise wurde als vertrauensbildende Maßnahme zeitgleich mit der Vorgabe einer besonders drastischen Personal-Einsparquote von 8 Prozent seit dem Jahre 1995 gemeinsam mit Gewerkschaften und

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Berufsverbänden ein „Rahmenkonzept für die sozialverträgliche Gestaltung einer Verwaltungsreform" erarbeitet; es bietet eine Reihe von Fördermaßnahmen an für diejenigen Beschäftigten, die von Reformmaßnahmen betroffen sind. Auch in anderen Ländern hat man einen vergleichbaren Weg beschritten und Rahmenvereinbarungen zwischen der Landesregierung und den Interessenvertretungen der Beschäftigten geschlossen.

Einen anderen Weg, Personalabbau mit Reformansätzen zu verbinden, ist Bremen gegangen mit der Personalkostenbudgetierung. Ein ähnliches Konzept wird inzwischen auch in anderen Ländern, z.B. Rheinland-Pfalz (Personalkostenbudgetierung erfaßt auch Versorgung und Beihilfe), Niedersachsen, Hamburg und Sachsen-Anhalt, praktiziert. Drei Bausteine bilden das Fundament für die Budgetierung der Personalausgaben:

  • Das Personalentwicklungsprogramm enthält verbindliche Ziele über die Beschäftigungsentwicklung der einzelnen Ressorts bzw. Dienststellen; seit 1994 werden diese Ziele aufgabenkritisch entwickelt.

  • Personalzielzahlen in Tabellenform ermöglichen den Aufbau eines mit den Ressorts abgestimmten und verläßlichen quantitativen Gerüsts für die Personalausgaben.

  • Mit Hilfe der Personalkostenhochrechnung werden für ein vorgegebenes Beschäftigungsvolumen die voraussichtlichen Personalausgaben einschließlich der jeweiligen Veränderungen bei Altersstufen und Bewährungsaufstiegen errechnet.

Das dazugehörige Personalkostencontrolling wird durch laufende Kontrolle des Mittelabflusses, ein systematisches Berichtswesen und ein EDV-gestütztes Personalverwaltungs- und -managementsystem sichergestellt. Andere Bundesländer wie das Saarland geben nur feste Einsparsummen vor und überlassen die weitere Operationalisierung dem jeweiligen Geschäftsbereich. Flankiert wird dies durch eine Personalbörse und sonstige Mobilität und Personaltransfer fördernde Maßnahmen.

Bei allem verständlichen Interesse, Personalkosten zu senken, müßten sich die Landesregierungen über eines im Klaren sein: Die Antwort auf steigende Personalkosten kann auf Dauer nicht „Wiederbesetzungssperre" lauten. Ein Innenminister, der tatsächlich die Losung ausgibt: „Neueinstellungen dürfen nur noch dann vorgenommen werden, wenn dafür in einem anderen Bereich Personal abgebaut wird", läuft Gefahr, daß die Verwaltung des Landes spätestens in zehn bis fünfzehn Jahren aus Mangel an Nachwuchs vergreist. Mancherorts allerdings ist die Gefahr erkannt und mindestens ansatzweise auch gebannt: In mehreren Ländern zeigt sich in den letzten Jahren ein Trend, der eine Schwerpunktverlagerung ankündigt. Während Maßnahmen gerade im Personalbereich lange Zeit in erster Linie auf Kostensenkung zielten und mithin primär quantitativ orientiert waren, werden in der letzten Zeit immer stärker mitarbeiterorientierte Momente wie Fort- und Weiterbildung, Personalentwicklung und -management usw. (mit)bestimmend.

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Aufgabenkritik, Organisationsentwicklung und die Tücken der Umsetzung

Eines der entscheidenden Instrumente im Prozeß der Verwaltungsmodernisierung war und ist die Aufgabenkritik - sowohl unter dem Aspekt, welche Aufgaben die öffentlichen Verwaltungen wahrnehmen sollen, als auch im Hinblick darauf, wie sie diese Aufgaben erfüllen sollen; anders gewendet: sowohl unter dem Aspekt der Effektivitäts- als auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienzsteigerung.

So haben in den meisten Bundesländern die Beschäftigten in Ministerien und in nachgeordneten Bereichen oder, wie in Schleswig-Holstein, sogar in der ganzen Landesverwaltung ihre Arbeitsorganisation und -abläufe aufgabenkritisch überprüft und eine Vielzahl brauchbarer Verbesserungsvorschläge erarbeitet - allein in Schleswig-Holstein hat der Prozeß der Aufgabenkritik insgesamt 10.000 solcher Vorschläge hervorgebracht.

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Nach der Aufgabenkritik aber steht die Umsetzung, und das heißt zunächst die Entscheidung, welche Verbesserungsvorschläge und Veränderungen umgesetzt werden sollen. Und während Effizienzsteigerung und Binnenoptimierung von Verwaltungsabläufen in begrenztem Ausmaß von den Arbeitseinheiten selbst aus eigener Kraft bewerkstelligt werden können, ist spätestens bei der (Effektivitäts-)Frage, welche Aufgaben in welcher Leistungstiefe erledigt werden sollen, die Politik gefordert: Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen ist immer auch eine politische Aufgabe. Die politischen Verantwortungsträger zeigen jedoch erfahrungsgemäß große Neigung, sich solchen - nicht unbedingt populären - Entscheidungen zu entziehen.

Ein wichtiger Unterschied in der Vorgehensweise der Länder besteht unterdessen darin, daß einige in hohem Maße externe Beratung hinzuziehen, während andere in Eigenregie, aus eigener Kraft und mit eigenen Ressourcen Aufgabenkritik üben. Und während einige bereits die gesamte Landesverwaltung oder mindestens nennenswerte Teile derselben flächendeckend mit Organisationsuntersuchungen überzogen haben - in Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile nahezu sämtliche Ressorts einschließlich des nachgeordneten Bereichs organisationsuntersucht -, fingen andere erst vor kurzem an (zum Beispiel Bayern) oder setzen, wie Sachsen und Niedersachsen, auf Organisationsuntersuchungen einzelner Ressorts; auch in der Form, daß, wie in Hamburg, Finanzmittel für externe Beratung zentral vorgehalten und von den Ressorts bei Bedarf abgerufen werden können.

Wieder andere verzichten ganz auf externe Unterstützung und verlassen sich auf den eigenen Sachverstand, durchaus auch auf die eigenen Beratungskompetenzen. Hamburg hat bereits 1996 eine Modernisierungsagentur geschaffen, die den Reformprozeß koordiniert und die Landesbehörden bei der Einführung und Umsetzung des Neuen Steuerungsmodells berät. In Baden-Württemberg setzt man auf die Publizität von Behördenwettbewerben und auf Selbststeuerungseffekte aus der Veröffentlichung von best practices. Nordrhein-Westfalen schließlich baut (mit externen Beratern) ein Beratungs-Controlling auf, welches die Beratungsprojekte evaluieren und steuern soll.

Wichtig ist im einen wie im anderen Fall eine klare Aufgabendefinition und Zielsetzung - ob man, wie in Schleswig-Holstein, stark auf Mitarbeiterbeteiligung setzt, oder, wie in Nordrhein-Westfalen, professionelle Organisationsentwicklungsmethoden in den Vordergrund stellt -, um vor diesem Hintergrund dann bedarfs- und zielorientierte Einzelfallentscheidungen zu treffen. Die größten Schwierigkeiten liegen in beiden Fällen in der Umsetzung.

Die besten Umsetzungserfahrungen hat man - gleichgültig, ob mit oder ohne externe Beratung - mit ressortübergreifenden Lenkungs- bzw. Projektgruppen gemacht; mit solchen Instanzen also, die von vornherein über Ressortegoismen und Partikularinteressen einzelner Arbeitseinheiten erhaben sind. So hat beispielsweise Sachsen „projektbegleitende Arbeitsgruppen" zu den Organisationsuntersuchungen eingerichtet, die aus Vertretern mehrerer Ministerien zusammengesetzt sind. Brandenburg wiederum hat eine Verwaltungsstrukturkommission eingesetzt, bestehend aus den Leitern der Verwaltungsabteilungen aller Ressorts unter dem Vorsitz von drei externen Projektleitern. Mecklenburg-Vorpommern schließlich hat eine gesetzliche Regelung gewählt und ein „Gesetz über kostensenkende Strukturmaßnahmen im öffentlichen Dienst" erlassen, das flächendeckende Sparauflagen macht und dank der Gerechtigkeit bei der Verteilung des Mangels zähneknirschend akzeptiert wurde. Bewährt hat sich außerdem, die Arbeitsgruppe klein zu halten und kurze Fristen zu setzen. Nicht zuletzt scheint die Bereitschaft, auf Aufgaben zu verzichten, ironischerweise gerade durch drastische Maßnahmen zum Personalabbau gestärkt zu werden. So berichten manche Länder von einer „Synergie" zwischen Personal- und Aufgabenabbau: Eine Arbeitseinheit, die weiß, daß sie in Zukunft mit deutlich weniger Personal auskommen muß, ist eher geneigt, Aufgaben abzugeben, als Einheiten ohne solchen Leidensdruck.

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Einen „Schönheitsfehler" allerdings hat die Aufgabenkritik in den Bundesländern: das deutliche Übergewicht der Binnenmodernisierung, der rein effizienzorientierten Aufgabenkritik vor der politischen Kritik der Staatsaufgaben. Kein Zweifel: Effizienzsteigerung und Binnenoptimierung von Verwaltungsabläufen sind notwendig. Hinreichend aber sind sie nicht. Mit einer Verwaltungsreform nur durch Verwalter wird allenfalls an Symptomen kuriert; für einschneidende Veränderungen ist die Mitwirkung der Politik erforderlich.

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Deregulierung und Vorschriftenabbau

Zahlreiche Länder sind in der einen oder anderen Form initiativ geworden, um die Flut von Gesetzen und Vorschriften einzudämmen. Einige Beispiele: Mecklenburg-Vorpommern hat die Vorgaben des Sachverständigenrates „Schlanker Staat" aufgegriffen, allerdings nicht als Globalprogramm, sondern vielmehr in Form von fachlich differenzierten und spezialisierten Normenüberprüfungsprojekten. Bayern nimmt das Einrichten der Datenbank „Bayernrecht" zum Anlaß, die Gesetze und Vorschriften des Landes zu überprüfen. In Rheinland-Pfalz ist vorgesehen, die Gesetzesfolgenabschätzung in der Gemeinsamen Geschäftsordnung zu verankern. Derzeit wird sowohl das Instrument der prospektiven Gesetzesfolgenabschätzung als auch das des Gesetzestests auf das neue Landeswaldgesetz angewendet.

Niedersachsen und Baden-Württemberg haben über die Konferenz der Chefs der Staatskanzleien und den Bundesrat eine bundesweite „Deregulierungsoffensive" gestartet, mit der die einzelnen Länder solche Regelungen des Bundes und der EU zusammentragen sollen, die sie „in ihren Reformbemühungen behindern, nicht mehr zeitgemäße Vorgaben enthalten oder im Übermaß reglementieren". Eine erste Initiative Hessens zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes als eines Bundesgesetzes, welches überarbeitet werden muß, damit Budgetierung und doppelte Buchführung konsequent eingeführt werden können, hat die parlamentarischen Hürden im ersten Anlauf leider (noch) nicht genommen.

Einzudämmen gilt es freilich auch die interne Überregulierung, die Flut von Verwaltungsvorschriften. So hat sich insbesondere Niedersachsen vorgenommen, sämtliche Verwaltungsvorschriften auf den Prüfstand zu stellen und deren Zahl deutlich zu reduzieren. Zuvor sind beispielsweise Berichtspflichten nachgeordneter Behörden und Entscheidungsvorbehalte um ein Vielfaches verringert worden. Ähnliche Bestrebungen gibt es in Bayern und Baden-Württemberg. Auch in Hessen hat eine Überprüfung von Einzelfallentscheidungen und Genehmigungsvorbehalten in Ministerien und Mittelbehörden dazu geführt, daß ein Drittel derselben an nachgeordnete Einheiten delegiert worden sind - so eine Maßnahme im Rahmen des Programms zur Stärkung der Ortsbehörden. In Rheinland-Pfalz und im Saarland sind sogar alle Verwaltungsvorschriften mit einem „Verfallsdatum" ausgestattet. Sie treten automatisch außer Kraft, wenn ihre Erforderlichkeit nicht ausdrücklich nachgewiesen und ihr Fortbestehen nicht ausdrücklich beschlossen wird.

Konzeptionell steht gerade die interne Deregulierung im Zeichen von Dezentralisierung und Hierarchieabbau und nicht zuletzt auch im Zeichen der Mitarbeiterförderung. Eine Verwaltungsspitze, die Vertrauen in die Kompetenz und Gewissenhaftigkeit ihrer Beschäftigten hat, kann und wird sich darauf verlassen, daß Anordnungen des Gesetzgebers auch ohne detaillierte Verfahrensvorschriften sachgerecht und bürgerorientiert angewandt werden.

Ein wichtiges Thema ist in vielen Ländern, insbesondere in Flächenländern mit dreistufigem Verwaltungsaufbau, auch die institutionelle Seite der Verwaltungsvereinfachung, etwa die Auflösung von Mittelinstanzen. So hat z.B. Thüringen die Polizeipräsidien aufgelöst und deren Aufgaben zu 70 Prozent auf die Kommunen übertragen; bei der Schulverwaltung sind sogar 80 Prozent der Aufgaben auf die untere Verwaltungsebene verlagert. Rheinland-Pfalz will auf die Regierungspräsidien verzich-

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ten, und NRW plant die Ablösung der Regierungspräsidien und Landschaftsverbände durch „Dienstleistungszentren". Auch Sachsen hat in einigen Verwaltungsbereichen die Dreistufigkeit abgeschafft. In Baden-Württemberg sollen dagegen die vier Regierungspräsidien weiterbestehen, sie wurden jedoch Mitte 1998 neu strukturiert. Dabei wurden neun Abteilungen und 50 Referate nach Streichung von etwa 100 Aufgaben eingespart. In den nächsten Jahren sollen die Regierungspräsidien durch natürliche Fluktuation rund ein Drittel ihres Personals abbauen.

Die Übertragung staatlicher Aufgaben auf die Kommunalverwaltungen stößt immer wieder auf den Widerstand der Kommunen. Es herrscht offenbar großes Mißtrauen gegenüber der Bereitschaft der Landesverwaltung, zusammen mit den Aufgaben auch zusätzliche Personal- und Sachmittel zu delegieren (Konnexitätsprinzip). Hier ist erfahrungsgemäß viel Überzeugungsarbeit und Vertrauensbildung zu leisten, teils durch juristische Absicherung (wie mit dem Thüringischen Kommunalisierungsgesetz), teils durch systematische Verzahnung der Reformprozesse auf Kommunal- und Landesebene (Schleswig-Holstein zum Beispiel hat diese Verknüpfung frühzeitig hergestellt, in Baden-Württemberg wirken die Kommunalen Landesverbände in der Verwaltungsreformkommission des Landes mit, andere Länder benennen sie als ein Desiderat, welches es noch zu erfüllen gelte).

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Neues Steuerungsmodell/betriebswirtschaftliche Instrumente - die schwierige Beziehung von Verwaltung, Politik und Betriebswirtschaft

Sämtliche Bundesländer haben während der vergangenen Jahre Elemente des Neuen Steuerungsmodells ein- bzw. fortgeführt; allerdings mit unterschiedlichen Akzentuierungen.

Hessen etwa legt den Schwerpunkt auf die konsequente Trennung von Steuerung und Vollzug und läßt sich somit vom Prinzip der Dezentralisierung leiten. Mitunter zeigt die Dezentralisierung aber auch bereits erste Schattenseiten: unerwartete Akzeptanzdefizite des „Steuerns auf Abstand". Gerade nachgeordnete Verwaltungseinheiten befürchten, durch den größeren Abstand auch den direkten Draht zur politischen Führung und damit die eigenen Einflußmöglichkeiten zu verlieren.

Niedersachsen verfolgt das Ziel, Programmhaushalte einzuführen, wählte für dieses Reformprojekt allerdings angesichts praktischer Unklarheiten im Bereich der Zieldefinition und des Controlling den Namen „neue Steuerungsinstrumente", um die Suggerierung systematischer Geschlossenheit zu vermeiden, die der Begriff „Neues Steuerungsmodell" beinhaltet. In jüngster Zeit wird jedoch auch in Niedersachsen zunehmend vom Neuen Steuerungsmodell gesprochen. In Hamburg ist diese Idee der Programmhaushalte bereits verwirklicht. Seit 1996 liegen für alle Ressorts und Einzelhaushalte Produktinformationen vor. Allerdings stimmen Produkte und Kennzahlen nicht immer mit den Positionen im Haushaltsplan überein, was den parlamentarischen Bewilligungsprozeß nicht unbedingt erleichtert. Gleiches gilt für den Aspekt der Kosten - die Kosten-/Leistungsrechnung ist noch in der Erprobungsphase. Präzise Kosteninformationen sind indes eine entscheidende Voraussetzung für die Verabschiedung von Programmhaushalten.

Die Entwicklung der Kosten-Leistungs-Rechnung steht in nahezu allen Bundesländern immer noch weit oben auf der Reformagenda. Gleiches gilt für die Budgetierung, die in Hamburg bereits über die Pilotphase hinaus ist und flächendeckend eingeführt wird, in anderen Ländern derzeit noch in der Erprobungsphase steckt.

Allerdings macht sich sowohl bei den Ländern als auch bei vielen Kommunen, die Elemente des Neuen Steuerungsmodells übernommen haben, inzwischen schon eine gewisse Ernüchterung breit. Nach den jetzigen Erfahrungen kostet die Einführung von Kosten-Leistungs-Rechnungen und Controlling über einen längeren Zeitraum erheblich mehr, als sie an Ein-

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sparungen erzielen hilft. Auch mit der Definition der Verwaltungsaufgaben als „Produkte" tun sich Beschäftigte, Führungskräfte und Politiker gleichermaßen schwer. Steht der gesamte Aufwand für die neue Terminologie und das damit verbundene umfangreiche Berichtswesen wirklich im angemessenen Verhältnis zum Ertrag, das heißt, zur Entwicklung von Kostenbewußtsein und zur Kostenreduzierung im öffentlichen Dienst?

Und schließlich ist es bis zur Akzeptanz des Kontraktmanagements durch Kommunal- und Landespolitiker offensichtlich noch ein langer Weg.

Bei einer Fachtagung im Sommer 1998 im Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung, bei der Ergebnisse der Berliner Verwaltungsreform kritisch bewertet wurden, kamen die Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis u.a. zum Ergebnis: "In der Diskussion über das Verhältnis von Politik und Verwaltung hat sich gezeigt, daß die im Neuen Steuerungsmodell angeregte Arbeitsteilung, nach der die Politik über das „Was" und die Verwaltung über das „Wie" entscheidet, äußerst problematisch und in dieser Einfachheit weder konzeptionell noch praktisch tragfähig ist. Verwaltung ist nie unpolitisch, und die Politik wird sich auch immer wieder das Recht nehmen, den administrativen Vollzug von politischen Entscheidungen zu beeinflussen". (Dokumentation zur Fachtagung „Verwaltungsreform auf Ministerialebene" vom 9. Juni 1998; Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung).

Bei solcher Einschätzung wird man sich womöglich mancherorts von der Euphorie für das Neue Steuerungsmodell trennen und auf die Grunderkenntnis besinnen, daß die Beschäftigten - insbesondere auch für Reformprojekte - die wichtigste Ressource im öffentlichen Dienst sind. Gerade in der Zeit leerer Kassen mag es doppelt sinnvoll sein, Personalmanagement, Personalentwicklung und Förderung der Mitarbeiter-Motivation zu Schwerpunkten der Verwaltungsmodernisierung zu machen.

Die nachfolgenden Informationen zum Stand der Verwaltungsmodernisierung in den sechzehn deutschen Bundesländern schließen sich an den Bericht „Die Modernisierung der deutschen Landesverwaltungen - Zum Stand der Verwaltungsreform in den 16 Ländern" (Bonn 1996) an. Jene Übersicht wie auch die folgenden Seiten verstehen sich als Handreichung für den Praktiker und die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, um in kurz gefaßter Form den praxisorientierten Erfahrungsaustausch zu fördern. Die bereitwillige Unterstützung der Mitarbeiter in den Reformkommissionen der Bundesländer beim Zusammentragen der Einzelinformationen sei dankbar hervorgehoben. Auch die jährliche Fachkonferenz der Beauftragten für Verwaltungsmodernisierung der Bundesländer bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn hat sich als höchst nützliches Dialogforum erwiesen. Überflüssig, zu betonen, daß die Verantwortung für den Inhalt des Berichtes ausschließlich bei den Autoren liegt, denen es vor allem darum geht, die Bandbreite der praktischen Lösungen in der föderalen Vielfalt der Bundesländer erfahrbar zu machen.

Die folgenden Seiten beschreiben die Praxis der Staatsmodernisierung und sind für diese Praxis geschrieben. Sie beziehen sich im allgemeinen auf den Stand der Dinge im Februar 1999. Neue politische Rahmenbedingungen durch Wahlen und Regierungswechsel, vor allem aber die tägliche Praxis der Modernisierung der Verwaltungen ändern diesen Stand jedoch fortlaufend. Dies entwertet eine notwendigerweise zu einem bestimmten Fixpunkt abgebrochene Bestandsaufnahme jedoch nicht. Sie erlaubt vielmehr, die hoffnungsvolle Dynamik der praktischen Reformen wahrzunehmen und anzuerkennen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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