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1. Das Problem: Was ändert sich durch die neuen Technologien der Digitalisierung und Vernetzung?

Druck-Ausgabe: Seite 7

Wie jede technische Neuerung verändern auch die Digitalisierung und weltweite Vernetzung - die gegenwärtig unter den Stichworten „Multimedia", "Internet", "Datenautobahnen" und "globale Informationsgesellschaft" diskutiert werden - die Art und Weise, in der wir Menschen miteinander kommunizieren, unsere Geschichte bewahren und unsere Zukunft konstruieren.

Das gilt in ganz besonderem Maße für die Inhalte, die mittels der digitalen Technologie übermittelt werden sollen. Diese Inhalte wurden der Öffentlichkeit bislang in analoger Form zugänglich gemacht. Den rechtlichen Rahmen hierfür setzt das Urheberrecht, sofern es sich bei den Inhalten nicht lediglich um ungeschützte Daten oder bloße Informationen handelt, sondern um geschützte Werke (von Text, Musik und Bild bis hin zu Computerprogrammen und Datenbanken) oder um die Leistungen einer Reihe sonstiger, an der Kulturwirtschaft Beteiligter (insbesondere ausübende Künstler, Tonträger- und Filmhersteller, Sendeunternehmen). Das Urheberrecht sichert Schöpfern und Produzenten sowohl die Kontrolle als auch die Beteiligung an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer geschützten Werke und Leistungen. Es ist grundgesetzlich geschützt und menschenrechtlich verankert. Auf diese Weise werden die schöpferische Tätigkeit und die damit verbundenen Investitionen belohnt und die Urheber zur Schöpfung neuer Werke angeregt.

Um festzustellen, in welchem Umfang die neue Technik eine Anpassung des gegenwärtigen rechtlichen Instrumentariums erforderlich macht, gilt es zunächst die Frage zu beantworten, worin aus der Sicht des Urheberrechts das eigentlich Neue an Digitalisierung und Vernetzung liegt.

Keine Neuerung liegt zunächst in der Kombination mehrerer Werkarten in einem größeren Werk bzw. auf einem Datenträger; Tonträger und Filmwerke sind hier Beispiele aus der Vergangenheit. Auch das digitale Format der wiederzugebenden Daten ist nicht neu; hier kennen wir - wenn auch noch nicht lange - so doch immerhin mit eingehender rechtlicher Aufarbeitung Computerprogramme und Computerspiele. Ebensowenig neu ist schließlich die Vernetzung, sind mit dem Telefon- und dem Kabelnetz Netzwerke doch längst im Einsatz; auch der traditionelle drahtlose Rundfunk läßt sich als Netz verstehen, das jedoch keine Rückmeldung und damit auch keine Interaktivität zuläßt.

Neu ist vielmehr, daß sowohl Text- als auch Klang- und Bildinformationen (Fotografien wie Bewegtbilder) nunmehr sämtlich in digitaler Form dargestellt und gespeichert sind. Dadurch können sie alle vom gleichen Gerät erzeugt, bearbeitet und genutzt werden, und dies unabhängig davon, ob sie online oder offline angeboten werden. [Fn 1: Allerdings sind die Dateien der einzelnen Bestandteile noch immer zumeist in jeweils unterschiedlichen Formaten abgespeichert.]
Aus der Sicht der Urheber und Rechteinhaber von besonderer Bedeutung ist dabei,

  • daß Kopien in kürzester Zeit, zu niedrigen Kosten und ohne jeglichen Qualitätsverlust hergestellt werden können. Gegenüber der traditionellen Reprographie und der bisherigen Aufzeichnung auf Bild- und Tonträger liegt darin eine erheblich erhöhte Intensität privater Nutzungsmöglichkeiten, die mit der Verwertung der Originalerzeugnisse und damit den Interessen von Urhebern und Rech-

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    teinhabern an einer optimalen Kontrolle und Verwertung ihrer Rechte in Konflikt geraten kann. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn Dritte sich fremde Werke aneignen, um sie ihrerseits kommerziell zu verwerten;

  • daß digitale Datensätze in besonderem Maße anfällig gegen Manipulationen (oder besser: "Digipulationen") Dritter sind; dabei spielt es keine Rolle, ob der Dritte zur Nutzung des geschützten Werkes berechtigt ist oder nicht; und

  • daß sich in den grenzüberschreitenden, weltweiten Datennetzen - für die das Internet gegenwärtig nur das Modell ist - die Verwertung einzelner geschützter Werke und Leistungen kaum mehr kontrollieren läßt. Jeder Teilnehmer vermag seine einseitige Empfängerrolle zu verlassen und selbst zum Sender zu werden; jedermann wird nicht nur auf Datenbanken Zugriff nehmen können, sondern - so ein geflügeltes Wort - selbst zu einer Datenbank werden.

Abb. 1:
Von Gutenberg zum Informationshighway: Produktion und Vertrieb geschützter Werke zu sinkenden Kosten

Diese Veränderungen lassen einen exponentiell ansteigenden Bedarf nach vorbestehendem oder auch neu zu produzierendem Material entstehen, das von den Werkverwertern und Konsumenten in immer größeren Mengen verschlungen, verarbeitet und wieder vermarktet wird. Zugleich entsteht aus der Sicht der Urheber und Rechteinhaber ein Kontrollverlust, der bei digitalen online Medien (Internet, proprietary Networks, Intranets u.a.) noch erheblich größer ist als bei digitalen offline Medien (Disketten, DAT, CD-ROM, DVD u.a.). Hinzu kommen rechtliche Unsicherheiten, in einigen Fällen auch Lücken, die daher rühren, daß das Urheberrechtsgesetz sprachlich bislang an analogen Verwertungstechnologien ausgerichtet ist.

Rechtliche Unsicherheiten und der befürchtete Kontrollverlust könnten auf der einen Seite dazu führen, daß Investitionen in die digitale Infrastruktur gebremst und attraktive Inhalte nur mit kaum wünschenswerter Zurückhaltung bereitgestellt werden. Auf der anderen Seite befürchten viele Nutzer, durch eine Stärkung des Urheberrechts im digitalen Bereich vom Werkgenuß zunehmend ausgeschlossen werden zu können; Bibliotheken schließlich sehen ihre künftige Rolle als Informationsvermittler im digitalen Zeitalter gefährdet.

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Angesichts dieser Interessengegensätze gilt es, einen möglichst ausgewogenen, alle berechtigten Interessen nach Möglichkeit berücksichtigenden Ausgleich zu finden.

Abb. 2:
Traditionelle Rollenverteilung im analogen Bereich


Abb. 3:
Konvergenz der Rollen im digitalen Umfeld

Druck-Ausgabe: Seite 10 = Leerseite


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1999

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