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Von der Abfallwirtschaft zum Stoffstrom-Management : Gutachten / erstattet von Joachim H. Spangenberg ; Roda Verheyen. - Bonn, 1996. - 80 S. . - (Ökologische Marktwirtschaft). - ISBN 3-86077-535-9. - Electronic Ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1998. - Teil 2. © Friedrich-Ebert-Stiftung

3. Methodik des Stoffstrom-Managements

3.1 Umfang und Bedeutung von Stoffstrom-Management

Obwohl der Umweltschutz in Deutschland im internationalen Vergleich ein hohes Niveau erreicht hat und in einigen Bereichen dauerhaft (Gewässereutrophierung), in anderen zumindest zeitweise (Energieverbrauch) eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung erreicht werden konnte, kann die Gesamtbilanz der Umweltpolitik nicht als positiv bezeichnet werden. Relativen Erfolgen auf der Seite der Schadstoffminderung - effizientere Rückhaltetechnologien, Kreislaufführung von Einsatz­ und Reststoffen - stehen auf der anderen Seite deutliche Defizite bei der zukunftsfähigen Gestaltung der Stoffströme insgesamt gegenüber. Zwar sind im allgemeinen sowohl der Rohstoffverbrauch als auch die Emissionen pro Produkteinheit gesunken, doch hat das stetige Produktionswachstum diese Effizienzgewinne überkompensiert und zu insgesamt steigenden Stoffströmen geführt. Jede Bewegung von Stoffströmen ist jedoch unvermeidbar mit Auswirkungen auf die Umwelt verbunden, ohne daß diese im Einzelfall vorhersagbar wären.

Bereits die Erfahrungen der Vergangenheit mit den Versuchen der Erfassung und Bewertung ökologischer und toxikologischer Wirkungen von Schadstoffen in meist geringen Konzentrationen haben gezeigt, wie schnell der Versuch, Umweltauswirkungen von Stoffen zu erfassen, an meßtechnische und wissenschaftliche Grenzen stößt. Nimmt man hinzu, daß viele bisher als inert oder in ihren Auswirkungen zumindest als vernachlässigbar angesehene Stoffströme ebenfalls durch ihre "Inbewegungsetzung" lokale und in ihrer Gesamtheit globale Umweltauswirkungen hervorbringen, so wird deutlich, daß die Forderung nach einer quantitativen Vorhersage der zu erwartenden Umweltschäden als Grundlage eines Stoffstrom-Managements nicht geeignet sein kann. Ziel muß es vielmehr sein, im Sinne des Vorsorgeprinzips Umweltschadenspotentiale zu reduzieren, d.h. die weltweit in Bewegung gesetzten Stoffströme insgesamt auf ein ökologisch verträgliches Maß zurückzuführen. Dazu bedarf es nicht der wenig effizienten Regelung von Einzelstoffen (so notwendig diese aus human­ wie ökotoxikologischen Gründen im Einzelfall auch sein mag), vielmehr müssen darüber hinaus Instrumente entwickelt werden, die ganze Massenströme erfassen und die industrielle Dynamik im Sinne der Reduktion der Massenströme umlenken.

Eine Vielzahl von methodisch unabhängigen Untersuchungen deutet darauf hin, daß die weltweite Reduktion der Stoffströme um ca. die Hälfte ein dem Vorsorgeprinzip entsprechender Wert wäre3. Im Zentrum der Aufmerksamkeit des Stoffstrom-Managements stehen also nicht die Nanogramm an toxikologisch wirksamen Substanzen, die mit den herkömmlichen Mitteln der Umweltpolitik weiter bearbeitet werden können und müssen, sondern vielmehr die Megatonnen in Bewegung gesetzter Massen, zu deren Reduzierung bisher noch keine Konzepte vorliegen.

Stoffstrom-Management bedeutet damit grundsätzlich den aktiv gestaltenden Umgang mit Stoffströmen, die unter Berücksichtigung von ökonomischen und sozialen Aspekten durch entsprechende Änderungen der Rahmenbedingungen auf ein umweltverträgliches Volumen reduziert werden sollen. Dieses kann z.B. durch die Berechnung des Umweltraums4 angegeben werden, wobei die Meßmethodik auf der lebenszyklusweiten Erfassung aller in Bewegung gesetzten Stoffströme zur Herstellung eines bestimmten Produktes oder einer Dienstleistung beruht, ausgedrückt als Material-Input pro Service-Einheit mips5. Dieser Ansatz, ausgerichtet auf die Vermeidung von Schadenspotentialen6, soll dazu beitragen, daß Umweltschutz-Maßnahmen nicht mehr überwiegend erst als Reaktion auf eine Verschlechterung der Umweltqualität bis hin zu katastrophischen Ereignissen ergriffen werden, sondern bereits vorausschauend in das Wirtschaftshandeln einfließen können.7

Stoffstrom-Management bindet alle Akteure ein. Es soll zum größten Teil eigenverantwortlich durch Unternehmen und Konsumenten vollzogen werden und nicht nur die komplexen Stoffströme erfassen, sondern auch die Wechselwirkungen, die auf den verschiedenen Wirtschaftsebenen erfolgen. Stoffstrom-Management ist auf verschiedenen Ebenen möglich: Produkte, Einzelunternehmen, Branchen, Volkswirtschaft. Dabei müssen die übergeordneten Ziele und Rahmenbedingungen (Meßverfahren, Ordnungsrecht, Anreizsysteme, …) auf der staatlichen Ebene entwickelt werden. Hier herrscht noch ein auffälliger Mangel an geeigneten Rechtsinstrumenten, während sich im Bereich der Stoffstromerfassung (physikalische Input-Output-Tabellen8, regionale Stoffstrombilanzen9, etc.) sowie auf Firmenebene10 bereits eine Vielzahl von relevanten Ansätzen (full cost accounting, total quality management, eco-auditing etc.) etabliert haben.

Unternehmen können nicht unabhängig von ihrer (ökonomischen) Umwelt nach ethischen oder ökologischen An­ und Einsichten handeln: sie stehen als Akteure stets mit anderen Akteuren in einer marktorientierten Wechselwirkung. Daher ist ein Zusammenwirken aller Betriebe erforderlich, die sich in der Kette eines Stoffstroms befinden, um wirksame Stoffstromreduzierungen zu erreichen (Stichwort hier: supply side management). Weitere Akteure wie Verbände, Gewerkschaften und Konsumenten, haben im Rahmen des Stoffstrom-Managements ebenfalls spezifische Aufgaben und Ziele.

Auf Produktebene muß das Stoffstrom-Management bereits bei der Produktentwicklung einsetzen, um die Materialflüsse pro Produkt - oder genauer: pro vom Produkt geleisteter Dienstleistungseinheit11 - lebenszyklusweit zu minimieren. Hier spielt die betriebliche Produktentwicklung ebenso eine Rolle12 wie die staatliche Fiskal­ und Subventions­, Forschungs­ und Entwicklungspolitik.

3.2 Grundlagen und Konzepte des Stoffstrom-Managements

Obwohl der Begriff des Stoffstrom-Managements seit geraumer Zeit in der politischen Diskussion ist, gibt es bis heute keine allgemein gültige Definition. Wir verstehen hier darunter die zielorientierte, lebenszyklusweite Beeinflussung von Stoffströmen. Durch ein Stoffstrom-Management wird eine umfassende Reduzierung der Stoffströme pro Dienstleistungseinheit resp. des gesamtwirtschaftlichen Stoffdurchsatzes und damit der Umweltbelastung angestrebt. Kennzeichnend für das Stoffstrom-Management sind:

die systematische und ganzheitliche Betrachtung von Stoffströmen von der "Wiege" bis zur "Bahre" (oder erneut bis zur "Wiege") und

die instrumentelle Orientierung auf die auf allen Stufen des Stoffstroms beteiligten Akteure. Deren Vielzahl macht auch eine Pluralität des Instrumentariums von ordnungsrechtlichen Maßnahmen über ökonomische Anreize bis zu Aufklärung und Information erforderlich.

Neben dem Wuppertal Institut hat sich insbesondere die Enquête-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des 12. Deutschen Bundestags mit der Idee des Stoffstrom-Managements beschäftigt und versucht, Ansätze für eine Umsetzung zu finden. Die vier Kernelemente einer zukunftsfähigen Stoffwirtschaft sind nach ihrer Auffassung13:

die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen darf ihre Regenerationsrate nicht überschreiten,

nichterneuerbare Ressourcen dürfen nur in dem Umfang verwendet werden, in dem ein physisch gleichwertiger Ersatz in Form von erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird,

die Stoffeinträge in die Umwelt müssen die Belastbarkeit der Produktions­, Träger­ und Regelungsfunktion der Natur beachten (Assimilationsfähigkeit der Natur und Umweltmedien),

die räumlichen und zeitlichen Muster der Belastung dürfen die ebenfalls raum-zeitlich strukturierten Absorptionskapazitäten der Umwelt nicht überschreiten.

Die Enquête-Kommission geht in ihrem Bericht im wesentlichen von der Methodik der Input-Output-Betrachtungen aus. Ihre gegenwärtige Arbeit konzentriert sich auf die Festlegung nationaler Umweltziele und langfristig eines nationalen Umweltaktionsplans sowie auf die Entwicklung gezielter Steuerungsinstrumente auf Branchen­ wie auch auf Produktebene zur Durchsetzung des Stoffstrom-Managements.

Die genannte Zielsetzung stimmt zumindest teilweise mit der der Arbeiten überein, die im Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie durchgeführt werden. Bei diesen geht es darum, lebenszyklusweit die Materialintensitäten von Gütern und Dienstleistungen zu erfassen und nach politischen, ökonomischen und technischen Instrumenten zu suchen, diese Materialintensitäten langfristig um einen Faktor 10 zu verringern, um so bei gleichbleibendem Wohlstand im Norden und einer Chance für eine ökonomische Entwicklung im Süden zu einer Halbierung der globalen Stoffströme zu kommen. Da dieses Konzept und das der Enquête-Kommission sich in weiten Teilen ergänzen, beziehen sich die folgenden Ausführungen (sofern nicht explizit eine Quelle genannt ist) auf die beiden Quellen Enquête-Kommission und Wuppertal Institut, Abteilung Stoffströme und Strukturwandel.

3.2.1 Methodik des Stoffstrom-Managements

Die einzelnen Schritte des Stoffstrom-Managements, wie sie von der Enquête-Kommission entwickelt worden sind, orientieren sich an der Methodik der Ökobilanzierung. Sie sind grundsätzlich für alle Akteure (Unternehmen, Verbände, staatliche Organe) und auf allen Ebenen (global, national, regional, lokal) anwendbar, müssen jedoch in jedem Einzelfall konkretisiert werden.

Als erster Schritt erfolgt hierbei die Zielfestlegung. Neben den Zielen müssen die zu erfassenden Stoffströme definiert und in einer Bestandsaufnahme die Rahmenbedingungen und ihre Veränderbarkeit ermittelt werden.

Der zweite Schritt ist die Stoffstromanalyse. Dazu müssen zunächst sämtliche bewegte Mengen quantifiziert werden. Anschließend werden die handlungsrelevanten Stoffströme identifiziert (Stoffanalyse), sowie die an ihnen beteiligten Akteure (Strukturanalyse). Gegebenenfalls müssen noch Prognosen oder Szenarien künftiger Entwicklung erarbeitet werden.

Auf der Grundlage der Stoffstromanalyse erfolgt dann nach dem Modell der Enquête-Kommission eine Stoffstrombewertung anhand der einzelnen Schutz­ und Gestaltungsziele. Zusätzlich werden Abwägungen zwischen den einzelnen Zielbereichen (Ökologie, Ökonomie und Sozialverträglichkeit) vorgenommen. Darauf basierend werden Prioritäten gesetzt und mögliche Optionen für das Stoffstrom-Management gewichtet.

Im nächsten Schritt werden politische Strategien entwickelt und dazu die Maßnahmen gesucht, die in Kombination am besten geeignet erscheinen, die Stoffströme entsprechend der vorgegebenen Ziele zu beeinflussen.

Der letzte Schritt des Stoffstrom-Managements nach Vorstellung der Enquête-Kommission ist die Durchführung und Kontrolle. Die Maßnahmen müssen nun auf den verschiedenen Ebenen umgesetzt werden (staatlich, betrieblich, usw.). Die Umsetzung muß über Rückkoppelungen und Erfolgskontrollen bewertet und überwacht werden, damit gegebenenfalls eine Überarbeitung der Maßnahmenpläne erfolgen kann.

Diese von der Enquête-Kommission entwickelte Methodik des Stoffstrom-Managements, mit ihrer starken Orientierung an der Ökobilanzierung, ist neben den Stärken durch die bekannte und universell anwendbare Methodik jedoch auch mit Schwächen verbunden. Diese liegen insbesondere darin, daß das so verstandene Stoffstrom-Management (genauso wie die Ökobilanzierung) den Anspruch erhebt, die aus Stoffströmen resultierende Umweltbelastung insgesamt zu beschreiben. Dazu würde gehören, nicht nur alle beteiligten Stoffströme einschließlich sämtlicher Vorketten vollständig quantitativ erfassen zu können, sondern darüber hinaus auch alle ökologischen Effekte der Wechselwirkung dieser Stoffströme mit allen ökologischen Systemen, mit denen diese in Kontakt kommen, quantifizieren zu können. Dies ist aus verschiedenen Gründen jedoch nicht möglich:

Viele Interaktionen von Stoffströmen und Ökosystemen bewirken qualitative Veränderungen, die einer quantitativen Erfassung nur schwer zugänglich sind.

Neben der grundsätzlichen Schwierigkeit, daß die Interaktionen von Stoffströmen und Ökosystemen infolge ihres komplexen Charakters nie in endlich vielen Aussagen vollständig beschreibbar sind, ist die praktische Datenverfügbarkeit in der Ökotoxikologie auch von jeder Annäherung an das Ziel der vollständigen Beschreibung noch weit entfernt.

Sowohl die Auswahl der zu untersuchenden Interaktionen als auch die Aggregation (und dabei insbesondere die Wichtung) der Einflußfaktoren kann mangels umfassender Systemkenntnisse und infolge der Unterschiedlichkeit der zu wichtenden Umweltwirkungen nur subjektiv sein.

Diese "Unübersichtlichkeit" der Datengrundlagen für die notwendigen Stoffstrom-Steuerungsprozesse droht unsere politisch-ökonomischen Erfassungsysteme zu überfordern, so daß zur Schaffung von Transparenz und zur Definition von Steuerungsinstrumenten14 eine systematische Komplexitäts-Reduktion notwendig ist, die trotzdem über die ad hoc Problemlösung hinaus richtungssichere Entscheidungen erlaubt15. Präferenzentscheidungen sind insbesondere in der Politik16 immer Entscheidungen unter unvollständiger Information: dieser Zustand kann nicht aufgehoben, wohl aber der Umgang mit ihm systematisiert werden. Dazu zählt, von dem Anspruch einer absoluten Bewertung der Umweltfolgen abzugehen und sich auf die komparativen Folgen verschiedener Entscheidungsoptionen zu beschränken. Dann ist aber nicht mehr die Vollständigkeit, sondern lediglich die Richtungssicherheit der ausgewählten Indikatoren (als Maß der Umweltwirkungen, ohne den Anspruch, diese selbst darstellen zu wollen) und darauf bezogen die Vergleichbarkeit der Datensätze zu gewährleisten. Der Anspruch einer vollständigen, quantifizierenden Erfassung der Umweltbelastungspotentiale ist also unerfüllbar hoch, aber Annäherungen sind möglich.

Zur Operationalisierung dieser Herangehensweise wurde im Wuppertal Institut eine Analysemethode entwickelt, die auf der quantitativen Erfassung der Input-Seite von der Wiege bis zur Bahre beruht. Zentraler Begriff ist dabei die Ressourcenproduktivität, definiert als die Anzahl von Dienstleistungen, die mit einer gegebenen Menge an Material (einschließlich Energie, diese gemessen als die Masse der mit ihrer Bereitstellung und Nutzung verbundenen Stoffströme) erzeugt wird, bezogen auf den gesamten Lebenszyklus der hierfür eingesetzten Produkte. Dabei wird unter Dienstleistung oder - synonym - Service nicht wie üblich "nichtmaterielle Leistung" in Abgrenzung zu Sachgütern verstanden, sondern es werden als Dienstleistungen die Nutzungen definiert, die mit der Verfügung (Eigentum, Besitz, Nutzungsrechte) über ein Gut verbunden sind17. Die so definierte Service-Einheit ist identisch mit der funktionalen Einheit im Sprachgebrauch der Ökobilanzierungsmethodik: in diesem Sinne sind Sachgüter nur Trägermedien für Dienstleistungen. So können vom Endverbraucher genutzte Geräte und Infrastrukturen auch als "Dienstleistungserfüllungsmaschinen" bezeichnet werden.

Jedem eingesetzten Rohstoff, Zwischen­ und Endprodukt wird dabei ein "ökologischer Rucksack" zugerechnet, der aus der Summe aller (anteilig) für seine Bereitstellung aufgewendeten Massen zusammengesetzt ist, von der Wiege bis zur Wiege (im Falle von Recycling) respektive bis zur Bahre (im Falle der Deponierung). Auf diese Weise kann die auf den Ressourcenaufwand bezogene Umweltwirkung aller funktionell äquivalenten Güter direkt verglichen werden18.

Im folgenden werden die grundsätzlichen Charakteristika des Stoffstrom-Managements mit der derzeitigen Praxis der Abfallwirtschaft verglichen sowie die Grenzen der abfallwirtschaftlichen Beeinflussung von Stoffströmen skizziert.

3.2.2 Verhältnis der Abfallwirtschaft zum Stoffstrom-Management

Ein Vergleich zwischen Abfallwirtschaft und Stoffstrom-Management kann wie erwähnt nur eingeschränkt vorgenommen werden, da die Ansatzpunkte beider Politiken verschieden sind. Hinzu kommt, daß für ein umfassendes Stoffstrom-Management in der Praxis noch keine Erfahrungen vorliegen (ex ante Analyse), wohingegen die Abfallwirtschaft empirisch (ex post) analysiert werden kann. Allerdings befindet sich die Abfallwirtschaft derzeit in einem strukturellen Umbruch, so daß Aussagen über den zukünftigen Zustand der Abfallwirtschaft nur unter Einschränkungen gemacht werden können.

Bereits die Ziele von Stoffstrom-Management und Abfallwirtschaft sind unterschiedlich. Während das Stoffstrom-Management eine Verringerung des gesamten Stoffdurchsatzes der Volkswirtschaft durch die größtmögliche Ressourceneffizienz auf allen Ebenen des Wirtschaftens zum Ziel hat und dabei quasi als Nebeneffekt auch eine Verringerung des Abfallaufkommens herbeiführt, zielt die Abfallwirtschaft auf eine Minimierung von Volumen und Schädlichkeit bereits entstandener Abfälle sowie auf eine möglichst nachsorgefreie Verwertung oder Entsorgung. Eine Verminderung der lebenszyklusweiten Stoffströme tritt wenn, dann als Nebeneffekt dieser Zielsetzung ein.

Stoffstrom-Management ist damit der weit umfassendere Ansatz: Es beginnt bereits vor der Entwicklung eines Produktes, eines Verfahrens oder einer Dienstleistung. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollen die resultierenden Stoffströme abgeschätzt und Maßnahmen zu ihrer Reduzierung, z.B. durch Effizienzsteigerung getroffen werden. Die Verwertung respektive die Entsorgung, d.h. die eigentliche Domäne der traditionellen Abfallwirtschaft, bildet im Stoffstrom-Management nur das Endglied.

Im Stoffstrom-Management werden alle relevanten Stoffströme quantitativ erfaßt und auf Reduktionspotentiale überprüft. Daneben werden Untersuchungen über die den Stoffströmen zugrunde liegende regionale und ökonomische Struktur angestellt und so betriebliche, branchenbezogene, regionale oder nationale Stoffstrombilanzen erstellt19.

Abfallwirtschaft hingegen setzt erst dann an, wenn Produkte, Materialien oder Stoffe als Wirtschaftsgut untauglich geworden sind. Erst in den letzten Jahren wurde begonnen, getrieben vom bundesweit sich entwickelnden "Deponie-Notstand", im Rahmen der öffentlichen Entsorgung bestimmte Stoffströme aus dem Gesamtstrom der Abfälle zu separieren und einer Verwertung zuzuführen. Die Kriterien für die Separation dieser Stoffströme waren hauptsächlich die öffentliche Aufmerksamkeit (z.B. für die quantitativ marginalen Verpackungen), Durchsetzbarkeit und die Praktikabilität der Maßnahmen; über strukturelle Entwicklungen in der Abfallwirtschaft wurden und werden kaum Untersuchungen angestellt.

Stoffstrom-Management ist der Versuch, auf der Basis ökologisch definierter Ziele nach sozialverträglichen und kostengünstigen politischen Umsetzungsstrategien zu suchen, die während der Implementation überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden müssen. Die Abfallwirtschaft dagegen orientiert sich im wesentlichen an rechtlichen Vorgaben und daher im wesentlichen am Status quo. Stoffstrom-Management setzt damit auf einer früheren Stufe der politischen Willensbildung an, ist flexibler, aber auch - da nicht kodifiziert - "verletzlicher" gegenüber Partikularinteressen (z.B. Lobbying betroffener Branchen).

Erst seit kurzem werden Methoden entwickelt, die Instrumente des Stoffstrom-Managements aufzugreifen und diese auf die Abfallwirtschaft zu übertragen, um damit Entscheidungen fundierter und transparenter zu machen. Dazu gehört unter anderem die Erstellung von integrierten Abfallwirtschaftskonzepten, wie es das Bundesumweltministerium als Anlage zur TA Siedlungsabfall empfiehlt20. Diese Empfehlungen werden in der Praxis jedoch kaum berücksichtigt.

Zusammengefaßt zeigen die vorstehenden Ausführungen, daß

Abfallwirtschaft und Stoffstrom-Management nur insofern gemeinsame Ziele haben, als die Verringerung der Abfallmengen für das Stoffstrom-Management eine Nebenwirkung, für die Abfallwirtschaft aber ein Hauptziel ist,

Abfallwirtschaft nur ein Teilgebiet des Stoffstrom-Managements abdecken kann und

Maßnahmen des Stoffstrom-Managements nur zögerlich in die Abfallwirtschaft Einzug halten.

3.3 Maßnahmen und Instrumente des Stoffstrom-Managements

Ziel des Stoffstrom-Managements ist, wie erwähnt, die allgemeine Reduktion der umweltrelevanten Stoffströme21 ohne Einbußen bei der Lebensqualität. Danach bestimmen sich ihre Instrumente, d.h. im wesentlichen die ordnungsrechtlichen Instrumente (und hier insbesondere ein Stofflußrecht), die ökonomischen und die freiwilligen Instrumente.

3.3.1 Ordnungsrechtliche Instrumente

Seit der Etablierung des "Umweltrechts" als eigenständiger Rechtsbereich Anfang der 70er Jahre wurde eine Vielzahl von ordnungsrechtlichen Instrumenten entwickelt, die sich hinsichtlich des Ansatzes, des Zeitpunktes und der Intensität des staatlichen Eingriffs unterscheiden.

Es wird insbesondere zwischen Ge­ und Verboten unterschieden. Gebote schreiben ein bestimmtes Verhalten, eine bestimmte Technik usw. vor. Verbote einschließlich Grenzwertsetzungen legen dagegen nur fest, welche Verhaltensweisen unterlassen werden müssen und lassen somit unter Umständen einen wesentlich größeren Freiraum als Gebote. Gebote sind Pflichten, Verbote/Grenzwerte in der Regel konditionierte Erlaubnisse, die festlegen, welches Ziel erreicht werden soll, nicht aber, wie das zu geschehen hat; sie sind insofern innovationsoffener. Das Ordnungsrecht zielt durch Ge­ und Verbote auf die detailgetreue Umsetzung konkreter, meist quantifizierbarer Ziele. Richtungsentscheidungen ("weniger Stoffeinsatz") und Qualitätswertungen sind ihm wesensfremd.

Das ordnungsrechtliche Instrumentarium kann darüber hinaus mit volkswirtschaftlichen Ineffizienzen verbunden sein, wenn zur Umsetzung ökologischer Ziele Maßnahmen ergriffen oder induziert werden, die zwar zielführend sein können, aber nicht mit der größtmöglichen volkswirtschaftlichen Effizienz verbunden sind. Dies kann geschehen, wenn politische Planer die bevorzugten Wege der Entwicklung vorschreiben, ohne daß eine marktbasierte Kostenoptimierung erfolgt ist. Neben diesem grundsätzlichen Problem des Ordnungsrechts führt seine spezifische Ausgestaltung in Deutschland mit der starken Betonung meßtechnischer und verfahrenstechnischer Aspekte im Vergleich zu anderen europäischen Staaten zu überdurchschnittlichen Ineffizienzen22. Die Verpackungsverordnung als ein besonders prominentes Beispiel ordnungsrechtlicher Regelung schreibt für die Verwertung gebrauchter Verpackungen bestimmte Quoten vor23. Diese können nur über ein (in diesem Falle privat) subventioniertes System erreicht werden24. Durch die Subventionierung kommt es zu Fehlallokationen, beispielsweise werden unwirtschaftliche Verwertungsmethoden wie die Hydrierung forciert.

Gerade im Hinblick auf ein Stoffstrom-Management mit dem Ziel einer effizienten Ressourcennutzung gibt es deshalb berechtigte Zweifel an der Eignung des heutigen ordnungsrechtlichen Instrumentariums und der etablierten Form seiner administrativen Durchsetzung. Die gegenwärtige Deregulierungsdebatte mit ihrer Fokussierung auf einen Abbau von umweltrechtlichen Regelungen anstatt auf die effiziente Implementation verfehlt aber das Strukturproblem des deutschen Ordungsrechts völlig und ist deshalb auch gegenüber dem Phänomen des Vollzugsdefizits weitgehend hilflos. Allerdings zeigen niederländische Erfahrungen, daß eine kooperative Ausgestaltung des Rechtsrahmens und die Bevorzugung freiwilliger Vereinbarung statt ordnungsrechtlicher Lösungen ebenfalls nicht vor einem erheblichen Vollzugsdefizit schützen. Wie weit der vom Presidents Council on Sustainable Development vorgeschlagene neue US-Ansatz25 (Verfahrensvereinfachung bei Ziel-Übererfüllung) dieses Defizit beheben kann, ist mangels Praxiserfahrung noch nicht absehbar.

Das ordnungsrechtliche Instrumentarium belastet darüber hinaus im Bereich anlagenbezogener Vorschriften kleine und mittlere Unternehmen relativ stärker als große Unternehmen. So sind die notwendigen Investitionen bezogen auf das Produktionsvolumen für kleine Unternehmen vergleichsweise höher als für große Unternehmen; ähnliches gilt für die notwendigen Kapazitäten, um über die Entwicklung der Rechtslage mit all ihren Verwaltungsvorschriften und technischen Anleitungen auch nur vollständig informiert zu sein. Dies zeigte sich im Geltungsbereich der Verpackungs-Verordnung beispielhaft auf der Entsorgungsseite, wo mittelständische Unternehmen mit einer überwiegend geringen Eigenkapitalausstattung besonders gelitten haben26.

Darüber hinaus führt der vom Grundsatz der Gefahrenabwehr ausgehende eher auf nachsorgende Begrenzungs-Maßnahmen ausgerichtete Charakter ordnungsrechtlicher Vorschriften, insbesondere wenn die Anwendung bestimmter Techniken vorgeschrieben wird, zu unproduktiven Investitionen (z.B. wirkt sich der Einbau einer Filteranlage nicht positiv auf den Ertrag des Unternehmens aus). Derartige Investitionen können zwar die Gewinnspanne kleinerer und größerer Unternehmen in ähnlichem Maße treffen, die absolute Höhe der Investitionen dagegen belastet kleine und mittlere Unternehmen stärker als Großunternehmen.

Weiterhin liefern ordnungsrechtliche Instrumente nur geringe Anreize, Belastungen über das vorgegebene Maß hinaus zu reduzieren. Zwar kann eine gewisse Dynamik über die Vorgabe erzielt werden, daß der "Stand der Technik/Stand von Wissenschaft und Technik" erreicht werden muß, jedoch hinken die "anerkannten Regeln der Technik" neuesten technischen Errungenschaften oft weit hinterher. Die Verpflichtung, den Stand der Technik zu beachten, kann dazu führen, die Industrie in ihrer Suche nach technischen Verbesserungsmöglichkeiten zu demotivieren, da jedes Ergebnis die Fortschreibung des Standes der Technik und damit z.T. die Notwendigkeit weiterer unproduktiver Investitionen zur Folge hätte, also finanziell "bestraft" würde - so entsteht ein negativer ökonomischer Anreiz.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Durchsetzung einer effizienten Ressourcenschonung über das Ordnungsrecht bis jetzt nicht erreicht wurde und auch kaum möglich scheint. Die Einbeziehung von Quantitäts-Aspekten in das Ordnungsrecht könnte an § 17 Chemikaliengesetz oder an § 14 Abfallgesetz ansetzen, allerdings mit begrenzter Reichweite. Ordnungsrecht ist zwar überall dort sinnvoll und auch notwendig, wo die Schutzpflichten für die natürlichen Lebensgrundlagen erfüllt werden müssen (z.B. Verbot giftiger Stoffe, Grenzwerte für umweltbelastende Substanzen, festgelegt z.T. in technischen Anleitungen wie der TA Abfall, TA Siedlungsabfall etc.), aber weitaus weniger dort wo es darum geht, eine langfristig wirkende Dynamik zur Steigerung der Ressourcenproduktivität zu initiieren.

Lokale bzw. regional differenzierte Umweltqualitätsziele, so sie denn existieren, durch ordnungsrechtliche Regelungen umzusetzen, ist bis jetzt noch nicht gelungen - integrierte Qualitätsstandards, die mehrere Umweltmedien umfassen, sind dem Ordnungsrecht fremd. Hier ist es unter anderem notwendig, nicht mehr nur die Schadstoff-Konzentrationen in den einzelnen Umweltmedien oder auf den einzelnen Deponien zu betrachten, sondern die umweltrelevanten Stoffströme als Ganzes zu analysieren, zu lenken und zu reduzieren. Ein erster rechtlicher Ansatz dazu findet sich in der Forderung nach integrierten Umweltqualitätszielen der EU - IPPC - Richtlinie27, die im Sommer 1996 voraussichtlich verabschiedet werden wird und deren Umsetzung in deutsches Recht mit Spannung erwartet wird28.

Bei der Produktion von Gütern wird der Stoffeinsatz vom Ordnungsrecht aufgrund seiner spezifischen Ausrichtung auf die Gefahrenabwehr nur unter dem Aspekt der Schadstoffvermeidung erfaßt; gleiches gilt für das Produktdesign und die Produktverwendung. Eine Transparenz der Stoffströme ist ebenfalls nur in Bezug auf Schadstoffe (und auch hier nicht vollständig) vorhanden.

Eine vorsorgende Umweltpolitik kommt ohne das Instrument Ordnungsrecht sicherlich nicht aus, insbesondere wenn es um die Gefahrenabwehr geht. Soll diese jedoch erfolgreich sein, so setzt das neben dem geeigneten Rechtsrahmen auch eine durchsetzungsfähige Vollzugsbehörde voraus. Für die Ziele des Stoffstrom-Managements ist jedoch das Instrumentarium in seiner Reichweite zu begrenzt und zu sehr mit den genannten strukturellen Ineffizienzen verbunden.


Formal läßt sich die Verbindung von Wohlbefinden oder Lebensqualität (eine zugegebenermaßen kaum eindeutig und abschließend definierbare oder gar quantifizierbare Größe) und Stoffströmen wie folgt darstellen:

(1) WB = MG x S/MG x WB/S, WB = Well-Being, Wohlbefinden , S = Services, Dienstleistungen, MG = genutzte Massen

(2) wobei MG/MU = EU wobei MU = der Umwelt entnommene Massen und EU = Effizienz der Umweltnutzung

(3) und somit WB = (MU x EU) x S/MG x WB/S

Die obige Gleichung ist eine Tautologie, die dazu dient, durch die Identifikation von Einzelfaktoren politische Handlungsansätze aufzuzeigen:

  • Die genutzte Masse MG kann durch Preise, Zertifikate und freiwillige Instrumente begrenzt werden, wobei die Preise ihrerseits durch Steuern und Abgaben gezielt und durch Zertifikate indirekt beeinflußt werden. Sind dabei die übrigen Faktoren konstant, führt dies jedoch nach Gleichung (1) zu einer Abnahme der verfügbaren Dienstleistungen und damit des Wohlbefindens. Wird jedoch die genutzte Masse konstant gehalten, aber die Effizienz der Umweltnutzung EU erhöht, so können nach Gleichung (3) die anthropogen induzierten umweltwirksamen Stoffströme MU ohne Einfluß auf die resultierende Lebensqualität reduziert werden.
  • Die ökologische Produktivität von Produkten und Dienstleistungen S/MG kann durch eine ressourceneffizientere Herstellung, eine höhere zeitliche Auslastung in der Gebrauchsphase sowie durch eine längere Nutzungsdauer (einschließlich Wiederverwendung) erhöht werden29. Denkbare Instrumente hierzu sind u.a. erhöhte Ressourcenpreise zur Erhöhung der Rentabilität von Effizienzmaßnahmen, ggf. durch Neu-Design erleichterte neue Formen der Produktnutzung (z.B. pooling, sharing) zur Erhöhung der Nutzenfrequenz und Normen, Mindestgarantiezeiten oder freiwillige Maßnahmen zur Erhöhung der Nutzungsdauer. Letztere können mit ökonomischen Anreizinstrumenten gekoppelt werden (Produzenten-Abgaben auf zu entsorgende Produkte, Subventionen).
  • Der subjektive Nutzenfaktor WB/S kann durch nutzergerechtere Dienstleistungen S (qualitative Verbesserungen) sowie durch Werte­ und Präferenzwandel (Suffizienz, Mode, …) verändert werden.

3.3.2 Ein neues Stoffrecht

Traditioneller Regelungsgegenstand des primären Stoffrechts (das Recht der Gefahrstoffe, vor allem das Chemikalien­ und Abfall-Recht) sind Schadstoffe und ihre Risiken, sowie im sekundären oder medienbezogenen Stoff­ und Anlagenrecht (Wasser­, Immissionsschutz und Bodenrecht) die Qualität der Zielmedien. Diese Regelwerke vollziehen eine ex-post Betrachtung: Anstatt die Einsatzstoffe zu regulieren, werden Anforderungen an die Freisetzung von Stoffen gesetzt30. Stoffströme werden somit vom geltenden Recht kaum erfaßt: es gibt generell im deutschen wie im europäischen Recht kein allgemeines Stoffregime. Das primäre Stoffrecht kann daher auch als ein Recht der punktuellen Schadstoffkontrolle bezeichnet werden, das am Anfang und Ende der Stoffkette regulierend eingreift. Demgegenüber muß ein modernes Stoffrecht die Anforderungen erfüllen, die das Leitbild der nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung stellt: das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben muß so reguliert werden, daß

1. der Verbrauch erneuerbarer Ressourcen an deren Regenerationsfähigkeit ausgerichtet ist,

2. nicht erneuerbare Ressourcen sparsam verbraucht werden und

3. Stoffeinträge in die Umwelt sich an der Aufnahmefähigkeit und Belastbarkeit der Umweltmedien orientieren31.

Insgesamt leidet die derzeitige Rechtslage an den zahlreichen, sich ohne immer klare Abgrenzung überlagernden einzelnen Regimen, die einem lebenszyklusweiten Stoffstrom-Management strukturell entgegenstehen (z.B. BImSchG, WHG, AbfG). Zwar bestehen in vielen umweltrelevanten Gesetzen Ansätze, das Prinzip der Nachhaltigkeit im Sinne einer ressourcenspezifischen Ausprägung des Vorsorgeprinzips anzuwenden32. Eine solche Pflicht zur Vorsorge, die bereits bei der Ressourcenentnahme ansetzt, ist als Steuerungsinstrument im Hinblick auf die Regulierung von Stoffflüssen insgesamt als fortschrittlich einzustufen. Allerdings sind diese Ansätze, mittelbar über das Prinzip der Nachhaltigkeit Stoffströme zu steuern, sehr lückenhaft und werden auf der Vollzugsebene nicht oder ungenügend ausgenutzt33.

Insofern zielt der Versuch der Bundesregierung in die richtige Richtung, durch ein einheitliches Umweltgesetzbuch (allgemeiner und besonderer Teil) eine bessere Abstimmung unter den umweltrechtlichen Regelungen zu erreichen. So sollen z.B. Umweltleitpläne nach den Grundsätzen der Funktions­ und Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts sowie der Möglichkeit der Erneuerbarkeit der verbrauchten Naturgüter erstellt werden34. Die Umweltfolgenprüfung soll durch frühzeitige Erfassung und Bewertung der Umweltauswirkungen von Vorhaben Gefahren und Risiken für Mensch und Umwelt vermeiden. Deshalb ist es besonders bedauerlich, daß mit dem Entwurf 35 insbesondere des besonderen Teils der Versuch verknüpft wurde, bestehende Schutzvorschriften nicht klarer zu fassen, sondern abzubauen, so daß er auf massiven Widerstand der Umweltorganisationen gestoßen ist36, die eigentlich seine allerersten Promotoren sein sollten.

Bei der Entwicklung eines neuen umfassenden Stoffrechts muß unterschieden werden zwischen der Regulierung von Schadstoffen, insbesondere aus Gründen des Gesundheitsschutzes, die durch Ausbau des bestehenden Instrumentariums erreicht werden kann (Gefahrenabwehr im engeren Sinne), und der Regulierung von Stoffen resp. Stoffströmen, die indirekt oder durch ihre Masse (einschließlich der durch ihre Gewinnung in Bewegung gesetzten Rucksäcke) Umweltprobleme verursachen. Ziele dieses neu zu entwickelnden Rechtsbereiches, hier als Stofflußrecht bezeichnet, sind die Reduzierung und Verlangsamung der Stofflüsse, die Minderung von Stoffverlusten mittels Regelungen z.B. über Lebensdauer, Verwertung und Stoffvermischung.

Da das Stoffstrom-Management wie erwähnt auf unterschiedlichen Ebenen eingreift, müssen diese verschiedenen Ebenen auch bei der Betrachtung des Wirkungsgrades der rechtlichen Instrumente berücksichtigt werden. Ein integriertes Stoffstromrecht muß eine Vereinheitlichung und bessere Verzahnung stoff­ und produktbezogener Rechtsakte37 auf allen Ebenen der Stoffdurchsätze gewährleisten. Diese sind: Rohstoffgewinnung einschließlich der Energieträger, Herstellung, Verarbeitung und Transport von Grundstoffen, Güterproduktion (Herstellung von "Dienstleistungserfüllungsmaschinen"), Ge­ und Verbrauch (Inanspruchnahme der Dienstleistungen), Redistribution, Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung38. Allerdings schränkt der internationale Trend zum Abbau von Handelshemmnissen durch die WTO und die EU die Möglichkeiten für produktbezogene Regelungen in den Einzelstaaten und noch mehr entsprechende Auflagen für Importgüter heute sehr ein.

Für die Entwicklung eines Stofflußrechts besteht noch ein z.T. erheblicher Forschungsbedarf. Dieser ist zum Beispiel in den Bereichen der Standardisierung, in der Feststellung verfassungsrechtlicher Möglichkeiten und der internationalen Einbindung (EU-Recht, OECD-Übereinkommen, Umsetzung internationaler Konventionen) besonders eklatant.

3.3.3 Ökonomische Instrumente

Der wichtigste Steuerungsfaktor der Marktwirtschaft sind die Preise von Gütern. Diese haben im wesentlichen eine Signalfunktion als Maßstab für die Knappheit von Gütern (durch ökologische Steuern/Abgaben modifizierte Preise sollen zukünftige Knappheiten im Sinne des Vorsorgeprinzips vorwegnehmen) sowie eine Lenkungsfunktion, da Preise die Tätigkeit der Wirtschaft lenken und koordinieren.

In einer "idealen Marktwirtschaft" spiegeln die Preise theoretisch auch die Knappheit der Umweltgüter (Quellen wie Senken) wider und sorgen so für eine optimale Faktorenallokation auf der Basis aktueller Knappheiten. In der Praxis sind jedoch die Preise weit davon entfernt, ein derartiges Optimum herzustellen39, denn

Preise spiegeln das Gleichgewicht von käuflichem Angebot und kaufkräftiger Nachfrage wider. Solange das gegenwärtige Angebot jedoch die Nachfrage deckt oder gar übersteigt, beeinflussen auch absehbare zukünftige Knappheiten den gegenwärtigen Preis nicht signifikant.

Öffentliche Güter wie Umwelt haben keinen (Knappheits­) Preis, sondern neben den Gewinnungskosten zusätzlich höchstens politisch gesetzte Nutzungskosten.

Nachfrage, die nicht mit Kaufkraft verbunden ist (zukünftige Generationen, sozial Schwache), ist nicht preiswirksam; Angebote, deren Nutzung nicht mit Geldtransfers verbunden sind ("commons": Landschaftsgenuß, frische Landluft, …), haben einen Wert, aber keinen Preis.

Während die Gewinne den ökonomischen Akteuren zufließen, wird ein Teil der Kosten (Umwelt­ und Sozialkosten) externalisiert, d.h. von der Allgemeinheit getragen (Sanierungskosten, Kosten der Sozial­ und Gesundheitssysteme). Die Preise sagen damit nicht die "ökologische Wahrheit" (E.U. von Weizsäcker).

Viele Märkte sind nicht von freiem Wettbewerb geprägt, sondern "vermachtet" (Monopolbildung, Kartelle, etc.), so daß Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber entstehen und die Preise weiter verzerrt werden.

Die theoretischen Annahmen, die dem Modell einer "idealen Marktwirtschaft" zugrunde liegen, sind also in der Realität nicht gegeben; insbesondere die ökologischen und sozialen Güter werden vom Markt vernachlässigt. Dies bedeutet eine immer größer werdende Diskrepanz zwischen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten. Es kommt volkswirtschaftlich zu einer Vergeudung von Rohstoffen (Fehlallokation) und zu einer Übernutzung der Natur.

Ein weiterer Faktor, der sich auf die Preise auswirkt, sind die durch Steuern oder Abgaben bewirkten Kosten. Lohnsteuern und Sozialabgaben machen 62% des heutigen Steuer­ und Abgabenaufkommens in der Bundesrepublik aus (1993). Damit wird der Faktor Arbeit überhoch und auch im Vergleich zu anderen OECD-Staaten überdurchschnittlich belastet. Diese Belastung hat sich in Deutschland zwischen 1970 und 1993 um rund 40% erhöht; der Steueranteil für die Nutzung von Natur hat sich um 22% verringert und liegt heute bei 9%40. Dieser Trend läßt sich fast gleichartig für alle betrachteten OECD-Staaten feststellen. Deutschland weist im Vergleich 1990 die zweithöchste Belastung des Faktors Arbeit und eine niedrige Belastung des Faktors Natur auf (für die Folgejahre wurde jedoch eine Steigerung der Naturnutzungskosten prognostiziert). Dementsprechend gibt es in den OECD-Staaten derzeit eine erhebliche Übernutzung der Umwelt und eine Unternutzung des Faktors Arbeit, die sich in 32 Millionen Arbeitslosen niederschlägt.

Die derzeitige fiskalische Situation ist also in vielerlei Hinsicht kontraproduktiv für ein ressourceneffizientes Handeln der Wirtschaft. Die Rationalisierungswellen der letzten Jahre haben sich folgerichtig in erster Linie auf die Reduzierung der Arbeitskosten/Lohnstückkosten konzentriert (zunächst durch Reduktion des Arbeitseinsatzes, teilweise auch durch Reallohnsenkungen), nicht aber auf die Menge des Materialeinsatzes. Soll dies geändert werden, so ist es Aufgabe der Politik, durch Eingriff in die Preisbildung über ökonomische Instrumente für eine Preisgestaltung zu sorgen, die der heutigen Faktorkonstellation (viel Arbeit und Kapital, aber wenig Umwelt-Ressourcen) gerecht wird.

Im Vergleich zum Ordnungsrecht können ökonomische Lenkungsinstrumente eine weit höhere Dynamik hervorrufen: Da sich Umweltinvestitionen bei veränderter Abgabenpolitik rentieren, wird nicht nur ein vorgeschriebenes Umweltniveau erreicht, sondern es bleibt grundsätzlich, d.h. jenseits der Grenzwerte, ein ökonomischer Anreiz für Umweltentlastungen erhalten. Sie wirken damit zwar nicht immer zielgenau, aber richtungssicher und entsprechen insofern strukturell der Zielsetzung des Stoffstrom-Managements.

Wesentliche ökonomische Instrumente sind:

der Abbau ökologisch kontraproduktiver Subventionen sowie die Umschichtung und ökologische Umgestaltung von Subventionen,

die ökologische Gestaltung von Gebühren und Beiträgen im Sinne einer Reduzierung von Stoffströmen,

die Umgestaltung bestehender Steuern und Sonderabgaben unter mit dem Ziel der Stoffstrom-Reduktion,

die Erhöhung bestehender bzw. die Einführung neuer Abgaben auf unter Stoffstromaspekten unerwünschte Tatbestände,

die Ausgabe von Lizenzen und handelbaren Zertifikaten, die zur Ressourcennutzung berechtigen (Input-Zertifikate).

Auch das Umwelthaftungsrecht hat wirtschaftliche Auswirkungen und kann deshalb als ökonomisches Instrument genutzt werden.

Subventionen

Bei Subventionen ist zwischen indirekten und direkten Subventionen zu unterscheiden. Direkte Subventionen sind Zahlungen oder geldwerte Zuwendungen an ökonomische Akteure, die mit realen Transferleistungen verbunden sind (z.B. in den Bereichen Landwirtschaft oder Bergbau). Indirekte Subventionen oder Schattensubventionen sind Maßnahmen der Förderung bestimmter Wirtschaftssubjekte durch das Nichterheben möglicher Einnahmen, zum Beispiel durch die kostenlose Zurverfügungstellung kostenträchtiger Objekte wie Parkraum in Städten. Obwohl sich die öffentliche Debatte weitgehend auf die direkten Subventionen konzentriert, übersteigen die indirekten Subventionen, zum Beispiel im Verkehrsbereich zugunsten des Pkw, die ersteren erheblich.41

Subventionen sind insofern relevante Instrumente des Stoffstrom-Managements, als sie bereits heute durch ihre Vergabepraxis Stoffströme maßgeblich beeinflussen - ein Subventionsumbau unter ökologischen Gesichtspunkten ist überfällig und sein Potential erheblich42. Zur Zeit gehen Subventionen (meist als Erhaltungssubventionen) überwiegend an traditionelle Branchen wie den Primärsektor und die Grundstoffproduzenten mit Stoffdurchsätzen, die weit über dem Durchschnitt der Volkswirtschaft liegen, so daß die gegenwärtige Ausgestaltung der Subventionen tendenziell erheblich zur Erhöhung und Beschleunigung der Stoffströme beiträgt.

Trotz einer seit Jahren anhaltenden Debatte um die Notwendigkeit des Subventionsabbaus sind in der Praxis bisher keine entscheidenden Schritte getan worden (von einer nach Umweltkriterien ausgerichteten Gestaltung ganz zu schweigen). Ein Grund dafür ist, daß die Subventionsempfänger auf Arbeitgeber­ wie auf Arbeitnehmerseite häufig etablierte und wohlorganisierte Interessengruppen darstellen, während die Vertreter innovativer ressourceneffizienter Projekte, die einer Anschubhilfe bedürften, gerade diejenigen sind, die sich erst noch eine bedeutende Stellung im Markt erkämpfen müssen. Sie sind daher in der Regel nicht in der Lage, eine vergleichbare Lobbyfunktion für die Interessen von morgen zu übernehmen, wie traditionelle Branchen es für die Interessen von gestern tun (Kohlebergbau und Windparkbetreiber mögen hier als Beispiele stehen). Hier ist der Ausgleich durch staatliches Handeln gefordert.

Die Tatsache, daß Subventionen aufgrund der Struktur der Empfängerbranchen heute mit hoher Wahrscheinlichkeit weit überwiegend Stoffstrom-Vermehrungssubventionen sind, spricht nicht gegen das ökonomische Instrument der Subvention als solcher - vielmehr ist es durchaus notwendig und sinnvoll, Subventionen als ein Steuerungsinstrument auf dem Wege zum Stoffstrom-Management zu nutzen. Dabei kann es sich um Subventionen für Forschungs­ und Entwicklungsarbeiten handeln, um Markteinführungshilfen für neue Technologien und anderes mehr, so lange die Grundsätze einer effizienten Subventionspolitik beachtet werden, insbesondere die Hilfe zur Selbsthilfe, die zeitliche Befristung, eine angemessene Selbstbeteiligung und die Vermeidung unerwünschter Kumulations­ und Mitnahmeeffekte.

Ein zügiger, aber sozialverträglicher Abbau der beschriebenen Stoffstrom-Vermehrungssubventionen respektive ihre teilweise Umlenkung in andere, ökologisch wie sozial vorteilhaftere Projekte wäre der Einstieg in den Abbau des gegenwärtigen ungeplanten und dysfunktionalen Stoffstrom-Managements. Hier könnten signifikante Umweltentlastungen zugleich mit Ausgabeneinsparungen der öffentlichen Hand erreicht werden.

Abgaben

Abgaben ist im Umweltrecht der Sammelbegriff für Steuern, (Sonder­) Abgaben, Gebühren und Beiträge, die sich im wesentlichen durch ihre unterschiedliche Zweckbindung sowie durch die verschiedene Erhebungspraxis (bei allen oder nur bei besonders Pflichtigen) unterscheiden. Sie können an verschiedenen Stellen ansetzen, zum Beispiel am Produkt, am Verfahren, oder an den Emissionen.

Eine Überarbeitung unseres Abgabensystems ist notwendig, um eine Umkehrung des gegenwärtigen Verhältnisses von teurer Arbeit und billiger Natur zu erreichen, das die Faktorenkonstellation des 19. Jahrhunderts widerspiegelt und heute sozial wie ökologisch falsche Allokationen auslöst. Für die konkrete Ausgestaltung einer derartigen Grundüberarbeitung unseres Abgabensystems müssen zahlreiche weitere Kriterien ins Kalkül gezogen werden, die sich aus finanzwissenschaftlicher, ordnungspolitischer und verteilungspolitischer Sicht ergeben (z.B. Vermeidung sozialer Härten, aber auch Vereinfachung des Abgabensystems), die aber hier nicht im Detail diskutiert werden können.

Um umweltpolitische Steuerungseffekte zu erzielen, muß das bestehende Abgabensystem ergänzt werden durch:

Überarbeitung der bestehenden Abgaben im Hinblick auf umweltpolitisch unerwünschte Effekte (z.B. Kfz-Steuer),

Erhebung neuer bzw. Erhöhung bestehender Steuern auf die Ressourcennutzung (z.B. Kerosinsteuern, Energiesteuern, Schwerverkehrsabgabe) und

Abbau bestehender Abgaben, insbesondere auf die menschliche Arbeit.

Trotz der seit langem andauernden Diskussion über die Nutzung von Abgaben zu umweltpolitischen Steuerungszwecken sind bisher nur wenige Anwendungen in der Praxis erprobt worden (vor allem die Abwasserabgabe, die jedoch durch Ausnahme-Tatbestände und ihre geringe Höhe so verwässert ist, daß ihr vielfach schon die Lenkungsfunktion abgesprochen wird).

Im Abfallbereich gibt es in mehreren Bundesländern bereits Sonderabgaben (z.B. Bremen, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein), die allerdings ein rechtlich umstrittenes Instrument darstellen und zur Zeit vom Bundesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit der grundgesetzlich garantierten Eigentumsordnung geprüft werden. Weitere Abgaben auf Rohstoffnutzung außerhalb der Benzinsteuer existieren kaum. Bei Abfallabgaben besteht ein grundsätzliches Problem darin, daß sie das Lenkungsziel nur eingeschränkt erreichen (end of the pipe Ansatz). Insgesamt wäre im Sinne einer einheitlichen Finanzverfassung ein durchgehender, harmonisierter Ansatz im Umgang mit allen Arten der Ressourcenbesteuerung die vorteilhafteste Lösung.

Zertifikate

Zertifikate sind der umweltökonomischen Theorie zufolge eines der attraktivsten Instrumente, Umweltschutz in die Marktwirtschaft zu integrieren. Wie bereits erwähnt, spiegeln die Preise unter anderem deswegen ökologische Knappheiten nicht wider, weil viele Umweltgüter kein handelbares Privateigentum sind und sich deswegen am Markt keine Knappheitspreise bilden können. Hier setzen Zertifikate insofern ein, als besitzähnliche Umweltnutzungsrechte vom Staat an Einzelpersonen bzw. Körperschaften vergeben und mit einem Preis bewertet werden. Damit wird die Nutzung von Umweltressourcen quantitativ präzise begrenzt, und bei schrittweiser Abwertung der Zertifikate oder einer sonstigen Verknappung der Umlaufmenge entsteht ein ökonomischer Druck, effizienzsteigernde Maßnahmen zu ergreifen, um so mit Hilfe der vorhandenen Zertifikate die Produktion aufrecht erhalten zu können. Sind diese Maßnahmen erfolgreich, so können überschüssige Zertifikate verkauft bzw. an einer Börse gehandelt werden. Hier bilden sich dann Knappheitspreise in Abhängigkeit von den notwendigen ökologischen Rationalisierungsinvestitionen und ihren Kosten. Während bei Abgaben die finanzielle Wirkung präzise bestimmbar, die resultierenden Mengenreduktionen jedoch nicht exakt vorhersagbar sind, ist das Verhältnis bei Zertifikatlösungen umgekehrt: Die quantitative Umweltentlastung ist genau steuerbar, preisliche und soziale Wirkungen können dagegen nicht exakt vorherbestimmt werden (dies alles unter der Voraussetzung, daß die Probleme einer adäquaten, d.h. nicht-diskriminierenden und trotzdem Umweltdumping verhindernden Belastung von Importen und Exporten gelöst werden). Eine Begrenzung der Umweltbelastung ist dem Zertifikatmodell inhärent; eine Entlastung kann durch Geltungsbefristung und regelmäßige Neuausgabe sinkender Zertifikatsmengen ebenso erreicht werden wie durch schrittweise Abwertung einmal ausgegebener handelbarer Zertifikate.43

Zertifikate eignen sich also nur dann zur Steuerung von Stoffströmen, wenn das zulässige Maß der Umweltnutzung (z.B. ausgedrückt in Materialnutzung MI) festgelegt und das Eigentumsrecht an dem Umweltmedium präzise definiert werden kann44. In den USA werden zur Zeit mit diesem Modell Erfahrungen gesammelt, allerdings handelt es sich dabei um Emissionszertifikate und nicht um Ressourcennutzungsrechte.

Ökosteuern wie Zertifikate werden in der Bundesrepublik bisher bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich theoretisch diskutiert. Insbesondere die Großindustrie wehrt sich - entgegen aller öffentlichen Verlautbarungen - vehement gegen den Einsatz ökonomischer Instrumente. Sie bevorzugt ordnungsrechtliche Lösungen, die einerseits einen ökologischen Wettbewerb vermeiden und andererseits langfristige Planungssicherheit gewährleisten, insbesondere auch in Haftungsfragen. In den USA, Japan und den skandinavischen Ländern sowie in Belgien wurden dagegen bereits erste Erfahrungen mit Abgaben und Lizenzen/handelbaren Zertifikaten gemacht, die zwar nicht uneingeschränkt auf die Bundesrepublik übertragbar sind, die jedoch hier ausgewertet und z.B. in Pilotversuchen ausgetestet werden sollten.

Umwelthaftungsrecht

Das Umwelthaftungsrecht, entstanden aus dem allgemein und auch international anerkannten Verursacherprinzip45, ist eines der innovativsten Instrumente der Stoffstromwirtschaft. Das Ziel der Integration von Umweltkosten in den Marktpreis erreicht es über die Drohung, daß spätere, höhere Reparaturkosten vom Verursacher übernommen werden müßten. Es hat damit sowohl eine Ausgleichsfunktion für verursachte Schäden als auch eine Präventionsfunktion, die durch das Eigeninteresse an einer Vermeidung kostenwirksamer Schäden geweckt wird. Das Umwelthaftungsrecht wird deshalb als ökonomisches Instrument eingeordnet, da von ihm ein Anreiz ausgeht, die ökonomische Wirkung der eigenen Handlung auch langfristig zu bedenken. So entsteht ein Interesse daran, externe Effekte zu vermeiden.

Grundsätzlich ist zwischen der Gefährdungs­ und der Verschuldenshaftung zu unterscheiden. Die Gefährdungshaftung führt dazu, daß der Schädiger für alle von ihm verursachten Schäden aufkommen muß, während die Verschuldenshaftung nur dann greift, wenn ein vorgegebenes Sorgfaltsniveau nicht eingehalten wurde. Da im letzteren Falle auch nicht alle Schäden ausgeglichen werden müssen, geht von der Gefährdungshaftung (wie u.a. die US-amerikanische Erfahrung deutlich zeigt) ein größerer Vorsorgeeffekt aus.

Die Möglichkeiten des Umwelthaftungsrechts sind beschränkt. Für einen allgemeinen Ressourcenschutz ist es, ebenso wie für die Prävention von Schäden, die zeitverzögert oder global wirken, nicht geeignet. Es muß in diesem Zusammenhang auch gesehen werden, daß für viele Umweltschäden keine einzelnen Schädiger haftbar gemacht werden können (eine Erfahrung, die z.B. Waldbesitzer im Zusammenhang mit Waldsterben machen mußten), insbesondere dann, wenn die Schäden durch eine Vielzahl anonymer Schädiger hervorgebracht werden, die kaum für eine Haftung herangezogen werden können. Weitere Probleme ergeben sich für Umweltnutzungen, die grundsätzlich keinem Privateigentum unterliegen (z.B. Flüsse), sowie für Synergieeffekte, wenn durch die Kumulation verschiedener Einzelschädigungen eine besonders gravierende Umweltbeeinträchtigung entsteht (wie z.B. beim Waldsterben geschehen). In diesen Fällen stellt sich die Frage, inwiefern noch eine zurechenbare Kausalität zwischen Schädiger und Schaden vorhanden ist (was für das Waldsterben gerichtlich bestritten wurde), oder ob überhaupt ein Geschädigter vorliegt (was für die Verschmutzung von Flüssen zu prüfen wäre). Die letzte Frage entspringt aus der Struktur des deutschen (Umwelt­) Verwaltungsrechts, nach dem Umweltverschmutzungen nicht per se z.B. gerichtlich verfolgbar sind, sondern es eines in seinen subjektiven Rechten betroffenen Geschädigten bedarf, dessen Recht (im Fall des Waldsterbens unbestritten das Recht auf unversehrtes Privateigentum) verletzt worden sein muß.

Daraus ergibt sich, daß das Haftungsrecht durchaus sinnvolle Anwendungsbereiche im Bereich der Schadstoffkontrolle finden kann, während es für eine allgemeine Reduktion der Stoffdurchsätze weitgehend ungeeignet ist, da die von diesen ausgehenden negativen Umweltwirkungen nur schwer quantifizierbar, weitgehend unspezifisch und damit dem Kausalitätsprinzip nicht zugänglich sind.

3.3.4 Freiwillige Maßnahmen/Selbstverpflichtungen

Freiwillige Maßnahmen können auf freiwilligen Vereinbarungen zwischen Unternehmen, zwischen Betrieben und Staat, zwischen Produzenten und Konsumenten oder Nachbarn beruhen, oder auf der freiwilligen Teilnahme an staatlich geregelten Maßnahmen und Verfahren (z.B. die freiwillige Beteiligung an einem Öko-Audit46). Zweck der freiwilligen Maßnahme ist dabei entweder die Umsetzung selbst gesetzter Ziele (z.B. Imageverbesserung, Stärkung der Corporate Identity) oder die effizientere Erreichung politisch oder rechtlich vorgegebener Ziele (z.B. Rücknahmequoten, Recyclingraten, Auslaufen der Nutzung gesundheits­ oder umweltgefährdender Stoffe wie Asbest oder FCKWs).

Die erstgenannten basieren auf der Erkenntnis der Wirtschaft, daß umweltgerechtes Handeln, auch wenn es nicht durch rechtliche Vorschriften erzwungen wird, sinnvoll sein kann, da es sich betrieblich vorteilhaft auswirken kann, zum Beispiel durch Kostenersparnis oder Imagegewinn, während die letzteren den Versuch darstellen, durch Nutzung der Erfahrungen der wirtschaftlichen Akteure vorgegebene Ziele in der Substanz unverändert, aber kostengünstiger zu erreichen, als wenn diese durch ordnungsrechtliche Maßnahmen vorgeschrieben würden.

Dabei ist der Übergang von ökonomischen zu freiwilligen Maßnahmen häufig fließend: Mitarbeitermotivation mit der Folge höherer pro-Kopf-Produktivität, Kundenbindung durch positives Image oder sinkende Kosten (z.B. Beiträge für die Umwelthaftpflichtversicherung) sind auch finanziell wirksame Anreize.47

Freiwillige Lösungen, die insbesondere mit einem Imagegewinn für die Unternehmen oder die Branchen verbunden sind, können so bei gleichem Umweltentlastungseffekt preisgünstiger sein als verpflichtend vorgeschriebene Maßnahmen. Freiwillige Maßnahmen sind in der Bundesrepublik jedoch in Verruf geraten, da die Wirtschaft dieses Instrumentarium mehrfach dazu benutzt hat, ordnungsrechtliche Maßnahmen zu vermeiden, ohne tatsächlich rechtlichen Regelungen äquivalente Änderungen in ihrem Verhalten herbeizuführen - statt "günstiger" gab es "weniger". Freiwillige Maßnahmen sind daher nur dann verläßlich, wenn sie mit Instrumenten versehen sind, die die zugesagte Verhaltensänderung überprüfen (Monitoring, Audits) und die Nichteinhaltung sanktionieren. Diese Kombination, die auch im Bereich der FCKW-Reduktion erfolgreich war, ermöglicht es, die sonst durch Rechtsakte angestrebte Verhaltensänderung zu erreichen, und dies in einer selbstorganisierten, d.h. möglichst effizienten Art und Weise.

Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Instrumenten, die für freiwillige Maßnahmen eingesetzt werden können, und viele von diesen sind auch für ein Stoffstrom-Management geeignet. In Betracht kommen zum Beispiel:

Umwelt-Management und Umwelt-Betriebsprüfung

Zu den Umweltmanagement-Systemen zählen alle auf Betriebsebene ansetzenden Management-Maßnahmen zur Verringerung der Stoffdurchsätze48:

Öko-Audits nach der EU EMAS-Richtlinie (Environmental Management and Audit Scheme) mit einer Vielzahl von möglichen Einzelelementen,

betriebliche Umweltrechnungslegung, die Stoffströme, ähnlich den Finanzströmen, in der betrieblichen Rechnung erfaßt,

Umwelt­ und Stoffstrom-Berichtssysteme,

betriebliche Umweltschutzkonzepte mit vorgegebenen Stoffstrom-Reduzierungszielen.

Kennzeichnung

Zur Zeit gibt es weltweit ca. 30 Kennzeichnungs-Schemata für umweltverträgliche Produkte. Ziele bei der Entwicklung solcher Öko-Labels49 sind in der Regel:

die Förderung von Produkten mit weniger negativen Umwelt-Folgen,

eine Stärkung des konsumbezogenen Umweltbewußtseins der Verbraucher/innen und

die Bereitstellung einfacher, aber aussagekräftiger Informationen, die eine Kaufentscheidung nach Umweltkriterien ermöglichen.

Eine Kennzeichnung von Produkten, die eine leicht verständliche Information über die mit dem Kauf oder der Nutzung des Produkts verbundenen Stoffströme gibt, könnte die stoffstrombezogenen Kaufpräferenzen von Privaten wie der öffentlichen Hand stärken und so deutlichen Einfluß auf Volumen und Zusammensetzung der Stoffströme, damit auch auf Menge, Art, Zusammensetzung und letzlich auch auf die Verwertungsmöglichkeiten der anfallenden Abfälle ausüben. Als einen richtungssicheren Schätzwert für die insgesamt von einem Produkt ausgelösten mengenbezogenen50 Umweltbeeinflussungen könnten z.B. die gesamte benutzte Stoffmenge MI oder die akkumulierten Materialinputs pro Serviceleistung = mips) dienen.

Kennzeichnungssysteme können nur dann eine Lenkungswirkung entfalten, wenn sie eine überschaubare Anzahl von klaren, unmißverständlichen Informationen geben. Die zwei zentralen Schwächen von Kennzeichnungssystemen sind heute einerseits ihre fehlende (nationale wie internationale) Harmonisierung, die gerade in Zeiten offener Märkte zu erheblichen Verwirrungen führen kann und die auch in absehbarer Zeit nicht beseitigt werden wird51, und andererseits der Mangel an verläßlichen Daten und verallgemeinerbaren Bewertungsverfahren. Insbesondere erfassen die Umweltzeichen in der Regel nur wenige ausgewählte Charakteristika von Produkten (z.B. FCKW-haltig ja oder nein), nicht aber deren gesamte Umweltauswirkungen, sie vergleichen immer mit einem relativen Maßstab (wie gut im Vergleich zu …), nicht mit einem absoluten (z.B. Dematerialisierung zu 50% geleistet), und ihre Reichweite ist eingeschränkt (z.B. sind sie kaum in der Lage, die ökologisch meist wünschenswerte Substitution von Gütern durch Dienstleistungen adäquat zu erfassen). Als Resultat sind bis heute international Umweltkennzeichen nur für wenige Produktkategorien vergeben worden, für Waschmittel, Papier­ und Textilprodukte, Farben, Lacke und Lösungsmittel sowie für einige Haushaltsreiniger.

Standardisierung, Normung

Als immer wichtiger stellen sich die Möglichkeiten der Normung heraus. Da auf der einen Seite die Einzelstaaten der EU nur noch eingeschränkt produktbezogene Regelungen erlassen können, die EU aber aus politischen Gründen und zur Verwaltungsvereinfachung nicht alle Bereiche regeln will, unterstützt sie in zunehmendem Maße die Normung von Prozessen und Produkten, wobei bisher allerdings die stoffstrombezogenen Aspekte keine wesentliche Rolle spielen. So ist beispielsweise in der EU-Verpackungsrichtlinie explizit vorgesehen, daß die Kommission die Aufstellung europäischer Normen für die Verpackung selbst, aber auch für Lebenszyklusanalysen von Verpackungen fördern will, ohne daß dabei auf die Stoffstrom-Problematik Bezug genommen wird. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere bei der Verlagerung von Rechtssetzungskompetenz von Administration und Politik in den Normungssektor (DIN für die Bundesrepublik, CEN für die EU, ISO international) darauf zu achten, daß nicht dadurch politische Zielsetzungen der politischen Kontrolle entzogen und den interessensgebundenen Entscheidungen der Wirtschaftsakteure überlassen werden.52

Die zur Zeit wichtigsten Normen für das Stoffstrom-Management sind ISO 9000 für das Qualitätsmanagement sowie ISO 14000 (in Vorbereitung) oder der britische Standard BS 7750 für das Umweltmanagement.

Produkt-Ökobilanzen

Ökobilanzen bewerten die lebenszyklusweiten Umweltauswirkungen des Untersuchungsgegenstandes (z.B. eines Produkts) unter Einbeziehung der betrieblichen und überbetrieblichen Vorketten. Produktlinien-Analysen ergänzen die Ökobilanzen über die Einbeziehung der vor­ und nachgelagerten Stoffströme hinaus durch die Berücksichtigung weiterer, z.B. sozialer Faktoren. Als Resultat der Durchführung einer Ökobilanz erfolgt ein Prozeß­ und/oder Produkt-Redesign respektive im Handel das Auslisten bestimmter Produkte, d.h. eine Sortimentsumstellung.

Eco-Rating

Das Eco-Rating stellt eine Rangfolge verschiedener Vergleichsteilnehmer durch die Bewertung der ökologischen Auswirkungen und insbesondere der Stoffstrom-Durchsätze von Unternehmen durch externe Umweltgutachter her und ist besonders geeignet als neutrale Informationsquelle für Investoren und Kreditgeber. Allerdings sind bisher weder die Kriterien des Ratings international harmonisiert, noch gibt es Zulassungsverfahren für Bewertungsfirmen, so daß immer häufiger die Frage nach der Bewertung der Bewerter gestellt wird.53

Kooperationsmodelle und Partnerschaften

Auch hier gibt es verschiedene Varianten, unterschieden durch die Art der einbezogenen Partner und deren Rolle im Produktionspprozeß, so z.B.

Kooperationen auf Verbandsebene (Branchen-Lösungen),

Kooperationen auf Firmenebene (Management-Systeme),

Firmenkooperationen entlang der Wertschöpfungskette.

Fazit

Um den Erfolg freiwilliger Maßnahmen zu garantieren und Vorteile für Kooperationsverweigerer zu verhindern ("free rider effects"), kann zusätzlich staatliches Handeln (Rahmensetzungen, Kontrolle, …) notwendig werden. So wurde z.B. in den Niederlanden zur Sicherstellung einer umfassenden Produktrücknahme 1993 gesetzlich verankert, daß die Regierung für jedes Produkt eine Rücknahmepflicht rechtlich bindend durchsetzen muß, wenn sie von Herstellern, die mindestens 75% Marktanteil für das betroffene Produkt repräsentieren, dazu aufgefordert wird. Darüber hinaus hat die staatliche Seite mit den Rücknahmeschemata wenig zu tun - diese werden von einer Industrievereinigung organisiert, die auch die Gebühren erhebt und verwaltet. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch eine unabhängige Betriebsprüfung.

Eine derartige Vorgehensweise kombiniert die vorstehend beschriebenen Selbstverpflichtungen mit einer quasi gesetzlich vorgeschriebenen Kooperationspflicht und beinhaltet zudem eine Selbstverpflichtung des Gesetzgebers, unter bestimmten Umständen regelnd tätig zu werden. Sowohl diese Kombination von Maßnahmen wie insbesondere die letztgenannte Selbstverpflichtung des Gesetzgebers wären für das deutsche Recht eine neuartige Herangehensweise.

Insgesamt funktionieren freiwillige Vereinbarungen nach einer Studie der VN Kommission für nachhaltige Entwicklung54 dann am erfolgreichsten, wenn

nur eine begrenzte Anzahl von Hauptakteuren ("key players") existiert (Übersichtlichkeit),

die industriellen Interessenvertretungen (auch gegenüber der eigenen Klientel) hinreichend schlagkräftig sind, um eine gleichwertige Kooperation insbesondere mit staatlichen Stellen einzugehen (Repräsentativität),

die staatliche Seite die Vereinbarung durch eine glaubwürdige Versicherung stützt, bei Nichteinhaltung die selben Ziele auf administrativem Wege durchzusetzen (Alternativlosigkeit), und

gute Datenerfassungs­ und Monitoringsysteme verfügbar sind (Transparenz).

Die Hauptrisiken sieht die UN-CSD in

unzureichender Teilnehmerzahl ohne Sanktionsmöglichkeiten, mit resultierenden Marktverzerrungen durch free rider Effekte, und in

der Entstehung/Initiierung von Monopolorganisationen, durch die einzelne Branchen die vollständige Kontrolle über eine potentiell wertvolle Ressource erhalten.

3.3.5 Zusammenfassende Bewertung

Ordnungsrechtliche wie ökonomische Instrumente sind zur Steuerung von Stoffströmen grundsätzlich unverzichtbar, über ihre konkrete Ausgestaltung im Einzelfall gibt es Meinungsverschiedenheiten und z.T. noch erheblichen Forschungsbedarf.

Die bisherige Präferenz für ordnungsrechtliche Maßnahmen entspricht der bisher wahrgenommenen Aufgabe des Ordnungsrechts: als Gefahrenabwehrrecht vorwiegend für die Emissionen aus punktförmigen Quellen (Abgase, Abwasser, industrielle Abfälle etc. als genehmigte Produktionsfolgen oder infolge von Unfällen) konzipiert, entsprach es der nachsorgend orientierten Aufgabenstellung der bisherigen Umweltpolitik (bei allen Schwächen im Detail) mit Abstand am besten. Hatte das Ordnungsrecht bereits Probleme mit der Erfassung diffuser Emissionen (Grundwasserbelastung durch Nitrate, emissionsbedingte Waldschäden etc.), so ist es mit der Aufgabenstellung des Stoffstrom-Managements zumindest in seiner derzeitigen Ausgestaltung völlig überfordert: Die Erweiterung der Aufgabenstellung der Umweltpolitik erfordert erweiterte Instrumentarien. Dabei verliert das Ordnungsrecht ebensowenig seine Funktion wie die Umweltpolitik ihren Schutzauftrag. Eine strategische Umorientierung der Umweltpolitik wie auch der anderen Fachpolitiken auf die Reduzierung der Stoffdurchsätze der Volkswirtschaft läßt sich jedoch mit ordnungsrechtlichen Instrumenten nicht mit vertretbarem Aufwand erreichen, so daß das Ordnungsrecht seine Monopolstellung in der Umweltpolitik, teilweise vorangetrieben durch Entwicklungen im europäischen Umweltpolitik-Umweltrecht-System55, verliert.

Die Verteuerung von Umweltnutzung/Inputs durch Abgaben und gegebenenfalls auch durch Zertifikate zielen emissionsseitig auf nicht-punktförmige, d.h. diffuse Quellen und erstmalig auch auf den Stoffdurchsatz des Gesamtsystems. Bei hinreichend hohen Preisen für die genutzten Stoffe (einschl. Energie) ergeben sich Einspareffekte, die eine Verringerung des Stoffdurchsatzes zur Folge haben: Ökonomische Instrumente eignen sich grundsätzlich zur Reduzierung und Groblenkung von Stoffströmen. Dies gilt nach der erwähnten Analyse der UN-CSD insbesondere dann, wenn

bestehende Verwaltungsstrukturen (wie Steuerbehörden zur Erhebung einer Stoffeinsatz-Steuer) genutzt werden können, und wenn

die betroffenen Produkte in großer Anzahl hergestellt werden, leicht und eindeutig identifiziert werden können und eine hohe Elastizität der Nachfrage besteht (d.h. wenn Alternativangebote zur Verfügung stehen).

Zusätzlich ist die öffentliche Akzeptanz für die mit den ökonomischen Maßnahmen verfolgten Ziele eine entscheidende Erfolgsvoraussetzung.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß ordnungsrechtliche Instrumente eine schnellere und vollständigere Durchgriffswirkung haben (Ausnahmeverbot), während ökonomische Instrumente zwar Ausnahmen zulassen, aber eine "Dynamik jenseits der Grenzwerte" initiieren. Da es bei der Verhinderung von human­ und ökotoxischen Wirkungen häufig auf die vollständige Erfassung der betroffenen Substanzen ankommt, bietet sich hier das Ordnungsrecht an. Für die unspezifische Reduzierung der Stoffströme dagegen ist ein Instrumenten-Mix eher sinnvoll, in dem die (ebenfalls relativ unspezifisch wirkenden) ökonomischen Instrumente einen prominenten Platz einnehmen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1998

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