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Griechenland : Reformaufgaben nach der Euro-Qualifikation / Heinz-Jürgen Axt. - [Electronic ed.]. - Bonn, 2000. - 21 S. = 64 Kb, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




  • Die Wahlen am 9. April 2000 bestätigten die absolute Mehrheit der Regierungspartei PASOK und des Ministerpräsidenten Simitis. Damit wurde der Abschied vom Populismus bekräftigt und zum zweiten Mal eine Regierung mit einem als „technokratisch" und „sachlich" bezeichneten Ministerpräsidenten an der Spitze gewählt.

  • Griechenland gehört ab dem 1. Januar 2001 der Währungsunion an. Der Euro wird Zahlungsmittel. Die EU-Kommission verwies darauf, dass auch bei Griechenland eine „politische" Interpretation der Konvergenz-Kriterien erfolgte. Aus Bankensicht schwächte die Aufnahme der Drachme den Euro auf den Devisenmärkten.

  • Die Euro-Qualifikation unterstreicht die Notwendigkeit umfangreicher künftiger Strukturreformen bei der Privatisierung der Staatsbetriebe, dem Personalabbau im öffentlichen Dienst, der Sozialversicherung und dem weiterhin ausgeprägten ökonomischen Etatismus. Politisch aktuell bleibt ferner das Thema der Trennung von Staat und Religion. Die Privatklagen der vom deutschen Naziregime Geschädigten könnten die Beziehungen zu Deutschland belasten.

  • Griechenland hat die NATO-Aktionen im Kosovo-Krieg gegen Serbien politisch (nicht militärisch) unterstützt und sich nicht distanziert. Das verdient in einem Land Beachtung, dessen Bevölkerung so wie in keinem anderen europäischen Land die Bombardements durch die NATO verurteilte, die USA kritisierte und seine Sympathie für Serbien offen zeigte.

  • In der Außen- und Sicherheitspolitik wurde mit der Türkei ein bilateraler Dialog aufgenommen. Der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union wird offiziell nicht mehr blockiert. Trotz der Entspannungstendenzen führen Griechenland und die Türkei ihre massiven Aufrüstungsprogramme fort. Die Streitfragen Ägäis und Zypern sind weiterhin völlig offen. Entscheidend dürften der innenpolitische Bewegungsspielraum und die Stimmung in der Öffentlichkeit beider Länder sein.


Das Wichtigste auf einen Blick

Der Regierung Simitis hat der in jüngster Zeit verordnete Sparkurs nicht geschadet. Sie ist am 9. April 2000, wenn auch knapp, erneut im Amt bestätigt worden. Die Konsolidierung war erforderlich, um die Konvergenz-Kriterien zu erreichen und dem Land die Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion zu sichern. Hatten insbesondere die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes Widerstand gegen eine nur moderate Einkommenspolitik mobilisiert, so hat die Regierung vor den Wahlen den restriktiven Kurs gelockert und ihr „soziales Profil" geschärft, was nichts anderes als das übliche Bescheren von Wahlgeschenken beinhaltete. Vor allem versprach man angesichts steigender Arbeitslosenzahlen vermehrt Beschäftigungsmöglichkeiten. Das hat sich ausgezahlt. Der oppositionellen Neuen Demokratie nützte es letztlich nicht, daß sie die Regierung in der Verheißung sozialer Wohltaten noch zu übertreffen suchte. Die regierenden PASOK-Sozialisten konnten bei den Wahlen noch leicht zulegen, erreichten knapp 44% der Stimmen und 158 von insgesamt 300 Parlamentsmandaten.

Der Europäische Rat von Santa Maria da Feira beglückwünschte Griechenland im Juni zur Erreichung der Konvergenz-Kriterien und öffnete dem Land den Beitritt zur Europäischen Währungsunion zum 1. Januar 2001. Griechenlands Fortschritte auf dem Weg der Konvergenz sind in der Tat beachtlich. Nur wenige haben der Regierung das zugetraut. Die Inflation wurde gesenkt, das Haushaltsdefizit reduziert. Das Zinsniveau sank. Freilich stellt die Gesamtverschuldung noch immer ein Problem dar. Es bedurfte schon einer flexiblen Interpretation der Konvergenz-Kriterien, um festzustellen, daß ihre sinkende Tendenz die Aufnahme in den Euro-Club rechtfertigt. Diese im EG-Vertrag durchaus vorgesehene – freilich auch kontrovers bewertete – Möglichkeit war schon bei Italien und Belgien zur Anwendung gelangt. Sind die nominellen Kriterien also weitgehend erreicht, so darf das freilich nicht darüber hinweg täuschen, daß zentrale Strukturreformen noch immer auf ihre Erledigung warten. Um nur drei Beispiele zu nennen: Die Privatisierung hat bislang den Staatseinfluß auf die Wirtschaft nicht entschieden zurückgedrängt. Der Arbeitsmarkt wurde nicht flexibilisiert. Und die Reform des sozialen Sicherungssystem steht aus.

Seit dem Sommer 1999 haben sich Griechenland und die Türkei – die beiden Dauerkontrahenten im östlichen Mittelmeer – angenähert. Die Außenminister trafen sich regelmäßig, eine Reihe von Abkommen wurden unterzeichnet, und das bilaterale Klima verbesserte sich deutlich. Entspannung und Vertrauensbildung statt aggressiver Rhetorik waren angesagt. Die Erdbeben mögen die Entwicklung begünstigt haben. Entscheidender war wahrscheinlich, daß beiden Ländern bewußt ist, daß sie den Anschluß an Europa nur sichern bzw. (im Falle der Türkei) nur finden können, wenn sie sich zur Konfliktbeilegung bekennen. Letztere ist allerdings bislang nicht vorangekommen. Über die eigentlichen Streitfragen – Rechte in der Ägäis und Zypern – ist bislang nicht verhandelt worden. Auch ist die Öffentlichkeit in beiden Ländern noch nicht mit potentiellen Lösungsmustern konfrontiert worden. Der Europäische Rat von Helsinki hat im Dezember 1999 zwar zur Ägäis und Zypern Wege zur Bearbeitung der Konflikte aufgezeigt, doch kann das bilaterale Verständigungen nicht ersetzen.

Während des Kosovo-Krieges ist die Regierung Simitis nicht der Versuchung erlegen, sich der vorherrschenden Stimmung im Lande anzupassen, die sich durch scharfe Kritik an NATO und USA auszeichnete. Serbien und Milosevic brachte man in Griechenland auffallend viel Sympathie entgegen. Wenn auch mit einigen Einschränkungen stand die Regierung zu ihren westlichen Verbündeten. Die Stabilisierung des Balkans steht für die Regierung auf der Agenda, wobei sie besonderes Gewicht darauf legt, daß es zu keiner Veränderung der gegenwärtigen Grenzziehungen kommt. Der Kosovo-Konflikt hat nicht zur Konfrontation mit der Türkei geführt, wie viele antizipiert hatten.

Griechenland hat in jüngster Vergangenheit eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen. Es hat Abschied vom Populismus genommen und hat jetzt schon zum zweiten Mal eine Regierung mit einem Ministerpräsidenten an der Spitze gewählt, den viele Griechen doch als zu „technokratisch" und zu „sachlich" bezeichnen. Doch traut man offensichtlich ihm eher als den großen Rhetorikern zu, die anstehenden Probleme zu bewältigen. Das jüngst ins Amt berufene Kabinett entspricht dem Image von Simitis: nüchtern, kalkulierbar und wenig ideologisch ausgerichtet. Noch gibt es keine Kraft – weder in der Opposition noch in der Regierungspartei -, die diese Formation herausfordern könnte. Gleichwohl schiebt die Regierung Simitis bislang zwei große Aufgaben vor sich her: Trotz Euro-Qualifikation und Erreichen der nominellen Konvergenz-Kriterien stehen entscheidende Strukturreformen noch aus. Und bei der Türkeipolitik muss die Regierung dafür sorgen, dass sich das positive und auf Entspannung gerichtete Momentum nicht wieder verflüchtigt. Die Streitfragen in der Ägäis sind lösbar – nur müssen Wege gefunden werden, wie man Lösungsformeln auch innenpolitisch umsetzen kann. Dass dazu handlungsfähige Regierungen auf beiden Seiten der Ägäis vonnöten sind, ist selbstverständlich. Darauf zu vertrauen, dass die Formel des Europäischen Rats von Helsinki – Verhandlung und ggf. Anrufen des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag – quasi automatisch zum Erfolg führt, dürfte wenig begründet sein. Man wird bilaterale Verständigungen über die Kernprobleme in die Wege geleitet haben müssen, wenn die EU als externer Akteur Impulse zur Konfliktbeilegung geben soll.

Innenpolitische Herausforderungen

Eine Regierung verordnet ihrem Land einen Spar- und Konsolidierungskurs, um sich für die Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion zu qualifizieren, und wird wiedergewählt - die Überraschung ist verständlich. Sind die Wähler in Griechenland so aufgeklärt und uneigennützig, dass sie die ihnen wegen der Euro-Qualifikation auferlegten finanziellen Einschränkungen und Einbußen nicht verübeln, weil sie um das übergeordnete Ziel – die feste Verankerung des Landes in der Währungsunion und der Europäischen Union – wissen, also die Interessen der Nation über die persönlichen Belange stellen? Wäre dies der Fall, müsste man den Vorgang wohl revolutionär nennen, würden alle Erkenntnisse über Wahlmotivation über den Haufen geworfen.

Die Tatsachen legen eine andere Interpretation nahe: Der von der Regierung Griechenlands eingeschlagene Euro-Kurs hat zwar das Haushaltsdefizit abgebaut und die Inflation gesenkt, die damit verbundenen Einschränkungen waren allerdings nicht besonders radikal, weil immer wieder Kompromisse insbesondere mit den organisierten Interessengruppen getroffen, und weil angesichts nahender Wahlen die bewährten Wahlgeschenke offeriert wurden. So konnte zweierlei erreicht werden: Die nominelle Konvergenz wurde so weit vorangebracht, dass Griechenland ab dem 1. Januar 2001 der EWU angehört. Zugleich wurde aber auf durchgreifende Strukturreformen verzichtet, um die Wähler nicht zu verstimmen. Die Rechnung ist aufgegangen: Am 9. April 2000 wurde die Regierung von Kostas Simitis wiedergewählt.

Neben den Wahlen und dem erfolgreichen Anschluss an den Euro-Club war die jüngste Entwicklung in Griechenland von weiteren entscheidenden Ereignissen geprägt: Gegenüber der Türkei, in Griechenland traditionell als die „Gefahr aus dem Osten" wahrgenommen, sind erste Schritte der Annäherung vollzogen worden. Der Europäische Rat von Helsinki vom Dezember 1999 hat der Türkei den EU-Kandidatenstatus eröffnet, ohne dass Griechenland blockierte, wie man das aufgrund bisheriger Erfahrungen hätte erwarten können. Dafür machte sich Griechenland in Helsinki stark für die Ebnung des Weges Zyperns in die EU, auch ohne Lösung des Volksgruppenkonflikts. War die Wende in Südosteuropa davon geprägt, dass Griechenland früh in die Balkankonflikte einbezogen war – durfte sich der nördliche Nachbar einfach „Mazedonien" nennen? – und sah sich die Regierung während des Kosovo-Kriegs einer überwiegend proserbischen und natofeindlichen öffentlichen Meinung ausgesetzt, so hat sich die Lage mittlerweile beruhigt. Die für die Regierung Simitis positiven Entwicklungen könnten aktuell lediglich durch zwei Probleme getrübt werden: Die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Kirche wegen der umstrittenen und jetzt wegfallenden Angabe der Religionszugehörigkeit auf dem Personalausweis haben gezeigt, dass trotz aller Modernisierungsbemühungen zumindest Segmente der griechischen Gesellschaft sich mit der Moderne wenig anfreunden können. Das Thema der Trennung von Staat und Religion ist in Griechenland durchaus aktuell.

Das zweite aktuelle Problem sind die Privatklagen der vom deutschen Naziregime Geschädigten gegen die Bundesrepublik Deutschland sowie der Richterspruch des höchsten Gerichts, des Aeropags. Diese Sachverhalte könnten die Beziehungen zu Deutschland durchaus belasten:

1997 hatte das Amtsgericht im griechischen Livadia den 295 Hinterbliebenen der 218 Opfer des Massakers von Distomo Schadenersatz in Höhe von rund 56 Millionen DM zugesprochen, der von der Bundesrepublik Deutschland gezahlt werden soll. Am 10. Juni 1944 waren in Distomo als „Vergeltungsmaßnahme" alle Einwohner des Dorfes durch die Vierte SS-Polizei-Panzergrenadier-Divison exekutiert worden. Die Bundesregierung rügte, dass das Urteil gegen das Völkerrechtsprinzip der Staatenimmunität verstoße. Danach können Privatpersonen keinen ausländischen Staat verklagen. Gemäß dieser Interpretation hatte auch das Landgericht im griechischen Kalavrita 1998 eine Klage der Hinterbliebenen eines Wehrmachts-Massakers, bei dem 1943 über 650 Personen erschossen worden waren, zurückgewiesen. Im Falle des Urteils von Livadia bestätigte allerdings der Aeropag, das höchste Gericht Griechenlands, den Richterspruch. Für barbarische Akte wie in Distomo könne kein Staat die Immunität beanspruchen. Die Befürworter dieser Auffassung berufen sich dabei auf die Rechtsentwicklung in den Vereinigten Staaten, wo ein Gericht bei der Klage eines amerikanischen Juden, der unter den Nationalsozialisten Zwangsarbeit zu verrichten hatte, ebenfalls vom Prinzip der Staatenimmunität abgewichen war. Weil die Bundesregierung den Spruch des Aeropags nicht anerkannte, hat mittlerweile der Rechtsanwalt der Hinterbliebenen von Distomo die Zwangsvollstreckung deutscher Liegenschaften in Athen (Goethe-Institut, Deutsches Archäologisches Institut und Deutsche Schule) angestrengt. Durch eine einstweilige Verfügung wurde dieses Vorhaben vorerst gestoppt.

Die Haltung der Bundesregierung ist in dieser Angelegenheit wie folgt: Zum einen wird darauf verwiesen, dass bei der Zwangsvollstreckung gegen ausländisches Eigentum die Zustimmung des griechischen Justizminister vorliegen müsse. Diese liegt aber nicht vor. Zur Berechtigung der Ansprüche der Hinterbliebenen von Distomo hat die Bundesregierung erklärt, es sei nicht gerechtfertigt, wegen der jetzt geregelten Entschädigung von Zwangsarbeitern auch die Frage der Reparationen aus den Folgen des Zweiten Weltkriegs erneut aufzurollen. Diese Frage sei gelöst und zwar durch das bilaterale Globalentschädigungsabkommen vom 18. März 1960. Im Rahmen dieses Abkommens waren an griechische Staatsbürger, die wegen ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt worden waren, 115 Millionen DM überwiesen worden. (Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 hatte Reparationsansprüche bis zum Abschluss eines Friedensvertrags gestundet. Das Landgericht von Livadia hatte den Zwei-plus-vier-Vertrag von 1990 als einen Friedensvertrag gewertet.). Zusätzlich macht die Bundesregierung geltend, dass Griechenland allein durch die Assoziation und spätere Mitgliedschaft in der EG Hilfeleistungen in Höhe von über 30 Milliarden DM aus deutschen Geldern erhalten habe. Reparationsforderungen, so der deutsche Botschafter in Athen, sollten da „keinen Raum mehr haben".

Neben dem außenpolitischen stellt sich der griechischen Regierung auch ein innenpolitisches Problem ganz besonderer Art. Nachdem sich Griechenland dem Schengener-Abkommen angeschlossen hatte, wurden neue Personalausweise erforderlich. Die Regierung Simitis beschloss, auf die Angabe der Religionszugehörigkeit (und auch auf die Angabe des Namens und des Berufs der Ehefrau) zu verzichten. Gestützt auf eine Empfehlung der Datenschutzbehörde verkündete Simitis, die Angabe der Religionszugehörigkeit widerspreche der Freiheit des Bürgers. Dabei hatte er allerdings nicht mit dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche, Erzbischof Christodoulos, gerechnet. Dieser sah die Orthodoxie in ihren Grundfesten erschüttert. Erst gehe es um den Personalausweis, dann die Einführung der obligatorischen zivilen Eheschließung, dann um die Abschaffung des auf die Bibel zu leistenden Eids und schließlich um die Abschaffung des Religionsunterrichts. Dränge man aber die Orthodoxie zurück, nehme man den Griechen ihre Identität. Schon in der Vergangenheit war der Kirchenfürst nicht müde geworden, davor zu warnen, dass Griechenlands Eigenart in Europa untergehen könne. „In erster Linie sind wir Griechen und orthodoxe Christen und erst in zweiter Linie Europäer", erläuterte er vor annähernd hunderttausend Teilnehmern einer Massenveranstaltung in Thessaloniki. Die griechische Regierung versuchte, das Thema herunterzuspielen. Doch das Kirchenoberhaupt ist nicht zum Einlenken bereit. Sogar über eine inoffizielle Volksabstimmung wird geredet.

Bei älteren Griechen und vor allem bei Frauen und bei der Bevölkerung auf dem Lande findet das Kirchenoberhaupt durchaus Rückhalt. „Modernisierungsverlierer" scheinen in der Orthodoxie eine Alternative zur Ausrichtung nach Europa zu finden. Christodoulos selbst ist ein typischer Vertreter der „neuen Orthodoxie", einer Art Erweckungsbewegung, die sich seit den sechziger Jahren gegen das Übergewicht der abendländischen Welt stellt und dieser einen geeinten orthodoxen Osten entgegenstellen will. Der westlichen Aufklärung wird misstraut. Westliches Christentum, Zivilisation, Rationalismus, Kapitalismus und Demokratie werden als Einheit angesehen und abgelehnt. Das erklärt auch die Ausstrahlung, die die Neo-Orthodoxie auf einige Vertreter den politischen Linken hat. Wenn auch der Einfluss der neuen Orthodoxie nicht überschätzt werden sollte – einige hunderttausend Griechen mobilisiert sie gleichwohl immer wieder zu Protesten, und mit dem Kirchenführer hat sie auch wieder Aufschwung erhalten -, so verweisen die neueren Entwicklungen abermals darauf, dass in Griechenland die Trennung zwischen Kirche und Staat nach westlicher Auffassung zumindest undeutlich ist.

Zwar kann man in Griechenland nicht von einer Staatskirche sprechen, doch ist das Verhältnis zwischen Kirche und Staat bis heute nicht klar geregelt, so dass von einer „Zwangsehe" gesprochen wird. In der Verfassung wird an der Orthodoxie als der Kirche der Griechen festgehalten. Ferner ist nicht zu unterschätzen: Es sind Vertreter der Orthodoxie wie Christodoulos, die immer wieder nationalistische Stimmungen und damit auch antitürkische Ressentiments schüren. Gerade das Kirchenoberhaupt hat sich in jüngster Zeit äußerst kritisch und herablassend zur griechisch-türkischen Gesprächsdiplomatie geäußert.

Simitis als Wahlsieger

Die Aussichten für die ursprünglich im Herbst 2000 fälligen Parlamentswahlen schienen für die PASOK (Panhellenische Sozialistische Bewegung) und ihren amtierenden Ministerpräsidenten Kostas Simitis nicht zum Besten bestellt, als die Griechen anläßlich der Wahlen zum Europäischen Parlament am 14. Juni 1999 an die Urnen gerufen wurden. Trotz Wahlpflicht beteiligten sich nur 66,5 Prozent der Wähler. Die PASOK, die im Jahr 1994 noch 37,6 Prozent der Stimmen errungen hatte, verlor und musste sich mit 32,9 Prozent zufriedengeben. Die oppositionelle Neue Demokratie unter ihrem Vorsitzenden Kostas Karamanlis, einem Neffen des langjährigen Parteiführers und Staatspräsidenten Konstantin Karamanlis, verbesserte sich von 32,7 auf 36 Prozent. Neben den Konservativ-Liberalen konnten sich vor allem die Kommunisten von 6,3 auf 8,7 Prozent der Stimmen verbessern. Die Demokratische Soziale Bewegung (DIKKI) des früheren PASOK-Ministers Dimitris Tsovolas, die noch nicht an den Europa-Wahlen von 1994 teilgenommen und bei den nationalen Wahlen 1996 4,4 Prozent erreicht hatte, kam immerhin auf 6,9 Prozent. Die nicht-orthodoxe Linkspartei Synaspismos erlitt leichte Verluste und kam auf 5,2 Prozent (1994: 6,2 Prozent). Der Stimmenzuwachs der Neuen Demokratie wurde begünstigt durch das schlechte Abschneiden des Politischen Frühlings (PolAn) unter der Führung des ehemaligen ND-Außenministers Antonis Samaras. Statt der 8,7 Prozent von 1994 musste sich die Partei 1999 mit 2,3 begnügen und scheiterte damit an der Drei-Prozent-Hürde. An der Sitzverteilung im Europäischen Parlament änderte sich wenig. Die beiden großen Parteien PASOK und ND stellen wie in der vorangegangenen Wahlperiode je neun Abgeordnete, die Kommunisten verbesserten sich von zwei auf drei Abgeordnete, Synaspismos blieb bei seinen zwei Sitzen, und DIKKI errang zwei Mandate.

Die Prognose von ND-Chef Karamanlis, dass sich der „große Sieg" seiner Partei bei den nächsten nationalen Wahlen niederschlagen werde, war jedoch verfehlt. Der Erfolg, insbesondere der Kommunisten, war wohl darauf zurückzuführen, dass sie einen Großteil der griechischen Öffentlichkeit ansprechen konnten, die während des Kosovo-Kriegs den NATO-Aktionen ablehnend gegenüberstand und mit der politischen Führung in Serbien unter Milosevic sympathisierte. Die Regierung Simitis bemühte sich demgegenüber, so weit es ging, um Solidarität mit den westlichen Verbündeten. Allerdings nahm die regierende PASOK das Ergebnis insofern ernst, als sie sich nunmehr verstärkt darum bemühte, ihrer Regierungspolitik den vermeintlichen Makel einer „sozialen Schieflage" zu nehmen. Im Grunde war mit den Europawahlen von 1999 der Wahlkampf für den nationalen Urnengang eröffnet. Die Regierung verkündete vorgezogene Wahlen und öffnete das Füllhorn der Wahlgeschenke.

Der Öffentlichkeit wurde ein „Simitis-Paket" präsentiert, mit dem man die großzügigen Versprechungen der Opposition noch übertreffen wollte. Karamanlis hatte den Wählern und insbesondere den Bauern einen umfangreichen Geschenke-Katalog in Aussicht gestellt: Aktien der Agrarbank zum halben Preis, Abschaffung der Sondersteuer auf Brennstoffe, Senkung der Mehrwertsteuer für landwirtschaftliche Maschinen, Senkung des Strompreises, Senkung der Zinsen für Agrarkredite, Herabsetzung der Erbschaftssteuer, kostenloser Empfang eines speziellen Agrar-TV-Senders u.a.m.. Da wollte die Regierung nicht nachstehen.

Das Simitis-Paket enthalte bereits alle die von der ND in Aussicht gestellten Vergünstigungen und noch einige mehr. Das „soziale Profil" der Regierung sollte u.a. dadurch geschärft werden, dass 600.000 neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen, Steuererleichterungen eingeführt und Einkommensverbesserungen durchgesetzt würden. Die Regierung beabsichtigte, das Pro-Kopf-Einkommen bis 2004 auf 80 Prozent des EU-Durchschnitts anzuheben (derzeit ca. 68 Prozent). Steuererleichterungen und Einkommensverbesserungen im Wert von 170 Mrd. Drachmen wurden für 2001 und 2002 in Aussicht gestellt. Vor allem Gruppen mit niedrigerem Einkommen sollten entlastet werden, bei Rentnern sollte die sogenannte Solidaritätszulage angehoben werden.

Angesichts des zwischen Opposition und Regierung ausgetragenen „Wettbewerbs in Wahlversprechen" mahnte der Griechische Industrieverband (SEB) zur Zurückhaltung. Bei der versprochenen Erhöhung der Sozialausgaben dürften die Defizite der Haushalte nicht aus den Augen verloren werden. Wurde dem Oppositionsführer in deutschen Printmedien ein „aggressiver, von populistischen Versprechungen geprägter Wahlkampf" attestiert (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.4.2000), so hat Simitis, dem zurecht die Attribute „Sachlichkeit, Geradlinigkeit, Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein" zugeschrieben werden, gezeigt, dass er die Klaviatur des Wahlkampfs durchaus beherrscht, ohne sein Ziel – die Erreichung der nominellen Euro-Konvergenz – aus den Augen zu verlieren.

Für sein Ziel, den Anschluss an Europa zu sichern, findet der Ministerpräsident, so vermuten Wahlforscher, zunehmend Unterstützung unter den besser ausgebildeten und wohlhabenden Schichten in Griechenland. Die Traditionalisten in der sozialistischen Regierungspartei sehen allerdings die Gefahr, dass der Partei die Wählerschichten mit niedrigen Einkommen abhanden kommen. Die Wahlen des Jahres 2000 haben die Befürchtung allerdings nicht bestätigt: Parteien links von der PASOK haben ihren Stimmenanteil nicht erhöhen können. Allerdings hat sich die Neue Demokratie verbessert, doch war ihr Stimmenzuwachs nicht stark genug, um die PASOK-Sozialisten zu gefährden.

Gerade in Griechenland sollte vor der Annahme gewarnt werden, dass die Sozialisten ihre gleichsam „natürlichen" Wählerschichten in den unteren Einkommensklassen finden. Während in (post-)modernen Demokratien derartige Bindungen aufgelöst werden, haben sie sich in Griechenland erst gar nicht in vergleichbarem Umfang herausbilden können. Traditionelle Elemente der politischen Kultur wie Klientelismus und Personalismus standen dem im Weg. Es ist daran zu erinnern, dass die Wurzeln der PASOK nicht in die Arbeiterbewegung zurückreichen – hier hatten sich bei spärlicher Industrialisierung überhaupt sehr früh die Kommunisten etabliert – sondern eher auf die verschiedenen Parteien des Zentrums zurückzuführen sind, in denen sich das Bürgertum vereinigte.

Die Wahlen von 1996 standen ganz im Zeichen des amtierenden Ministerpräsidenten und soeben auch zum PASOK-Vorsitzenden gewählten Kostas Simitis. Dass dieser Sparmaßnahmen ankündigte, um dem Ziel – Beitritt zur dritten Stufe der Europäischen Währungsunion wenigstens in der zweiten Gruppe – näherzukommen, schreckte die Wähler offensichtlich nicht. Simitis bot sachliche Argumente statt der insbesondere unter Andreas Papandreou üblichen Massen- und rhetorischen Feuerwerksveranstaltungen. Der Wahlerfolg von 1996 legitimierte den Euro-Kurs von Simitis. Dass er im Jahr 2000 abermals als Sieger aus den Wahlen hervorging, verweist darauf, dass es ihm gelungen war, notwendige Konsolidierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, ohne den Wählerzuspruch zu verlieren. Aus ökonomischer Perspektive dürften die vergangenen knapp vier Jahre bezüglich der Reformergebnisse enttäuschen (s.u.), aus politischer Sicht muss man dem Premierminister eine durchaus beachtliche Gratwanderung zwischen Zielorientierung (Euro-Mitgliedschaft) und Stimmenmaximierung bescheinigen.

9,3 Mio. Griechen waren zur Wahl vom 9. April 2000 aufgerufen. 43,8 Prozent der Wähler gaben ihre Stimme der PASOK. Damit verbesserte sich die Partei um 2,3 Prozentpunkte gegenüber 1996 (41,5 Prozent). Von den 300 Parlamentsmandaten entfielen auf die Sozialisten 158 (1996 162). Die absolute Mehrheit war wiederum – wenn auch knapp - gesichert. Nur 72.705 Stimmen fehlten der oppositionellen Neue Demokratie, um mit der PASOK gleichzuziehen. Die ND konnte stark aufholen und legte um 4,6 Prozentpunkte zu. Der Stimmenanteil von 42,7 Prozent (38,1 Prozent 1996) erbrachte wegen des verstärkten Verhältniswahlrechts allerdings nur 125 Parlamentsmandate gegenüber 108 Sitzen in der abgelaufenen Wahlperiode. Die kleineren Oppositionsparteien fanden bei den Wählern geringeren Zuspruch als bei den vorangegangenen Wahlen. Die orthodoxen Kommunisten (KKE) mussten noch die relativ geringsten Verluste hinnehmen. Sie verschlechterten sich von 5,6 auf 5,5 Prozent. Stärker traf es die aus den Eurokommunisten hervorgegangene Linke Allianz (Synaspismos), die 1,9 Prozentpunkte verlor und sich mit 3,2 Prozent der Stimmen zufriedengeben musste. DIKKI kam auf 2,7 Prozent der Stimmen, was einen Verlust von 1,7 Prozentpunkten bedeutete (vgl. Tabelle 1 und Übersicht 1 im Anhang).

Bei der Regierungsbildung legte Simitis zwar wenig Wert auf die Berücksichtigung der PASOK-Hierarchie und -Flügel, zentrale Persönlichkeiten fanden sich gleichwohl im alten wie im neuen Kabinett wieder. Akis Tsochatsopoulos wurde erneut Verteidigungsminister, Georgios Papandreou, der Sohn des Parteigründers Andreas Papandreou, übernahm wiederum das Außenressort, das er von Theodoros Pangalos übernommen hatte, nachdem dieser wegen der Öcalan-Affäre im Februar 1999 hatte zurücktreten müssen. Öcalan war bekanntlich nach seinem Aufenthalt in der griechischen Botschaft in Kenia von der türkischen Geheimpolizei festgenommen worden, nachdem er sich zuvor auf griechischem Boden befunden hatte, ohne dass bis heute eindeutig geklärt wurde, inwieweit offizielle Stellen einbezogen waren. Pangalos kehrte allerdings 2000 als Kulturminister in die Regierung zurück. Gerassimos Arsenis, der 1996 noch zusammen mit Tsochatsopoulos bei der Wahl zum PASOK-Vorsitz Simitis unterlegen war, gehört dem Kabinett nicht mehr an. Jannos Papantoniou, der „griechische Karl Schiller", hat wie zuvor sowohl das Finanz- als auch das Wirtschaftsministerium inne.

Beitritt zum Euro-Club: nominelle Konvergenz bei unzulänglichen Strukturreformen

Was nur wenige für möglich gehalten haben ist erreicht: Griechenland gehört ab dem 1. Januar 2001 der Währungsunion an. Der Euro wird auch in Griechenland Zahlungsmittel (abweichend von den anderen Euro-Ländern werden die Münzen in Griechenland auf der Seite mit der nationalen Symbolik übrigens nicht als Cents sondern als Lepta bezeichnet werden.). Am 9. März 2000 hatte die Regierung offiziell den Antrag auf Aufnahme in die Währungsunion gestellt. Mit Datum vom 3. Mai empfahl die Europäische Kommission den Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone. Mit Blick auf kritische Stimmen verwies die Kommission darauf, dass auch Griechenland wie die Gründungsmitglieder der Währungsunion behandelt werden müsse. Das bedeutete, dass man bei Griechenland nicht kritischer als bei Belgien und Italien sein dürfe, die die Konvergenz-Kriterien beim Schuldenstand (mit reichlich über 100 Prozent statt der geforderten 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) ja auch verfehlt hatten. Man hielt ihnen freilich eine sinkende Tendenz zugute. 1998 hatte die Kommission noch festgestellt, dass Griechenland keines der Konvergenz-Kriterien erfülle. Im Mai 2000 konstatierte die Kommission, dass die durchschnittliche Rate der Geldentwertung in den vergangenen zwölf Monaten bei 2,0 Prozent und damit unter dem Referenzwert von 2,4 Prozent gelegen habe. Die Nettoneuverschuldung des Staates sei von 10,2 Prozent (1995) auf 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesenkt worden. Auch das Wechselkurs- und Zinskriterium sind erfüllt worden. Die Drachme habe länger als zwei Jahre dem Wechselkursmechanismus ohne nennenswerte Spannungen angehört.

Wie die Europäische Zentralbank (EZB) feststellte, hatte Griechenland zwar deutliche Fortschritte bei der nominellen Konvergenz erreicht. Die Inflationsbekämpfung und die Verringerung des Haushaltsdefizits wurden besonders gewürdigt. Kritisch wird jedoch vermerkt, dass die Staatsverschuldung mit 104 Prozent des BIP noch weit über den erlaubten 60 Prozent liegt. Die EZB machte auch deutlich, dass die Regierung es nicht so wie bisher bei Konsolidierungsmaßnahmen zur Erreichung der nominellen Konvergenz bewenden lassen dürfe. Immer wieder ist z.B. bemängelt worden, dass mit der – wenn auch schleppend vorangehenden – Privatisierung zwar die Staatseinnahmen verbessert wurden, womit auch das Konvergenzziel des Abbaus des Haushaltsdefizits erreicht wurde. Eine Belebung der Marktkräfte und ein tatsächlicher Rückzug des Staates aus dem Wirtschaftsleben war damit aber kaum verbunden. Die EZB verlangte aber derartige Strukturreformen, als sie feststellte, dass der staatliche Finanzierungssaldo auf solide Füße gestellt, eine tatsächliche Reform der Altersversorgung eingeleitet und die strukturellen Verkrustungen am Arbeitsmarkt beseitigt werden müssten. Ob die rückläufige Entwicklung beim Schuldenstand wirklich von Dauer sein wird, wurde von der EZB in Frage gestellt. Vertragsgemäß sprach die EZB – im Unterschied zur Kommission – keine Empfehlung für oder gegen die Teilnahme Griechenlands an der Währungsunion aus.

Nachdem sich das Europäische Parlament mit großer Mehrheit für einen Beitritt Griechenlands zur Währungsunion ausgesprochen hatte, oblag es dem Europäischen Rat (nach Art. 121 des EG-Vertrags der Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs) über die Aufnahme Griechenlands zu entscheiden. Er tat dies am 19. und 20. Juni im portugiesischen Santa Maria da Feira. In den Schlussfolgerungen des Vorsitzes heißt es: „Der Europäische Rat beglückwünscht Griechenland zu der Konvergenz, die es in den letzten Jahren aufgrund seiner soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik erreicht hat, und begrüßt die Entscheidung, dass Griechenland zum 1. Januar 2001 dem Euro-Währungsgebiet beitritt ..."

Die Stellungnahme der Kommission hatte erkennen lassen, dass auch bei Griechenland, wie bei der Beurteilung einiger Euro-Gründungsmitglieder, eine „politische" Interpretation der Konvergenz-Kriterien erfolgen müsste, um den Vertragsanforderungen gerecht zu werden. Hatte die EZB durchaus in kritischer Weise Stellung genommen, so sind die politischen Entscheidungen ohne kontroverse Debatte gefällt worden. Lediglich aus Bankenkreisen ist deutliche Kritik formuliert worden. Der Präsident der Hessischen Landeszentralbank plädierte z.B. noch im April dafür, den Beitritt Griechenlands zur Währungsunioin zunächst um ein Jahr zu verschieben. „Griechenland", so der Bankier, „erfüllt das Haushalts- und das Preisstabilitätskriterium nicht nachhaltig. Der Schuldenstand liegt mit rund 104 Prozent des Bruttoinlandprodukts weit entfernt vom Referenzwert von 60 Prozent." (FAZ, 27.4.2000). Die Senkung der Inflation sei durch Einmalmaßnahmen erreicht worden. In einem Umfeld, das auf den Devisenmärkten durch Unsicherheit gegenüber dem Euro geprägt sei, komme es auf die Einhaltung hoher Beitrittsstandards zur Währungsunion an. Wenn man sich dieser Interpretation anschließt, dann hat die Aufnahme der Drachme den Euro auf den Devisenmärkten nicht gerade gestärkt.

Wenn schon die nominelle Konvergenz hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit im Falle Griechenlands bezweifelt wird, dann muss ein weiterer Umstand noch bedenklicher stimmen: Die Regierung Simitis hat zwar Stabilisierungserfolge erzielt und dabei auch der Bevölkerung einige finanzielle Belastungen auferlegt, notwendige Strukturreformen wurden indes nicht durchgesetzt. Die angestrebte Haushaltskonsolidierung hat verhindert, dass die Regierung wie in der Vergangenheit eine expansive Ausgabenpolitik tätigen konnte. Sparmaßnahmen und Beschränkungen in der Einkommenspolitik waren die Konsequenz. Insbesondere seit 1997 wurden Einkommenszuwächse und Transferzahlungen beschnitten. Bei den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes stieß die Regierung Simitis daher auf Widerstand. Der Wirtschaftsexperte Panos Kazakos von der Universität Athen resümierte jüngst zutreffend, Simitis habe lediglich eine „Stabilisierungspolitik ohne einschneidende Reformen" durchsetzen können. Dies ist in der auf die nominellen Konvergenz-Kriterien zentrierten, ja, reduzierten Debatte über den Beitritt Griechenlands zur Währungsunion nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Strukturelle Mängel, die zu beheben sind, werden auch bei der Privatisierung ausgemacht. Wie erwähnt,wurde sie bloß halbherzig vorgenommen und füllte die Staatskassen, ohne entscheidend den Staatseinfluss in der Wirtschaft zurückzudrängen. Der verkrustete Arbeitsmarkt wurde ebensowenig flexibilisiert wie die Sozialversicherungsreform vorangetrieben. Die immer wieder angekündigte Reduzierung der im öffentlichen Dienst Beschäftigten erfolgte nicht. Wenn auch die Kontrollen des Kapitalverkehrs beseitigt und die Unabhängigkeit der Zentralbank hergestellt wurde – dies verlangt schließlich die Aufnahme in die Währungsunion -, so hat dies am dominierenden Etatismus nur wenig geändert. Man muss Kazakos beipflichten, wenn er die starken Netzwerke organisierter Interessen in Gewerkschaften und Partei für diese Entwicklung verantwortlich macht. Andererseits wird von ihm festgestellt, dass es dazu durchaus eine Alternative gibt, wenn nämlich politische Führung und wirtschaftspolitische Kompetenz die Oberhand gewönnen. Dass diese Voraussetzungen – wenn überhaupt – derzeit beim Amtsinhaber Simitis und seiner Kernmannschaft zu finden sind, sollte man freilich auch betonen. Die Aufgabe lautet also, die Konvergenz nachhaltig zu sichern und darüber hinaus drängende Strukturreformen - auch gegen Widerstand - anzugehen.

Außenpolitische Perspektiven

Annäherung an die Türkei – aber noch kein Durchbruch

Griechenlands Außen- und Sicherheitspolitik hat in jüngster Zeit eine bemerkenswerte Entwicklung genommen: Mit der Türkei, dem traditionellen Kontrahenten, hat man einen bilateralen Dialog aufgenommen und wiederholt geäußert, dass man einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union begrüßen würde. Die von Griechenland blockierten Finanzleistungen der EU an die Türkei sollen überdacht werden. Und anlässlich des Kosovo-Krieges ist es auch nicht zur befürchteten Konfrontation zwischen Griechenland und der Türkei gekommen. Statt dessen hat Griechenland die NATO-Aktionen gegen Serbien politisch (nicht militärisch) unterstützt und sich nicht distanziert. Das verdient Beachtung in einem Land, dessen Bevölkerung so wie in keinem anderen europäischen Land die Bombardements der NATO verurteilt, die USA kritisiert und seine Sympathie für Serbien und Milosevic immer wieder zum Ausdruck gebracht hat.

Im Juni 1999 trafen sich der griechische Außenminister Georgios Papandreou und sein türkischer Kollege Ismail Cem in New York zu einem 90minütigen Gespräch, bei dem sie sich auf eine Fortsetzung bilateraler Gespräche auf hoher Ebene einigten. Diese Entwicklung wurde durch einen Brief des griechischen an den türkischen Außenminister vorbereitet, in dem sich Papandreou zur Aufnahme eines Dialogs bereit erklärte. Bislang haben mehrere griechisch-türkische Gesprächsrunden auf der Ebene von hohen Beamten und Experten stattgefunden. Im Rahmen des bilateralen Dialogs hat man sich auf die Behandlung des folgenden Themenkatalogs geeinigt:

  • Förderung des Tourismus,

  • Kooperation in der Umweltpolitik,

  • Verstärkung der kulturellen Zusammenarbeit,

  • Intensivierung des bilateralen Handels,

  • Bekämpfung des Flüchtlings-Schlepperwesens,

  • Unterbindung des Rauschgiftschmuggels,

  • Kampf gegen die organisierte Kriminalität und

  • Bekämpfung des Terrorismus.

Beim letztgenannten Punkt stellte sich natürlich das Problem der PKK und von Abdullah Öcalan. Die Türkei war im Zuge der Ergreifung des PKK-Führers nicht müde geworden, Griechenland vorzuwerfen, die PKK politisch und auch militärisch zu unterstützen. Öcalan hatte allerdings bei seiner Vernehmung in Imrali erklärt, dass die PKK keine offiziellen Beziehungen zu Griechenland gepflegt habe. Unterstützung habe es beim Kauf schwerer Waffen gegeben. Beim Treffen zwischen Papandreou und Cem anlässlich der Vollversammlung der Vereinten Nationen im September 1999 in New York hat das PKK-Thema dann keine Rolle gespielt.

Bei der dritten Gesprächsrunde wurden Konkretisierungen der allgemein verabredeten Agenda vorgenommen, die dann zu Vereinbarungen zu folgenden Themen führten:

  • Intensivierung der technologisch-wissenschaftlichen Kooperation,

  • Abschluss eines diesbezüglichen Investitionsrahmens,

  • Übereinkommen über ein Doppelbesteuerungsabkommen,

  • Verstärkung der Zusammenarbeit in der Schiffahrt,

  • Verlängerung der Egnatia-Straße vom Adria-Hafen Igoumenitsa bis Istanbul,

  • Ausbau der Eisenbahnverbindung Thessaloniki-Istanbul und

  • Modernisierung der Zollsysteme.

Ende Januar/Anfang Februar 2000 haben die Außenminister Papandreou und Cem die Unterzeichnung der Abkommen zum Anlass für wechselseitige Besuche in den jeweiligen Hauptstädten genommen. Die Besuche fanden in beiden Ländern große Aufmerksamkeit und wurden als Zeichen des erreichten Grades an Entspannung in den bilateralen Beziehungen gewertet.

Ausdruck der entspannten Atmosphäre ist die Tatsache, dass seit Monaten keine Zwischenfälle in der Ägäis („dog fights" u.ä.) mehr zu verzeichnen waren. Das kann das Ergebnis von bilateralen Kontakten auch auf militärischer Ebene sein. Der türkische Flottenchef hatte enthüllt, dass er in regelmäßigem Kontakt mit der griechischen Seite stehe, weshalb die Zahl der Zwischenfälle reduziert worden sei. Man soll sich auch einig geworden sein, künftig die Manöver in der Ägäis um 25 Prozent zu reduzieren. Im Juli 2000 trat ein „Sommermoratorium" in Kraft, wonach beide Seiten in den Sommermonaten auf Manöver in der Ägäis verzichten. Das Abkommen war bereits 1988 von den Außenministern Papoulias und Yilmaz unterzeichnet worden. Erstmals seit langer Zeit kooperierten griechische und türkische Verbände im Rahmen des NATO-Manövers „Dynamic Mix" im Mai 2000.

Trotz der Entspannungstendenzen führen Griechenland und die Türkei ihre massiven Aufrüstungsprogramme fort. Bemerkenswert ist, dass Griechenland sein Programm ausdrücklich mit der „Gefahr aus dem Osten", von der Türkei also, rechtfertigt. Nach dem im November 1996 vorgelegten Staatshaushalt sollten in den nächsten zehn Jahren rund 25,4 Mrd. DM für ein massives Modernisierungsprogramm der Streitkräfte ausgegeben werden. Rechnet man die Rückzahlung alter Rüstungsschulden und die laufenden Ausgaben hinzu,

dann addieren sich die Ausgaben bis 2007 auf 102 Mrd. DM. Schon jetzt sind in Griechenland die Militärausgaben mit einem Anteil von 4,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) die höchsten in der NATO. Die Türkei steht hier nicht nach. Bei ihr erreichen die Militärausgaben einen BIP-Anteil von 4,1 Prozent und erhöhen sich unter Berücksichtigung der Kreditkosten auf 10 Prozent. Das Modernisierungsprogramm der Türkei beläuft sich auf 150 Mio. Euro.

Will man eine erste Zwischenbilanz des bisherigen griechisch-türkischen Dialogs ziehen, dann kann man das kaum besser als mit den Worten des griechischen Außenministers tun: „Wir haben die Tür zum Dialog aufgemacht, aber die Probleme sind noch nicht gelöst." Die türkische Seite bestätigt dieses Urteil. Als sich Premierminister Ecevit am 28.9.1999 zum Staatsbesuch in den USA aufhielt, verlautbarte er, dass die Ägäis-Streitfragen, nicht so wie von Griechenland gewünscht, vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag sondern nur auf dem Weg bilateraler Verhandlungen gelöst werden könnten. Kürzlich ergänzte Ecevit, der von der Türkei und Griechenland eröffnete Dialog könne zwar ökonomische und kulturelle Themen behandeln, er könne aber auf keinen Fall die in der Ägäis bestehenden Probleme lösen. Ob der Dialog überhaupt einmal auf die eigentlichen Streitfragen Ägäis (Festlandsockel, Abgrenzung der Territorialgewässer, Grenze und Kontrolle des Luftraums) und Zypern wird eingehen können, ist derzeit noch völlig offen. Atmosphärisch ist eine Verbesserung des bilateralen Verhältnisses eingetreten. Ob es auf dieser Grundlage leichter fällt, konstruktiv die Differenzen zu verhandeln, hängt nicht nur von den eigentlichen Akteuren und dem internationalen Umfeld ab. Entscheidend dürfte auch der innenpolitische Bewegungsspielraum und die Resonanz in der Öffentlichkeit beider Länder auf den Dialog sein.

Nüchtern wird man feststellen müssen, dass sich das Momentum der bilateralen Entspannung gut ein Jahr nach Intensivierung der bilateralen Kontakte verflüchtigen könnte und dass sich die Aussichten zur Lösung der eigentlichen Streitfragen trotz aller atmosphärischen Veränderungen noch nicht entscheidend verbessert haben. Es gab bislang schon viele positive Einzelinitiativen, denen es an Nachhaltigkeit mangelte. Kaum initiiert, kümmerten sie auch schon wieder dahin. Positiv ist gleichwohl zu vermerken, dass man nicht wieder zur alten bellizistischen Rhetorik zurückgefunden hat, sondern dem Dialog den Vorzug gibt. Kritische Töne aus dem griechischen Verteidigungsministerium haben die Regierung bislang noch nicht zur Änderung ihrer Entspannungspolitik gegenüber der Türkei veranlasst. Der Verteidigungsminister hatte im Juli 2000 erklärt, dass die Türkei trotz der Entspannung ihre strategischen Ziele gegenüber Griechenland nicht aufgegeben habe, weshalb man die Erörterung der bilateralen Streitfragen am besten einfrieren solle. Nachdem die Regierung Simitis bei den Wahlen vom April 2000 bestätigt worden ist, und nachdem ihr zentrales Projekt – die Qualifikation für den Euro – gelungen ist, steht auf griechischer Seite eigentlich ein starker Verhandlungspartner zur Verfügung, der auch über den nötigen innenpolitischen Rückhalt verfügt, um die heikle Verständigung über die eigentlichen Streitfragen mit der Türkei zu wagen. Entsprechendes kann derzeit allerdings von der türkischen Seite nicht behauptet werden. Mit der Entscheidung des Europäischen Rats von Helsinki ist der Regierung Ecevit zwar ebenfalls ein Erfolg gelungen, doch muss die innenpolitische Basis der Regierung alles andere als stabil genannt werden.

Wie eng die Türkei-, Zypern- und auch Balkanpolitik Griechenlands miteinander verknüpft sind, hat sich gezeigt, als der Europäische Rat von Helsinki über die Frage zu entscheiden hatte, ob der Türkei der EU-Kandidatenstatus angetragen werden solle. Die griechische Regierung hatte entschieden, die Ernennung der Türkei zum EU-Beitrittskandidaten durch den Europäischen Rat von Helsinki am 10. und 11. Dezember 1999 nicht zu blockieren.

Mit Blick auf die Türkei und Zypern wurden alle beitrittswilligen Länder aufgefordert, „alles daran zu setzen, etwaige ungelöste Grenzstreitigkeiten und andere damit zusammenhängende Fragen zu lösen. Ist keine Lösung zu erreichen, sollten sie den Streitfall innerhalb einer angemessenen Frist dem Internationalen Gerichtshof vorlegen. Der Europäische Rat wird die Situation hinsichtlich ungelöster Streitfälle, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Beitrittsprozess und mit dem Ziel, ihre Beilegung durch den Internationalen Gerichtshof zu fördern, spätestens Ende 2004 überprüfen".

Ferner betonte der Europäische Rat, „dass eine politische Lösung den Beitritt Zyperns zur Europäischen Union erleichtern wird. Sollte bis zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen keine Lösung erreicht werden, so wird der Rat über die Frage des Beitritts beschließen, ohne dass die vorgenannte politische Lösung eine Vorbedingung darstellt. Dabei wird der Rat alle maßgeblichen Faktoren berücksichtigen".

Will man diese Festlegungen aus griechischer Perspektive bewerten, so wird man festhalten müssen, dass die griechischen Interessen zwar Eingang in die Schlussfolgerungen gefunden haben, doch in deutlich abgeschwächter Form: Bezüglich der Grenzstreitigkeiten erwähnt der Europäische Rat zunächst nicht nur die Türkei sondern alle beitrittswilligen Länder. Sodann wird die Türkei nicht aufgefordert, gemeinsam mit Griechenland den Internationalen Gerichtshof unmittelbar anzurufen. Vielmehr wird der türkischen Präferenz für politische Verhandlungen zunächst der Vorzug gegeben. Auch wird nicht der griechischen Maximalforderung Rechnung getragen, dass lediglich der Disput um den Festlandsockel der gerichtlichen Klärung bedürfe, alle anderen Fragen dagegen nicht, weil sie entsprechend Völkerrecht bereits gemäß griechischer Interpretation gelöst seien. Und schließlich formuliert der Europäische Rat auch recht vage, wenn er zwar feststellt, dass die Entwicklung der Streitfälle Auswirkungen auf den Beitrittsprozess hat, dass aber lediglich eine Überprüfung durch den Europäischen Rat spätestens Ende 2004 stattfinden wird.

Bei Zypern hebt der Europäische Rat zunächst noch einmal die positive Wirkung hervor, die eine Lösung des Volksgruppenkonflikts hätte. Bleibt diese Lösung jedoch aus, so wird dem griechischen Teil Zyperns keineswegs eine unkonditionierte Beitrittszusage gegeben. Es wird die Konfliktlösung zwar explizit nicht zur Vorbedingung des Beitritts gemacht. Es wird aber auch nicht der immer wieder in Griechenland verlangten Zusage entsprochen, dass auch eine geteilte Insel quasi automatisch in die EU aufgenommen würde, wenn die Beitrittsverhandlungen mit positivem Ergebnis abgeschlossen sind. Vielmehr behält sich der Europäische Rat das Recht vor, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, worunter ja wohl auch die politischen zu verstehen sind, über den Beitritt Zyperns zu entscheiden.

Balkanpolitik und Kosovo-Krieg

Trotz einer in Griechenland weit verbreiteten Negativhaltung zu den NATO-Aktionen gegen Serbien hat die Regierung Simitis in der Balkanpolitik der jüngsten Vergangenheit einen außen- und sicherheitspolitischen Kurs verfolgt, der weitgehend mit den EU- und NATO-Partnern übereinstimmte:

  • Die NATO- und EU-Entscheidungen wurden von Griechenland mitgetragen.

  • Der Hafen Thessaloniki erfüllte eine wichtige Funktion insbesondere zur Versorgung der NATO-Verbände in Mazedonien.

  • Griechenland hat Mazedonien und Albanien Hilfe zugesagt. 61 Mio. Euro wurden 1998 für Albanien reserviert, aber noch nicht ausgezahlt, weil Albanien noch keine konkreten Pläne vorgelegt hat. 1,9 Mio. Euro wurden im Rahmen der internationalen Albanien-Geberkonferenz zur Verfügung gestellt. Ein Drittel soll für die griechische Minderheit reserviert werden. Schließlich hat die griechische Regierung ein Hilfspaket für den Balkan von 318 Mio. Dollar über 5 Jahre beschlossen.

  • Griechenland hat sich zur Aufnahme von Kosovo-Flüchtlingen bereit erklärt.

  • Die Regierung hat Alleingänge unterlassen und war auch resistent gegen die Versuchung des Populismus – beides entscheidende Veränderungen gegenüber der griechischen Politik in den achtziger Jahren unter Andreas Papandreou.

Als positives Ergebnis muss auch festgehalten werden, dass die zwischen Griechenland und der Türkei befürchtete Konfrontation im Kosovo-Krieg ausgeblieben ist. Statt dessen kam es am 19. April 1999 z.B. zu einem Treffen in Athen, das sich mit der Frage beschäftigte, wie der Balkan zu stabilisieren sei, und an dem neben bulgarischen, rumänischen, mazedonischen und albanischen eben auch türkische Experten und Diplomaten teilnahmen. Das Treffen sollte eine Friedenskonferenz für Südosteuropa vorbereiten. Am 12. und 13. Februar 2000 trafen sich die Regierungschefs der Balkanländer bereits zur dritten Konferenz südosteuropäischer Staaten in Sofia. Am 21.4.1999 veröffentlichte die griechische Regierung ihre „Friedensinitiative", die durchaus als „Ergänzung" zum „Stabilitätspakt für Südosteuropa" in der Version des „Fischer-Plans" gesehen werden kann. Zwar wird auch wieder die Unverletzlichkeit der Grenzen betont, doch geht es ebenso um die Bedingungen und Perspektiven für einen EU-Beitritt der Länder Südosteuropas und die Kooperation der Institutionen und Kohärenz der Aktionen.

Insbesondere die Tatsache, dass sich die Regierung über die Negativhaltung in der Bevölkerung zum Kosovo-Krieg hinwegsetzte, musste überraschen. In keinem anderen NATO-Land war der Protest gegen den Luftkrieg der Allianz so heftig und war die Sympathie für Serbien so stark. Meinungsumfragen war damals zu entnehmen, dass 90 Prozent der Bevölkerung gegen die Bombardierung Jugoslawiens waren, 94 Prozent der Befragten eine negative Meinung über den US-Präsidenten Clinton hatten und 63 Prozent eine positive Meinung zu Milosevic besaßen (Frankfurter Rundschau, 21.4.1999).

Griechenland hat gleichwohl auch die Grenzen seiner Übereinstimmung mit dem Westen markiert:

  • Vor und während der Verhandlungen in Rambouillet im Februar 1999 wandte sich Griechenland vehement gegen die Drohung der NATO, Bombardierungen Serbiens im Falle eines von ihm verursachten Scheiterns der Verhandlungen vorzunehmen;

  • 1998 hat es sich gegen Sanktionen im Flugverkehr mit Jugoslawien ausgesprochen;

  • dem Ölembargo vom April 1999 hat es nur mit größten Bedenken zugestimmt;

  • an den Luftschlägen gegen das Milosevic-Regime hat sich Griechenland nicht beteiligt;

  • an der Entsendung von Bodentruppen ins Kosovo – so es denn dazu gekommen wäre - hätte sich Griechenland nur mit Zustimmung und auf Wunsch von Belgrad beteiligt;

  • Athen trat für eine temporäre Waffenruhe an Ostern ein;

  • und Griechenland gehört zu den Ländern, die sich besonders nachdrücklich dafür einsetzen, dass auch ein Serbien unter Milosevic von der humanitären und Aufbauhilfe nicht ausgespart werden dürfe.


Tabelle 1: Die Parlamentswahlen vom 9. April 2000

Wahlberechtigte:

9.373.439

Abgegebene Stimmen:

7.027.007

Gültige Stimmen:

6.868.484

Ungültige Stimmen:

111.389

Weiße Stimmzettel:

47.134

Wahlbeteiligung:

74,97 Prozent








09.04.2000

10.10.1993

Veränderung

in Prozent

Partei

Stimmen

Prozent

Stimmen

Prozent


PASOK

3.007.947

43,79

2.813.245

41,49

+ 2,30

ND

2.935.242

42,73

2.584.765

38,12

+ 4,61

KKE

379.517

5,53

380.167

5,61

-0,09

Synaspismos

219.918

3,20

347.051

5,12

-1,92

DIKKI

184.586

2,69

300.671

4,42

-1,74





Tabelle 2: Wahlen zum Europäischen Parlament 1994 und 1999


1994

1999


Prozent

Sitze

Prozent

Sitze

PASOK

37,6

10

32,9

9

ND

32,7

9

36,0

9

KKE

6,3

2

8,7

3

Pol.An

8,7

2

2,3

-

Syn

6,2

2

5,2

2

DIKKI

-

-

6,9

2

Verschiedene

8,5

-

8,1

-





Tabelle 3: Wirtschafts-Prognose der Europäischen Kommission


2000

2001

BIP in festen Preisen (Prozent gegenüber Vorjahr)

3,9%

4,0%

Harmonisierte Durchschnittsinflation

2,3%

2,3%

Staatsschulden brutto (BIP-Anteil)

103,7%

99,7%

Arbeitslosigkeit

10,0%

9,6%

Gesamtbeschäftigung (Jahresveränderung in Prozent)

1,3%

1,3%

Lohnstückkosten real

-0,5%

-1,2%


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