FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO


Fit für Markt und Wettbewerb : Anmerkungen zur Verwaltungsreform / Thomas Stumpf. - [Electronic ed.]. - Bonn, 2000. - 18 S. = 51 Kb, Text . - (FES-Analyse : Verwaltungspolitik)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




Während die Botschaft, dass auch die deutsche Verwaltung reformfähig sei, sich langsam von den Kommunen („Neue Steuerungsmodell" der Kommunalen Gemeinschaftsstelle, KGSt) über die Länder (Baden-Württemberg: „Verwaltung 2000") bis hin zur Bundesregierung (Modernisierung der öffentlichen Verwaltung als Faktor für den Standort Deutschland: „Schlanker Staat", unter Rot-Grün: „Aktivierender Staat") durchsetzte, macht sich bei den Initiatoren schon wieder Ernüchterung und zum Teil auch Resignation breit.

Die Verwaltungsreform wird von vielen lediglich als eine Fortsetzung technokratischer Methoden zu Sicherung von Sparhaushalten bzw. personalwirtschaftlicher Rationalisierungsmaßnahmen erlebt.

Die Euphorie und das Tempo der ersten Reformansätze sind verflogen. Mag sein, dass alle Beteiligten durch diesen Prozess überfordert waren (wie die FAZ „Gold in den Köpfen" vom 17.11.99 vermutet) oder einfach zu wenig beachtet wurde, dass es sich hier um einen langfristigen Prozess handelt, der ohne zielorientierten Interessenausgleich aller - Mitarbeiter, Leitung, Politik und Bürger - nicht gelingen kann.

Auch diejenigen Aktivitäten, die vornehmlich das Heil in der Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen sahen, werden zunehmend kritischer betrachtet. Die vielen städtischen Betriebe wiesen vielfach eben nicht den Weg zu größerer Effektivität und Flexibilität unter Einschluss höherer Qualität und insbesondere niedrigerer Gebühren.

Während die Gegner der Privatisierungswelle die „privat public partnership" entdecken, suchen die anderen den Ansatz in einer geschaffenen Konkurrenz zwischen privaten und öffentlichen Dienstleistern. Die dabei ins Auge gefassten Aufteilungen von Versorgungszuständigkeiten allein schaffen aber keinen (freien) Markt und keinen Wettbewerb. Im Gegenteil: Die Verwaltung wird entweder dem privaten Wettbewerbsdruck ausgeliefert oder sie wird ihrerseits versuchen, Rahmenbedingungen, als „Verwaltungsschutzzonen" auszugestalten.

Diese Herausforderung - und als solche muss sie auf allen Ebenen begriffen werden - kann nur gelingen, wenn die Entscheidungen über die Realisierung bzw. Umsetzung der Gewährleistungsverantwortung, der Finanzverantwortung und der Vollzugsverantwortung einem dem Subsidiaritätsprinzip folgenden Markt- und Wettbewerbsmodell folgen.

Die Aufgabe des „aktivierenden Staates" - gerade auf Bundesebene - muss es sein, ein solches Zielmodell zu formulieren und einen Masterplan für die gesamte Bundesverwaltung aufzulegen. Die Unterstützung lediglich einzelner Projekte durch eine zentrale Veröffentlichung und Ergebnisverfolgung reicht da nicht aus.

Wenn Benchmarking „lernen vom Besten" bedeutet, gilt es, die bisherigen Erfahrungen aufzunehmen und das Thema Staats- und Verwaltungsmodernisierung zur „Chef- und Beteiligtensache" zu machen.

1. Die wirtschaftliche Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung ist seit alters her per Definition zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet. Vor dem Hintergrund der Finanzknappheit öffentlicher Haushalte und der Komplexität der Zusammenhänge muss sie sich vermehrt auf Wirtschaftlichkeitsanalysen und andere moderne Steuerungsinstrumentarien stützen, um dieser Forderung auch zukünftig umfassend nachkommen zu können. Kritik der Bürger an der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung und die Vorreiterrolle der Privatwirtschaft bei der Anwendung moderner Steuerungsinstrumentarien haben dazu geführt, dass sich nun auch die öffentliche Verwaltung zunehmend wirtschaftlicher Erfolgskontrollen bedient. Als erster Schritt ist dabei die Einführung von Kosten- und Leistungsrechnungen anzusehen, welche als Basis für ein umfassenderes zukünftiges Steuerungsinstrumentarium dienen sollen.

Die mangelnde inhaltliche Deckung des Kostenbegriffs mit der geltenden Rechungslegungspraxis der öffentlichen Verwaltung – diese erfasst ja lediglich jährliche Ausgaben – zeigt dabei bereits grundlegenden Anpassungsbedarf auf. Insofern zieht die konsequente Einführung moderner betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumentarien zwangsläufig eine Ergänzung, wenn nicht die Ablösung der traditionellen kameralistischen Nachweispraxis im Bereich der öffentlichen Haushalte nach sich.

Gleichzeitig ist eine wachsende Zahl öffentlicher Verwaltungen bestrebt, ihr Verwaltungshandeln auf klar messbare Zielsetzungen auszurichten, um sowohl eine wirtschaftliche Erfolgskontrolle als auch eine solche im non-profit-Bereich vornehmen zu können. Erst ein solches umfassendes Leistungsbild schafft die Grundlagen für ein betriebliches Regelwerk für die Steuerung aller Verwaltungsprozesse (Controlling). Das Verwaltungscontrolling ist dabei als ein ständiger Prozess zur Informationsgewinnung, -verarbeitung und Entscheidungsvorbereitung auf allen Ebenen zu begreifen, welcher dazu dient, Zielabweichungen aufzuzeigen und zu analysieren. Es soll somit gewährleisten, dass klar definierte Arbeitsziele durch systematische Planung und laufende Kontrolle tatsächlich erreicht werden. Insoweit ist mit dem Controlling ein ständiger Lernprozess verbunden.

Definitionsgemäß werden heute zwei Formen des Controllings unterschieden. Während das operative Controlling dazu dient, eine optimale Nutzung vorhandener Ressourcen zu gewährleisten, soll das strategische Controlling die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Leitungsebene die notwendigen Informationen erhält, um daraufhin eine Ausrichtung des Betriebsgeschehens auf zukunftsfähige Ziele vornehmen zu können.

Bei mehrstufigem Verwaltungsaufbau, so etwa im Bereich der Bundesvermögensverwaltung mit dem BMF als Leitungsebene, den Oberfinanzdirektionen als Mittelinstanz und den Bundesvermögensämtern und Bundesforstämtern auf der Ortsinstanz, finden beide Formen des Controllings auf allen Führungsebenen statt. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihres Anteils und ihrer Ausprägung. So wächst mit der Hierarchieebene auch der Anteil strategischer Controllingaufgaben.

Das langfristig angelegte strategische Controlling soll im Wesentlichen bereits heute Informationen darüber aufzeigen, was zukünftig benötigt wird, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Das strategische Controlling gibt insbesondere Handlungsempfehlungen für zukünftige Planungen und dient der Überprüfung von Zieldefinitionen und Zielhierarchien. Man kann diese Aufgaben geradezu unter dem Schlagwort „Zukunftsfähigkeit sichern" zusammenfassen. Das operative Controlling ist demgegenüber kurz- bis mittelfristig angelegt. Es dient vorrangig dazu, Abweichungen von vorgegebenen Zielen aufzuzeigen und entsprechende Maßnahmen zur Zielerreichung vorzuschlagen. Dabei soll es hauptsächlich die optimale Nutzung derzeit verfügbarer Ressourcen gewährleisten.

Das Verwaltungscontrolling - sowohl das operative als auch das strategische Controlling - setzt allerdings voraus, dass Sollwerte in Form von Zielvereinbarungen zwischen den jeweiligen Handlungs- und Entscheiderebenen als Maßstab für den Controllingprozess vorliegen. Dies stellt verwaltungsseitig ein recht schwieriges Unterfangen dar, weil die Beteiligten im strategischen Bereich auch über nicht monetär bewertbare, d. h. teilweise abstrakte Vorgaben Einigkeit erzielen müssen. Derartige Zielvorgaben flossen bisher – wenn überhaupt – lediglich aus dem politischen Bereich oder aus dem gesellschaftlichen Umfeld in die Entscheidungsfindungen der Verwaltungen ein. Nach heutiger Lesart sind dies jedoch Kernaufgaben, welche von den jeweiligen Führungskräften zu erbringen sind. Zur Zeit begegnet man leider auf den Entscheiderebenen der Verwaltungen einer eher gewohnheitsmäßigen Scheu vor längerfristigen Festlegungen. Als Folge dessen werden häufig Subalterne mit der Erarbeitung von Entwürfen für Leistungsbilder und Controllingkonzepte beauftragt, ohne dass diese regelmäßig alle Bewertungskriterien der Entscheiderebene in ausreichendem Maße kennen. Fast zwangsläufig führt deshalb die anschließende Überprüfung entsprechender Entwürfe von Meilensteinen und Zielvorgaben für das Verwaltungshandeln zu unnötigen Verzögerungen bei der Einführung neuer Steuerungsinstrumentarien.

Zusätzlich erschwert werden solche Prozesse immer dann, wenn über Qualität und Leistungstiefe einzelner Controllingschritte bzw. Meilensteine nur ungenügende Klarheit besteht, weil ein entsprechendes Gesamtleistungsbild für die betreffende Verwaltung fehlt. Ein solches Leistungsbild muss neben einer kurzgefassten Darstellung aller Aufgaben einschließlich entsprechender Leistungs- und Qualitätsmerkmale, welche die Verwaltung im Rahmen ihrer Tätigkeit erbringen will, auch allgemeine Zielvorgaben und Maßstäbe für das Verwaltungshandeln beinhalten. Es erfüllt dabei nicht nur die Aufgabe der Selbstdarstellung im Sinne identitätsstiftender Wertvorstellungen, sondern ist vorrangig moderner Ausdruck der Selbstbindung der Verwaltung gegenüber Mitarbeitern und gegenüber Dritten. Dies führt zwangsläufig zu einem Paradigmenwechsel im Selbstverständnis der Verwaltungen gegenüber dem Bürger, welcher nun nicht mehr als Antragsteller, sondern als Kunde angesehen wird.

Realistische Aussichten darauf, praktisch gelebt zu werden, hat das Leistungsbild nur dann, wenn es sich nicht in Gemeinplätzen und Selbstverständlichkeiten erschöpft, sondern neben allgemeinen Aufgabendefinition auch langfristige Grundsätze für die Aufgabenerledigung unter Beachtung möglicher künftiger Entwicklungen formuliert. Hierfür aber ist eine allgemeine, breite Akzeptanz aller Betroffenen unabdingbare Voraussetzung. Daher können Leistungsbilder nur in breiter Zusammenarbeit mit den Bediensteten aufgestellt werden, wobei eine partnerschaftliche Mitarbeit der Führungsebene von Anfang an dringende Voraussetzung ist.

2. Verwaltungsreform versus Privatisierung

Gleichgültig, ob man die Verwaltung kritisch von innen oder von außen betrachtet, stets sind dieselben Probleme augenfällig: Die Finanzkrise in allen Bereichen und auf allen Ebenen; eine nicht mehr handhabbare Überreglementierung durch Gesetze, Verordnungen usw.; die mangelnde Implementierung politischer Ziele oder unzureichende Prioritätenfestsetzung; ineffiziente Strukturen und Abläufe, welche die Leistungsfähigkeit der Bediensteten einschränken; das Hinterherhinken der Verwaltung hinter allgemeinen sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen; die Frustration der Beschäftigten aufgrund eingeschränkter Entscheidungs- und Handlungsspielräume; das schlechte Image der Verwaltungen und deren mangelnde Bürgernähe. Diese Bestandsanalyse verleitet vielfach zu Schlussfolgerungen, dass ein Allheilmittel dadurch gefunden werden könne, dass die Verwaltung sich aus bestimmten Tätigkeitsfeldern zurückziehe und diese privaten Organisationen überlasse. Öffentliche Verwaltung, so heißt es, solle sich auf einen eigentlichen Kernbereich beschränken. Doch schon die Abgrenzung solcher Kernbereiche verkompliziert die ganze Angelegenheit. Im kommunalen Bereich sind Tätigkeiten und Aufgaben noch weitestgehend definiert. Hier gibt der Gesetzgeber den Kommunen Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis um pflichtige Selbstverwaltungseinheiten vor.

Handlungsfreiheit für die Kommunen besteht deshalb nur im Rahmen der sog. freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten. Folglich lassen sich die Verwaltungstätigkeiten hier nicht auf Kernbereiche reduzieren. Unterscheidet man nun zwischen Gewährleistungs- und Vollzugsverantwortlichkeit, so besteht die Möglichkeit, bei Pflichtaufgaben die Vollziehung Privaten zu überlassen und nur den Vollzug selbst sicherzustellen. Hierbei ergäben sich folgende Alternativen:


Gewährleistungs-
verantwortung

Finanz-
verantwortung

Vollzugs-
Verantwortung

staatl. Kernaufgabe

?

?

?

staatl.
Gewährleistungsaufgabe + Finanzverantwortung

?

?

?

staatl.
Gewährleistungsaufgabe
ohne Finanzverantwortung

?

?

?

Privataufgabe

?

?

?

Befürworter von Privatisierungen können auf der „Haben"-seite regelmäßig verbuchen, dass im Rahmen ordnungspolitischer Ansätze mögliche Eingriffe des Staates grundsätzlich weitgehend minimiert werden können, denn private Organisationen arbeiten in der Regel effizienter und wirtschaftlicher. Dem stehen allerdings beachtenswerte Nachteile gegenüber: Die Vorteile der Privatisierung – mit Ausnahme des ordnungspolitischen Ansatzes – greifen Defizite bei der Verwaltung auf, etwaige Vorteile bestehen aber nur so lange, wie die Verwaltung selbst nicht reformiert ist. Auch im Interesse eines rechtmäßigen Vollzugs im Verwaltungsbereich ist es besser, die Entscheidungs- und Ausführungskompetenz bei der öffentlichen Hand zu belassen.

Grundsätzlich gilt es festzustellen, dass ein Zwang zur Privatisierung nicht besteht. Im Gegenteil, die Privatisierungs- und Outsourcingdebatte ist, sofern sie ideologiefrei geführt wird, lediglich eine Möglichkeit auf die Frage, es selbst zu machen oder die Leistung einzukaufen (make or buy). Im Blick auf den ordnungspolitischen Ansatz muss darauf hingewiesen werden, dass die Definition der öffentlichen oder privaten Aufgaben bzw. des Kernbereichs der Verwaltung, einschließlich der Festlegungen sogenannter hoheitlicher Aufgaben auf gesellschaftlichem Konsens beruht und demnach zeit- und kulturabhängig ist. In Zukunft müssen sich darum sowohl die öffentliche Verwaltung als auch private Dienstleister im Verwaltungsbereich einem Wettbewerb stellen. Solche Wettbewerbsmodelle, die hier unterscheiden zwischen der Verwaltung des Auftraggebers und der Verwaltung als Auftragnehmer, bedürfen eines Wettbewerbsmanagements und einer unabhängigen Kontrolle, so daß ein tatsächlicher Verwaltungsmarkt entstehen kann. Erst die klare Trennung zwischen der jeweiligen Auftraggeberseite (Verwaltung) und der Anbieterseite (Verwaltung und private Unternehmen bzw. freier Träger etc.) bietet eine weitgehende Chancengleichheit und wirklichen Wettbewerb. Nur durch eine unabhängige Kontrolle kann auch die strikte Einhaltung des Subsidiaritätsgedankens gewährleistet werden.

So kann nach Festlegung der Leistungsziele und deren Qualität durch die Politik bzw. Verwaltungsleitung der Wettbewerbsmanager die konkreten Aufträge definieren und ausschreiben. Hieran nehmen Verwaltung und private Anbieter teil. Dabei sind die Ziele der Reformen in der öffentlichen Verwaltung in ein kontinuierliches Controlling zu stellen.

  1. Erhöhung der politischen Steuerbarkeit und Transparenz des Verwaltungshandelns durch Ziel- und Ergebnisorientierung;

  2. Kostenreduktion (unter Beachtung zu setzender Qualitätsmaßstäbe) durch Erhöhung von Effektivität und Effizienz;

  3. Flexible Organisation der öffentlichen Verwaltung, u.a. zur frühzeitigen Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen und zur Ermöglichung angemessener Reaktionen;

  4. Freisetzung der Kreativität und Förderung der Problemlösungskompetenz der Beschäftigten z.B. durch Zusammenführung von Fach-, Ressourcen- und Ergebnisverantwortung;

  5. Schaffung von mehr Bürgernähe durch ein verändertes Selbstverständnis der Verwaltung im Sinne eines Dienstleisters für den Bürger;

  6. Konsequente Beachtung des Subsidaritätsprinzips bei der Übernahme von Verwaltungsaufgaben.

3. Konfliktfelder und ihre Bewältigung

Die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung ist kein Selbstzweck. Kosten- und Leistungsrechnungen sind in ihrer Aussagefähigkeit für Steuerungszwecke begrenzt, denn Kennzahlen, Produkt- und Leistungsbeschreibungen sind besonders im Non-Profit-Bereich nicht hinreichend definierbar (z. B. im sozialen oder ökologischen Bereich, Lebensqualität, Arbeits- und Kundenzufriedenheit). Kennzahlen werden deshalb nur dort angewendet, wo eine direkte Skalierbarkeit gegeben ist. Die Kosten- und Leistungsrechnung hat sich einer eigenen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu unterwerfen. Zeitaufschreibungen kosten Geld.

Auf Bundesebene wurde die Budgetierung bisher vordringlich als Instrument zur Realisierung von Kosteneinsparungen eingesetzt, indem jährliche Budgets vorgegeben wurden, den Verantwortlichen eine eigenverantwortliche Mittelbewirtschaftung aber nur sehr bedingt zugestanden wurde. Durch den Verzicht auf eine überjährige Mittelverfügbarkeit wird ein Haushaltsmitteldiktat ausgeübt. Etwaige Einsparungen können darüber hinaus als Folge paralleler Einsparforderungen (Einsparquoten und Effizienzrenditen als Sollvorgaben) nicht mehr als solche nachgewiesen werden. Ein derartiges Vorgehen muss mittelfristig zu einem Motivationsverlust und Misstrauen bei den Beschäftigten gegenüber derartigen haushalterischen Zwangsinstrumenten führen. Der Leistungsanreiz durch Übertragung von mehr Eigenverantwortlichkeit würde geradezu in das Gegenteil verkehrt. Die Budgetierung ist zukünftig vermehrt als Instrument zur Schaffung einer größeren Handlungskompetenz für die Beteiligten zu begreifen. Insoweit ist eine Einführung von Quotensystemen (Einsparungen bringen keine automatische Mittelkürzung im Folgejahr) und Beteiligungen an etwaigen Effizienzgewinnen zielführend. Die Vorteile, die sich hieraus für die Beschäftigten in der Privatwirtschaft ergeben, werden inzwischen auch im kommunalen Bereich (z.B. Stadt Offenbach) genutzt. Sie sind auf die Ebene des Bundes durchaus übertragbar.

Soweit Outsourcings- und Privatisierungsmodelle greifen, führen sie zu deutlichen Einschränkungen bei der politischen und gesellschaftlichen Einflussnahme und Kontrolle über Art, Umfang und Kosten der Auftragserfüllung. Insoweit müssen sie durch geeignete Kontrollmechanismen flankiert werden. Dies können insbesondere haushalts- und gesellschaftsrechtliche Schranken sowie Vereinbarungen über vertraglich geregelte Kontrollen bei den ausführenden Dritten (z.B. in Form von Aufsichtsratsmitglieder aus der öffentlichen Verwaltung) sein. Diese müssen die bisherige Qualität der Aufgabenerfüllung sichern und einem Unterlaufen des Subsidiaritätsgedankens durch neu entstehende Monopolbildungen entgegenwirken. Auch das kostet Geld.

Auf Bundesebene wird der Reformprozess zuweilen durch fehlende fachliche Kompetenz oder durch mangelnde Anstöße und Begleitung von Seiten der Politik unnötig behindert. Neben einer guten inhaltlichen Vorbereitung und Zieldefinition sowie einer Flankierung durch geeignete PR-Maßnahmen setzen wirkliche Reformen einen kontinuierlichen Prozess zur Fortbildung und Aufklärung der jeweiligen Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung in Gang.

Soweit Reformvorschläge rechtliche Grenzen berühren, sind parallel zu einer Konzepterstellung und deren inhaltlichen Ausgestaltung geeignete Überprüfungen und Änderungsvorschläge für gesetzliche Bestimmungen (z.B. Finanzverfassung, Grundsätze des Berufsbeamtentums etc.) zu entwerfen und durch Machbarkeitsstudien zu verifizieren.

4. Projektmeilensteine

Zahlreiche Projekte scheitern daran, dass die jeweiligen Rahmenbedingungen zuvor nicht eindeutig definiert wurden oder den Projektverantwortlichen nicht die erforderlichen Kompetenzen zugestanden wurden. Vorab sind daher folgende Fragen zu klären:

  • Welche Grenzen (Rahmenbedingungen) sind zu beachten?

  • Welche Ziele sollten im Rahmen des Projektes realisiert werden?

  • Welche Meilensteine müssen bis wann erreicht werden?

  • Wie sollen die Projektorganisation und Projektplanung aussehen?

  • Wie soll das Projektteam zusammengesetzt sein?

  • Wie müssen die Verantwortlichkeiten definiert und verteilt werden?

Ein sinnvoller Projektstart wäre dadurch gesichert, dass die jeweiligen Entscheidungsträger und die Projektmitarbeiter in einer Projektgruppe zusammengefasst werden und im Rahmen von Workshops alle für einen Projektentwurf relevanten Fragestellungen - ggf. mit Unterstützung Dritter – offen diskutieren und gemeinsam einen klaren Projektauftrag formulieren. Fehlen derart professionelle Projektstarts, so ist der Misserfolg regelmäßig vorprogrammiert. Fehlen hingegen klare Projektziele oder klar definierte, realistische Zeitvorgaben, so ufern die Projekte häufig aus. Mangelt es den Projektverantwortlichen an entsprechenden Kompetenzen, so ist Angst und Unsicherheit bei den Beteiligten unvermeidlich. Fehlen die richtigen Anreize, ist nur ein geringer Wandel zu erwarten. Fehlen die erforderlichen Ressourcen, so kommt es zu Frust und Überlastung. Fehlt ein eindeutiger Projektplan, dann kommt es zu Fehlstarts und häufigem Neubeginn.

Realistische Terminpläne sind ein Schlüssel zum Erfolg. Gerade Verwaltungen neigen häufig dazu, sehr enge, häufig unrealistische Terminpläne vorzugeben und dadurch gegenüber Dritten die besondere Priorität des Projekts zu dokumentieren. Bei der Ausgestaltung von Projektplänen sind die Entscheidungsprozesse von den operativen Arbeitsprozessen eindeutig zu trennen. Dies ist deshalb wichtig, weil in Verwaltungen Entscheider gerne die Funktion des obersten Sachbearbeiters einnehmen und damit die Entstehung neuer Lösungsansätze im Team durch eigene Vorstellungen qua ihrer Autorität behindern. Als Projektleiter geeignet sind nicht diejenigen Personen, welche eine bestimmte Dienststellung innehaben und gerade verfügbar sind. Auch wirklich vorhandene oder vermeintliche Fachkompetenz sollten nicht primäres Auswahlkriterium sein, sondern die Fähigkeit, auf interdisziplinärem Weg schnell wirtschaftliche und operationale Lösungen zu präsentieren. Dabei sind Erfahrungen in der praktischen Projektarbeit und bei der Projektsteuerung von herausragender Bedeutung. Insoweit sind Projektleiter Teil eines informellen Netzwerkes und nicht Einzelkämpfer mit einem durch ihre Stellung als Projektleiter lediglich formell definiertem Rückhalt in der Projektorganisation. Dies bedeutet auch, dass Projektleiter und Projektmanagement die Chance nutzen sollten, externe Meinungsführer und Widerständler in den Gesamtprozess einzubinden. Ein professionelles Projektmanagement berücksichtigt auch den Umstand, dass erfahrungsgemäß nur schätzungsweise 5 bis 10 Prozent der Bediensteten Neuerungen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen. Ein weiteres rundes Fünftel der Beschäftigten würde geplanten Veränderungen nach einer ersten Überprüfung zustimmen, während etwa drei Viertel aller Mitarbeiter sich zunächst indifferent verhalten. Diese „schweigende Mehrheit" schart sich im späteren Verlauf der Ereignisse hinter Meinungsführern und Widerständlern. Sie gilt es zu gewinnen. Da sich im Meinungsstreit häufig nicht der offiziellen Kanäle bedient wird, gilt es besonders, die informellen Informationswege zu kennen und sie für das Projekt nutzbar zu machen. Reformprojekte brauchen daher ein eigenes Netzwerk interner Moderatoren, welche in Form eines Schneeballsystems die Zielsetzung des Projekts und dessen Vorgehensweise positiv besetzen und Informationen verbreiten.

5. Modernisierung: Informationstechnologie

Übereinstimmend wird festgestellt, dass die Informations- und Kommunikationstechniken eines der wirksamsten Instrumente zur Steigerung und Nutzung von Effizienzpotentialen in der Verwaltung sind. Sie können einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung einer leistungsfähigen und wirtschaftlichen Verwaltung leisten. Beteiligungsmodelle können ein innovativer Ausdruck für Bürger- und Mitarbeiterengagement und -beteiligung sein und somit auf demokratischem Wege die Potentiale einer Informations- und Kommunikationstechnik nutzbar machen.

Nach dem Willen der Bundesregierung sollen die öffentlichen Einrichtungen von den gegebenen technischen Möglichkeiten umfassend Gebrauch machen, um ihr Verwaltungshandeln transparent zu machen und neue Formen direkter Bürgerbeteiligung an der staatlichen Entscheidungsvorbereitung zu erproben. Dabei sollte der öffentliche Sektor insgesamt Motor für eine beschleunigte Anwendung der neuen Techniken sein, indem er selbst Modelle für beispielhafte Initiativen schafft. Die Bundesregierung beabsichtigt deshalb, bis zum Sommer 2000 eine umfassende IT-Strategie zu entwickeln. Während bislang die Informationstechnik lediglich als technisches Hilfsmittel zur Informationsgewinnung und Informationsvermittlung diente, soll nunmehr der strategische Ansatz in den Vordergrund rücken: Das Informationsmanagement entwickelt eine Gesamtansicht auf die Information einer Organisation (Organisationswissen) und macht sie nutzbar für die Zweckerfüllung (Organisationsziele). Somit ist Information auf der einen Seite der Rohstoff für das Verwaltungshandeln; auf der anderen Seite ist sie selbst Produkt des Verwaltungshandelns.

Strategisches Ziel der Bundesregierung ist deshalb auch der Vertrieb von Informationsprodukten von einer bestimmten Zugangsstelle aus, dem One-Stop-Shop. „Elektronische Schalter" oder ein „Elektronisches Amt" bzw. Front-Office bieten den Zugang zu allen Dienstleistungen des Staates und ersetzen den Gang zu einzelnen Behörden. Kurzfristiges Ziel der IT-Strategie ist es, den Bürgerinnen und Bürgern alle Dienstleistungen der Bundesver-waltungen über einen One-Stop-Shop anzubieten. Die Umsetzung dieser Strategie erfolgt in unterschiedlichen umfassenden Modellprojekten (vgl. Bundesratdrucksache 551/99). Hierzu zählt auch die Einrichtung einer On-line-Verwaltungsmodernisierungs-Community als Plattform für alle an solchen Prozessen Beteiligten. Die Betreuung dieser Website könnte in Abstimmung mit den Koordinatoren auf Bundes-, Landes- bzw. kommunaler Ebene erfolgen, so dass diese Plattform auch als „Callcenter" tätig werden könnte und somit durch eine raschen Informationsfluss und Erfahrungsaustausch den Verwaltungseinheiten gewichtige Einsparpotentiale eröffnet werden.

6. Aufbau von Controllinginstrumenten

Beim Aufbau von Controllinginstrumenten empfiehlt sich ein stufenweises (modulares) Vorgehen. Der Aufbau eines Instrumentariums zur Steuerung eindeutiger Schwerpunkte des Verwaltungshandelns sollte dabei im Vordergrund stehen. Maßgebend für diese Priorisierung ist, inwieweit die darin enthaltenen Prozesse derzeit und künftig als originäre Fachaufgabe im Vordergrund der Aufgabenbewältigung stehen. Ein solches projektorientiertes, inkrementelles Vorgehen darf jedoch das Gesamtvorhaben nicht außer Acht lassen, auch wenn dies noch nicht in hinreichender Tiefe beschrieben ist. Soweit in einem Verwaltungsbereich verschiedene Hierarchie- oder Arbeitsebenen an einer Aufgabe beteiligt sind, muss das künftige Steuererungsinstrumentarium alle controllingrelevanten Angaben prinzipiell für alle Hierarchieebenen abrufbar vorhalten. Wichtigster Bestandteil ist demzufolge ein detailliertes Berichtswesen, welches für die betreffenden Ebenen geeignete Verdichtungsebenen (Aggregationen) vorsieht.

Eine richtig verstandene Handhabung von Controllinginstrumenten setzt voraus, dass in den jeweiligen Ebenen der Verwaltung die daraus erwachsenden Kernfragen eigenverantwortlich nicht nur gestellt, sondern auch beantwortet werden. Dies wären z.B. für den Bereich der Vermögensverwaltung:

  • was habe ich (Immobilien-Bestandsdaten)

  • was brauche ich (künftiger Immobilienbedarf)

  • wie muss ich tätig werden (Steuerungsrelevanz, Handlungsoption)

  • wurden die bisherigen Ziele erreicht (Erfolgskontrolle)

  • waren die bisherigen Maßnahmen zielführend (Kontrolle der Handlungsoption)

So lange die genannten Fragen entweder gar nicht gestellt werden oder als Folge von Zuständigkeitsüberschneidungen (Kompetenzmangel) nicht abschließend beantwortet werden können, scheitern solch löbliche Vorhaben oft schon im Ansatz.

7. Ministerien und Verwaltungsmodernisierung

Die Personalausgaben aller öffentlichen Haushalte zusammen sind zwischen 1950 und 1994 um das 54-fache angewachsen; im gleichen Zeitraum wuchs das Bruttoinlandsprodukt jedoch nur um das 30-fache. Dahinter verbirgt sich eine im Wesentlichen auf Drängen von Lobbyisten innerhalb der öffentlichen Verwaltung zustande gekommene Aufgabenvermehrung. Es ist daher wenig hilfreich, wenn dieselben Interessengruppen die staatliche Verwaltung einerseits als undifferenziert reformmuffelig, andererseits deren Modernisierungsbestrebungen aber als wenig personalfreundlich überwiegend ablehnen. Auch hier bricht zu oft noch althergebrachtes Denken in den Kategorien von Interessengruppen anstelle einer Suche nach innovativen partnerschaftlichem Lösungswegen hervor. Hierbei sind Schrittmacher gefragt; dies können nur die Ministerien sein.

Da Verwaltungsmodernisierung ohne Vorbild- und Führungsfunktion durch die Ministerien undenkbar ist, muss sich auch die Ministerialverwaltung selbst auf den Prüfstand bringen. Klare Zielvorstellungen, heruntergebrochen aus der Reformcharta, führen dazu, auch die Aufgabenstellung der Ministerien selbst zu überprüfen. Geleitet werden sollte diese Überprüfung von dem Motto, dass Ministerien regieren und nicht verwalten sollen.

Damit kommt ihnen die vordringliche Aufgabe zu, politische Programme formulieren und zu kontrollieren. Sie sollen sich weiterhin erforderliches Spezialwissen beschaffen, es aber nicht in jedem Fall selbst produzieren oder „auf Verdacht" vorhalten. Ein klar strukturiertes Delegationsprinzip ermöglicht dabei die Abschichtung operativer und administrativer Aufgaben auf nachgeordnete Behörden oder Organisationseinheiten. Einzelfallentscheidungen sollten nur bei besonderer politischer oder gesellschaftlicher Tragweite auf Ministerialebene gefällt werden. Damit die Prinzipien der Verwaltungsmodernisierung auch auf die Ministerien umgesetzt werden, sollte die Schaffung größerer Referate, eine Verringerung der Hierarchiestufen, eine Einrichtung von Projektorganisationen sowie die Einführung dezentraler Ressourcen- und Ergebnisverantwortung erfolgen. Spitzenpositionen in Ministerien und im nachgeordneten Bereich sollten zunächst zeitlich befristet besetzt werden. Mit einer Übertragung von Leitungsfunktionen auf Zeit und Entrichtung von Leistungszulagen könnte auch in der Verwaltung ein erster bedeutender Schritt zu einer leistungsgerechteren Vergütung der Tätigkeiten getan werden.

Gegenwärtig führt die starke Zersplitterung von Aufgabenbereichen nach dem Ressortprinzip zu einem erheblichen Koordinierungsbedarf mit bedeutenden Reibungsverlusten. Dieser würde ein Regieren nach Einführung des Reformmodells nahezu unmöglich machen, wenn an den bisherigen Zuständigkeiten nicht gerührt werden dürfte. So wird vom Bundesrechnungshof seit langem bemängelt, dass insbesondere bei kleineren Ressorts eine geradezu gigantische Aufblähung der Aufgaben stattfindet; offensichtlich scheuen manche Bereiche der Verwaltung nicht davor zurück, auch neue Aufgaben zu erfinden. Insoweit wäre daraus die Konsequenz abzuleiten, die Aufgaben des Bundes weitest möglich nach Aufgabenbereichen zu bündeln und auf wenige Ressorts resp. Abteilungen zu verteilen. Die damit freigesetzten Rationalisierungspotentiale liegen in erster Linie nicht auf dem Gebiet von Personaleinsparungen sondern in einer Reduktion der Schnittstellen. Eine Verringerung der Anzahl der Querschnittsreferate verringert interministerielle Abstimmungsprozesse und damit die dortigen Reibungsverluste. Sie verbessert insgesamt die Stellung des Ministeriums als Dienstleistungsunternehmen. Ein solcher Schritt hätte eine vermehrte Aufgabenabschichtung in den nachgeordneten Bereich zur Folge, wodurch sich dort wiederum erhebliche Rationalisierungspotentiale aufschließen ließen. Um die Modernisierung und Reorganisation der Ministerien voran zu bringen, sollte ein Zielmodell formuliert und in einen Masterplan für die gesamte Ministerialverwaltung überführt werden. Ohne die Einbindung und positive Begleitung der Politik werden solche Projekte jedoch scheitern. Es wäre deshalb hilfreich, über Patenschaften durch Abgeordnete für Reformprojekte auch auf Bundesverwaltungsebene nachzudenken. Dies würde auch den Gedanken der Mitverantwortlichkeit der Legislative oder des sogenannten Primats der Politik Rechnung tragen.

8. Probleme auf Bundesebene

Reformbestrebungen auf Bundesebene scheitern, wie eingehende Analysen und Prüfungen des Bundesrechnungshofes zeigen, nicht selten an gleichartigen Problemen: Der Grundsatz der Sozialverträglichkeit bei Stellenabbau und Aufgabenabschmelzungen zeigt regelmäßig die Grenzen der Anpassungsmöglichkeiten recht deutlich auf. Natürliche Personalfluktuation, pauschale Einstellungsstops, Stelleneinsparquoten und optimistische Zielvorgaben in Form von kw-Vermerken reichen deshalb nicht aus, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Darüber hinaus treffen die damit verbundenen persönlichen Nachteile für die Beschäftigten – fehlende persönliche Entwicklungschancen, drohende Überalterung des Personalkörpers, Beförderungsstau, sinkende Motivation und Verzicht auf Einstellungsmöglichkeiten für innovative Newcomer – verständlicherweise nicht auf Gegenliebe. Sparen allein ist also offensichtlich kein Allheilmittel.

Andererseits ist gegenwärtig unter vielen Bediensteten auch eine gewisse Immobilität feststellbar, die allen Reformbestrebungen grundsätzlich entgegensteht. Hauptursache hierfür ist nicht selten eine Verunsicherung darüber, was der Betroffene als Folge durchgeführter Reformen glaubt, künftig noch erwarten zu können. Diese Unsicherheit ist, was leider zu häufig nicht genügend beachtet wird, der ärgste Feind aller Verwaltungsreformen.

Daraus wird deutlich, dass auf Bundesebene ein umfassendes personalwirtschaftliches Konzept benötigt wird, welches einerseits operationale Zielvorgaben liefert, andererseits auch den Beschäftigten hinlängliche Gewissheit über sich bietende zukünftige Entwicklungschancen liefert. Ein solches personalwirtschaftliches Steuerungsinstrumentarium muss in erster Linie die Wirtschaftlichkeit und Qualität des Verwaltungshandelns, nicht den Umfang der Aufgabenerfüllung im Auge haben. Modellhafte und zielgerichtete Abstimmungsprozesse zwischen Aufgabenumfang und Personalbedarfsplanungen sind daher vorrangig. Zentrale Vorhaben mit Referenzcharakter für die gesamte Bundesverwaltung haben aber nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie einem laufenden kritischen Projektcontrolling unterworfen sind. Ihnen muss ferner eine konkrete Projektplanung zugrunde liegen; sie sind durch eindeutige Prioritätensetzungen durch die Leitung zu flankieren und kontinuierlich zu überwachen. Gerade in diesen Bereichen wurden bisher erhebliche Defizite aufgedeckt.

9. Verwaltungs-/Staatsmodernisierung muss gesteuert werden

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, das Leitbild des aktivierenden Staates nun endlich mit Leben zu erfüllen. Unter dem Titel „Deutschland erneuern - Zukunftsprogramm zur Sicherung von Arbeit, Wachstum und sozialer Stabilität" wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen aufgezeigt, die alle dazu dienen sollen, der Politik wieder größere Handlungsspielräume einzuräumen und insbesondere Arbeitsplätzen zu schaffen. Im Zukunftsprogramm wird als geeignetes Instrument dazu die Reduzierung des Staatsapparats unter konsequenter Verringerung der Anzahl der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes angeführt. Unter der Voraussetzung, dass eine zunehmend globalisierte Wettbewerbssituation produktive Rahmenbedingungen verlangt, kann man es indes nicht länger bei einer bloßen Analyse belassen. Modernisierungsprogramme, Pilotvorhaben und Initiativen, welche Finanzkrisen, Überreglementierung, dem Mangel bei der Implementierung politischer Ziele, ineffizienten Verwaltungsstrukturen und fehlender Bürgernähe begegnen wollen, gibt es genug. Jetzt gilt es zu handeln.

Bisher können wir leider nur feststellen, dass ein technokratisch - betriebswirtschaftliche Aktionismus die Verwaltungen mit immer neuen Steuerungsmodellen und Regelungsinstrumentarien überschwemmte, ohne dass zuvor eine Zieldiskussion mit den Beteiligten geführt wurde. Dies hat den eingetretenen Reformstau im öffentlichen Bereich nicht nur begünstigt, sondern birgt auch die Gefahr, dass die bei den reformwilligen Beschäftigten vorhandene Motivation für Veränderungen endgültig wegbricht. Die für einen Reformprozess wichtigen Ressourcen – das sind Eigeninitiative, Innovation und Engagement - müssen endlich genutzt und kreative Potentiale aufgespürt werden.

Es ist deshalb an der Zeit, auf Bundesebene eine durchsetzungsfähige Reformcharta, die auf einem breiten Grundkonsens beruhen und sich selbst einem kontinuierlichen Prüfungsprozess stellen muss, aufzulegen. Da rational gesteuerte Prozesse auch von transparenten Interessen und einem vernünftigen Interessenausgleich leben, bedarf es eines kreativen Reformansatzes, der bei verbindenden Visionen anfängt und zu konkreten Verbesserungsprojekten fortschreitet, die von der Leitungsebene unterstützt und von der Politik begleitet werden müssen. Damit rücken die Ziele einer solchen Reform und ihre Realisierungsansätze ins Blickfeld:

  • Erhöhung der politischen Steuerbarkeit und Transparenz des Verwaltungshandelns durch Ziel- und Ergebnisorientierung;

  • Kostenreduktion unter Beachtung zuvor gesetzter Qualitätsmaßstäbe durch Erhöhung von Effektivität und Effizienz;

  • flexible Organisation der Verwaltungseinheiten mit der Befähigung, auf gesellschaftliche Entwicklungen angemessen reagieren zu können;

  • Freisetzung der Kreativität und Förderung der Problemlösungskompetenz der Beschäftigten durch Zusammenführung von Fach-, Ressourcen- und Ergebnisverantwortung;

  • mehr Bürgernähe durch ein verändertes Selbstverständnis als Dienstleister für den Bürger.

Dabei gilt es stets zu beachten, dass umfassende rechtliche und betriebswirtschaftliche Strukturveränderungen zur Implementierung von Steuerungsmechanismen (Kosten- und Leistungsrechnung, Produkt- und Leistungsbeschreibungen als Ausgangsbasis für ein innovatives Controlling) niemals Selbstzweck sind.

Auf Grund einer vorangegangenen Aufgabenkritik entwickelte Outsourcing- und Privatisierungsmodelle bedürfen ihrerseits einer erfolgsorientierten Steuerung, die allerdings nicht dazu führen darf, dass der Staat sich seiner marktwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Verantwortung entledigt. Der Nachtwächterstaat kann eine innovative und gerechte Gesellschaftsordnung weder fördern noch sichern. So kann eine Aufgabenkritik zwar unter betriebswirtschaftlichem Paradigma ordnungs- und strukturpolitische Vorgaben erfüllen, aber letztlich auch in unverantwortlichem und technokratischem Aktionismus verpuffen.

Jede Verbesserungsmaßnahme - besonders eine solche mit der Option eines Beschäftigungsvorbehalts oder der Wiedererlangung politischer Handlungsfreiheit - verlangt eine Orientierung an den jeweiligen Zielen und Aufgaben unter Beachtung der Eignung und der jeweiligen Erfordernisse. Ein solches Vorgehen berücksichtigt auch die zum Teil subtile Einflussnahme des Staates auf das gesamtwirtschaftliche Handeln und hat die Renaissance der sozialen Marktwirtschaft durchaus im Blickfeld. Verwaltungshandeln als Teil einer solchen sozial verantworteten Marktwirtschaft stellt alle Modernisierungsmaßnahmen, gerade auch die Regulierungsprojekte, unter einen strikten Subsidiaritätsvorbehalt. Darüber hinaus müssen sich Gesetze und Gesetzesvorhaben ihrer ökonomischen und gesamtgesellschaftlichen Sinnhaftigkeit und Verantwortlichkeit stellen.

Wenn es darauf ankommt, der deutschen Wirtschaft den Weg in die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft zu ebnen, muss der Staat durch seine Verwaltung angemessene Regulierungsmaßnahmen setzen und darf sich selbst nicht diesem dynamischen Prozess verschließen. Die Verwaltung soll sich in einem solchen Konsensmodell selbst in den Wettbewerb von Ideen und Konzepten einklinken.

Der Regierungsumzug nach Berlin, von vielen als eine Chance zu einer strukturellen Verwaltungsreform verstanden, hat bisher noch nicht zu einem Aufbruch zu neuen Ufern geführt. Dennoch sollte, um bei dieser Metapher zu bleiben, der sog. „rheinische Kapitalismus/Sozialismus" durchaus auch an der Spree kultiviert und weiterentwickelt werden: Das gesamte Verwaltungshandeln hilft als Schrittmacher für einen technologisch, menschlich und ökologisch definierten Weg in die Innovations- und Informationsgesellschaft; sie macht die Gesellschaft fit für diese, indem sie die Verbreitung der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz fördert. Die Frage lautet also: Wie viel und welche Verwaltungspolitik benötigt das Land, damit Innovation und Gerechtigkeit nicht sinnleere oder plakative Forderungen bleiben?

Die Umsetzung einer Reformcharta in eine effektive und effiziente Verwaltungsreform - insbesondere in Organisationsreformen der Ministerien - muss einer Zielbestimmung folgen, welche frei ist von kurzfristigen Opportunitätserwägungen. Alle Erfahrungen auf diesem Gebiet zeigen, dass dies nur durch kompetente höchsten Stellen beigeordnete Organisationseinheiten (Stabsstellen) zu leisten ist. Soweit solche Prozesse unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Beschäftigungsvorbehalts subsummiert werden und als oberste Maxime zur Wiedererlangung politischer Handlungsspielräume verstanden werden, handelt es sich hierbei um eine Konkretisierungen der Richtlinienkompetenz. Eine solche zentrale Stabsstelle wäre daher richtigerweise beim Kanzleramt anzusiedeln.

10. Die Bediensteten im Veränderungsprozess

Die sich bietenden Möglichkeiten und Chancen einer Verwaltungsmodernisierung werden nur dann genutzt, wenn die Betroffenen (die Bediensteten und der Bürger) dafür begeistert werden können. Deshalb ist es erforderlich, dass in jeder Phase des Projektes der Perspektivenwechsel erkennbar wird: Die Bediensteten sind Subjekte und gestaltende Akteure, nicht Objekte. Personelle Ressourcen als Motor für innovative Verhaltensweisen liegen heute vielfach brach - zum Nachteil der Modernisierungsprozesse selbst. Substantielle Verbesserungen im Bereich des Personalmanagements finden als integraler Bestandteil von Modernisierungsprozessen in den Verwaltungen immer noch zu wenig Beachtung. Dabei ist es längst bekannt, dass Reformanstrengungen nur dann erfolgreich sind, wenn die Mitarbeiter sie als ihnen nützlich, durchführbar und zielführend bewerten. Deshalb muss es vorrangig darum gehen, ihren Mut, Entscheidungen zu treffen und als gestalterische Kraft zum Handeln Verantwortung zu übernehmen, zu stärken. Reformprojekte müssen Freiräume schaffen und Ermessensspielräume einräumen. Passive Ergebenheit, Looser-Mentalität und Festhalten am Status quo zeigen auf, wo eine Aufbruchstimmung fehlt.

Die Motivation des Personals hängt maßgeblich von Rahmenbedingungen ab, die in den Bereichen Verantwortung, Gestalten und Mitwirkung teilweise erst entwickelt werden müssen. Die adäquate Einbeziehung des Mitarbeiters durch einen kooperativen Führungsstil wendet sich ab von einer einseitigen Fixierung auf Stellenkürzungen. Sie führt dazu, dass die Optimierung der Strukturen und Arbeitsabläufe unter ausdrücklicher Einbeziehung aller Beteiligten jeweils im Vordergrund stehen – zum Nutzen aller, deren Mitarbeit gefragt ist.

Eine solche Betrachtung fordert allerdings das Eingeständnis heraus, dass einschlägiges know-how im Verwaltungsbereich noch weitgehend fehlt. Um die Modernisierung der Verwaltung nicht hinter deren Möglichkeiten zurückbleiben zu lassen und zu verhindern, dass die Mitarbeitermotivation Schaden nimmt, ist es erforderlich, die Qualifikation des Führungspersonals stetig zu verbessern. Denn die Mitar-beiter sind durchaus bereit, im Veränderungsprozess Opfer zu bringen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie wissen, worum es geht. Werden sie selbst in die Entscheidungsprozesse eingebunden, so muss ihnen auch das berechtigte Gefühl vermittelt werden, diese beeinflussen zu können und Entscheidungsprozesse vorherzusehen. Nur wenn sie die Veränderungsprozesse als fair empfinden und wenn sie für sich und andere darin einen Nutzen erkennen können, werden sie diese mittragen. Zu dieser Fairness gehört auch, dass auch Vorgesetzte und Führungskräfte gleichartigen Veränderungsprozessen unterworfen werden und neue Anforderungsprofile nicht nur für einen Teilbereich der Betroffenen definiert werden.

Richtig durchgeführte Verwaltungsmodernisierung nutzt - wie überall - Meinungsführer und Multiplikatoren vor Ort und versucht, diese nicht nur zu gewinnen, sondern aktiv aufzubauen. Sie müssen in ihren örtlichen Netzwerken Bedienstete begeistern, Unentschiedene überzeugen und Blockierer, chronische Neinsager und Besserwisser neutralisieren.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001