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Die Philippinen in der Asienkrise / Rolf Hanisch. - [Electronic ed.]. - Bonn, 2000. - 17 S. = 71 Kb, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




  • Die Wahlen der letzten Jahre haben gezeigt, daß die alten Familien, die Klientelnetze und Selbstprivilegierungsgruppen noch eine wichtige Rolle für die Wahlentscheidung spielen. Vorerst gescheitert ist ein Fortschritt bei der Institutionalisierung des Parteiensystems.

  • Der seit 1998 amtierende Präsident Estrada muß viele Interessengruppen, die ihn im Wahlkampf unterstützten, bedienen, ist aber durch die Krisenzwänge und eine aufmerksame internationale Öffentlichkeit (IWF, Finanzmärkte) in seinem Handlungsspielraum eingeengt. Innenpolitisch stützt ihn sein bemerkenswertes Showtalent, das ihm bislang eine unvermindert hohe Zustimmungsrate insbesondere der armen Bürger und Wähler sichert. Dadurch werden die Probleme selbst noch nicht gelöst, aber eben auch nicht politisch verschärft.

  • Die Estrada-Administration setzt im Prinzip die Politik von Ramos fort, die mit dem IWF ausgehandelt und abgestimmt und mehr oder weniger effizient umgesetzt wird. Man versucht, die Steuereinnahmen zu erhöhen, die Haushaltsdisziplin zu wahren und den Kapitalverkehr offen zu halten, also nicht dem Beispiel Malaysias (1998) zu folgen und die Reform zurückzudrehen.

  • Erholungstendenzen für die Wirtschaft sind inzwischen sichtbar. 1999 wird ein moderat positives Wachstum bringen (vielleicht 2,4 %). Für das Jahr 2000 werden etwa 3 % prognostiziert. Obwohl die Krise die Philippinen weniger hart traf als einige andere Länder der Region, traut man dem Land im Augenblick nicht zu, nun zu den anderen Wachstumsökonomien aufschließen zu können.

  • Standortnachteile sind insbesondere die ineffiziente, schwerfällige, auch unberechenbare, da korrupte Bürokratie und Justiz mit einer Klientelwirtschaft bis in die höchste Spitze des Staatsapparates; die infrastrukturelle Ausstattung im Verkehrs- und Kommunikationsbereich sowie eine unzureichende und teure Energie- und Wasserversorgung. Ferner gelten die Lohnkosten als zu hoch und die Arbeitsbeziehungen als zu sehr reguliert und zu rigide.

  • Zentrale Bedeutung haben eine Steuerreform und die Effektivierung des Steuersystems. Eine effiziente und nicht-korrupte Staatsadministration ist zu Niedriggehältern nicht zu haben (auch wenn die Besoldungsfrage das Problem allein nicht löst). Selbst wenn Teile der Infrastruktur privatisiert sind bzw. werden, bleibt ein gewaltiger öffentlicher Investitionsbedarf sowohl in die materielle, wie auch die humane Infrastruktur (Bildung, Gesundheit).




Das Wichtigste auf einen Blick

Die von Thailand ausgehende „Asienkrise" verschonte auch die Philippinen nicht. Der philippinische Peso geriet unter Druck und mußte schließlich kaum weniger abwerten als der thailändische Baht; die Kapitalflucht führte auch in Makati zu einem Absturz der Börse, und damit wurde auch in den Philippinen die Bedienung der Außenschulden komplizierter. Viele Unternehmen gerieten in Schwierigkeiten; Betriebsschließungen, Entlassungen und ein Anwachsen der ohnehin hohen Arbeitslosigkeit waren die Folge. Die Banken sahen sich mit einem Anstieg „fauler" Kredite konfrontiert. Dieser bleibt jedoch im Vergleich zu den anderen Krisenländern und den Krisen der Vergangenheit moderat. Es kam nicht zu einer Bankenkrise, allerdings zu einer vorsichtigeren Ausleihpolitik, zu Liquiditätsengpässen für die Unternehmen und damit zusammenhängend zu einem Einbruch der Investitionen.

Die soziale Not wurde jedoch nicht nur durch die Asienkrise verschärft. Ein paralleles Ereignis verschlechterte das wirtschaftliche und vor allem das soziale Erscheinungsbild in der Krise: Eine verheerende Dürre als Konsequenz des El Niño-Phänomens führte zu einem dramatischen Einbruch der Produktion von Grundnahrungsmitteln und einiger Industrie- und Exportfrüchte. Der Rückgang der gesamten Agrarproduktion wurde nur noch von dem Einbruch in der Bauwirtschaft übertroffen. Die Industrie erlebte nur eine leichte Kontraktion, die (Industrie-)Exportproduktion nahm sogar zweistellig zu. Alle übrigen Sektoren verzeichneten ein abgeschwächtes positives Wachstum.

Alles in allem hat also die Krise die Philippinen weit weniger schwer erschüttert als etwa Thailand, Südkorea und Indonesien. Das ist insofern ein Novum, da die Philippinen über Jahrzehnte den Anschluß an die dynamische Entwicklung in der Region nicht zu halten vermochten und von Singapur und Malaysia deutlich abgehängt, von Thailand überholt und vom weit zurückliegenden Indonesien nahezu eingeholt worden waren (bezogen auf die BIP p.c.). Erst in den letzten Jahren - unter der Ramos-Präsidentschaft (1992-1998) - schien sich, begünstigt durch einige Strukturreformen, eine Trendwende mit höheren Wachstumsraten anzudeuten. Diese wurde zwar vorerst gestoppt, die hausgemachten Krisenursachen sind jedoch nicht so gravierend wie in den Nachbarländern. Das in den eigenen Grenzen mögliche Krisenmanagement zur Überwindung der aktuellen Krise hat daher weit weniger Probleme zu überwinden als etwa in Thailand und Indonesien. Andererseits gibt es nach wie vor einen erheblichen Reformstau, den auch die Ramos-Regierung nicht zu bewältigen vermochte bzw. an dem sie scheiterte. Diese Regierung wurde immerhin von einer mehr oder weniger konsistent umgesetzten entwicklungsstrategischen Vision geleitet. Eine solche Vision ist bislang unter Präsident Estrada, der im Mai 1998 als amtierender Vizepräsident und Oppositionskandidat (beides ist in den Philippinen möglich) mit deutlicher Mehrheit ins Amt gewählt wurde, noch nicht erkennbar.

Machtwechsel in der Krise

General Fidel Ramos war 1992 als blasser Kandidat mit Unterstützung seiner Vorgängerin Cory Aquino nur mit 23,6 Prozent der Stimmen knapp vor einer populistischen Kandidatin zum Präsidenten gewählt worden. Er erwies sich als relativ erfolgreicher Reformpräsident, der den Anschluß der Philippinen an die ostasiatischen Wachstumsökonomien suchte und dabei auch einige Erfolge aufzuweisen hatte. Deregulierung und Privatisierung sollten die Macht der Wirtschaftsoligarchie zurückdrängen sowie den Wettbewerbsdruck und die Effizienz der Wirtschaft erhöhen. Durch Privatisierung einzelner staatlicher Tätigkeitsfelder, durch Ausgabendisziplin, eine Steuerreform und Verbesserung der Steuererhebung versuchte Ramos, den staatlichen Haushalt zu konsolidieren, was seit 1994 auch gelang, allerdings nur unter Berücksichtigung der temporären Privatisierungserlöse und ohne Berücksichtigung der öffentlichen Nebenhaushalte. Der Regierung gelang eine Entlastung des Staatshaushaltes und eine Verbesserung der Infrastruktur, die allerdings immer noch nicht qualitativ und preislich mit den erfolgreichen Ländern in der Region mithalten kann.

Das bisher geschützte ineffiziente, teure, wenig sparerfreundliche Bankensystem wurde ausländischen Wettbewerbern geöffnet. Die Depositen- und Ausleihraten zogen deutlich an. Schließlich wurde der Kapitalverkehr liberalisiert und bewirkte den ungehinderten Zufluß ausländischen Kapitals zur Aufstockung der niedrigen binnenländischen Spar- und Investitionsrate, aber natürlich auch für spekulative Zwecke. Damit ermöglichte die Ramos-Administration eine Vertiefung der Monetarisierung und Internationalisierung der Ökonomie der Philippinen. Sie blieb in vielen Teilbereichen stecken (wie in der Steuerreform) bzw. vermochte nur ambivalente Erfolge zu erzielen (wie bei der Teilprivatisierung des Energiesektors). Dennoch kam es zu einem deutlichen Wirtschaftsaufschwung. Er reichte an die Boomphasen der bisher schon erfolgreichen Nachbarstaaten zwar nicht heran, schien aber die Agonie der vergangenen Jahre mit einer klaren Zielrichtung zu überwinden. Es sprach daher einiges für eine durch Wahlen bestätigte Verlängerung der Präsidentschaft von Fidel Ramos.

Die Verfassung von 1987 verbot jedoch eine Wiederwahl. Die Verfassungsgeber hatten damals die überlange zwanzigjährige Amtszeit von Ferdinand Marcos vor Augen, die zunächst mit unsauberen Mitteln und später dann gewaltsam durchgesetzt worden war. Doch traf das Wiederwahlverbot nun auch eine relativ erfolgreiche Administration. Eine Kampagne der Ramos-Anhänger zugunsten einer Verfassungsänderung provozierte den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche, Cory Aquinos, der Linken und Teilen der Oligarchie. Ramos zog sich daher ins Privatleben zurück.

Bei den Wahlen im Mai 1998 konnte sich der frühere Filmschauspieler, Bürgermeister, Senator und zuletzt Vize-Präsident Joseph Estrada mit fast 40 Prozent der Stimmen deutlich vor dem Kandidaten und Vertrauten von Ramos, dem bisherigen Sprecher des Repräsentantenhauses de Venezia (16 Prozent), durchsetzen. Auch Estrada war 1992 schon als Präsidentschaftskandidat angetreten, hatte allerdings aus Geldmangel vorzeitig aufgegeben. Als Vizepräsidentschaftskandidat schloß er sich einem der erfolgreichsten Marcos-Cronys, Eduardo Cojuangco, an, der mit einem enormen Einsatz eigener Mittel seine Präsidentschaftskandidatur bestritt, allerdings als dritter (18 Prozent) knapp scheiterte. Estrada wurde mit 33 Prozent der Stimmen zum einflußlosen Vizepräsidenten gewählt und stellte damit seine anhaltende Popularität aus Filmschauspielertagen - in Macho-Rollen, in denen er sich auch als Politiker noch gefällt – unter Beweis.

Durch diese Wahl - und die folgenden Meinungsumfragen - empfahl er sich als ernsthafter Präsidentschaftskandidat, in dessen weiteren Aufstieg zu investieren aussichtsreich war. Gewählt wurde Estrada mit einer breiten Zustimmung im ganzen Land - in zwölf von 15 Wahlregionen lag er vorn, in drei Regionen an zweiter Stelle. Eine ähnliche landesweite Verankerung besaß kein anderer Kandidat. Estradas Wahlprogramm war, wie üblich, nicht besonders konkret. Natürlich stand die Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung sowie die Sorge um „die Armen" im Mittelpunkt. Die Armen in den Städten und auf dem Land haben ihn wohl auch in erster Linie gewählt und halten ihm, glaubt man den Meinungsumfragen, auch bisher mit hohen Zustimmungsraten die Treue. Mit seinem Politikstil, seiner Ausdrucksweise, seinen begrenzten intellektuellen Möglichkeiten und mit seiner Lebensweise vermag er bei den akademischen Mittelschichten kaum Sympathien zu erringen. Unmittelbare Unterstützung erhielt er von einer Gruppe von Bankiers, Marcos-Cronys, einem linken NGO-Netzwerk und einer Gruppe von Professoren der University of the Philippines, mit denen er z.T. schon seit Jahren persönlich verbunden ist.

Die Wahlen der letzten Jahre haben gezeigt, daß die alten Familien, die Klientelnetze und Selbstprivilegierungsgruppen noch eine wichtige Rolle für die Wahlentscheidung spielen. Die Kosten des Wahlkampfes sind gestiegen, der Einsatz nackter Gewalt nimmt jedoch eher ab. Der freie - und unberechenbare - Wähler, der sich spontan entscheidet und sich von Emotionen und der Fernsehwerbung beeinflussen läßt, befindet sich auf dem Vormarsch.

Vorerst gescheitert ist ein Fortschritt bei der Institutionalisierung des Parteiensystems. Fidel Ramos und sein Vordenker, der Sicherheitsberater General Alomnte, versuchten den Aufbau einer „Regierungspartei" mit Massenbasis, analog dem Vorbild der UMNO in Malaysia. Die sich zu ihr bekennenden Abgeordneten, Provinz- und Kommunalpolitiker waren in der Tat beeindruckend. Auch die Wahlen 1998 - trotz der verlorenen Präsidentschaft - brachten ihr wieder deutliche Mehrheiten. Dennoch erodierte sie schon vor dem Urnengang und brach nach der verlorenen Präsidentschaft vollends auseinander. Die Partei hatte mit ihrer Größe ein strukturelles Problem: Sie konnte nicht die Ansprüche aller Mitglieder und Aspiranten befriedigen, und das schwächte sie.

Ähnliche Probleme hat nun Präsident Estrada, der viele Interessen, die ihn unterstützten, bedienen muß, durch die Krisenzwänge und eine aufmerksame internationale Öffentlichkeit (IWF, Finanzmärkte) in seinem Handlungsspielraum jedoch eingeengt wird. Innenpolitisch stützt ihn sein bemerkenswertes Showtalent, das ihm bislang eine unvermindert hohe Zustimmungsrate insbesondere der armen Bürger und Wähler sichert, wenn man den Meinungsumfragen glauben will. Dadurch werden die anstehenden Probleme selbst noch nicht gelöst, aber eben auch nicht politisch verschärft.

Alles in allem setzt die Estrada-Administration die Politik von Ramos fort, die mit dem IWF ausgehandelt und abgestimmt wird und mehr oder weniger effizient umgesetzt wird. Der Kern dieser Politik kann mit dem Versuch umschrieben werden, die Steuereinnahmen zu erhöhen, die Haushaltsdisziplin zu wahren - nun allerdings wieder mit begrenzten Defiziten - und den Kapitalverkehr offen zu halten, also nicht dem Beispiel Malaysias (1998) zu folgen und die Reform zurückzudrehen.

Werfen wir einen Blick zurück auf die Deregulierung des Kapitalverkehrs, dann auf den Ausbruch, den Verlauf und die Konsequenzen der Krise sowie des Krisenmanagements zunächst der Ramos- und dann der Estrada-Administration.

Die Deregulierung des Kapitalverkehrs und der Wirtschaftsboom

In den 80er Jahren war der Kapitalverkehr noch stark reguliert: Exporteure konnten (legal) gerade über zwei Prozent ihrer Deviseneinnahmen frei verfügen. Der Devisenumtausch für Auslandsreisen und -aufenthalte war beschränkt. Auslandsinvestitionen waren verboten. Die Genehmigung von Re-transfers von Investitionen und Gewinnen aus dem Lande durch Ausländer konnte drei bis neun Jahre dauern. Die Deregulierung dieser Bestimmungen in den frühen 90er Jahren führte zu einem Anstieg des Kapitalverkehrs in beide Richtungen und zu einer deutlichen Erhöhung der Kapitalzuflüsse ins Land, die die Investitionen finanzierten und die defizitäre Leistungsbilanz ausglichen. Die Netto-Kapitalzuflüsse erhöhten sich von 4 % des BSP (1990) auf 12,8 % (1996). Der Kapitalverkehr induzierte z.T. auch den internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr, der in den 90er Jahren gleichfalls deutlich ausgeweitet wurde. Die Exporte an Waren und Dienstleistungen stiegen von 29 % des BSP (1990) auf 47 % (1996), die Importe von 37 % (1990) auf 53 % (1996). Kurz: Die Internationalisierung der Ökonomie der Philippinen wurde deutlich vorangetrieben. Sie lag im Waren- und Dienstleistungsverkehr nun über den Werten Thailands und vermochte im Kapitalverkehr den Abstand zu verringern.

Es gelang erstmals wieder, ausländische Direktinvestitionen ins Land zu holen. In den 80er Jahren waren diese auf einen Tiefpunkt gesunken. Bei den statistisch ausgewiesenen Zuflüssen handelte es sich überwiegend um reinvestierte Gewinne, um die Umwandlung von Schulden usw., kaum um wirkliche Neuzugänge. Seit 1994 machen Neuzuflüsse von jetzt jährlich etwa 1 Mrd. US Dollar etwa zwei Drittel der ausgewiesenen ausländischen Direktinvestitionen aus (1990 und 1991 waren es gerade gut ein Viertel). Noch stärker nahmen die Portfolioinvestitionen zu, an denen sich allerdings - in entgegengesetzter Richtung - auch vermögende Filipinos im Ausland beteiligen. Hohen Zuflüssen standen daher auch hohe Abflüsse gegenüber, mit einer positiven Netto-Bilanz, die 1996 mit über 2 Mrd. $ ihre Spitze erreichte.

Auch Umfang und Struktur der Auslandsverschuldung in den Philippinen entwickelten sich vor der Krise deutlich günstiger als in Thailand: Die Netto-Kreditaufnahme als Anteil an der Kapitalbilanz ist in den Philippinen deutlich niedriger. Es dominieren die mittel- und langfristigen Kreditzuflüsse, in Thailand waren es die kurzfristigen Kredite. Das hängt damit zusammen, daß für die Philippinen staatliche und multistaatliche Kreditgeber immer noch die größten Gläubiger sind und hier der Staat, die Zentralbank und öffentliche Unternehmen als Kreditnehmer und Schuldner immer noch deutlicher in Erscheinung treten als etwa in Thailand, obwohl vor der Krise (seit 1994, insbesondere 1996) die privaten Unternehmen und Banken sich auch erheblich im Ausland verschuldeten.

Der Zufluß des privaten Kapitals in die Philippinen lag durchaus im Trend der Region. Er fiel allerdings immer noch geringer aus als in den bisher schon erfolgreichen Länder. Mit ihm sind Aufwertungsdruck und steigende Inflationsgefahren verbunden. Die Zentralbank intervenierte daher aktiv, um die Währungsrelation zum US Dollar in einer engen Bandbreite zwischen 25,5 - 26,2 Peso/US $ zu halten. Die Ausweitung der Geldmenge suchte sie zu begrenzen durch Ausweitung ihrer Devisenguthaben mittels einer fast vollständigen Umschichtung ihrer Peso- in Devisenguthaben, auf die 1996 schließlich 95 % des Reservegeldes entfiel (1992: 26 %). Die Devisenreserven der Philippinen deckten jedoch gerade drei Importmonate und waren mithin weit geringer als in den benachbarten Krisenländern. Dort zeigte sich dann aber, daß höhere Reserven die Vertrauens- und Währungskrise nicht einzudämmen vermochten, sondern in dieser nur nutzlos verpulvert werden konnten.

Durch Senkung der Mindestreserven der Banken, durch den Fortfall des Staates als Netto-Kreditnehmer konnten die hohen Zinsen etwas abgesenkt werden, blieben aber dennoch im internationalen Vergleich auf einem beachtlichen Niveau. Auch die Inflationsrate war für philippinische Verhältnisse passabel. Die Verbraucherpreise stiegen von 1992-96 um jährlich 8-9 Prozent. Sie waren damit allerdings deutlicher höher als die Inflation in den Ländern der wichtigsten Handelspartner. Angesichts des relativ fixen Wechselkurses bedeutete dies eine reale Aufwertung bzw. Überbewertung des Peso. Der reale effektive Wechselkurs (im Vergleich der Preise der Handelsgüter zu den inländischen Preisen) stieg um 40 Prozent. Die Überbewertung des Peso hatte zur Konsequenz, daß die nicht international handelbaren Güter und die Vermögenswerte relativ attraktiver und teurer wurden, gleichzeitig verbilligten sich die Importe. Die Importe erlebten einen Boom, der durch die Senkung der Importzölle zusätzlich begünstigt wurde. Investitionen in binnenwirtschaftlich orientierte Wirtschaftsbereiche und Vermögenswerte wurden immer attraktiver - und tatsächlich deuten die vom Board of Investment genehmigten und geförderten Projekte in diese Richtung.

Dennoch: Auch der Exportsektor boomte. Er wuchs im Durchschnitt der Jahre 1992-96 um nicht weniger als 18 Prozent jährlich. Seine Dynamik wurde getragen - wie in anderen südostasiatischen Ländern - vom Elektronik/Halbleiter-Sektor, der Bekleidungsindustrie und - seit 1995 - der Maschinen- und Transportindustrie, die ihren Anteil an den Gesamtexporten weiter ausdehnen konnten - von 53 % (1992) auf 72 % (1997). Der überbewertete Peso wird die Entfaltung dieser Exportindustrien kaum wesentlich behindert haben. Sie sind immer noch nur mangelhaft in die örtliche (Zulieferungs-)Wirtschaft integriert. Es wird angenommen, daß die Elektronikindustrie 75 % ihrer Produktionskosten importiert, die Bekleidungsindustrie 60 %, die Metallindustrie 40 %. Der Anteil der Lohnkosten liegt bei 11 %, 10-30 % und vielleicht 20 %.

Das bedeutet: Dieser wachstumsorientierte Teil der Exportwirtschaft profitierte eher von den relativ billigen Importgütern, und steigende Exporte zogen auch entsprechende Importe nach sich. Bei der Elektronik- und der Maschinenbau/Transportindustrie wird es sich zudem überwiegend um Teile transnationaler Konzerne (TNK) handeln, für die die Währungsrelationen ohnehin nur eine geringe Bedeutung haben. Diskriminiert wurden durch die Überbewertung des Peso also in erster Linie wohl die agrarischen und extraktiven Exportindustrien, deren Entfaltung nach wie vor unter den volatilen Weltmarktpreisen und Witterungsbedingungen, der Erschöpfung der Ressourcen und ausbleibender Modernisierung leiden.

Die Exporte wuchsen deutlich schwächer als die Importe. Das führte zu einer Ausweitung des Handelsbilanzdefizits (1996: 13,7 % des BSP) und zu einem relativ hohen stetigen Leistungsbilanzdefizit (1993-96: um 5 % des BSP), das nicht unbedingt negativ zu werten ist, aber doch irritiert. Die Exporte stiegen auch 1995 (29,4 % und 1996 (17,8 %). Lediglich die Bekleidungsindustrie erlebte 1996 einen Rückgang um 5,7 % der sich 1997 um weitere 5 % fortsetzte. Hingegen verfünffachten sich die Maschinen- und Transportgüterexporte 1994/97, und die Elektronikindustrie verdoppelte ihre Exporteinnahmen 1994/96. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum legte seit 1991 ständig zu und lag seit 1994 über 5 % (1996: 6,9 %). Der Boom hatte offenbar noch nicht seinen Höhepunkt erreicht. Man wähnte sich auf dem Weg zum Status eines Schwellenlandes.

Bei genauerer Analyse waren jedoch die Probleme nicht zu übersehen. Die Philippinen klinkten sich mit Gewinn in die schon von den Nachbarn erfolgreich praktizierte Globalisierungsstrategie ein. Das so erreichte Wachstum war immer noch deutlich niedriger als in den alten Boomstaaten - bei einer gleich großen Risikoflanke, wie sich dann zeigen sollte. Die Wachstumsbasis war immer noch sehr schmal. Der Industriesektor vermochte seinen relativ niedrigen Anteil am BIP und vor allem an der Beschäftigung nicht auszuweiten. Dramatische Einbrüche erlebten die extraktiven Sektoren, Bergbau, Forstwirtschaft. Sie sind aufgrund der Erschöpfung und Plünderung der Ressourcen absterbende Wirtschaftszweige. Wichtiger war das unbefriedigende Wachstum des Agrarsektors. Die Exporte wuchsen vor allem in den Sektoren, die die geringsten binnenländischen Verknüpfungen aufwiesen und damit nicht auf die immer noch relativ teuren inländischen Inputs angewiesen waren. Das war ein wichtiger Indikator. Die Wettbewerbsfähigkeit des „Standortes Philippinen" war - verglichen mit anderen Wettbewerbern - immer noch nicht verbessert worden, trotz der Fortschritte, die in einzelnen Bereichen gemacht werden konnten.

Gab es Frühindikatoren für den bevorstehenden crash? Knisterte es - wie in Thailand - im Gebälk vor dem Ausbruch der Krise? Die Zentralbank und die Regierung vermochten keine Probleme zu sehen. Die „Fundamentals" waren korrekt. Den Peso hielt man nicht für überbewertet. Eine Studie für den IWF empfahl lediglich, die Inflation noch weiter zu drücken und die internationalen Reserven substantiell zu erhöhen, um das Vertrauen in die Stabilität des Peso besser abzustützen. Die Immobilienkrise in Thailand warf jedoch ihre Schatten auch auf die Philippinen. Die noch steigenden Immobilienpreise begannen zunehmend zu verunsichern, obwohl die Bauwirtschaft noch boomte (1996: 10,9 %); Immobilienhalden mit großen Leerständen und abbröckelnden Preisen waren noch kein Problem. Im Februar 1997 veröffentlichte die UBS Securities das (angebliche) Überengagement der philippinischen Banken im Immobiliensektor und deren exzessive Auslandsverschuldung, die sie verwundbar gegenüber einer Pesoabwertung machen würde. Tatsächlich war das Bankenengagement im Immobiliensektor jedoch deutlich geringer als in Thailand (dort über die Finanzgesellschaften). Trotzdem reagierte die Zentralbank noch kurz vor Ausbruch der Krise im Juni 1997. Sie ordnete an, daß die Banken nur maximal 20 % ihrer Kredite an den Immobiliensektor ausleihen und den Wert der Immobilien nur zu maximal 60 % (vorher 70 %) beleihen dürften. Die Immobilienunternehmen waren zudem in der Regel in den Philippinen robuster und gesünder als in Thailand. Einen großen Teil ihrer Investitionen finanzierten sie aus dem Eigenkapital und durch Vorverkäufe. Eine das Wirtschaftsklima verunsichernde Nachricht kam schließlich aus einem sterbenden Wirtschaftszweig: Der größte Zuckerverarbeiter, Victorias Milling, kündigte an, seine Verbindlichkeiten über 6,6 Mrd. Peso nicht mehr bedienen zu können. Diese Nachricht rückte auch die beteiligten Banken ins Zwielicht und warf die Frage auf, ob „noch mehr Victorias-Fälle" zu erwarten wären. Diese latente Unsicherheit im Lande, hatte reale Konsequenzen zunächst nur für die Börse. Seit Anfang Februar 1997 fielen dort die Notierungen, für Immobilienwerte allerdings noch etwas geringer (Ende Januar - Ende Juni 1997: - 14,7 %) als für den Gesamtmarkt (- 16,4 %).

Damit war der Boden bereitet, daß die Philippinen vom Währungs- und Börsencrash in Thailand im Juli 1997 unmittelbar angesteckt werden konnten. Es half den Philippinen auch nichts, daß es einige wesentliche realwirtschaftliche Unterschiede zu Thailand gab. Die Planbehörde listete diese 1998 auf:

  • Ein geringeres Kreditengagement des Finanzsystems gegenüber dem Immobiliensektor, in den Philippinen 11,6 % aller Bankkredite, in Thailand 9,5 % der Bankkredite und 23 % der Kredite der Finanzgesellschaften;

  • wesentlich geringere Leerstände im Immobiliensektor ( 4 % zu 25 %);

  • geringere Anfälligkeit der Devisenverbindlichkeiten der Banken gegenüber Währungsschwankungen und Kapitalflucht, da 52 % derselben Inländern (mit Devisenkonten im Lande) gehörten und 60 % dieser Inländer-Dollarkredite von Exporteuren in Anspruch genommen wurden, diese also durch die Exporteinnahmen abgesichert waren;

  • geringerer Anteil der kurzfristigen an den gesamten Auslandsschulden (19,1 % zu 36,6 %);

  • die Ausweitung der Bankkredite erfolgte im Rahmen der Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Wachstums der Vermögenswerte nach der Liberalisierung. Das Verhältnis der Kredite zum BIP betrug in den Philippinen daher nur 63 % (1996), aber 114 % in Thailand;

  • das Leistungsbilanzdefizit war mit 4,5 % des BIP deutlich niedriger als in Thailand (8 %). In Thailand schrumpften die Exporte 1996 um 2 %, in den Philippinen expandierten sie um 17,7 %. Die Philippinen verfügten zudem über beträchtliche Kapitalüberweisungen von Migrationsarbeitern (1996: 4 Mrd. $).

  • Schließlich, vermerkt das Regierungsdokument, haben die Strukturreformen der vergangen Jahre nicht nur die Wirtschaft liberalisiert und geöffnet und deren Institutionen gestärkt, sondern auch die Transparenz der Staatstätigkeit und deren Bindung an Regeln anstelle spontaner Kriterien verbessert. Also Reformen, die die anderen ostasiatischen Länder, die sich kürzlich um die Unterstützung des IWF bemühen mußten, erst noch durchsetzen müssen.

Im Drehbuch freier und vernetzter Finanzmärkte ist jedoch kein Platz für eine abgewogene Bewertung der unterschiedlichen realwirtschaftlichen Verhältnisse. Die Marktteilnehmer glaubten nach dem Fall des Baht nicht an die Stabilität des Peso. Der Peso war zudem überbewertet, daran konnten die genannten realwirtschaftlichen Argumente nichts ändern. Kommt es zu einer Abwertung, gilt es schnell zu handeln, um den Schaden zu begrenzen. Die Bank of Thailand hatte vorgeführt, wie sie praktisch ihre gesamten Reserven verpulverte, ohne ihre Währung verteidigen zu können. Daraus lernte die Bangko Sentral der Philippinen. Nachdem sie etwa 1 Mrd. $ (ihrer 12 Mrd. $ Reserven) zur Verteidigung des Peso eingesetzt hatte, gab sie auf und ließ den Peso frei floaten und abwerten. Gegenüber dem US Dollar verlor dieser von Juni 1997 bis Januar 98 38 % seines Wertes (von 26,4 auf 42,4 Peso/$). Anschließend erholte sich der Peso wieder etwas (August 1999: 39,7 Peso/$). Das stand der Abwertung des Baht kaum nach.

Abgezogen wurde vor allem Portfoliokapital. Die Banken lösten deutlich weniger Vermögenswerte im Ausland auf, und es wurden deutlich mehr Anleihen im Ausland gekauft als verkauft (und zurückgeführt). Mit anderen Worten: Nicht nur Ausländer (Spekulanten!?), sondern auch einheimische Kapitalbesitzer fürchteten eine Abwertung und verursachten diese.

Die Börse konnte von diesem Kapitalabzug und der allgemeinen Verunsicherung nicht unbeeindruckt bleiben. Auch an dieser Börse - eine der kleinsten in der Region - sind Insidergeschäfte, illegale Manipulationen und Betrug nicht unbekannt. Öl ins Feuer der allgemeinen Krisenstimmung wurde gegossen, als eine bekannte Zeitungskolumnistin ihren Börsenmakler beschuldigte, sie um 7 Mill. Peso betrogen zu haben. Die Börse brauchte acht Monate um die Anschuldigungen zu untersuchen - und die Beschuldigten reinzuwaschen. Damit ging auch diese Affäre nicht anders aus als andere zuvor. Keine Untersuchung der Börse in Richtung Insidergeschäfte bzw. Börsenmanipulationen hatte bisher ein Ergebnis gebracht. In der interessierten Öffentlichkeit bestärkte dieser Vorfall nur die Auffassung, daß die kleinen privaten Anleger gegenüber den großen Investoren von den Maklern und dem Börsenestablishment benachteiligt werden. Die Securities und Exchange Commission ordnete nun aber an, daß Makler und Händler nicht mehr ihre eigenen Depots verwalten dürften, um nicht in Versuchung zu geraten, sich an den Anlagen ihrer Klienten zu vergreifen und diese auf die eigenen Konten zu transferieren. Auch von dieser Vorschrift wird man in der Praxis kaum viel erwarten können. Die Börsennotierungen stürzten in diesem verunsicherten Umfeld dramatisch ab. Von Juni - November 1997 gaben sie um 37 % nach, um, nach einer leichten Zwischenerholung, im August 1998 mit 1192 Punkten (- 58 % gegenüber Juni 1997 und - 65 % gegenüber dem Allzeithoch im Januar 1997) ihren Tiefpunkt zu finden. Bis gegen Ende 1998 erholte sie sich dann wieder auf knapp 2000 Punkte, um 1999 um 2200 Punkte (- 35 % gegenüber Januar 97) zu pendeln.

Krisenmanagement und Verlauf der Krise

Der jähe Absturz der Währung mußte auch in den Philippinen die Außenwährungsschuldner, die ihre Verbindlichkeiten nicht abgesichert hatten, auf dem falschen Fuß erwischen. Gerade in den beiden letzten Jahren hatten Privatunternehmen und Geschäftsbanken ihre Dollar-Verschuldung ausgeweitet. Diese war dennoch immer noch deutlich geringer als in Thailand. Die Währungskrise hatte daher in den Philippinen deutlich geringere realwirtschaftliche Konsequenzen. Unerheblich waren diese dennoch nicht.

Auch die Philippinen suchten - wie Thailand, Süd-Korea und Indonesien - die Unterstützung des IWF. Der Fonds mußte jedoch nicht, wie in den anderen Fällen, erst ins Land geholt werden. Er war schon da - seit 35 Jahren. 24 Programme, darunter drei Strukturanpassungsprogramme, waren in dieser Zeit durchgeführt worden. Das bislang vorletzte Programm („Extended Fund Facility"), im Juni 1994 für drei Jahre vereinbart, hatte eigentlich das letzte sein sollen. In ihm wurde im wesentlichen die Liberalisierungs-, Privatisierungs- und Steuerreformpolitik vereinbart, für die der IWF 650 Mill. $ bereitstellte. Im Juni 1997 sollte es auslaufen. Die Krise erzwang eine Verlängerung bis zum März 1998. Zuvor war ein weiteres „Vorbeugendes Stand By Agreement" im Februar 1998 mit dem Fonds ausgehandelt worden mit einer zunächst zweijährigen Laufzeit. Der Fonds eröffnete den Philippinen eine Kreditlinie über 1,6 Mrd. $. Damit versuchte Ramos gewiß auch, seinen Nachfolger auf sein (IWF-)Reformprogramm festzulegen. Es zeichnete sich damals schon ab, daß ihm wohl kaum sein Wunschkandidat (de Venezia), sondern Estrada nachfolgen würde.

Die Vereinbarung auf ein IWF-Programm bedeutet, daß die Regierung sich in einen Diskussionszusammenhang mit diesem internationalen Akteur über ihre Wirtschaftspolitik begibt. Wirtschaftliche Eckdaten und Prognosen werden abgesprochen, wirtschaftliche Ziele und die notwendigen Umsetzungsschritte werden verhandelt. Das Ergebnis findet seinen Niederschlag in Selbstverpflichtungen der Regierung, die sich dann periodischen (Quartals-)Evaluierungen und Bewertungen, möglicherweise auch kritischen Nachfragen und Beurteilungen durch den Fonds ausgesetzt sieht.

Gegnern des Fonds, von denen es unter den Linken und den Renten-Kapitalisten auch in den Philippinen nicht wenige gibt, paßt die ganze Richtung nicht. Sie suchen die nationalistische Karte zu spielen und sprechen von einem „Diktat" des Fonds. Davon kann in der Regel keine Rede sein. Die Umsetzung des Programms obliegt der Regierung. Sie hat viele Möglichkeiten, beschlossenen Programme zu verwässern oder dilatorisch umzusetzen, wenn sie das will. Der Fonds kann sich zurückziehen oder mit dem Rückzug drohen, wird dies jedoch nur im äußersten Fall wirklich tun. Vielfach ist die Regierung auch einfach nicht in der Lage, Reformen zielgerecht und effizient umzusetzen. Der bürokratische Apparat ist porös und nur beschränkt handlungsfähig. Etablierte Interessen können nicht einfach ignoriert werden. In einem demokratischen Land mit Gewaltenteilung bedarf es der Mitwirkung des Kongresses bei der Verabschiedung von Reformgesetzen, deren sich die Regierung nicht sicher sein kann. Tatsächlich ist der IWF daher nur ein wichtiger Akteur, der die Reformfraktion in dem betreffenden Land stärken kann. Fehlt diese, hat er kaum Chancen, etwas wirklich bewegen zu können. Kann der zentrale Akteur in personalistischen politischen Systemen - der Präsident - der Reformfraktion nicht zugerechnet werden (wie etwa im Fall von Ferdinand Marcos), sind die tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten gleichfalls sehr begrenzt. Am besten sind die Aussichten, wenn der Präsident sich selbst als Reformer versteht. Mit Präsident Ramos war das der Fall. Die Ergebnisse waren deshalb beachtlich.

Für die philippinische Regierung unter Ramos und dann auch unter Estrada stand eine Regulierung und „Schließung" der Leistungs- und Kapitalbilanz in der Krise bzw. als Konsequenz der Krise nicht zur Debatte, wie sie etwa 1998 in Malaysia erfolgte. Man versuchte dennoch, den Peso zu verteidigen, zunächst durch direkte Käufe auf dem Devisenmarkt, dann durch Anhebung der Zinsen, Erhöhung der Mindestreservequoten der Geschäftsbanken, Limitierung der Auslandsvermögenswerte der Banken.

Die Ramos-Regierung wollte zudem ihren ausgeglichenen Haushalt halten. Sie kündigte eine Ausgabenkürzung von 25 % an. Im Sommer 1998 waren faktisch 38 % des Haushalts (ohne Lohn- und Gehaltsbudgets) eingefroren. Schließlich bezahlte die Regierung einfach ihre Rechnungen für erbrachte Leistungen nicht mehr, um ihre Bilanz zu schönen. Bis Ende 1997 ließ man die Außenstände auf 129,3 Mrd. Peso - bei Gesamtausgaben von 470,2 Mrd. Peso - auflaufen. Im Juni 1998 waren es immer noch 108,5 Mrd. Peso, im März 1999 68 Mrd. Peso. Damit gelang 1997 noch ein optisch ausgeglichenes Budget - auf Kosten der Lieferanten und Vertragspartner. Die Estrada-Regierung akzeptierte ein moderates Budgetdefizit von 50 Mrd. Peso (1,8 % des BSP) und (angesetzt) 68,4 Mrd. Peso für 1999. Ein guter Teil davon mußte allein schon für die steigenden Zinszahlungen (+ 22 Mrd. Peso, 1998) aufgewendet werden. Die Zinserhöhungen und die Haushaltsdisziplin (auf der Ausgabenseite) hatten den Zweck, die importierte Inflation zu begrenzen, das internationale Vertrauen in die Stabilität (wieder) herzustellen, Kapitalabflüsse zu demotivieren und Zuflüsse zu inspirieren, auch um den Peso zu stabilisieren.

Diese Politik der Verteidigung des Peso blieb nicht ohne Widerspruch. Fünf Professoren der angesehenen School of Economics der University of the Philippines - zwei sollten später als Budget- bzw. als Planungsminister in die Estrada-Regierung eintreten - erklärten diese Politik schon im August 1997 in einem gemeinsamen Memorandum vor dem Wirtschaftsausschuß des Repräsentantenhauses für unsinnig und kontraproduktiv: Das eigentliche Problem der Philippinen und Ursache dieser Krise - die schwindende Wettbewerbsfähigkeit - werde durch die bisher stabilen und überbewerteten Wechselkurse nur noch verschärft. Sie begrüßten daher ausdrücklich die Abwertung (damals allerdings erst 11 %). Diese hätte, ihrer Ansicht nach, schon viel früher durch die Bangko Sentral eingeleitet werden müssen, da der überbewertete Peso zu einem der wichtigsten Hindernisse für die Fortsetzung des Wachstumskurses geworden war. Der Kurs des Peso könne nicht nur durch die Bedingungen der nationalen Ökonomie bestimmt werden. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit habe eine relative Dimension und daher müsse der Wechselkurs des Peso auch im Verhältnis zur Abwertung der Währungen der anderen wichtigen Mitbewerber in der Region gesehen werden.

Der Peso wertete gegenüber dem Dollar bis August/September 1998 um 40 % ab (auf 43,7 P/$), um sich dann wieder leicht zu erholen (Februar 1999: 38,7 P/$, - 32 %). Gegenüber den Währungen der anderen großen Märkte in Japan, Europa oder Hongkong lag die Abwertung gleichfalls in dieser Größenordnung. Auch gegenüber den Währungen der Konkurrenten Taiwan (- 21 %), Singapur (- 19 %) und Süd-Korea (- 10 %) wurde der Peso abgewertet, wenn auch schwächer. Diese Schwellenländer spielen aber eigentlich schon in einer anderen Liga. Wichtiger ist der Währungskurs gegenüber dem thailändischen Baht und dem malaysischen Ringgit sowie der indonesischen Rupiah. Der Peso wertete gegenüber den beiden erstgenannten leicht (+ 3 %) und stark gegenüber der Rupiah (+ 124 %) auf. Im Saldo konnten also die Philippinen ihre schlechte Wettbewerbsposition durch die Abwertung kaum verbessern.

Die UP-Ökonomen wiesen auch daraufhin, daß eine steigende Inflation mögliche Wettbewerbsverbesserungen durch die Währungsabwertung konterkarieren könne. Der damit meist verbundene Verfall der Realeinkommen könne zu verschärften sozialen Konflikten führen. Sie plädierten nicht zuletzt deshalb für eine Niedrigzinspolitik, die gleichzeitig die unerwünschten volatilen Portfoliozuflüsse demotivieren würde.

Tatsächlich versuchte die Regierung, wann immer möglich, es zu vermeiden, ihr Defizit auf dem Peso-Markt zu decken. Sie vermochte mehrere große Anleihen auf dem Weltmarkt zu plazieren bzw. Kredite auf dem einheimischen Devisenmarkt aufzunehmen. Es blieb zunächst jedoch bei einer Hochzinspolitik. Brachte die Abwertung des Peso die Dollar-Schuldner, die ihre Verbindlichkeiten nicht abgesichert hatten, in Bedrängnis, so belastete die Anhebung der Peso-Sollzinsen die gesamte kreditnehmende Wirtschaft.

Die hohen Zinsen waren allerdings nicht nur Konsequenz der Zentralbankpolitik. Sie waren auch Ausdruck der Vorsorgepolitik des oligopolistischen Banksystems. Dies wird auch deutlich durch die wachsende Zinsdifferenz zwischen den Haben- und den Sollzinsen. Diese Differenz, in den Philippinen schon immer deutlich höher als in den übrigen südostasiatischen Staaten, war vor der Krise etwas abgebaut worden (auf 3,3 % 1996). 1997 kletterte die Differenz auf 5 % und im ersten Quartal 1998 auf 7,7 %.

Gleichzeitig erlebten die preisbereinigten Sollzinsen 1996/97 fast eine Verdoppelung und lagen im ersten Quartal 1998 bei immerhin stolzen 12,5 %. Diese niedrigen Haben- und hohen Sollzinsen führten zu Unruhen und Protesten der mittelständischen Wirtschaft in den Provinzen, die durch die örtlichen Handelskammern organisiert wurden. Die Entrüstung war in Mindanao am größten. In Midsaysap, Nord-Cotabatu, schlossen die Geschäftsleute ihre Unternehmen zeitweise aus Protest. Eine Zeitung berichtete, daß „tausende von kleinen Geschäftsleuten, Bauern, Arbeitern und Markthändlern begannen, ihre Bankkonten aufzulösen". Auf Druck der Bangko Sentral vereinbarte die Bankers‘ Association of the Philippines, die Zinsen zu senken bzw. mit einem Aufschlag an die Zinsen der Staatspapiere zu koppeln. Tatsächlich wurde im Januar 1998 der Zinsgipfel erreicht, Staatspapiere lagen bei 20,5 % und die Sollzinsen der Banken bei 21,1%. Bis zum Februar 1999 sanken die Nominalzinsen der Schatzbriefe wieder auf 13 %, die Sollzinsen (bis Januar 1999) auf 14,9 %. Bereinigt man die Sollzinsen um die Preissteigerungsrate, so sanken sie real auf 3,6 % im vierten Quartal 1998 (1. Quartal 1998: 12,5 %, 1996: 5,7 %) und liegen damit deutlich niedriger als vor der Krise.

Damit war das Kredit- und Liquiditätsproblem der Unternehmen allerdings nicht gelöst. Die Banken sind nun extrem vorsichtig und zögerlich bei der Kreditvergabe. Es fehlt ihnen an „guten Kunden", riskante Kredite werden nicht mehr vergeben. Damit brach der Bankkredit faktisch zusammen und trug erheblich zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Unternehmen bei. Es trifft insbesondere die mittleren und kleinen Unternehmen, die sich nicht wie die Großkunden auf dem einheimischen Devisenkreditmarkt, wo die Zinsen unreguliert blieben, refinanzieren können.

Alle diese Faktoren trugen dazu bei, daß eine wachsende Zahl von Bankschuldnern ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können. Der Anteil der Problemkredite an allen Ausleihungen nahm sprunghaft von nur 3,5 % (1996) auf 5,4 % (1997), 11,0 % (1998) und 14,5 % (April/Mai 1999) zu. Die Übernahme von Sicherheiten (Immobilien und andere Vermögenswerte) stieg gleichfalls an: von 13 Mrd. Peso (4. Quartal 96) auf 19,26 Mrd. Peso (4. Quartal 97) und schließlich sogar 46,58 Mrd. Peso (4. Quartal 98). Bezogen auf die gesamte Kreditsumme wären dies 0,9 %, 1,1 % bzw. 2,8 %, die in dieser Höhe kaum von den Banken einmal wieder monetarisiert werden können. Damit dürften die Problemkredite, bezogen auf das BSP, inzwischen eine ähnliche Bedeutung gewonnen haben wie in der großen Krise Mitte der 80er Jahre.

Von einer Krise des Bankensystems kann heute allerdings nicht die Rede sein. Die Philippinen unterscheiden sich hiermit deutlich von Thailand und Indonesien. Die Kreditausfälle, die von der Bangko Sentral verordnete deutliche Anhebung der Mindestreserven, schließlich der Rückgang des Bankgeschäftes, führte bei den meisten Banken zu einem Einbruch der Gewinne, meist jedoch nicht zu Verlusten. Der Gewinneinbruch reichte von moderaten - 5 % bei der gut geführten Equitable Banking Corp. (auf 2 Mrd. Peso) und - 10,4 % bei der größten Bank im Lande, der Metropolitan Bank and Trust Corp. (auf 4,7 Mrd. Peso), bis zu einem Gewinneinbruch von über 40 % bei der Philippine Commercial International Bank (auf 2,16 Mrd. Peso). Lediglich die einst größte und inzwischen privatisierte Philippine National Bank sackte unter den großen Banken in die Verlustzone (- 5,15 Mrd. Peso). Insgesamt nahm die Profitabilität der Banken (return-on-equity) deutlich von 16,3 % (1996) auf 12,4 % (1997) und 6,6 % im Dezember 1998 ab. Sie blieb aber positiv.

Eine Untersuchung der Bank of America plazierte die philippinischen Banken in eine „mittlere Risikokategorie". Unter den untersuchten asiatischen Ländern (es fehlen Singapur, Taiwan, Japan) folgen die philippinischen Banken mit einigem Abstand den Banken Hongkongs. Sie liegen aber noch vor den Banken Malaysias, Indiens, der VR Chinas und Süd-Koreas sowie (abgeschlagen) den thailändischen und indonesischen Banken. Im regionalen Vergleich schnitten sie relativ gut ab in der Frage der Liquidität und der Vermögensqualität, deutlich schlechter in Fragen der Profitabilität, Verwundbarkeit gegenüber äußeren Einflüssen, Verknüpfung mit dem Weltmarkt und Zugang zu Kapital.

Dennoch, es gab auch Verluste. Drei kleinere Banken kamen in Schwierigkeiten, wohl auch aufgrund von Krediten an Inhaber, Manager und deren Verwandte. Ein massiver Einlagenabzug der Sparer führte zur Intervention der Bangko Sentral, die mit insgesamt 8,7 Mrd. Peso aushalf, um ein Übergreifen der Vertrauenskrise auf das gesamte Finanzsystem zu verhindern. Einen Anreiz zur Umstrukturierung des Bankensystems gab die Krise bisher nicht, obwohl man von der Notwendigkeit der Schaffung größerer Banken in Geschäftskreisen allgemein überzeugt ist.

Eine wichtige Fusion ist zu verzeichnen, sie hat allerdings nichts mit der Asienkrise zu tun, sondern wirft ein Schlaglicht auf die Unternehmenskultur des Landes: Die beiden Hauptaktionäre der Philippine Commercial International Bank (PCIB), die Geschäftsmagnaten John Gokongwei und Eugenio Lopez, kamen nicht mehr miteinander aus und entschlossen sich, ihre Bank zu auktionieren und Kasse zu machen. Als erfolgreicher Bieter setzte sich die kleinere Equitable Bank durch, die durch diese Fusion zur zweitgrößten Bank aufstieg. Eine Initialzündung für weitere Zusammenschlüsse war dies bisher nicht. Lediglich zwischen zwei mittelgroßen Banken (Asian Bank, Philippine Bank of Communications) kam es bisher noch zu Fusionsgesprächen.

Der bisherige Präsident der auktionierten PCIB, Rafael Buenaventura, wurde im Juni 1999 Gouverneur der Bangko Sentral. Er gilt als einer der fähigsten und innovativsten Bankiers im Lande und ist zufällig auch ein Studienkollege Präsident Estradas im Ateneo de Manila in den 50er Jahren. Er wird möglicherweise mit noch mehr Kompetenzen für seine Aufsichtsrechte bei der Kreditvergabe der Banken ausgestattet sein als seine Vorgänger. Im Senat wurde 1999 eine Bankennovelle eingebracht, durch die man die Aufsichtsrechte der Bangko Sentral weiter zu stärken versucht und die eine bisher nicht mögliche vollständige Übernahme philippinischer Banken durch Ausländer, allerdings nur bis maximal 30 % aller Bankanlagen im Lande, ermöglichen soll. Man wird abwarten müssen, ob der Gesetzentwurf in dieser Form den Kongreß passiert und ob er dann reale Bedeutung erlangt.

Zahlungsbilanz und Realwirtschaft in der Krise

Welche Konsequenzen hat die Krise für die Realwirtschaft? Die Kapitalzuflüsse nahmen von 1996 (+ 11 Mrd. $) auf 1997 (+ 6,4 Mrd. $) und 1998 (fast 1 Mrd. $) dramatisch ab. Verantwortlich war, wie zu erwarten, das Portfoliokapital, das aber nur 1997 einen Nettoabfluß verzeichnete, sowie der Anleihehandel, wo ein wachsendes Defizit zu Buche schlägt, und das kurzfristige Kapital. Schließlich notiert die Statistik eine Veränderung der nicht-monetären Vermögenswerte der Banken, die von einer hohen Zufuhr in einen Nettoabfluß (1998) mündeten. Wichtig ist jedoch, daß die ausländischen Direktinvestitionen und insbesondere die tatsächlichen Neuzuflüsse 1996 und 1997 bei einem für die Philippinen erfreulichen Niveau von ca. 1 Mrd. $ verharrten und schon 1998 auf 1,6 Mrd. $ erheblich gesteigert werden konnten.

Bisher mußten die Kapitalzuflüsse das hohe Leistungsbilanzdefizit, das tatsächlich ein Handelsbilanzdefizit war, finanzieren. Das war in der Krise nicht mehr notwendig. Das Leistungsbilanzdefizit wurde 1997 noch einmal ausgeweitet (1996: ca. - 4 Mrd. $; 1997: - 4,3 Mrd. $), verzeichnet 1998 jedoch erstmals einen Nettozufluß (+ 1,3 Mrd. $). Das war im wesentlichen ein Resultat der ausgeglichenen Handelsbilanz, die - wie in den anderen Krisenländern - durch eine Abschwächung der Importe und - anders als in den Nachbarländern - durch eine dramatische Steigerung der Exporte ermöglicht wurde. Die Exporte nahmen von 1996 - 1998 um nicht weniger als 44 % zu. Von einem Exportboom, der Rückschlüsse auf die positiv stimulierende Abwertung bzw. auf den Zustand der Gesamtökonomie zuließe, kann gleichwohl nicht gesprochen werden. Die Exporte werden allein vom Elektronik- und dem Maschinen- und Transportsektor getragen, die ihre Expansion der vergangenen Jahre noch nicht abgeschlossen haben. Diese beiden Sektoren haben ihren Ausfuhrwert allein 1996 - 1998 um 81 % gesteigert. Sie erwirtschaften inzwischen fast 70 % (1998, 1996: 55 %, 1992: 31 %) aller Exporteinnahmen. Der Boom der beiden Branchen wurde möglich durch den Ausbau der Exportzonen, in denen sich transnationale Konzerne ansiedelten, die hier Teile ihrer international gestreuten Fertigungsketten produzieren, deren Importbedarf entsprechend hoch und deren Verknüpfung mit der nationalen Ökonomie eher gering ist. Trotz dieser Defizite handelt es sich um eine alles in allem immer noch erfreuliche Entwicklung, da die Boomsektoren nicht die anderen Exporte behindern oder verdrängen.

Deren Bild sieht für sich betrachtet trübe aus: Die Bekleidungsexportindustrie stagniert. Alle übrigen Industriewarenexporte brachen 1998 um 11 % ein. Die Agrargüter- und Rohstoffexporte stagnieren, machen allenfalls die Preisfluktuationen auf dem Weltmarkt mit. Ein Teil der defizitären Handelsbilanz wurde bisher durch einen positiven Saldo der Dienstleistungen ausgeglichen. Der wichtigste Aktivposten sind die Überweisungen der Gastarbeiter, Seeleute und Auswanderer in die Heimat, die allerdings nur zu etwas weniger als 2/3 dafür sich der Banken bedienen. Diese Filipinos im Ausland und deren Familien in der Heimat sind nur zum Teil Gewinner der Pesoabwertung. Die Gastarbeiter im asiatischen Raum (1992: 26 %, 1997: 42 % aller Neuvermittlungen) wurden durch die Krise in ihren Gastländern gleichfalls durch Entlassungen bzw. durch Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bedroht. Die amtlich registrierten Überweisungen brachen 1996/98 um -25 % aus Asien, aus Europa sogar um - 44 % ein. Diese Einbrüche jedoch wurden mehr als aufgewogen durch die stark angehobenen Überweisungen der nach Nordamerika ausgewanderten Filipinos (+ 55 %), deren Anteil an den Gesamtüberweisungen sich damit von 60 % (1996) auf 81 % (1998) erhöhte. Insgesamt wurden in der Krise, wie in den Jahren zuvor, die amtlich registrierten Dollarüberweisungen gesteigert. Sie trugen damit erheblich zur außenwirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung bei.

Es überrascht nicht, daß die Leistungsbilanz der Philippinen durch einen beträchtlichen Abfluß an Zinsen und Gewinnen belastet wird. Bemerkenswert ist jedoch, daß der Abfluß durch einen wachsenden Zufluß an Zinsen und Investitionseinnahmen z.T. ausgeglichen wird (1995: zu 43 %, 1996 und 1997 zu 66 %, 1998 zu 53 %).

Die Philippinen versuchen seit den 70er Jahren, eine Tourismusindustrie aufzubauen. Man war dabei weniger erfolgreich als einige Nachbarländer. Dennoch wurde in der Krise kein Einbruch, 1997 sogar eine absolute Spitze erlebt, die jedoch 1998 nicht wiederholt werden konnte. Bemerkenswert ist jedoch, daß auch Filipinos zunehmend ins Ausland reisen und diese Reiselust und dieses Reisevermögen in der Krise nicht gezügelt wurde. 1998 übertrafen erstmals die Reisekosten deutlich die Reiseeinnahmen.

In der Realwirtschaft kam die Krise quasi erst 1998 an. Nachdem die Investitionen in den beiden Jahren zuvor noch zweistellig gewachsen waren (+ 12,5 bzw. + 11,7 %), brachen sie 1998 zweistellig (- 17,1 %) ein. Es kontraktierten vor allem die Anlageinvestitionen in Maschinen (- 18,4 %) und die privaten Bauinvestitionen (- 10,1 %, 1997 noch + 11 %). Die öffentlichen Bauinvestitionen erlebten ein abgeschwächtes Wachstum (+ 6,4 %, 1997: 20,9 %).

Der Bausektor - nach einem zweistelligen Wachstum in den beiden Jahren zuvor - brach nun um - 8,1 % (1998) ein. Die von der staatlichen Regulierungsbehörde vergebenen Lizenzen für Wohnungsbauprojekte und für Wohneinheiten - bis 1997 noch in einem kontinuierlichen Anstieg - gingen 1998 um 19 % bzw. 43 % zurück. Die Büro- und Wohnungsmieten in Metro Manila sanken 1998 um 20 - 25 %, 1999 vermutlich um weitere 10 - 20 %, die Immobilienpreise jeweils noch etwas mehr. Der Rückgang in der verarbeitenden Industrie war hingegen deutlich geringer (1998: - 1,1 %). Seit 1995 flachten hier die Zuwächse allerdings schon ab (1997: + 4,2 %). Der dramatischste Einbruch war jedoch in der Landwirtschaft zu verzeichnen. Er hat allerdings nichts mit der „Asienkrise" zu tun: El Niño mit einer außergewöhnlichen Dürre hatte zugeschlagen. 1998 sank die Produktion von Reis um - 24,1 % und die von Mais um - 11,7 %. Ähnliche Verluste erlebten die Export- und Industriefrüchte. Der gesamte Agrarsektor ging 1998 um - 6,6 % zurück (1997: + 2,9 %). Unter diesen Bedingungen war auch im Dienstleistungssektor nur ein abgeschwächtes Wachstum (1996-98: 6,4 %, 5,5 % und 3,5 %) möglich. Die Wirtschaft insgesamt erlebte eine im regionalen Vergleich eher weiche Landung. Nach einem Wachstum von noch 5,17 % (1997), reduzierte sich das BIP um - 0,5 % (1998), das Wachstum des BSP, aufgrund der Faktoreinkommen aus dem Ausland, blieb sogar minimal positiv (1998: + 0,07 %).

Schon im ersten Halbjahr 1999 begann die Wirtschaft sich wieder zu erholen (BIP um + 2,4 %), man könnte sagen, mit des Wettergottes Hilfe. Den wesentlichen Beitrag leistete die Landwirtschaft, da es wieder geregnet hatte.

Die soziale Dimension der Krise

Eines der Hauptprobleme der Philippinen ist die Beschäftigungsfrage. Die hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind angesichts des hohen Bevölkerungswachstums, des geringen Beschäftigungsbeitrags der (binnenorientierten) Industrien und der geringen Wachstumsdynamik kaum zu überwinden. Ein Ventil bieten die Auswanderung sowie die Arbeitsmigration ins Ausland. 1996 konnten 660.000, 1997 und 1998 jeweils ca. 750.000 als Gastarbeiter und Seeleute amtlich registriert vermittelt werden. Das waren etwa 40 % aller im Ausland tätigen Gastarbeiter. Ihre Gesamtzahl (inklusive der Auswanderer) dürfte bei 4-5 Millionen liegen (ca. 15 % der Beschäftigten im Lande). Sie leisten einen wichtigen und in der Krise zunehmenden Beitrag zur Stabilisierung der Einkommen. Eine Untersuchung mit den Daten für 1991 ergab, daß 16,6 % der Haushalte immerhin 31 % ihres Einkommens aus dem Ausland bezogen. Das Einkommen der Migrantenhaushalte lag damit im Durchschnitt um 75 % über dem der anderen Haushalte. Diese Verhältnisse dürften sich in der Krise noch weiter zugunsten der Migrantenhaushalte verschoben haben.

Im Juli 1997 wies die Arbeitsmarktstatistik eine arbeitswillige Bevölkerung von 30,1 Mill. auf. Unter dieser waren 2,6 Mill. arbeitslos (8,7 %), 6,3 Mill. unterbeschäftigt (23,1 %). Die Statistik des Arbeitsministeriums weist aus, daß 1998 3.072 Betriebe mit 155.198 Arbeitern schließen bzw. zur Kurzarbeit übergehen mußten. 1996 waren 80.701 und 1997 62.724 Arbeiter von diesem Schicksal betroffen. Von einem dramatischen Einbruch im mittel- und großbetrieblichen Sektor künden diese Zahlen also nicht. Eine Untersuchung des Arbeitsministeriums der Betriebe, die im ersten Halbjahr 1998 schlossen bzw. Personal abbauten, ergab, daß nur 10 % die Pesoabwertung als Grund angaben. 35 % nannten Marktprobleme, 13 % die Notwendigkeit der Betriebsreorganisation, 42 % andere wirtschaftliche Gründe. Betroffen waren vor allem Arbeiter in größeren Betrieben über 100 Beschäftigten (76 %) sowie in der Industrie (59 %). Insgesamt nahm die Beschäftigung in den beiden Krisenjahren bis zum Juli 1999 um 4,7 % (auf 29 Mill.) zu. Die Arbeitslosigkeit - hier sind beträchtliche saisonale Schwankungen zu verzeichnen - nahm bis Januar 1999 zu und seitdem wieder ab. Im Juli 1998 wurde sie mit 8,9 % und im Juli 1999 mit 8,4 % ermittelt. Diese Zahlen sind unerfreulich. Die Steigerungsrate ist jedoch nicht dramatisch. Es spricht jedoch einiges dafür, daß viele der Beschäftigten in eher unproduktiveren Tätigkeiten ihr Auskommen finden müssen. Der Beschäftigungszuwachs von ca. 1,2 Mill. Juli 1998/Juli 1999 wurde vor allem im Agrar- und im Dienstleistungssektor (0,8 bzw. 0,4 Mill.) erzielt. Nur 28 % bzw. (immerhin) 46 % wurden als Lohnempfänger beschäftigt. Im Sekundären Sektor konnte das verarbeitende Gewerbe gerade knapp die Verluste im Bau, Bergbau und im Versorgungssektor ausgleichen (+ 13.000 Beschäftigte). Insgesamt gingen hier per Saldo Lohnarbeitsplätze verloren (- 77.000), während die Zahl der Selbständigen und der (unbezahlt) mitarbeitenden Familienangehörigen zunahm. Das sind keine Hinweise für eine produktive Entspannung des Arbeitsmarktes.

Der Wirtschaftsboom der Ramos-Jahre hat auch zu real höheren Einkommen beigetragen (1991/97: 21 %), die jedoch ungleich verteilt wurden. Der Einkommenszuwachs war in den Städten (+ 27 %) höher als auf dem Land (+ 13 %). Die Wohlhabenden profitierten überproportional (reichste Zehntel der Einkommenspyramide: + 27 %, seit 1988 + 42 %), die Armen unterproportional (unterstes Zehntel: + 10 %, seit 1988 + 6 %).

Die amtliche Statistik weist auch eine Verminderung der Armutsbevölkerung von 49,3 % (1985) auf 45,3 % (1991) und 37,5 % (1997) auf. Diese lineare Reduktion ist nicht ganz plausibel. Sie kam wohl auch durch die Veränderung der Bemessungsgrundlage (1988) zustande. Die amtlich für „arm" gehaltene Bevölkerung hat absolut nicht abgenommen. Sie lag 1997 (27,2 Mill. Personen) niedriger als 1991, aber höher als 1985 und 1988. Die „Armutsliste" wird durch einen Warenkorb an Nahrungsmitteln und einige andere Grundbedürfnisse definiert. Entsprechend den unterschiedlichen Preisen wird dieser regional sowie zwischen Stadt und Land differenziert. Im Landesdurchschnitt wurde dieses notwendige Mindesteinkommen 1997 mit 21,2 Peso p.c./Tag für Nahrungsmittel und 31,2 Peso für alle Grundbedürfnisse angenommen (0,7 bzw. 1 $). Man kann natürlich darüber streiten, ob diese Einkommenslinien angemessen sind. Die private linke IBON-Denkfabrik hält 61,5 Peso p.c./Tag (1997) - jeweils bezogen auf eine sechsköpfige Familie - für wünschenswerter. 1997 vermochten 77 % der Familien diese Schwelle nicht zu erreichen. Befragt man die Leute, ob sie sich für „arm" halten, so bejahten dies 58 % im April 1997. Die Vorstellung der sich selbst als „arm" bezeichneten Befragten, wo sie die Armutslinie sehen würden, liegt übrigens nicht allzu sehr von den amtlichen Vorstellungen entfernt, die sie ja nicht kennen. Die Krise wird die Armut verschärft haben. Im Frühjahr 1998 hielten sich 65 % der Befragten für arm.

Die angespannte Einkommenssituation breiter Schichten hat nicht zu einer Verschärfung der sozialen Konflikte geführt, die die Situation letztlich nur weiter kompliziert und für alle Beteiligten verschlimmert hätte. Viele betroffenen Gruppen, Kleinbauern, Kleinhändler, Tagelöhner, Hausangestellte usw., haben ohnehin kaum Möglichkeiten, sich organisiert und kollektiv zu artikulieren. Gegen wen sollte sich ihr Protest und ihre Aktion richten? Dies wäre am ehesten von der organisierten Arbeiterschaft zu erwarten. Die Gewerkschaften, organisatorisch tief gespalten, untereinander konkurrierend und z.T. miteinander verfeindet, sind nur in den größeren und einigen mittleren Betrieben schwach vertreten. Ihre tatsächliche Mitgliedschaft dürfte kaum bei den von ihnen angegebenen und weithin akzeptierten 3,6 Millionen liegen (das wären 27 % aller Lohnempfänger), sondern eher in der Nähe der ca. 0,5 Mill. Arbeiter in ca. 3.000 Betrieben (durchschnittlich 177 je Betrieb), in denen sie einen Tarifvertrag abschließen konnten (das wären gerade gut 4 % aller Lohnempfänger). Abweichend von den sonst veröffentlichten Zahlen ergab eine Untersuchung in Betrieben ab 10 Beschäftigten eine nahezu identische Zahl für Gewerkschaftsmitglieder und Arbeiter mit Tarifverträgen: 0,68 Mill. Das sind 41 % der Beschäftigten in den Export- und 18 % in den binnenorientierten Unternehmen mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 270 Arbeitern (Export) bzw. 65 (Binnen). Die angespannte Lage der Unternehmen, Entlassungen, Kurzarbeit usw. dürfte auch die Gewerkschaften weiter geschwächt haben. Ihnen mußte es in erster Linie auf Arbeitsplatzsicherung ankommen, wenn nötig auch unter verschlechterten Bedingungen. Im Februar 1998 schlossen einige große Gewerkschaftsbünde mit dem Arbeitgeberverband und der Handelskammer ein Bündnis, auf Streiks und Entlassungen zu verzichten, das später (im November 1998) erneuert und im Januar 1999 erweitert wurde. Tatsächlich nahmen Streiks (1998: 91 mit 35.000 Arbeitern, durchschnittlich 385 Arbeiter je Betrieb) gegenüber den Vorjahren nicht zu. Die Lohnforderungen blieben 1998 und 1999 moderat, und sie blieben, wie die nur schwach angehobenen Mindestlöhne, unter der Inflationsrate.

Ausblick

Erholungstendenzen für die Wirtschaft sind inzwischen sichtbar. 1999 wird ein moderat positives Wachstum bringen (vielleicht 2,4 %). Für das Jahr 2000 werden etwa 3 % prognostiziert. Diese Annahmen liegen unter denen Chinas und Taiwans, die von der Krise nur am Rande betroffen waren, aber auch unter denen von Süd-Korea, Singapur und wohl Malaysia. Man nimmt ein ähnliches Wachstum im kommenden Jahr für Thailand, ein niedrigeres für den Sonderfall Indonesien sowie für Hongkong an. Obwohl die Krise die Philippinen weniger hart traf als einige andere Länder der Region, traut man dem Land im Augenblick nicht zu, nun zu den anderen Wachstumsökonomien aufschließen zu können, die sich allerdings vermutlich auch mit geringeren Zuwächsen als in der Vergangenheit begnügen werden müssen .

Der Abzug einiger transnationaler Konzerne aus dem Lande führte im Frühjahr 1999 zu einer lebhaften öffentlichen Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Philippinen. Ob die Motive der betreffenden Unternehmen richtig gesehen wurden oder es sich nur um mehr oder weniger übliche Umstrukturierungen als Folge der regionalen Krise handelt, sei dahingestellt. Tatsächlich gab es noch mehr Neuzugänge, obwohl die bei verschiedenen Regierungsbehörden angemeldeten Investitionswünsche 1998 um 34,5 % gegenüber dem Vorjahr einbrachen, ein Trend, der sich auch 1999 fortsetzte (1. Quartal - 60 %). Die einheimischen Unternehmen erwiesen sich jedoch noch zurückhaltender: Ihre Investitionsanmeldungen gingen 1998 um 57,7 % und im 1. Quartal 1999 noch einmal um 42 % zurück.

Die Regierung Estrada folgt der Politik der Ramos-Administration und setzt weiter auf eine Liberalisierung und Öffnung des Landes für ausländische Investitionen. Sie versucht, bisher geschlossene Bereiche zu öffnen, den Einzelhandel, den Besitz von Land, Versorgungsunternehmen und Medien, wofür eine Verfassungsänderung notwendig wäre. Durch einen alljährlich neu zu erstellenden Investment Priorities Plan und Steueranreize versucht man, Investoren auf Anlagefelder aufmerksam zu machen und zur Anlage zu motivieren.

Man ist in dieser Hinsicht noch nicht sehr weit gekommen. Es handelt sich letztlich auch um einen Nebenschauplatz. Es sollte nicht die Anlage von transnationalen Konzernen oder nationalen Unternehmen besonders gefördert und begünstigt werden, vielmehr müssen die allgemeinen Anlagebedingungen verbessert werden, die effiziente und kostenbewußte Investoren veranlassen, zu investieren. Es ist dabei letztlich gleichgültig, welchen Paß diese besitzen.

Zu den heutigen Standortnachteilen werden immer wieder folgende Bereiche gerechnet:

  • Ineffiziente und schwerfällige, auch unberechenbare, da korrupte Bürokratie; Klientelwirtschaft bis in die höchste Spitze des Staatsapparates;

  • Unberechenbarkeit und Ineffizienz des Rechtssystems, die Justiz ist „verrufen für ihre Unverständlichkeit, Langatmigkeit, Unbeständigkeit". Die Richter haben zudem selten ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge.

  • Die infrastrukturelle Ausstattung im Verkehrs- und Kommunikationsbereich,; vor allem die Energie- und Wasserversorgung ist unzureichend und/oder zu teuer.

  • Die Lohnkosten gelten als zu hoch, die Arbeitsbeziehungen als zu sehr reguliert und zu rigide.

Diese Probleme müssen gewiß gelöst werden. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der Steuerreform und der Effektivierung des Steuersystems zu. Eine effiziente und nicht-korrupte Staatsadministration ist zu Niedriggehältern nicht zu haben (auch wenn die Besoldungsfrage das Problem allein nicht löst). Selbst wenn sinnvollerweise Teile der Infrastruktur privatisiert sind bzw. werden, bleibt ein gewaltiger öffentlicher Investitionsbedarf sowohl in die materielle, wie auch die humane Infrastruktur (Bildung, Gesundheit). Das Problem der hohen Lohnkosten und der angeblich rigiden Arbeitsbeziehungen - die zum guten Teil doch nur auf dem Papier fixiert sind und faktisch meist unterlaufen werden - wird man jedoch kaum durch Absenkung der Löhne, etwa durch Einfrieren der Nominallöhne, lösen können. Es muß die Arbeitsproduktivität gesteigert werden. Dann verlieren die Löhne an Gewicht und können von ihrem für die Arbeiter eigentlich sehr niedrigen Niveau auch gesteigert werden. Erfolgt eine Produktivitätssteigerung nicht nur punktuell, wird dies nicht mit einer Zunahme der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung verbunden sein, die allerdings kaum zu überwinden sein wird, wenn es nicht gelingt, die Geburtenrate zu senken.

Das Paradox (relativ) hoher Lohnkosten trotz der „Hungerlöhne" für die Arbeiter weist auf ein anderes Problem hin, das der Lösung harrt: die hohen Lebenshaltungskosten, und das sind in erster Linie für die arme Bevölkerung die Ausgaben für Nahrungsmittel (50-70 % der Budgets). Sie sind auch Ausdruck der ineffizienten Landwirtschaft, deren Modernisierung seit Jahrzehnten gefordert und auch „irgendwie" betrieben wird, bisher jedoch ohne nachhaltigen Erfolg.


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