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TEILDOKUMENT:




Die Wettbewerbsfähigkeit des Standort D: Eine systematische Sichtweise

Vier Ebenen

Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes, das ist die Gesamtheit der Faktoren, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hervorbringen und Kostendisziplin gewährleisten. Sie kommt auf vier Ebenen zustande:

  • auf der Metaebene begünstigt die gesamtgesellschaftliche Organisation mit ihren zugrundeliegenden Werthaltungen die erforderlichen Verhaltensweisen und Politiken.

  • auf der Makroebene sorgt die Wirtschaftspolitik für die richtigen Anreize und Freiräume sowie die richtigen preislichen Rahmendaten.

  • auf der Mesoebene stärken (a) eine adäquate Grundausstattung des Standorts mit Infrastruktur und „Humankapital" und (b) institutionelle Arrangements zwischen Staat, Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Akteuren die Fähigkeit der Unternehmen zu Kosteneffizienz, qualitativ hochwertiger Produktion, Innovativität und marktgerechter Flexibilität.

  • auf der Mikroebene maximieren (a) adäquate Unternehmensorganisationen Effizienz, Qualität, Innovativität etc. und (b) die richtigen unternehmerischen Strategien die Chancen für den Markterfolg.
    Die einstige Stärke des Standort D beruhte darauf, daß er auf jeder dieser vier Ebenen gute Voraussetzungen aufwies. Der Grund für die jetzigen Zweifel sind

  • Veränderungen am Standort D selbst, vor allem, aber nicht nur, auf der Makroebene (Dynamik der Arbeitskosten, Wechselkurs-Verschuldungs-Syndrom);

  • Veränderungen in den Anforderungen, die der Weltmarkt an die vier Ebenen stellt. Dies gilt insbesondere für die Mikroebene, auf der überlegene japanische Formen der Unternehmensorganisation neue Standards gesetzt und veränderte Weltmarktbedingungen neue Erfolgsbedingungen definiert haben.

Politische Ansatzpunkte

Die Metaebene eignet sich vortrefflich für spekulative Globalinterpretationen (z.B. „Konsum- statt Leistungsmentalität"). So wichtig sie auch sein mag, konkrete Politik kann an ihr kaum ansetzen. Allenfalls kann es darum gehen, den in Gang gekommenen gesellschaftlichen Diskurs über die heutige und künftige Wettbewerbsfähigkeit des Standort D zu fördern und vor interessenpolitischem Mißbrauch zu schützen.

Auf der Makroebene steht die Wiederherstellung von Kostendisziplin im Vordergrund. Aber so offensichtlich die „Kostenkrise" und der Imperativ, sie zu überwinden, auch erscheinen mögen, es kann sein, daß wir es vielmehr mit einem außenwirtschaftlichen „Normalisierungsprozeß" zu tun haben (weg von den früheren exorbitanten Leistungsbilanzüberschüssen), dem notgedrungen eine Reihe von deutschen Produktionsaktivitäten zum Opfer fallen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt auf der Makroebene ist die (Wieder-)Herstellung angemessener unternehmerischer Freiräume, also Deregulierung. Zum Teil geht es hier um die Beseitigung bürokratischen „Wildwuchses". Gewichtiger dürfte der Bereich sein, in dem unternehmerische Ansprüche mit tendenziell zunehmenden gesellschaftlichen Schutzansprüchen konfligieren und in dem (manchmal schmerzhafte) Kompromisse gefunden werden müssen.

Auf der Mesoebene liegt wahrscheinlich der Schlüssel zur Behauptung des Standort D in der Welt zunehmender Niedriglohnkonkurrenz.

Hier werden jene Produktivitäts-, Innovativitäts- und Qualitätsvorsprünge begründet, die nicht allein in der Domäne der Unternehmen liegen und die nicht an beliebige Standorte ausgelagert werden können. Hier liegt auch maßgeblich die Leistungsfähigkeit jener Durchschnittsunternehmen begründet, die im Gegensatz zu den „Spitzenunternehmen" selbst keine technologischen Monopolpositionen haben, aber die weitgehend die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ausmachen. Zu einem hervorragend ausgestatteten Mesoraum gehören u.a.

  • eine moderne und kostengünstige Kommunikationsinfrastruktur,

  • ein Bildungswesen, das qualitativ hochwertiges, den heutigen (und morgigen) Anforderungen entsprechendes „Humankapital" zu akzeptablen Kosten bereitstellt,

  • funktionstüchtige Technologieinstitute, die vor allem die technologische Kapazität der durchschnittlichen Firmen aufwerten helfen,

  • Meß-, Norm-, Prüf- und Qualitätssicherungsinstitute, die Unternehmen nicht nur kontrollieren, sondern auch über neue Standards informieren,

  • regionale und lokale Netzwerke der firmenübergreifenden Kooperation und Kommunikation sowie Foren des industrie/technologie/regionalpolitischen Dialogs zwischen Unternehmen, Verbänden, Wirtschaftsfördereinrichtungen, Politik und Arbeit,

  • auf Interessenausgleich hin orientierte Institutionen des Dialogs zwischen Unternehmer- und Arbeitnehmerseite.

Es besteht eine gewisse Gefahr, daß der Mesoraum am Standort D infolge von Finanzschwierigkeiten der Länder und Kommunen ausgedünnt und infolge gesellschaftlich-politischer Blockaden unflexibel (Bildungswesen!) und teuer (Telekommunikation!) wird.

Auf der Mikroebene sind die Unternehmen gefordert. Eine Zwischenbilanz der bisherigen Anpassung legt nicht die Befürchtung nahe, sie wären mehrheitlich der Aufgabe nicht gewachsen.

Der Staat kann hier wenig beitragen. Allerdings stellt sich die Aufgabe der organisatorischen Effizienzsteigerung auch für ihn. Diesbezügliche Erfolge würden sich sowohl auf der Makro- als auch auf der Mesoebene niederschlagen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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