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9. Weitere Empfehlungen und nächste Schritte

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In der Materialfülle der Diskussion über den Weg zur Informationsgesellschaft finden sich Statements zu nahezu allen denkbaren Stichwörtern. Auffallenderweise gibt es kaum Äußerungen von der „Front", dort, wo Multimedia gemacht wird, wo Telearbeit ins Laufen gekommen ist. Noch auffälliger ist, daß bisher keines der Umsetzungsprojekte für gescheitert erklärt wurde (selbst das gestoppte Multimediaprojekt in Baden-Württemberg hat allen Beteiligten Erkenntnisgewinne verschafft), daß noch keine der vielen Innovationsoffensiven (im Schnitt wird monatlich eine Innovationsoffensive zu Multimedia ausgerufen) steckengeblieben ist. Statistisch gesehen, sind also hundert Prozent der bisherigen Multimediaprojekte Erfolge und Teilerfolge. Ob man nun in Bund und Ländern nachhakt, ob in großen oder kleinen Unternehmen, ob bei den Verbänden, den Parteien, den Gewerkschaften, den Kirchen, den Medien, den Schulen - alle ohne Ausnahme scheinen sich auf dem rechten Weg in die Informationsgesellschaft zu befinden. So gesehen, muß man in Kenntnis der statistischen Wahrscheinlichkeiten innehalten und ins Grübeln kommen. Fragt man die Akteure im stillen Kämmerlein, dann wird einem allenfalls hinter vorgehaltener Hand bedeutet, es sei der Durchbruch - sprich: das jeweils gesetzte Ziel - doch nicht erreicht worden, aber man wolle niemanden demotivieren. Es ist so viel Begeisterung und Mittun im Spiel, es ist die „Baustelle Informationsgesellschaft" so groß und umfassend, daß niemand mit Skepsis und Zweifeln die laufende konkrete Arbeit stören mag. Es gibt jedoch einige Aussagen, die sich vom Muster her gleichen, daß man sie als hilfreiche Befunde interpretieren kann:

  • Es findet - trotz aller Bekenntnisse zum Wettbewerb, zum Markt und zu Umsetzungsstrategien - immer noch auffällig viel „Sponsoring" statt. Dies reicht vom in Milliardenhöhe subventionierten Internetzugang über hunderte von Millionen Spenden für Schulen und Hochschulen bis hin zu den Tausendmarkscheinen, die in jedem Kleinprojekt doch immer fehlen. Dies gilt für öffentliche Aktivitäten genau so wie für die Aktivitäten der Wirtschaft. Hier gilt es, die Strategien zu überprüfen und anstelle des auf Dauer gerichteten Sponsoring doch nach stabileren Finanzierungsmodellen im Public-Private-Sektor zu suchen. Es kann nicht auf Dauer gutgehen, wenn zum Beispiel ein vorbildlicher Internetauftritt einer Kommune in Süddeutschland im wesentlichen von zwei ABM-Kräften geleistet wird.
  • Es werden neue Arbeitskreise und Gesprächskreise inzwischen regelmäßig ohne Sichtung des bereits Erarbeiteten begonnen. Wohl bemerkt: Eine große gesellschaftspolitische Diskussion wie die über den Weg zur Informationsgesellschaft kann gar nicht genug Gesprächszirkel haben, aber es kostet jeweils für die Gesprächsteilnehmer viel Zeit, den aktuellen Stand der Diskussion zu erreichen. Insbesondere wird es für die Fachleute aus Industrie und Wissenschaft über der Zeitachse immer schwieriger, ein und dieselbe Aussage an einer Vielzahl von Orten und Zeitpunkten zu wiederholen, erste Ermüdungserscheinungen werden deutlich. Hier ist eine zeitstabile Einrichtung wie die Erarbeitung eines Masterplans mit klaren Dokumentationen des Wissenstands unabdingbar.
  • Die „Leapfrog Competition" nimmt zu, worunter zu verstehen ist, daß zum Beispiel Bundesländer oder Kommunen wie in einem Froschhüpfwettbewerb vor allem die eigene vorzeigbare Leistung im Auge haben, nur um eben „weiter zu springen als der andere". Dies gilt zum Teil sogar für die Unternehmen, die unterschiedliche Funktionen in der Wertschöpfungskette zu übernehmen haben. Hier wird es Aufgabe einer aktiven Moderation sein, die Kooperationspotentiale zusammenzuführen, um dem Markteintritt bzw. dem Infrastrukturaufbau über die kritische Schwelle zu helfen.

Wenn es nicht gelingen sollte, die Kräfte über einen Masterplan zu bündeln, dann droht ein erheblicher Tempoverlust auf dem Weg in die Infor-

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mationsgesellschaft. Es wäre verfehlt zu glauben, daß der allseits feststellbare Konsens über die Richtung ausreicht: Es muß neuer Schwung in das Projekt kommen, der sich nicht in „Events" erschöpft. Für die notwendige Zusammenführung der Diskussion ist nicht eine modische „Superkonferenz" auf dem Petersberg angesagt, sondern eher eine große Kommissionsarbeit, die als ein verbindliches Regierungsvorhaben angelegt ist und die Maßnahmen umsetzt.

Die zu leistende Arbeit muß professionell, das heißt eben auch in einer zeitstabilen Organisation umgesetzt werden. Der Beirat hat zu verschiedenen Gestaltungspunkten mehrfach die Frage erörtert, wie man den Mittelweg zwischen staatlicher und privater Initiative finden könnte. So wurde zum Beispiel immer wieder eine zu gründende öffentliche „Stiftung Medientest" als eine Möglichkeit angesehen, in Abstimmung mit den Akteuren z.B.

  • die „Internetpolitik" konzentriert voranzubringen,
  • eine proaktive Rolle für den Benutzer und Verbraucher einzunehmen
  • Aufgaben für die Forschung zu priorisieren und
  • die Vorbereitung von Gesetzesvorhaben zu bündeln.

Im Hintergrund stand dabei die Idee der „Stiftung Warentest", die als öffentliche Stiftung mit guter Publikumsresonanz auf ihren Gebieten deutliche Orientierungen für den Verbraucher gibt. Allerdings wurde zu Recht darauf verwiesen, daß das Wort „Medientest" zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte, denn es geht keineswegs um das „Testen von Inhalten", was ja in die Nähe von Zensur geriete.

Der Beirat hat verschiedentlich die bedeutsamen Beiträge von Stiftungen als „Transmissionsriemen" im Geflecht von Public-Private-Aufgaben gewürdigt. So sind die Beiträge des Centrums für Hochschulentwicklung der Bertelsmann-Stiftung gerade auf dem sensiblen Gebiet zwischen Bund und Ländern oder das erwähnte Kolleg „Mehrseitige Sicherheit" der Daimler-Benz-Stiftung im Interessengeflecht von Datenschutz und Datensicherheit herausragende Beispiele dafür, wie effektive Arbeit durch anerkannt „neutrale" Institutionen geleistet werden kann.

Die anzupackenden Probleme für den Weg in die Informationsgesellschaft sind auf der staatlichen Seite durchweg nur ressortübergreifend und auf der Seite der Wirtschaft nur unternehmensübergreifend zu betrachten. In der künftigen Medienordnung sind Bund und Länder gleichermaßen gefordert, die Abstimmung mit europäischen Initiativen ist zwingend erforderlich. Solche Arbeiten können nicht nur auf der politisch-entscheiderischen Seite angegangen werden, sie müssen fundiert sein in einer allseits anerkannten Aktivität auf Arbeitsebene, die deswegen von den Akteuren auch getragen werden muß. Man sollte sich diese zu schaffende Institution weder als eine neue Großforschungseinrichtung oder ein neues Fraunhoferinstitut vorstellen. Es paßt nicht in die Zeit, zentralistische Institutionen zu gründen. Andererseits ist angesichts der Größe der Aufgabe eine gewaltige Ressource notwendig, für die es nur ein Muster zu geben scheint: Eine hinreichend große Zentralinstitution, die einmal selbst genügend Arbeitskapazitäten aufweist und die zum anderen als Projektträger für das Netzwerk der Akteure fungiert. Es müssen Projekte sowohl von den verschiedenen Ministerien, von Bund und Ländern sowie von Wirtschaft und Gesellschaft wenigstens auf Arbeitsebene bzw. in der Entscheidungsvorbereitung koordiniert werden können. Dies deutet ausschließlich auf eine Public-Private-Konstruktion hin, wobei die Entscheidungsbefugnisse von Parlamenten einerseits und von Unternehmen andererseits nicht beschnitten werden können und sollen.

Der Beirat zur Enquête-Kommission hat die Fülle der Aufgaben einer solchen Institution mittelbar und unmittelbar dargestellt, viele Punkte sind in diesem Gutachten aufgeführt. Wenn man diese sorgsam interpretiert, sind daraus zum einen die Notwendigkeit eines Masterplans mitsamt dessen organisatorischer Umsetzung in einem großen Netzwerk deutlich. Es gilt zu prüfen, ob eine „Stiftung Informationsgesellschaft" das geeignete Instrument sein könnte, um die solide und koordinierende Basisarbeit zu leisten. Angesichts des hervorragenden Potentials von Experten in unserem Land könnte eine solche Netzwerkkoordinierung mit den wichtigsten Vorprojekten in kürzester Zeit angepackt werden.

Unabdingbare Voraussetzung für weitere Überlegungen ist jedoch der Schwenk zu einer aktiven innovationsorientierten Wirtschaftspolitik, zu einer

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auf Ausgleich und Konsens hin strebenden Gesellschaftspolitik, zu einer besseren Abstimmung zwischen Bund und Ländern in der Medien- und Kulturpolitik und nicht zuletzt einer glaubhaften Identifikation der politischen Spitze mit dem Projekt „Informationsgesellschaft".

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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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