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Sorge um den Standort D: Welcher politische Stellenwert?

Wettbewerbsfähiger Standort D: Die Basis für politische Spielräume

Starker Standort - hoher Lebensstandard

Wenn nationale Standort-Wettbewerbsfähigkeit überhaupt ein sinnvolles Konzept (und nicht schlichtweg ein verkleidetes Synonym für wirtschaftliche Leistungsstärke) ist, dann muß sie als zentrale Voraussetzung für die Wahrung und Vermehrung des gesellschaftlichen Wohlstandes gesehen werden. Das heißt, von der Wettbewerbsfähigkeit des Standort D hängt es ab, welchen Lebensstandard sich die Deutschen insgesamt leisten können. Präziser ausgedrückt, von seiner Wettbewerbsfähigkeit hängt es ab, wieviel an Ressourcen den Deutschen zur Erreichung ihrer diversen individuellen und kollektiven Ziele insgesamt zur Verfügung steht.

So gesehen sichert die Standortwettbewerbsfähigkeit die materielle Basis für die diversesten Politiken, von der Wohnungsbaupolitik über die Verteidigungspolitik bis zur Kulturpolitik.

Ein starker Standort entschärft Verteilungskonflikte

Die Reichweite jeder einzelnen dieser „konsumorientierten" Politiken hängt natürlich nicht nur davon ab, was die Nation insgesamt erwirtschaftet, sondern auch davon, wie sie die Gesamtmasse auf die diversen Aufgaben verteilt. Ähnliches gilt für das Verhältnis von privatem und öffentlichem Konsum sowie von materiellem und immateriellem Konsum (etwa in Form von Freizeit und Umweltqualität). Wie die Verteilung in allen diesen Aspekten vorzunehmen ist, das wird von der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft - in der sich ja die Qualität des Standort D niederschlägt und ausdrückt - im Prinzip nicht vorgegeben. Insofern reduziert sich Politik nicht auf „Standortpflege".

Von der - standortbedingten - nationalen Wirtschaftskraft hängt jedoch ab, wie schmerzhaft jede Präferenzentscheidung ist. An einem starken Standort kann man sich sowohl einen hohen Konsumstandard als auch 6 Wochen Urlaub leisten. Anderswo wäre der Preis für eine derartige Freizeitpräferenz vielleicht der Verzicht auf das Privatauto. Ein starker Standort macht auch z.B. hohen Individualkonsum kompatibel mit exorbitanten Rüstungsausgaben.

„Standortpflege": bedingter Vorrang vor anderen politischen Zielen

Die gesellschaftliche Investition in den Standort D ist unverzichtbar...

Gerade weil der Wettbewerbsfähigkeit des Standort D eine zentrale Bedeutung für die Verteilungsmasse zukommt, die der deutschen Politik zur Verfügung steht, ist sie auch ein entscheidendes Zielkriterium für Politik. Die Stärkung/Sicherung des Standort D muß auf der Prioritätenliste der deutschen Politik ganz oben stehen. D.h. ihr muß vieles andere, was gesellschaftlich ebenfalls wünschenswert ist, untergeordnet werden. Wie jede Investition, so hat auch die in den Standort D ihren Preis in Form von einstweiligem Konsumverzicht.

Politische Priorität der „Standortpflege", das heißt, daß

  • sowohl in der Zuteilung von Finanzmitteln,

  • als auch in der Festlegung von Rechten und Pflichten,

gesellschaftliche Ziele mit Konsum- oder Verteilungscharakter zurückstehen müssen.

... aber kein Selbstzweck

Dabei ist freilich nicht aus dem Auge zu verlieren, daß das letztendliche Kriterium eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts der (materielle und immaterielle) Wohlstand ist, den er den dort ansässigen Menschen sichert. Verzicht im Dienste der „Standortpflege" kann also immer nur so begriffen werden, daß die momentanen Grenzen dessen nicht überschritten werden, was im Weltmarktzusammenhang auf Dauer durchhaltbar ist. Würde man aber nicht gleichzeitig versuchen, diese Grenzen ständig weiter hinauszuschieben, käme dies letztlich auch einem Verzicht auf Wettbewerbsfähigkeit gleich.

Priorität der „Standortpflege", das heißt nicht Unterordnung der gesellschaftspolitischen Ziele, sondern Sicherung der Erfolgsbedingungen in der Realität. Der starke Standort ist das Mittel, der Zweck sind erweiterte Spielräume zur Durchsetzung gesellschaftspolitischer Prioritäten. In diesem Sinne erleichtert ein wettbewerbsfähiger Standort D auch den ökologischen Umbau der deutschen Wirtschaft - allerdings nur, wenn sich der gesellschaftspolitische Gestaltungswille der „Standortpflege" bemächtigt und sie in den Dienst des übergeordneten Zieles stellt.

„Standortpflege" als Querschnittsaufgabe

Vor der Notwendigkeit, der „Standortpflege" einen angemessenen Platz im politischen Ziele-Syndrom einzuräumen, stehen

  • die Politiken, die sich auf die kostenmäßige Belastung der Unternehmen auswirken: Steuerpolitik, Sozialpolitik, Umweltpolitik;

  • die Politiken, die sich auf den unternehmerischen Bewegungsspielraum auswirken: Regelungen im Bereich der Umweltpolitik, der Gesundheitspolitik, der Sozialpolitik, der Wettbewerbspolitik;

  • die Politiken, die sich auf die wirtschaftlich relevante Ausstattung des Standort D auswirken: Bildungspolitik, Verkehrspolitik;

  • die Politiken, die sich auf das institutionelle und soziale Umfeld für die Unternehmen auswirken: Sozialpolitik, Arbeitspolitik, Steuerpolitik, Wohnungsbaupolitik;

  • die Politiken, von denen Entwicklungsimpulse für bestimmte Produktionsbereiche ausgehen (können): Umweltpolitik, Verteidigungspolitik, Verkehrspolitik.

Andere Politikbereiche stehen von der Zielsetzung her primär im Dienst des Wirtschaftsstandorts D. Abzuwägen gilt es hier weniger zwischen „investiven" und „konsumptiven" Zielen als zwischen unterschiedlichen Optionen der „Standortpflege". Hierzu gehören die Telekommunikationspolitik, die Technologiepolitik und alles was unter den Namen „Wirtschaftsförderung" und „Industriepolitik" zusammengefaßt wird. Gleichwohl wird in der politischen Praxis auch hier der Primat der „Standortpflege" von anderen, durchaus legitimen Zielsetzungen überlagert (z.B. Beschäftigungssicherung, Umweltschutz).

„Standortpflege" und Vollbeschäftigung: unterschiedliche Ziele

„Standortpflege" ist gute Beschäftigungspolitik

Ein wettbewerbsfähiger Standort D bedeutet gute Marktchancen für in Deutschland hergestellte Produkte und die daran hängenden Arbeitsplätze. Er kommt somit der Beschäftigung und auf Dauer auch dem Entlohnungsniveau zugute. Umgekehrt geraten mit nachlassender Wettbewerbsfähigkeit des Standort D deutsche Arbeitsplätze in Gefahr. „Standortpflege" ist deshalb gute, ja unabdingbare. Beschäftigungspolitik.

Vollbeschäftigung braucht mehr als „Standortpflege"

Aber das Beschäftigungsproblem läßt sich auch durch eine noch so erfolgreiche „Standortpolitik" kaum lösen. Sein Kern liegt in dem langfristig verlangsamten Wirtschaftswachstum, das in allen fortgeschrittenen Industrieländern zu beobachten ist und das auch durch den bevorstehenden Konjunkturaufschwung nicht nachhaltig beschleunigt werden wird. Deutschland wird sich diesem globalen Phänomen nicht dadurch entziehen können, daß es seinen Konkurrenten Marktanteile abnimmt, so sehr es dies natürlich versuchen muß. Die Anpassung der Beschäftigung an das insgesamt langsamere Wachstum ist ein Verteilungsproblem, zu dessen Lösung nur die Politik den Schlüssel in der Hand hat.

Beschäftigungssicherung gerät in Konflikt mit „Standortpflege"

Kurzfristige Beschäftigungssicherung gerät auch in Konflikt mit den Erfordernissen eines wettbewerbsfähigen Standort D. Dies ist der Fall, wo Effizienzsteigerungen, die mit dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden wären, abgeblockt werden und wo nicht mehr marktfähige Produktionsbereiche durch Fernhalten der Konkurrenz oder Subvention künstlich am Leben erhalten werden.

Dies geht nicht nur unmittelbar zu Lasten der Konsumenten. Es verteuert auch die Zulieferungen für andere, im Wettbewerb stehende, Unternehmen und es bindet Mittel, die sonst für Investitionen in die Zukunft des Standort D zur Verfügung stehen könnten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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