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5. Urhebervertragsrecht

Druck-Ausgabe: Seite 31

Produzent Multimedia ein neues Produkt ersonnen, das auf phantastische Weise mehrere hundert Texte, Bilder, Bildsequenzen und Musikteile einer Vielzahl berühmter Urheber vereinen soll. Sein Rechtsberater erklärt ihm, daß er zunächst jeden einzelnen Urheber ausfindig machen und mit ihm über jeden Bestandteil einen eigenen Vertrag schließen muß; ist der Urheber verstorben, muß er sich mit dessen Erben auseinandersetzen. Das gleiche gelte auch dann, wenn man auf frühere eigene analoge Produktionen zurückgreifen wolle; denn nach deutschem Urheberrecht habe Produzent Multimedia die Rechte zur digitalen Verwertung bei Altproduktionen selbst dann nicht erwerben können, wenn ihm in den früheren Verträgen ausdrücklich alle Rechte übertragen worden sind. Auch hier müsse man also nochmals alle Urheber und Rechteinhaber einzeln konsultieren.

Selbst wenn es schließlich gelänge, von allen Urhebern die Zustimmung zu erhalten, stehe angesichts der Vielzahl der Urheber doch zu befürchten, daß die insgesamt zu zahlenden Lizenzgebühren so teurer würden, daß sich das geplante Produkt gar nicht mehr in genügender Stückzahl verkaufen lasse und man mithin auf die Produktion gänzlich verzichten müsse. Auch der Produzent selbst hat noch keine rechte Vorstellung, wie er sich am besten vertraglich gegen eine unerlaubte Weiterverwendung seines künftigen Produktes absichern kann und was eigentlich der angemessenen Preis für die Verwertung etwa einer geschützten Filmsequenz in seinem Multimediaprodukt wäre; soll er einen Pauschalpreis vereinbaren, oder einen Prozentsatz vom Nettoladenpreis der verkauften CD-ROM? Wie wäre die Lizenzgebühr zu berechnen, wenn das Produkt online angeboten werden soll?

Probleme bereiten Digitalisierung und Vernetzung auch im Urhebervertragsrecht. Im Vordergrund steht die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 31 ff. UrhG). Dabei geht es vor allem um die Frage, inwieweit die digitale Verwertung eine neue unbekannte Nutzungsart i.S.v. § 31 Abs. 4 UrhG darstellt; wenn ja, so ist zu überlegen, wie die daraus folgende Konsequenz der Pflicht zur Nachlizenzierung angemessen abgemildert werden kann (5.1). Im gewissem Maß kann dem technischen Kontrollverlust in der Praxis auch durch eine entsprechende Vertragsgestaltung begegnet werden (5.2); schließlich ist zu überlegen, durch welche Arten der kollektiven, gemeinschaftlichen und zentralisierten Rechtevergabe dem Bedürfnis der Nutzer nach einem möglichst einfachen und reibungslosen Rechteerwerb Rechnung getragen werden kann (5.3).

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5.1 Materielles Urhebervertragsrecht

Zum einen bedürfen die Anbieter digitaler offline wie digitaler online Medien der Rechte an einer bislang ungekannten Vielzahl einzelner Schutzgegenstände. Hier stellt sich die Frage, ob der Rechteerwerb insoweit nicht vereinfacht werden sollte. Zum anderen sind nach der urheberschützenden Vorschrift des § 31 Abs. 4 UrhG jegliche Verpflichtungen und Verfügungen nichtig, die in bezug auf solche Nutzungsarten getroffen worden sind, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unbekannt waren.

Zur Vereinfachung des Rechteerwerbs hält das Urheberrecht grundsätzlich die Modelle der gesetzlichen und der Zwangslizenz sowie der Verwertungsgesellschaftenpflicht des Ausschließlichkeitsrechts bereit. Der Unterschied besteht in der Intensität der Einschränkung des

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Abb. 4:
Multimediaprodukte und ihre Bestandteile

Ausschließlichkeitsrechts: während die Nutzung dem Nutzer bei der gesetzlichen Lizenz bereits durch das Gesetz selbst gestattet ist, er also mit der Nutzung sofort beginnen kann und die Vergütung erst später zahlen muß, muß er im Fall einer Zwangslizenz dagegen erst die Zustimmung des Urhebers einholen, die dieser allerdings zu erteilen verpflichtet ist. Bei der Verwertungsgesellschaftenpflicht schließlich das Ausschließlichkeitsrecht nicht mehr vom einzelnen Urheber selbst ausgeübt, sondern kann zwingend nur noch von Verwertungsgesellschaften ausgeübt werden. [Fn 37: So die von der EU - Richtlinie Satellit und Kabel vorgegebene Lösung für die Ausschließlichkeitsrechte der zeitgleichen, unveränderten Kabelweiterleitung ausländischer Rundfunkprogramme.]

Von derartigen Einschränkungen der Rechte der Urheber sollte angesichts ihres Ausnahmecharakters auch künftig nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Ohnehin verbietet schon das geltende internationale Recht (RBÜ; TRIPS) gesetzliche oder Zwangslizenzen in anderen Bereichen als beim Rundfunk und zur Herstellung von Tonträgern. [Fn 38: Auch nach deutschem Verfassungsrecht ließe sich eine übermäßige Beschneidung bestehender Rechte wohl nur schwer rechtfertigen.]
Auch wenn sich die Bedürfnisse der Hersteller von Multimediaerzeugnissen damit nicht abdecken lassen, erscheint die Einführung solcher unfreiwilliger Lizenzen zur Lösung von Problemen des Erwerbs digitaler Rechte nicht angezeigt. Das gilt ebenso in bezug auf eine eventuelle Erstreckung der filmrechtlichen Übertragungsvermutungen der §§ 88 und 89 UrhG; auch ihre Ausdehnung auf online und online angebotene Multimediawerke wird nicht empfohlen. Zwar würde der Erwerb der Rechte sicherlich erleichtert, doch würden derartige Erleichterungen den damit für die Rechteinhaber verbundenen Kontrollverlust letzten

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Endes nicht aufwiegen können. Hinzu kommt, daß Produzenten im digitalen Bereich auf fremde Werke und Leistungen zwar gerne erleichtert Zugriff nehmen würden, daß sie zugleich jedoch ihre eigenen, daraus entstehenden Produkte nicht einem gleichermaßen erleichterten Zugriff durch Dritte preisgeben möchten. Die Lösung der Fragen des Rechteerwerbs sind vielmehr auf technische und administrative Weise, insbesondere durch die Einrichtung sog. Clearing-Stellen zu lösen (vgl. Ziff. 5.3).

Das zweite vertragsrechtliche Hauptproblem im Bereich der digitalen Verwertung besteht darin, daß nach der urheberschützenden Vorschrift des § 31 Abs. 4 UrhG Verfügungen und selbst Verpflichtungen über solche Nutzungsarten unwirksam sind, die bei Abschluß des Vertrages noch nicht bekannt waren. Das gilt nach der Rechtsprechung immer dann, wenn es sich um eine in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht abgrenzbare neue Nutzungsart handelt, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglicherweise zwar bereits bekannt war, deren wirtschaftliche Tragweite der Urheber zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht abschätzen konnte. [Fn 39: Es sei denn, der Urheber hat das Risiko der künftigen Entwicklung ganz bewußt in Kauf genommen; BGH, NJW 1995, 1296 - Videozweitauswertung III.
§ 31 Abs. 4 UrhG gilt darüber hinaus auch im Verhältnis zwischen Urhebern und Verwertungsgesellschaften, zumindest soweit der Urheber seine Rechte freiwillig überträgt; vgl. BGH GRUR 1986, 62, 65 - GEMA-Vermutun]

Mit anderen Worten: wenn § 31 Abs. 4 UrhG eingreift, liegen die digitalen Rechte selbst dann noch immer bei den Urhebern, wenn diese den Verwertern in den seinerzeitigen Verträgen alle Rechte haben übertragen wollen; mithin müßte in diesen Fällen nachlizenziert werden. [Fn 40: So höchstrichterlich bislang entschieden für die Verwertung alter Filme im Fernsehen (BGH GRUR 1982, 727, 730 - Altverträge: 1939 nicht mehr neu) und durch Video, BGH GRUR 1991, 133 - Videozweitauswertung: 1968 noch nicht bekannt).]

Technisch läßt sich die Verwertung in digitaler Form problemlos von den bisherigen Arten der Verwertung in analoger Form unterscheiden. Für die Anwendung des § 31 Abs. 4 UrhG kommt es damit entscheidend auf die wirtschaftliche Unterscheidbarkeit sowie auf das Datum an, ab dem die Nutzungsart bekannt war.

Nach der hier vertretenen Ansicht wäre wohl zu differenzieren:

  • geht es nur darum, daß lediglich innerhalb eines Produktionsvorganges analoge Bearbeitungsschritte durch digitale ersetzt werden, um ein nach wie vor analoges Produkt zu erzeugen, so wird man in wirtschaftlicher Hinsicht kaum von einer unterschiedlichen Nutzungsart sprechen können; [Fn 41: Wie hier M. Schwarz, in : Becker/Dreier, S. 111. - A.A. jedoch offenbar Maaßen, ZUM 1992, 338, 349, der bereits die digitale Bilderfassung als neue selbständige Nutzungsart i.S.v. § 31 Abs. 4 UrhG ansieht.]
  • gleiches gilt auch dann, wenn lediglich analoge durch digitale Sendesignale ersetzt werden; denn dadurch wird weder der Kreis der Radio- und Fernsehnutzer notwendig erhöht noch Art und Ausmaß der Nutzung entscheidend verändert; [Fn 42: So jetzt BGH, NJW 1997, 320 - Klimbim.]
  • dagegen geht die Literatur zu Recht überwiegend davon aus, daß die digitale Verwendung etwa zunächst nur für Printmedien lizensierten Materials auf CD-ROM ebenso wie die Einspeicherung und das Angebot in Form allgemein zugänglicher online Datenbanken nicht nur in technischer sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine neue Nutzungsart darstellt.

Näher zu klären bliebe noch die Frage, ab wann die digitale Nutzung als bekannt anzusehen ist. Die bislang einzige hierzu bekannte Gerichtsentscheidung hat §31 Abs. 4 UrhG auf die Übernahme von Musik auf digitale Datenträger (DCC, MD, DAT und insbesondere CD) angewandt und die Nutzung 1971 als technisch noch nicht bekannt erachtet. [Fn 43: OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 420.] Den Zeitpunkt des Bekanntwerdens wird man schließlich - auch wenn hier im Einzelfall zu differenzieren ist (die Musik-CD war früher bekannt als die CD-ROM, diese vermutlich wiederum erst später als online-

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Datenbanken) - ungefähr zu Beginn der 90er Jahre ansetzen können. [Fn 44: Maaßen, ZUM 1992, 338, 349 sieht 1988 als entscheidendes Datum für die Bekanntheit der digitalen Bilderfassung an.]

Die Pflicht zur Nachlizenzierung digitaler Rechte in allen Fällen, in denen § 31 Abs. 4 UrhG zur Anwendung kommt, erweist sich in der Praxis jedoch als nahezu unüberwindbares Hindernis für die Vermarktung digitaler Produkte, wenn es dabei um eine unüberschaubare Vielzahl nachzulizenzierender Rechte geht. Das ist etwa bei der Neuherausgabe zurückliegender Zeitschriftenjahrgänge der Fall, bei enzyklopädischen Werken, aber auch bei den Archiven von Zeitungen und von Sendeunternehmen. Um den informationspolitisch wünschenswerten digitalen Zugang hier nicht zu versperren, erscheint in bezug auf diese Rechte die Einführung einer allgemeinen Verwertungsgesellschaftenpflicht erwägenswert. Der bisherige Produzent müßte die digitalen Rechte dann nicht mehr von jedem einzelnen Urheber (bzw. von dessen Erben) erwerben, sondern könnte sie insgesamt von den Verwertungsgesellschaften erhalten; zugleich müßte er nicht mehr befürchten, daß seine digitale Auswertung durch einzelne Außenseiter gestört wird. Aber auch aus der Sicht der Urheber hätte eine solche Lösung Vorteile; sie müßten sich nicht mehr individuell um die Nachlizenzierung der für sie häufig nicht übermäßig wertvollen Rechte kümmern, sondern hätten in den Verwertungsgesellschaften einen starken Repräsentanten, der die Rechte für sie verhandelte. Die genauen Voraussetzungen einer solchen Verwertungsgesellschaftenpflicht müßten freilich noch näher untersucht werden. Vor allem müßte sichergestellt sein, daß allein der ursprüngliche Produzent (Verleger, Sendeunternehmen) und nicht jeder beliebige Dritte die Rechte von der Verwertungsgesellschaft übernehmen könnte.

Die Einführung neuer gesetzlicher oder Zwangslizenzen zur Erleichterung des Erwerbs der zur Herstellung von offline Multimediaerzeugnissen sowie von online Datenbanken benötigten Rechte wird nicht empfohlen.

Dagegen wird angeregt, die bislang aufgrund von § 31 Abs. 4 UrhG beim Urheber verbliebenen digitalen Rechte in bestimmten Einzelfällen (etwa zur Herausgabe zurückliegender Zeitschriftenjahrgänge auf CD-ROM oder zur digitalen Erschließung bislang analogen Archivmaterials) künftig nur noch durch Verwertungsgesellschaften wahrnehmen zu lassen.

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5.2 Vertragspraxis

In der Vertragspraxis sind sog. Altverträge (d.h. Verträge, die in der Vergangenheit geschlossen worden sind) von neuen Verträgen zu unterscheiden.

Bei Altverträgen, die vor den in Ziff. 5.1 genannten Zeitpunkten geschlossen worden sind, besteht das soeben beschriebene Problem, daß die Rechte der digitalen Verwertung selbst dann nicht auf den Lizenznehmer übergegangen sind, wenn die Parteien einen umfassenden Rechteübergang beabsichtigt haben. Dagegen sind nach dem für § 31 Abs. 4 UrhG maßgeblichen Zeitpunkt geschlossene Verträge, die die digitale Verwertung nicht ausdrücklich erwähnen, nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen (das gleiche gilt dann, wenn die Rechtsprechung § 31 Abs. 4 UrhG wider Erwarten doch nicht anwenden sollte). Dabei kommt der Grundsatz der sog. Zweckübertragungsregel zum Zuge, der besagt, daß der Urheber grundsätzlich alle Rechte hat übertragen wollen, die zur Erfüllung des Vertragszwecks erforderlich sind, so wie er umgekehrt alle diejenigen Rechte für sich zurückbehält, deren Übertragung auf den Lizenznehmer es zur Erfüllung des Vertragszwecks nicht bedarf [Fn 45: Vgl. § 31 Abs. 5 UrhG. Eine ähnliche Regelung gilt gem. § 43 UrhG auch für Arbeitsverhältnisse; bei der Anwendung von § 43 UrhG bleibt es nach der EU - Datenbankrichtlinie auch für Datenbanken. Dagegen enthält § 69b UrhG in Umsetzung der EU - Computerprogrammrichtlinie für Computerprogramme, die in einem Arbeits - oder Dienstverhältnis geschaffen worden sind, dagegen eine weitergehende Sonderregelung.] .
Die Bestimmung des Vertragszwecks hängt u.a. entscheidend davon ab, in welchem Umfang die Parteien eine Verwertung beabsich-

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tigt haben und welche Arten von Verwertung der Lizenznehmer im Rahmen seines Geschäftsbetriebes bisher vorgenommen hat. Wer als Urheber das Vervielfältigungsrecht etwa einem Multimediaunternehmen übertragen hat, der hat damit sicherlich der digitalen Verwertung zugestimmt; wer dagegen mit einem Verleger kontrahiert hat, dessen Tätigkeit sich bislang auf die Herausgabe von Gedichtbändchen beschränkt hat, der dürfte die digitale Verwertung mit der Einräumung des Vervielfältigungsrechts damit im Zweifel nicht gestattet haben.

Um derartige Zweifel von vorneherein gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist es für neue Verträge dringend anzuraten (und die Praxis folgt diesem Rat weitgehend schon jetzt), Vertragsklauseln aufzunehmen, welche die Rechte hinsichtlich der Verwertung geschützter Werke und Leistungen in digitaler Form in offline und in online Medien ausdrücklich regeln. Für die inhaltliche Ausgestaltung derartiger Klauseln lassen sich angesichts der Vielfalt betroffener Werke und der unterschiedlichen Art ihrer Verwertung allerdings keine allgemeinverbindlichen Ratschläge geben. Möglich ist, alle digitalen Rechte sogleich bei Vertragsschluß auszuhandeln, und hierfür entweder keine oder aber eine gesonderte Vergütung vorzusehen, die wie bisher auch in einer Pauschalzahl und oder aber in einer prozentualen Beteiligung bestehen kann. Sind sich die Parteien noch nicht sicher, ob der Lizenznehmer tatsächlich die Rechte zur digitalen Verwertung benötigen wird, so können sie eine Pflicht zur nachträglichen Einräumung oder zumindest zum nachträglichen Verhandeln in gutem Glauben vereinbaren. Schwierigkeiten bereitet in der Praxis vor allem festzustellen, welche Vergütung für die digitalen Rechte angemessen ist und anhand welcher Kriterien (Zahl der angeschlossenen Terminals, der Nutzer, der Bildschirmaufrufe oder der Ausdrucke u.a.) die Vergütung ermittelt werden soll. Hier kann man sich zunächst mit zeitlich befristeten Vergütungsregeln oder gar Rechteübertragungen behelfen; allerdings sollte dann eine Regelung nicht fehlen, die festlegt, wie die zuvor getätigten Aufwendungen im Fall einer Vertragsbeendigung abzugelten sind. In jedem Fall dürften die Schöpfer der Inhalte im digitalen Bereich letztlich jedoch weit weniger verdienen als bislang im analogen Bereich; das hängt mit den vergleichsweise niedrigen Endverkaufspreisen insbesondere digitaler offline Medien ebenso zusammen wie mit der weit größeren Anzahl an einer Produktion beteiligter Schöpfer, die sich in die Vergütung teilen müssen.

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5.3 Clearing-Stellen und gemeinschaftliche Rechteverwaltung

Die Nutzung geschützten Materials wird im digitalen Umfeld mehr noch als bisher zu einem Massengeschäft. Selbst zur Herstellung einer einzigen CD-ROM bedarf es in der Regel des Erwerbs einer Vielzahl einzelner Rechte; das gilt in noch größerem Maß für online Datenbanken. [Fn 46: Zum Problem der weitgehend unkontrollierbaren privaten Massennutzung vgl. bereits oben Ziff. 4.5.]
Damit stellt sich die Frage, welche Strukturen geeignet und imstande sind, die Bedürfnisse der Nachfrager nach möglichst problemloser und kostengünstiger Lizensierung zu befriedigen, ohne die Interessen der Urheber nach einer möglichst individuellen Verwertung über Gebühr zu beeinträchtigen.

In derartigen Fällen, in denen es für einen einzelnen Urheber angesichts der massenhaften Nutzung seiner Werke bislang nicht möglich oder zumindest nicht praktisch war, die Rechte selbst wahrzunehmen, hat er seine Rechte einer Verwertungsgesellschaft übertragen, die sie dann in seinem Auftrag den Nutzern gegenüber zusammen mit den Rechten anderer Urheber kollektiv wahrgenommen haben. [Fn 47: Dabei handelt es sich im wesentlichen um sog. Zweitverwertungsrechte, d.h. um Rechte, die nicht der Erstverwertung zuzurechnen sind, sondern die nur wirtschaftliche nachgeordnete Arten der Verwertung betreffen und/oder die die Urheber - wie etwa Kabelweitersenderechte - selbst nicht individuell wahrnehmen können.]
Darüber hinaus können die meisten der gesetzlichen Vergütungsansprüche nach dem UrhG allein durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden (dazu zählen vor allem die Kopierabgabe und die Verleihtantieme). Als faktische, rechtlich anerkannte Monopole unterliegen die Verwertungsgesellschaften aufgrund einer eigenständigen Gesetzgebung einem Abschlußzwang (§ 11

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WahrnG), d.h., sie können keinem Nutzer, der die von ihnen selbst aufgestellten Tarife bezahlt oder doch zumindest hinterlegt, [Fn 48: Die Tarife werden im Bundesanzeiger veröffentlicht (§ 13 WahrnG). Mit Vereinigungen von Nutzern sind die Verwertungsgesellschaften gesetzlich zum Abschloß von Gesamtverträgen verpflichtet (§ 12 WahrnG). Hält der Nutzer die geforderten Tarif für zu hoch und kommt eine Einigung nicht zustande, so kann er, sofern er die geforderte Vergütung nur hinterlegt, gleichwohl mit der Nutzung beginnen; ehe bindend die Gerichte entscheiden, ist der Streit vor die Schiedsstelle beim Deutschen Patentamt (DPA) zu bringen, die auf eine gütliche Einigung hinwirkt (§§ 14, 16 WahrnG).] die Nutzungserlaubnis verweigern. Aus diesem Grund ist auch eine Vergabe exklusiver Rechte nicht möglich, und schließlich haben die Rechteinhaber bei den in Verwertungsgesellschaften eingebrachten Rechten weitgehend die Kontrolle über die Festsetzung der Tarife verloren. Im digitalen Kontext bietet sich diese Art der Rechtevergabe durch Verwertungsgesellschaften also dort an, wo die Rechteinhaber die Kontrolle über einzelne Werke nicht unbedingt behalten möchten, wo die einzelnen Werke untereinander in hohem Maße substituierbar erscheinen, oder wo es sich um einen auch wirtschaftlich überschaubaren Bereich der Werkverwertung handelt (z.B. Rechte an kleinen Werkteilen; erschienene Sprachwerke und Beiträge zu Zeitschriften zur Nutzung in sog. Inhouse-Kommunikationssystemen u.a.).

Um darüber hinaus dem Bedürfnis der Rechteinhaber nach größerer Kontrolle ebenso zu entsprechen wie dem Bedürfnis der Nutzer (insbesondere der Multimediaproduzenten) nach einem vereinfachten Rechteerwerb, wie ihn auch die EU-Kommission in ihrem Grünbuch favorisiert, [Fn 49: Vgl. zum Grünbuch der EU(S. 69 ff.)nachfolgend Ziff. 8.3.] haben die Verwertungsgesellschaften inzwischen das Modell einer sog. Clearingstelle Multimedia (CMMV) entworfen. [Fn 50: Vgl. dazu Kreile/Becker, GEMA - Jahrbuch 1995/1996, S. 68, 90ff. (abrufbar unter http://www.gema.de/publik/ jahr96/mm.html). Weitere Informationen sind unter http:// www.gema.de/aktuell/cmmv.html erhältlich.
Vorbilder der deutschen CMMV waren das britische CLARCS (Copyright Licensing Agency's Rapid Clearing System) sowie das U.S. - amerikanische CCC (Copyright Clearing Center), deren Tätigkeit allerdings auf die Erteilung der Erlaubnis zur analogen Fotokopie beschränkt ist. - Ein der deutschen CMMV vergleichbares Projekt ist jedoch m Frankreich unter dem Namen SESAM geplant.]

Danach sollen alle Verwertungsgesellschaften in einer gemeinsamen Organisation zusammenarbeiten, die für die Nutzer der gemeinsame Ansprechpartner in Sachen digitaler Rechte sein soll (sog. one-stop shop). In einer ersten Phase wird sich die CMMV zunächst auf eine Rolle als Informationsvermittler beschränken. [Fn 51: Eine Informationsdatenbank mit Namen und Adressen von Fotografen und Bildrechtsinhabern will in Deutschland etwa auch das private, von der EU geförderte Projekt EISS der Bildagenturen aufbauen.]
Anfragen nach Rechteinhabern und Lizenzbedingungen hinsichtlich der einzelnen nachgefragten geschützten Werke soll die CMMV entweder aus ihrem eigenen Repertoire beantworten oder an die jeweiligen Berechtigten weiterleiten und den Nachfragenden die entsprechenden Informationen übermitteln. Die Rechte selbst erteilen könnte die CMMV dagegen allerdings erst in einem geplanten zweiten Stadium; das setzte jedoch voraus, daß die Rechteinhaber - die dann immerhin noch selbst die Nutzungsbedingungen und vor allem die Höhe der geforderten Vergütung festsetzen könnten - die CMMV über die Verwertungsgesellschaften zu einer derartigen direkten Rechtevergabe ausdrücklich ermächtigten.

Diesem zweiten Schritt stehen augenblicklich jedoch noch eine Reihe von Hindernissen entgegen. Zum einen dürften die meisten Verwertungsgesellschaften aufgrund von § 31 Abs. 4 UrhG [Fn 52: Vgl. dazu oben Ziff. 5.1.] gegenwärtig wenn überhaupt, so allenfalls nur in sehr beschränktem Umfang digitale Rechte innehaben. Selbst soweit die neueren Wahrnehmungsverträge ausdrücklich auf digitale Rechte Bezug nehmen, haben die Rechteinhaber den Verwertungsgesellschaften hier zum anderen Rechte bislang nur äußerst zögerlich übertragen. Angesichts der rechtlichen und vor allem der wirtschaftlichen Unsicherheiten hinsichtlich der digitalen Werkverwertung sind die Rechteinhaber augenblicklich kaum bereit, die Kontrolle über ihre Rechte aus der Hand zu geben. Im Bereich der von der GEMA verwalteten Musikrechte besteht darüber hinaus das Problem, daß sich die Urheber und Rechteinhaber bereits in früheren Wahrnehmungsverträgen das sog. Synchronisationsrecht (d.h. das Recht, Mu-

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sik mit anderen Werkarten zu verbinden) vorbehalten haben, so daß sie die Verwendung von Musik in digitalen Produktionen nach wie vor selbst kontrollieren können, sofern sie dies im Einzelfall wünschen. Schließlich wäre die Festlegung standardisierter Nutzungsbedingungen außerhalb des WahrnG (welche die kündige Tätigkeit der CMMV auf der geplanten zweiten Stufe sicherlich erleichtern würden) kartellrechtlich nicht unproblematisch.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: alle beteiligten Kreise sind aufgerufen, Lösungen zu entwickeln und praktisch umzusetzen, die zu einem möglichst reibungslosen und dennoch allseits befriedigenden Rechtsverkehr beitragen. Eine besondere Rolle dürfte dabei der sog. gemeinsamen Rechtevergabe (Clearing-Stellen) zukommen.

Abb. 5:
Funktionsweise der Clearingstelle Multimedia der Verwertungsgesellschaften (CMMV)

Druck-Ausgabe: Seite 38 = Leerseite


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1999

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