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Arabisch-israelische Wirtschaftskooperation : Potential, Bedingungen und Perspektiven / von Eberhard Kienle. - [Electronic ed.]. - [Bonn], 1994. - 16 S. = 61 Kb, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1997

© Friedrich-Ebert-Stiftung


Der Friedensprozeß im Nahen Osten öffnet begrenzte Perspektiven für wirtschaftliche Kooperation: Die beschränkte Komplementarität der Produktionsstruktur sowie fortbestehende soziale und politische Hindernisse werden die wirtschaftliche Normalisierung verlangsamen.

Ein "kalter Frieden" mit sehr begrenzten wirtschaftlichen Beziehungen der arabischen Staaten zu Israel scheint realistischer als hochfliegende Pläne einer Freihandelszone.

Die israelisch-arabische Wirtschaftskooperation könnte -zusammen mit fortgesetzter palästinensischer Lohnarbeit in Israel - zunächst vor allem im Bereich der Energieversorgung sowie bei der Verteilung der Wasserressourcen und den Folgeinvestitionen Erfahrungen sammeln.

Die hochprotektionistische Politik der Staaten der Region wird sich kurzfristig kaum ändern. Da alle Staaten Kapitalimporteure sind, wird eher ein Wettlauf um ausländische Investitionen beginnen, bei dem Israel Ausgangsvorteile hat.

Der Friede mit Israel wird in den arabischen Staaten nur dann als gerecht betrachtet werden, wenn er mit sozialer Gerechtigkeit, und das heißt, mit wirtschaftlicher Entwicklung, verbunden ist. Werden die mit dem Friedensprozess verbundenen Hoffnungen auf Wohlstand enttäuscht, kann das politisch und ökonomisch destabilisierende Wirkung haben.

Gleichmäßige Vorteile aus den Wirtschaftsbeziehungen für alle Beteiligten sind die Bedingung für die politische Akzeptanz des Friedensprozesses und der wirtschaftlichen Kooperation vor allem in den arabischen Staaten. Die ökonomische Überlegenheit Israels schafft hier bisher eher Furcht vor einseitiger Abhängigkeit.

Friedensprozeß und wirtschaftliche Zusammenarbeit

Zum ersten Mal seit der Gründung des Staates Israel öffnete sich mit den Verhandlungen, die Ende Oktober 1991 in Madrid begannen, die Möglichkeit eines umfassenden Friedens zwischen Israel und den arabischen Staaten und der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen auf allen Ebenen, einschließlich der Wirtschaft. In den Augen mancher Vertreter der im Juni 1992 in Israel gewählten Regierung unter Führung der Arbeiterpartei steht der Nahe Osten damit vor einer revolutionären Wende. Danach würden sich nun auf der Basis allgemeiner Sicherheit zuvor ungeahnte Produktivkräfte entfalten, die Region aus ihrem wirtschaftlichen Dornröschenschlaf reißen und zu einem neuen weiteren "Tiger" erstarken lassen. Zum einen würde die Friedensdividende in Form stark reduzierter Militärausgaben Kapital für produktive Investitionen freimachen. Zum anderen könne die angebliche wirtschaftliche Komplementarität der beteiligten Staaten, vor allem mit anfänglicher ausländischer Wiederaufbauhilfe, in einem nahöstlichen Gemeinsamen Markt oder gar in einer Art Nahöstlicher Union zum Nutzen aller Beteiligten voll ausgeschöpft werden, ihren Wohlstand mehren, ihre wechselseitige Abhängigkeit und Integration fördern und damit auch künftig den Frieden sichern.

Solchen Erwartungen entsprechend, schossen in kurzer Zeit zahlreiche Einzelprojekte, Entwicklungspläne und Forschungsvorhaben wie Pilze aus dem Boden. Unter den Entwicklungsplänen, die sich in erster Linie mit den noch von Israel besetzten Gebieten befassen, müssen vor allem die der Weltbank und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) genannt werden, die zu unterschiedlichen Fragen - wie etwa nach der Rolle des öffentlichen und des privaten Sektors - übereinstimmende Antworten geben, aber zugleich den kurz- und mittelfristigen Kapitalbedarf radikal verschieden ansetzen. So nimmt die Weltbank an, daß Fremdkapital in Höhe von insgesamt US $ 2,5 Milliarden ausreichen wird, um im Gaza-Streifen und im Westjordanland (hier als Palästina bezeichnet) über einen Zeitraum von fünf Jahren ein Wachstum von 3 Prozent pro Jahr und über einen Zeitraum von zehn Jahren einen Einkommenszuwachs per capita von 40 Prozent zu erzielen. Zu Ende dieser Frist würde das palästinensische Bruttosozialprodukt per capita in konstanten Preisen von US $ 1719 im Jahre 1991 auf US $ 2300 ansteigen (Zahlen der Weltbank). Demgegenüber setzt die PLO den Bedarf an externem Kapital bis zum Jahr 2000 auf US $ 11,9 Milliarden in Preisen von 1991 und 13,4 Milliarden in Preisen von 1994 an, um in dieser Zeit das Bruttoinlandsprodukt per capita (im Gegensatz zum Bruttosozialprodukt im Falle der Weltbank) von US $ 1224 im Jahre 1990 auf US $ 1500 - 2000 pro Jahr zu heben (Zahlen der PLO). Dessen ungeachtet basieren jedoch die Pläne sowohl der Weltbank als auch der PLO auf fortgesetzten, wenn auch veränderten Wirtschaftsbeziehungen mit Israel, die inzwischen in der palästinensisch-israelischen Prinzipienerklärung und ihren Zusatzprotokollen vom 13.September 1993 und im detaillierteren Pariser Abkommen vom 29.April 1994 festgeschrieben wurden.

Aktuell bleibt auch weiterhin die Studie Securing Peace in the Middle East: Project on Economic Transition, der Harvard- Universität und des Massachusetts Institute of Technology (MIT), die sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung eines autonomen Palästina befaßt, das aber enge Beziehungen mit Israel und Jordanien unterhält. Wie das internationale Projekt L'économie de la paix, das vom französischen Forschungszentrum CEDEJ in Kairo koordiniert wird, arbeiten Mitglieder der Harvard-MIT Gruppe inzwischen auch an der Evaluierung der wirtschaftlichen Implikationen von Friedensabkommen für den gesamten Nahen Ostens.

Sicherlich erscheint eine weitgehende Normalisierung der arabisch-israelischen Beziehungen, nicht zuletzt seit der Begegnung zwischen den Präsidenten Syriens und der USA, Asad und Clinton, in Genf Mitte Januar 1994 und seit der Unterzeichnung der jordanisch-israleischen Vereinbarung im Juli 1994, heute wahrscheinlicher als noch zu Beginn des Prozesses von Madrid. Trotz alter und neuer Hindernisse auf dem Weg zu einem israelisch-syrischen Abkommen, besteht Damaskus nicht mehr auf seiner zu Anfang favorisierten Option eines "Kalten Friedens". Dennoch aber bleibt eine Entwicklung hin zu weitgehender wirtschaftlicher Integration und gemeinsamer Stärke - wie zum Beispiel innerhalb der Europäischen Union - eine äußerst optimistische und wohl fragwürdige Hypothese. Sicherlich wird der Frieden Hindernisse für ausländische Investitionen in den Staaten des Nahen Ostens aus dem Weg räumen, deren Beseitigung allein aber noch keine hinreichenden Bedingungen für solche Kapitalströme schafft. Dies ist nicht nur eine Frage der augenblicklichen generellen Kapitalknappheit, sondern auch rechtlicher, praktischer, struktureller und infrastruktureller Bedingungen, die im Nahen Osten vielfach trotz partieller wirtschaftlicher Liberalisierung noch nicht oder erst ansatzweise gegeben sind.

Auch bestehen im Nahen Osten heute nicht dieselben Bedingungen und Zwänge, die zur Integration Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg geführt haben. Dadurch wird der neue Frieden auf allen Seiten zumindest vorübergehend genügend Raum für Skepsis und Mißtrauen lassen, um Abrüstung und damit die Friedensdividende in Grenzen zu halten; auch haben die am Friedensprozeß beteiligten Staaten nicht nur sich untereinander als potentielle Gegner und Feinde. Eine beschränktere Komplementarität als allgemein angenommen, nicht zuletzt aufgrund der ökonomischen Strukturen, und soziale wie auch wirtschaftliche und politische Hindernisse bei der Reform dieser Strukturen werden zusätzlich die wirtschaftlichen Normalisierung verlangsamen, die allerdings politisch damit leichter zu verkraften sein wird.

Der Vollständigkeit halber sollte angemerkt werden, daß Friedensverträge auf die wirtschaftlichen Beziehungen der Beteiligten eher quantitative als qualitative Auswirkungen haben werden. Zwar wurde Israel von der Mehrzahl der arabischen Staaten zumindest offiziell wirtschaftlich boykottiert, doch war dieser Boykott oft durchlässig und brüchig. So wurden zum Beispiel zur Zeit des libanesischen Bürgerkrieges israelische Waren in den Libanon geschmuggelt und manchmal selbst ohne Umbeschriftung in Damaskus verkauft. Mit dem israelisch-ägytischen Friedensvertrag von 1979 legalisierte zum ersten Mal ein arabischer Staat wirtschaftliche Beziehungen mit Israel, wenngleich die praktischen Folgen auf die Ausfuhr ägyptischen Erdöls und ansonsten auf ein Handelsvolumen von nicht viel mehr als US $ 200 Millionen jährlich begrenzt blieben. Allerdings hatte diese Begrenzung auch politische Gründe, da Ägypten auch nach dem Friedensvertrag ein Minimum an arabischer Solidarität wahren wollte, die nach einem Gesamtfrieden in dieser Form nicht mehr gezeigt werden müßte.

Von weitaus größerer Bedeutung war und ist selbstverständlich die beinahe völlige Einbeziehung der 1967 besetzten Gebiete in die israelische Wirtschaft. Von Anfang an ungleich, wenn auch nicht immer zum unmittelbaren Schaden der Palästinenser, vollzog sich diese Integration einzig und allein nach israelischen Interessen. Über die Jahre führte diese Integration zur kompletten wirtschaftlichen Abhängigkeit der Gebiete, in denen nun ein autonomes palästinensisches Gemeinwesen oder gar ein Staat entstehen soll. Heute liefert dieses Kolonisierungs- oder Abhängigkeitsverhältnis eines der zentralen Argumente arabischer Gegner wirtschaftlicher Integration mit Israel, die befürchten, daß arabische Staaten aufgrund ihrer relativen wirtschaftlichen Schwäche selbst ohne militärische Besetzung das Schicksal Palästinas erleiden könnten. Von diesem in der arabischen Welt verbreiteten, wenn auch nicht dominanten Standpunkt aus erscheint ein "kalter Frieden" ohne oder mit äußerst begrenzten wirtschaftlichen Beziehungen wie derzeit zwischen Israel und Ägypten als die weitaus attraktivere Lösung.

Als fait accompli konfrontiert die wirtschaftliche Integration Palästinas und Israels die Gegner eines "warmen Friedens" allerdings zugleich mit der nicht weniger heiklen Frage, ob sie damit Palästina und seine eventuellen arabischen Wirtschaftspartner boykottieren sollen. Letztlich wäre dies die einzige Alternative zu zumindest indirekten und verdeckten Wirtschaftsbeziehungen mit Israel, die sich andernfalls nicht vermeiden liessen. Verbunden mit palästinensisch-jordanischen Beziehungen sowie auf der Grundlage des israelisch-jordanischen Abkommens ergibt sich eine Art Schneeballeffekt in der gesamten arabischen Welt. Israelische Produkte können in Palästina umgepackt oder direkt über Jordanien selbst in Länder exportiert werden, die nicht zu einer offenen Normalisierung ihrer Beziehungen mit Israel bereit sind. Darüberhinaus stellen israelisch-palästinensische joint ventures (wie im o.g. Abkommen vereinbart) oder die Teilfertigung palästinensischer Produkte in Israel und umgekehrt die Frage nach der Trennbarkeit zwischen palästinensischer und israelischer Wirtschaft. Regierungen, wie die gegenwärtige im Irak, die sich weiterhin als besonders prinzipientreu profilieren möchten, werden sicherlich versuchen, solchen Verwicklungen so weit wie möglich zu entgehen (wobei im genannten Fall das internationale Embargo gegen den Irak von Hilfe sein könnte); anderen allerdings sind allein schon die Friedensverhandlungen Rechtfertigung genug, über direkte Geschäfte mit Israel zu reden. Ohne seine rein wirtschaftliche Bedeutung zu übertreiben, wäre der vom Außenminister Qatars Ende Januar 1994 ins Gespräch gebrachte Verkauf von Erdgas an Israel zum Beispiel ein Meilenstein auf dem Weg arabisch-israelischer Handelsbeziehungen.

Grundprobleme arabisch-israelischer Wirtschaftszusammenarbeit

Ohne Garantien für die schwächeren Partner könnten israelisch-arabische Wirtschaftsbeziehungen durchaus die Form annehmen, die von israelischer Seite in verschiedenen Fassungen in Umlauf gebracht wurde: eine höchst arbeitsteilige Kooperation, die darauf basiert, daß Energie in Form von Erdöl von der arabischen Halbinsel, die Großzahl der Arbeitskräfte von den traditionellen arabischen Migrationsländern wie Ägypten und das know-how von Israel geliefert werden. Wie von vielen Arabern in den kapitalarmen Nachbarländern Israels befürchtet, würden Wirtschaftsbeziehungen auf dieser Basis ihren eigenen Interessen weniger dienen als den israelischen und damit die hier skizzierte anfängliche Arbeitsteilung auf lange Zeit festschreiben. Bei entsprechendem Einsatz von Kapital aus den reicheren arabischen Ölstaaten würde diese Form der Kooperation auch deren Interessen dienen, die allerdings heute in der übrigen arabischen Welt mit wachsender Skepsis und Zynismus betrachtet werden.

Auf rein wirtschaftlicher Ebene mag es durchaus das Ziel israelischer Befürworter wirtschaftlicher Zusammenarbeit sein, eine für sie vorteilhafte Form der Arbeitsteilung zu institutionalisieren. Wirtschaftlichen Gewinn zu verfolgen, bedeutet aber nicht ipso facto, auf diese Weise die arabische Welt politisch dominieren zu wollen. Arabische Gegner wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit Israel argumentieren oft mit solchen negativen politischen Folgen, die ihnen um so gravierender erscheinen, als sie schwer mit einer immer noch spürbaren Tradition politischen Denkens vereinbar sind, die wirtschaftliche Selbstversorgung und Unabhängigkeit bis hin zur Autarkie betonte. Wie auch immer die Absichten, die Gefahren sind real angesichts des höchst ungleichen Entwicklungsstandes der verschiedenen Ökonomien.

Diese Ungleichheit zeigt sich deutlich, auch in gesamtwirtschaftlichen Eckdaten, von denen hier nur auf das BIP verwiesen sei. Während der schon genannte pro-Kopf Betrag von US $ 1224 (1350) für die Besetzten Gebiete die Beträge von US $ 1190 für Syrien und US $ 944 (1340) für Jordanien leicht übersteigt, liegt er weit unter dem Betrag von ungefähr US $ 11000 für Israel (Zahlen der PLO für die Besetzten Gebiete, Jordanien und Syrien mit Zahlen des statistischen Amtes Israels in Klammern, jeweils für 1990; Zahlen des statistischen Amtes Israels für Israel für 1991).

Die Ungleichheit zwischen Palästina und Israel ist überwiegend die Folge politischer Faktoren. Die Willkürherrschaft der Besatzer einschließlich der Aneignung von Land- und Wasserressourcen sowie ihre von Eigeninteressen geleitete Wirtschaftspolitik konnten der Entwicklung des Gaza-Streifens und des Westjordanlandes, wie auch der Wirtschaft der ebenfalls von Israel besetzten Golan-Höhen und des südlichen Libanon, trotz vorübergehender Wachstumsperioden wie in den siebziger Jahren auf die Dauer nur schaden. Zwar liegen das BIB und das Bruttosozialprodukt (BSP) Palästinas heute immer noch höher als entsprechenden Zahlen für Syrien und Jordanien, doch hätten sie unter anderen Umständen den israelischen Zahlen weit näher kommen können.

Umgekehrt profitierte Israel in absoluten Zahlen bedeutend stärker als die arabischen Konfrontationsstaaten oder gar Palästina von ausländischer, in den letzten Jahrzehnten vor allem amerikanischer Kapitalhilfe. Theoretisch beträgt die öffentliche US-Kapitalhilfe gegenwärtig US $ 1,2 Mrd. jährlich, doch selbstverständlich schlägt sich auch die Militärhilfe von US $ 1,8 Mrd. pro Jahr in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nieder. Einschließlich nichtstaatlicher Quellen erhielten Israel und die Israelis im Jahre 1992 US $ 6,9 Mrd an finanzieller Unterstützung und damit einen Betrag, der mehr als 10 Prozent des BSP ausmachte. Im Gegensatz dazu versprach der arabische Gipfel von Baghdad im Jahre 1979 Syrien eine jährliche Finanzhilfe von US $ 1,8 Mrd, von denen aber selten mehr als US $ 600 ausgezahlt wurden. Zusätzlich bestehen technologische Kooperationsabkommen, durch die israelische im Gegensatz zu arabischen Industrien an der Entwicklung von modernen amerikanischen Waffensystemen und anderen high-tech-Produkten teilhaben.

Arabisch-israelische Handelsbeziehungen

Der ungleiche Entwicklungsstand der nahöstlichen Ökonomien spiegelt sich auch in der sektoriellen Verteilung der Produktion und, innerhalb des industriellen Sektors, in der Art der Produkte selbst wider. In Ägypten und Syrien bleibt der wenn auch tendenziell sinkende Anteil der Landwirtschaft an der volkswirtschaftlichen Gesamtproduktion mit 18 bzw. 30 Prozent bedeutend, wenn auch der des industriellen Sektors 30 bzw 23 Prozent beträgt; in Jordanien liegt der Anteil der Landwirtschaft aus geographischen Gründen bei nur 7 Prozent, während die industrielle Produktion 26 Prozent ausmacht (Zahlen der Weltbank für 1991). In Palästina schließlich beträgt der Anteil der Landwirtschaft 20 Prozent und der des industriellen Sektors - allerdings unter Ausschluß der Bauwirtschaft - ganze 7 Prozent (Zahlen des statistischen Amtes Israels für 1990 und 1991). Der Bürgerkrieg und der Beginn des Wiederaufbaus erschweren den Vergleich mit dem Libanon. Wie in den anderen Fällen dominiert jedoch auch dort der Dienstleistungssektor, dessen Aktivitäten - mit Ausnahme von spezifischen weltmarktorientierten Bereichen wie Transport und Tourismus (und dies in Ägypten weitaus mehr als anderswo) - stark auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind. Darüberhinaus umfassen die Zahlen für industrielle Produktion neben dem Bausektor oft auch einen volkswirtschaftlich gesehen bedeutenden Bergbau (Erdöl in Syrien und Ägypten; Potassium und Phosphate in Jordanien); entsprechend nimmt sich der Anteil des zumeist auf Importsubstitution beschränkten verarbeitenden Gewerbes noch bescheidener aus. Die Warenexporte dieser Staaten sind vor allem auf agrarische Produkte, wie etwa Baumwolle, einfachere industrielle Produkte, wie Textilien, und Rohstoffe begrenzt.

Erdöl und seine Derivate sind selbstverständlich die wichtigsten Erzeugnisse der "Ölstaaten" auf der Arabischen Halbinsel. In Saudi-Arabien zum Beispiel macht die Rohölproduktion 45 Prozent des gesamtwirtschaftlichen outputs aus, während nur 7 Prozent auf verarbeitende Industrien und Bauwirtschaft und weitere 7 Prozent auf die Landwirtschaft entfallen. Dank des außergewöhnlichen Verhältnisses zwischen Produktionskosten und Marktpreis bei Erdöl erzielen die erdölproduzierenden Staaten sehr hohe BSP-Beträge per capita (Saudi Arabien z.B. US $ 7820 im Jahre 1991). Damit zeigen sie in mancher Hinsicht die äußeren Anzeichen wirtschaftlicher Entwicklung, obwohl sie technologisch trotz des Aufbaus verschiedener exportorientierter Industrien, wie etwa zur Metall- und Stahlproduktion, nach außen abhängig geblieben sind.

Im Gegensatz zu Syrien und Ägypten beläuft sich der Anteil landwirtschaftlicher Produktion am volkswirtschaftlichen output Israels auf 3 Prozent. Der Anteil des industriellen Sektors beträgt ein gutes Fünftel, umfaßt aber, anders als in Syrien, Ägypten oder Jordanien, einen bedeutenden Prozentsatz technologisch höher entwickelter Produkte. Neben dem Bausektor (rund 10 Prozent) entfallen damit zwei Drittel auf den Dienstleistungssektor (Zahlen des statistischen Amtes Israels). Technisch und organisatorisch ist der industrielle Sektor Israels zweifelsohne in der Lage, unter Umständen unter der weiteren Verwendung palästinensischer Arbeitskräfte verschiedene Produkte preisgünstig für arabische Märkte zu fertigen, die dort zur Zeit nicht produziert werden. Sicherlich ergäbe sich das Problem der Konversion mancher militärischer zu zivilen Industrien, doch könnte Israel wohl hier mit ausländischer Unterstützung, vor allem aus den USA, rechnen. Selbst dann aber ist es unwahrscheinlich, daß sich Israel zum nahöstlichen Ruhrgebiet, Sindelfingen oder Silicon Valley entwickeln wird. Die Konkurrenz der wahren Tiger aus dem ferneren Osten und punktuell, wie in der software Produktion, auch aus Ägypten steckt hier Grenzen. Regional expansionsfähig dürfte auch der israelische Dienstleistungssektor sein, obwohl verschiedene seiner Branchen, wie etwa das Bankgewerbe, mit starker arabischer Konkurrenz aus dem Golf und inzwischen auch wieder aus dem Libanon rechnen müßten. In allen Bereichen hängt die Wettbewerbsfähigkeit Israels davon ab, ob die in verschiedenen Branchen gegenüber Europa, Amerika oder Japan vorteilhafte Verbindung relativ geringer Lohnkosten mit relativ hohem Ausbildungsniveau nicht von arabischen oder regionsfremden Produzenten überboten werden kann. Auch mag auf arabischen Märkten der Absatz israelischer Produkte selbst nach Ende des offiziellen Boykotts vom individuellen Boykott potentieller Käufer beeinträchtigt werden. Ebenso wichtig ist schließlich die Frage künftiger die Wettbewerbslage beeinflussender Wirtschaftshilfe seitens Dritter.

Israel seinerseits würde vor allem landwirtschaftliche Produkte sowie Erdöl und dessen Derivate aus arabischen Ländern importieren. Daneben könnten auch weniger hoch entwickelte arabische Industrieprodukte sowohl zum Verbrauch als auch zur Weiterverarbeitung in Israel einen Markt finden. Schließlich würden israelische Touristen in weit größerem Maße arabische Länder bereisen als umgekehrt. Arabischen Touristen bietet Israel im großen und ganzen dieselben Attraktionen, die sie auch zu Hause vorfinden, während Israel nicht über Landschaften wie das Libanongebirge oder Kulturstätten wie Petra und die Pyramiden verfügt. Aufgrund des generell größeren Verlangens in Israel, Friedensverträge mit weiteren Maßnahmen der Normalisierung zu untermauern, ist kaum zu erwarten, daß israelische Käufer arabische Produkte aus emotionalen Gründen meiden werden, wenn diese auf dem Markt angeboten werden. Allerdings dürften die israelische Landwirtschaft und verschiedene Industrien versuchen, gegen die neue arabische Konkurrenz Front zu machen.

Vor dem Hintergrund dieser Wirtschaftsstrukturen ist zu erwarten, daß der Außenhandel, der, zusammen mit fortgesetzter palästinensischer Lohnarbeit in Israel, die israelisch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen bestimmen wird, zumindest anfangs weitgehend auf dem Austausch von Produkten verschiedener volkswirtschaftlicher Sektoren oder zumindest verschieden hohen Mehrwertes beruhen wird. Da Produkte höheren Mehrwertes tendenziell, sei es nur aufgrund von Einkommenselastizität oder der Entwicklung der terms of trade, höhere Gewinnspannen erreichen können, wird der arabisch-israelische Handel wahrscheinlich ähnlich wie der arabisch-europäische Handel mit Ausnahme israelischer Erdölimporte in einen Kapitaltransfer zugunsten Israels münden, der die Grundlage für ein zusätzliches Wachstum der israelischen Vorteile bilden würde. Da Israel Erdöl (und Gas) aber vor allem aus Ländern importieren würde, die nicht zu den (früheren) unmittelbaren Konfrontationsstaaten zählen, böte dies letzteren wenig Trost für ihren relativen Verlust im arabisch-israelischen Handel. Die oft beschworene wirtschaftliche Komplementarität der Staaten des Nahen Ostens mag letztlich als Euphemismus für eine regionale Form internationaler Arbeitsteilung gesehen werden, deren Ungleichheit sich im Austausch verstärkt.

Zum Handel mit Produkten gleichen Mehrwertes wird es vorläufig nur in wenigen Bereichen kommen. Eine Verbindung der verschiedenen nationalen Stromnetze und damit der gegenseitige Ausgleich von Defiziten in der Elektrizitätsversorgung könnte allerdings ein solcher Bereich sein, in dem alle beteiligten Staaten gleichermaßen profitieren. Unter Umständen ließen sich ähnliche Regelungen bei der Verteilung der knappen Wasserresourcen des Jordans und seiner Zuflüsse finden; letztlich aber kann die Wasserknappheit der Anrainerstaaten nur durch konzertierte Selbstbeschränkung gerecht angegangen werden, die, wie weitere mögliche Bewässerungsprojekte, gemeinsame Investitionen fordert.

Die Art, das Ausmaß und die weiteren ökonomischen Auswirkungen künftigen arabisch-israelischen Handels hängen natürlich ferner davon ab, in welchem Maße letzterer Beschränkungen verschiedener Art unterliegen wird, oder ob und wann diese zugunsten umfassender Freihandelsabkommen aufgegeben werden. Obgleich sich in Israel ungleich mehr und lautere Stimmen als in den arabischen Ländern für einen "Gemeinsamen Markt" im Nahen Osten erheben, dürfen derartige Erklärungen wie auch im Falle anderer Verfechter von Freihandelsprinzipien nicht unbedingt für bare Münze genommen werden; in der Praxis würde wohl auch Israel versuchen, zahlreiche Ausnahme- und Übergangsregelungen auszuhandeln. Erklärtermaßen skeptischer gegenüber umfassenden Freihandelsregelungen, werden arabische Regierungen sicherlich darauf bestehen, verschiedene Industriezweige zumindest vorübergehend durch Zölle schützen zu dürfen; insbesondere geplante oder erst heranwachsende Branchen zur Herstellung technologisch höher entwickelter Produkte könnten nur so international konkurrenzfähig werden. Nicht zuletzt aus diesen Gründen sind Aussagen über das Volumen künftigen arabisch- israelischen Handels rein hypothetisch und verfrüht.

Allgemein stellt sich in Israel wie auch in Syrien und Ägypten die Frage, wie Freihandel, mit welchen Partnern auch immer, mit bestehenden Monopolen und einer protektionistischen Außenhandelspolitik vereinbart werden kann, die über Jahrzehnte hinweg selbst technologisch wenig entwickelte Industrien und damit zahlreiche Arbeitsplätze bis zur Konkurrenzunfähigkeit geschützt hat. Diese Frage sollte nicht als eine prinzipielle Kritik an Entwicklungsmodellen mißverstanden werden, die, wie in den drei genannten Ländern, an einem starken öffentlichen Sektor orientiert waren. Sie stellt sich hier jedoch um so stärker, als eine Liberalisierung des Außenhandels nicht nur bestimmte Sektoren oder Branchen, sondern damit zugleich auch eine Form unmittelbarer Einflußnahme des Staates auf Wirtschaft und Gesellschaft und letztlich staatliche Macht als solche bedroht. Auf dem Hintergrund eines gegenwärtig wohl begrenzteren Ausmaßes wirtschaftlicher Komplementarität zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn als gemeinhin angenommen laden die hier erwähnten wirtschaftpolitischen oder rein politischen Überlegungen der beteiligten Akteure zusätzlich zu einer vorsichtigen Einschätzung künftiger Handelsbeziehungen ein.

Längerfristig werden arabisch-israelische Handelsbeziehungen zunehmend von der Attraktivität der einzelnen Länder als Investititionsstandorte abhängen. Sowohl Israel als auch seine unmittelbaren arabischen Nachbarn sind Kapitalimporteure, die auf ausländische Kredite, Kapitalhilfen und Direktinvestitionen angewiesen sind, wollen sie ihr wirtschaftliches Wachstum sichern oder stärken. Friede ist eine notwendige, doch keine hinreichende Bedingung für solche Formen der Unterstützung. Global wie auch untereinander werden die Staaten des Nahen Ostens daher um Kapital konkurrieren und versuchen, solches durch entsprechende gesetzliche Regelungen und die Verbesserung von Infrastruktur und Produktivität anzulocken.

Während Israel von der schon erwähnten Verbindung zwischen hohem Ausbildungs- und relativ niedrigem Lohnniveau zu profitieren sucht, sind ähnliche Verhältnisse in einzelnen arabischen Staaten oder Industrien durchaus auch gegeben oder realisierbar. Verbesserungen der Infrastruktur sowie juristische und praktische Vereinfachungen privatwirtschaftlicher Tätigkeit könnten die Attraktivität arabischer Länder für ausländische Investoren auch im Vergleich zu Israel weiter stärken. Mehr jedoch als anderswo müssen hier die sozialen Grenzen investitionsfreundlicher Politik beachtet werden, denn der Friede mit Israel wird nur dann als gerecht betrachtet werden, wenn er mit sozialer Gerechtigkeit Hand in Hand geht. Wird dieser Aspekt vernachlässigt, so werden die Benachteiligten den Frieden nicht mittragen. Dabei geht es weniger um die materielle Bestechung der Gegner des Friedens, als darum, seinen Befürwortern Recht zu geben, die hoffen, das Ende des Konfliktes werde endlich zu Entwicklung und Wohlstand führen. Die Enttäuschung solcher Hoffnungen könnte leicht innenpolitische Krisen provozieren, die nicht nur das Investitionsklima beeinträchtigen würden. Sollten sich arabische Staaten und Israel zu gleichermaßen attraktiven Investitionsstandorten entwickeln, so würde dies weitreichende Folgen für die gegenseitigen Handelsbeziehungen haben und schließlich zum Austausch von Waren- und Dienstleistungsprodukten gleichen Mehrwertes führen.

In noch zwei weiteren Branchen würde die Öffnung der arabisch-israelischen Grenzen allen Beteiligten gleiche Vorteile bringen. Zum einen trifft dies auf den Tourismus aus Drittländern zu, der sich stark entwickeln würde. Zum andern würden sowohl Israel als auch die arabischen Staaten aus der neuen Möglichkeit des Transithandels Gewinn ziehen. Selbst unter Bedingungen, die israelischen Interessen Rechnung tragen, würden sich der Personen- und Güterverkehr zwischen den arabischen Staaten Nordafrikas und Westasiens durch die Öffnung von Überlandrouten vereinfachen und verbilligen. Ähnliches trifft für den Verkehr zwischen Israel und der Türkei zu, obwohl dieser wohl vergleichsweise unbedeutend bliebe; stärker als arabische Länder dagegen würde Israel aus rein geographischen Gründen von gegenseitigen Überflugrechten profitieren. Dennoch sollte das Volumen künftigen Transitverkehrs in Anbetracht des bescheidenen Anteils interarabischen Handels am Außenhandel der einzelnen arabischen Staaten (zumeist unter 10 Prozent) nicht überschätzt werden.

Arbeits- und Kapitalmarkt

Neben dem Austausch von Waren wird vorläufig der Austausch von Produktionsfaktoren der zweite bedeutende Bereich arabisch- israelischer Wirtschaftskooperation sein. Mehr noch als der Austausch von Waren geringeren gegen solche höheren Mehrwertes reflektiert der Austausch von arabischer, vor allem palästinensischer Arbeitskraft und israelischem Kapital die Ungleichheit der künftigen Wirtschaftsbeziehungen. Während das Pariser Abkommen vom 29. April 1994 prinzipiell nicht nur Palästinensern erlaubt, in Israel zu arbeiten, sondern umgekehrt auch Israelis erlaubt, in Palästina zu arbeiten, wird die Anzahl israelischer Arbeitnehmer dort wohl gering bleiben. Israelische Arbeitsmigration in andere arabische Länder dürfte selbst im mittelfristig unwahrscheinlichen Falle vertraglich geregelter Niederlassungsfreiheit auf eine geringe Anzahl von Geschäftsleuten und Experten beschränkt sein.

Umgekehrt wird wohl auch die heute trotz intifada noch beachtliche Zahl in Israel arbeitender Palästinenser mit dem Ende des gegenwärtigen israelischen Baubooms und aufgrund in letzter Zeit vermehrt geäußerter Sicherheitsbedenken weiter sinken, doch kaum auf Null zurückgehen. Die neuen jüdischen Einwanderer zumeist osteuropäischer Herkunft haben Karrierevorstellungen, die nicht mit von Palästinensern besetzten Niedriglohnstellen befriedigt werden können. Verbleibende palästinensische Grenzgänger aus Sicherheitsgründen durch Arbeitsmigranten anderer Herkunft zu ersetzen, würde zu verschiedenen anderen Schwierigkeiten führen, durch das explosive Anwachsen der Arbeitslosigkeit in Palästina den dortigen Gegnern des Friedens mit Israel in die Hände spielen und den gesamten von Israel gewünschten Prozeß der Normalisierung gefährden. Selbst wenn sieben Jahre nach Beginn der intifada nicht mehr wie 1987 45 Prozent der arbeitenden Bevölkerung des Gaza-Streifens und 35 Prozent der des Westjordanlandes in Israel arbeiten, reflektieren diese Zahlen doch die Größenordnung des Problems.

Obwohl Lohnarbeit tendenziell Arbeitgebern größeren Gewinn bringt als Arbeitnehmern und im israelisch-palästinensischen Falle damit letztlich zu einem einseitigen Kapitaltransfer führt, der sich wie in den israelisch-arabischen Handelsbeziehungen zu Gunsten Israels auswirkt, läßt der Arbeitsplatzmangel in der erst noch aufzubauenden palästinensischen Wirtschaft vorläufig keine Wahl, als diesen Zustand zu akzeptieren. Längerfristig jedoch ist zu erwarten, daß verantwortliche palästinensische Stellen versuchen werden, durch die Schaffung von Arbeitsplätzen solche volkswirtschaftlichen Verluste zu vermeiden.

Da sowohl Israel als auch seine direkten arabischen Nachbarn an Kapitalmangel leiden, wären innerhalb der Region nur öffentliche oder private Kapitaleigner aus den erdölproduziereden Ländern des Golfs in der Lage, in größerem Ausmaße über die alten Boykottgrenzen hinweg zu investieren. Allerdings hat der Zusammenbruch des Erdölpreises auch hier zu Kapitalknappheit geführt. Dies schließt selbstverständlich nicht bescheidenere Projekte arabischer Investoren in Israel oder umgekehrt israelische in arabischen Staaten aus. Die schon diskutierte Attraktivität der jeweiligen Standorte wird dabei, wie überall auf der Welt, von großer Bedeutung sein. Solange Syrer, Ägypter und Israelis trotz in den letzten Jahren wachsender Investitionserleichterungen und Anreize immer noch lieber im Ausland als zu Hause investieren, scheint diese Attraktivität allerdings begrenzt. Ferner bedürfen Kapitalinvestitionen einer weit größeren Vertrauensbasis als Handelsbeziehungen oder gar Arbeitsmigration und dürften auch aus diesem Grund in der Anfangsphase politischer Normalisierung nur beschränkt stattfinden.

Trotz dieser Einschränkungen werden sicherlich israelische und arabische Kapitaleigner, insbesondere die Unterzeichner des Abkommens vom 13. September, gemeinsam in joint ventures investieren, deren Aufgabe es sein wird, die Infrastruktur zu verbessern und größere Industrieprojekte zu verwirklichen. Im Bereich der Infrastrukturverbesserung würden solche gemeinsamen Vorhaben vor allem dem Bau von Verkehrseinrichtungen, der Wassernutzung und Energieversorgung dienen. Vom arabischen Transitverkehr mitbenutzte Straßen in Israel oder der geplante Neubau einer Eisenbahnlinie von Ägypten entlang der israelischen Mittelmeerküste bis in den Libanon und nach Syrien, wie sie einst bestand, könnten auf diese Weise, allerdings wohl kaum ohne internationale Beteiligung, finanziert werden. Dasselbe gilt für Hafenanlagen wie die von Shimon Peres vorgeschlagene Zusammenlegung der Häfen von Aqaba (Jordanien) und Eilat (Israel) am Roten Meer oder für den Bau eines Kanals von dort zum Toten Meer.

Während in solchen joint ventures die Gleichheit der beteiligten Parteien am ehesten gewahrt bleibt oder zumindest so erscheint, werden sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Israel und seinen unmittelbaren arabischen Nachbarn in den anderen Bereichen zumindest anfangs und für alle Welt erkenntlich ungleich gestalten. Diese Ungleichheit, die nicht zuletzt politische Gründe hat, manifestiert sich in einem Austausch von Produkten verschiedenen Mehrwertes oder gar der Zusammenwirkung israelischen Kapitals und israelischer höherqualifizierter Arbeitskräfte auf der einen Seite und weniger hoch qualifizierter arabischer, insbesonders palästinensischer Arbeitskräfte auf der anderen Seite. Wo diese Ungleichheit, die sich letztlich in unterschiedlichen Gewinnspannen und einseitigen Kapitaltransfers manifestiert, anfänglich besteht, kann sie unter Entwicklungen, die für die arabische Seite günstig verlaufen und von dieser mitbeeinflusst werden können, vermindert werden; eine solche spätere Verbesserung der arabischen Position ist jedoch keineswegs unvermeidlich. Die Handelsbeziehungen zwischen Israel und den hauptsächlich erdölexportierenden Staaten der Arabischen Halbinsel folgen aufgrund des Rentencharakters des Ölpreises selbstverständlich anderen Gesetzen.

Politische Folgen wirtschaftlicher Zusammenarbeit

Während die israelischen Pläne zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten ohne die Erwartung materiellen Gewinnes nicht entstanden wären, lassen sie sich nicht allein auf diese Dimension reduzieren. Wie auch im Falle der westeuropäischen Integration nach dem Zweiten Weltkrieg scheinen die israelischen Pläne von Gedanken und sozialwissenschaftlichen Ansätzen mitgeleitet zu sein, die Prozesse wirtschaftlicher Integration mit der Sicherung zwischenstaatlichen Friedens verbinden. Gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit durch Arbeitsteilung (Interdependenz) und die generell wachstumsfördernden Auswirkungen von Freihandelsabkommen oder Zonen tragen aus dieser Perpektive dazu bei, militärische Angriffe oder auch nur Boykottmaßnahmen und andere Feindseligkeiten zu vermeiden, da sie zugleich auch immer den Interessen des Angreifers schaden würden. Menschliche und soziale Beziehungen, die sich mit wachsender wirtschaftlicher Zusammenarbeit verstärken, würden darüberhinaus zu besserem gegenseitigen Verständnis und neuen Freundschaften führen. Eine zynischere Interpretation israelischer Absichten besteht darin, wirtschaftliche Kooperation als einen Euphemismus für wirtschaftliche und letztlich politische Dominanz zu sehen.

Ohne die allgemeine Gültigkeit der Annahme zu diskutieren, wirtschaftliche Interdependenz sei friedensstiftend, muß hier doch angemerkt werden, daß, im Gegensatz zu Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg, der Nahe Osten heute von den schon erwähnten starken wirtschaftlichen Ungleichheiten gekennzeichnet ist, die eher zu Abhängigkeitsverhältnissen zwischen einzelnen Staaten als zu ihrer gleichmäßigen Interdependenz führen. Auch ist es fraglich, ob israelische Befürworter wirtschaftlicher Integration mit den sozialen Folgen glücklich wären, die dieser Prozeß am Ende mit sich bringen könnte. So zeigt das europäische Beispiel, wie über die Jahre hinweg eine transnationale Gesellschaft oder zumindest transnationale Segmente in den verschiedenen Gesellschaften Gestalt annehmen, die ipso facto nationale Grenzen transzendieren. Im Nahen Osten könnte eine solche Entwicklung letztlich zur Verwandlung Israels und Palästinas in einen säkularen Staat für Juden, Muslime und Christen hebräischer und arabischer Sprache führen, wie er lange Zeit von der PLO gefordert wurde.

Innenpolitisch, so die Hoffnung auf israelischer Seite, würde das mit der regionalen Wirtschaftsintegration verbundene Wachstum die Integration neuer Einwanderer erleichtern, generell den Lebensstandard der Bevölkerung verbessern und damit Legitimität für die Regierung schaffen. Darüberhinaus könnten Erfolg, Wachstum und Expansion auf wirtschaftlicher Ebene zu den neuen Leitmotiven einer Gesellschaft werden, die unter den Bedingungen der "Neuen Weltordnung" ihre Identität nicht mehr durch die alten Mechanismen der Konfrontation, sei dies zur Verteidigung oder zur Expansion, aufrechterhalten kann.

Der verglichsweise geringe Enthusiasmus, der auf arabischer Seite für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel besteht, rückt befürchtete stärker als beabsichtigte politische Folgen in den Vordergrund. Die meisten arabischen Skeptiker (was nicht bedeutet daß alle Araber hier Skeptiker wären) nehmen an, daß die ungleichen Wirtschaftsbeziehungen am Ende zu einem politischen Abhängigkeitsverhältnis führen werden, das es Israel erlauben würde, ohne militärische Präsenz die gesamte arabische Welt so zu kontrollieren wie es die Besetzten Gebiete kontrollierte. Selbst wenn dies vermieden werden könnte, so würde ihrer Meinung nach die Legitimität der arabischen Regierungen stark darunter leiden, daß gewisse Branchen ihrer heimischen Wirtschaft mit israelischen Produkten konkurrieren müssen. Allein daß diese Produkte tagtäglich an die Existenz Israels erinnern, könnte diesen Legitimitätsverlust bewirken. Die so argumentieren, sind oft nicht Gegner von Friedensabkommen an sich, sondern Befürworter eines zu Beginn "kalten" oder kühlen Friedens, der um so sicherer sei, als er sich langsam erwärmt.

Innenpolitische Folgen

Friedensverträge zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn allein werden in keinem der beteiligten Staaten zu grundlegenden Änderungen des politischen Systems führen, wenn sie auch ein Element in ihrem langsamen Wandel sein können. Die mehr oder minder ausgeprägten autoritaristischen Züge der arabischen Regime könnten sich aufgrund des Friedens im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie sozialem Wandel und außenpolitischem Druck abschwächen, ohne aber notwendigerweise zu verschwinden. In Palästina selbst besteht die Gefahr, daß der Widerstand gegenüber dem Gaza-Jericho Abkommen und der PLO-Führung zu einer Politik innerer Repression führen könnte, die die Hoffnung auf ein demokratisches Gemeinwesen erstickt.

Vor diesem Hintergrund werden die innenpolitischen Konsequenzen arabisch-israelischer Wirtschaftskooperation, wie auch die innenpolitischen Folgen der Friedensverträge im allgemeinen davon abhängen, inwieweit die Ergebnisse einzelnen Akteuren als gewinnbringend oder zumindest gerecht erscheinen. Ein vom arabischen Standpunkt aus gesehen gerechter Frieden unter völligem israelischem Rückzug von allen 1967 besetzten Gebieten könnte dennoch innenpolitisch schwer zu rechtfertigen sein, wenn der Eindruck entsteht, daß er zu wirtschaftlichen Nachteilen für die arabischen Staaten oder gar deren Kolonisierung führt. Ebenso wird es der israelischen Regierung leichter fallen, manche Skeptiker von der Nützlichkeit eines solchen Rückzuges zu überzeugen, wenn dieser durch wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen wird. Die Frage ist damit, wie wirtschaftliche Zusammenarbeit für beide Seiten vorteilhaft gestaltet werden kann, um innenpolitisch vertretbar zu sein und nicht den Frieden als solchen in Frage zu stellen. Die Antwort auf diese Frage mag der Quadratur des Kreises nahekommen. Denn die arabischen Staaten möchten ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Israel wie mit anderen Partnern so gestalten, daß sich ihre Länder möglichst rasch an das Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung Israels und schließlich Europas annähern; dagegen basieren israelische Pläne für wirtschaftliche Zusammenarbeit weitgehend auf dem Fortbestand unterschiedlicher Entwicklungsniveaus wie es wohl auch immer noch Teil israelischen Selbstverständisses ist, Symbol der "Moderne" in einer Region der "Rückständigkeit" zu sein.

Selbstverständlich hängt weder die wirtschaftliche Entwicklung Israels noch die der arabischen Staaten von quantitativ am Ende relativ unbedeutenden gegenseitigen Beziehungen auf diesem Gebiet ab. Vor allem aber in den arabischen Staaten könnte leicht der Eindruck entstehen oder geschaffen werden, daß der Fortbestand ungleicher Entwicklungsniveaus auf eben diese Art der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen zurückzuführen sei. Die zahlreichen Gegner der Normalisierung, von denen sich manche bis heute weigern, zusammen mit Israelis an Debatten zu diesem Thema teilzunehmen, könnten durchaus versuchen, Indikatoren ungleicher Entwicklung, wie etwa den Austausch von Waren verschiedenen Mehrwertes, in deren Ursachen umzudeuten.

In Israel wie auch in den arabischen Staaten ist es fraglich, ob politische Überzeugungen durch materielle Vorteile beeinflußt oder gar gekauft werden können. Ideologisch dem Konzept eines Groß-Israels verpflichtete Kreise, die von den nach dem Massaker von Khalil/Hebron aufgelösten Terroristengruppen wie Kach und Kahane Hai bis in die Likud-Partei um den Oppositionsführer Netaniahu reichen (und selbst in der Arbeiterpartei zu finden sind), würden wohl Anhänger verlieren, doch sicherlich nicht von der politischen Landkarte verschwinden. Wie auch in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg würde selbst im Falle eines Wirtschaftswunders, das aber im Nahen Osten einschließlich Israels in dieser Form kaum zu erwarten ist, eine mehr oder minder große Bewegung von ewig Gestrigen am rechten Rand des politischen Spektrums fortbestehen. Weit bedeutendere Auswirkungen würde ein wirtschaftlicher Aufschwung unter den zahlreichen politisch Unentschiedenen und Wankelmütigen zeigen, die dann, ohne alte Prinzipien aufgeben zu müssen, zu einer festeren Stütze des Rückzuges aus den Besetzten Gebieten erstarken würden. Ungleiche wirtschaftliche Beziehungen mit den oder einigen arabischen Staaten könnten sicher zu einem solchen Aufschwung beitragen, doch sind sie weder eine notwendige noch gar eine hinreichende Bedingung dafür. Deshalb wird auch die Stabilität einer Regierung, die Rückzug und Frieden sucht, weniger von den wirtschaftlichen Beziehungen mit den arabischen Nachbarn als von ihrem Erfolg auf wirtschaftlichem Gebiet insgesamt abhängen.

Ungleiche Wirtschaftsbeziehungen in der Form fortgesetzter Arbeitsmigration und des Verkaufs von Produkten vergleichsweise geringen Mehrwertes nach Israel würden paradoxerweise ausgerechnet in Palästina kurzfristig am stärksten zur Stabilität der neuen Regierung beitragen. Nur auf diese Weise könnte die ausgeblutete Wirtschaft des Landes vor dem völligen Zusammenbruch bewahrt werden und damit einer von der PLO-Spitze geführten Regierung Legitimität verleihen. Während schon das Abkommen vom 13.September von zahlreichen Palästinensern als unzureichend betrachtet wurde, verstärkte sich die Opposition im Verlauf der Verhandlungen über seine Ausgestaltung und praktische Ausführung. Damit wuchs die Opposition innerhalb der PLO weit stärker als die Anhängerschaft ihrer prinzipientreuesten Mitgliedsorganisationen wie der PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas) und der DFLP (Demokratische Front für die Befreiung Palästinas). Vor allem aber wuchs die Bedeutung von islamistischen Gruppen außerhalb der PLO, insbesondere von Hamas, in einem Ausmaß, das bei freien Wahlen eine Stimmenmehrheit für die offizielle PLO-Linie in Frage stellten könnte. Dennoch werden die Wahlen, auch wohl mit israelischer Hilfe, sicherlich eine von der PLO-Spitze geführte Administration in den Sattel heben, die teils aufgrund des Abkommens vom 13.September, teils um sich gegenüber der palästinensischen Opposition zu behaupten, eng mit Israel einschließlich dessen Sicherheits- und Repressionsapparat zusammenarbeiten muß. In dieser Situation bleibt die Wirtschaft der entscheidende Bereich, in dem sich diese Administration Legitimität verschaffen kann.

Längerfristig jedoch wird die palästinensische Öffentlichkeit als Erfolg nur den Aufbau einer modernen Wirtschaft gelten lassen, die mit Israel zwar in einem Verhältnis gegenseitiger, aber nicht einseitiger Abhängigkeit stehen darf. Einseitige Abhängigkeit würde, zu Recht oder Unrecht, als eine Hauptursache palästinensischer Unterentwicklung betrachtet werden. Zusammen mit unbefriedigenden Ergebnissen der Verhandlungen über den endgültigen Status der Besetzten Gebiete oder anderen politischen Problemen könnten wirtschaftliche Fragen das Vertrauen in die Administration völlig zerstören und zu einer neuen intifada von Palästinensern gegen Palästinenser führen, von innenpolitischer Stabilität Palästinas und arabisch-israelischer Normalisierung könnte dann keine Rede mehr sein.

Unter solchen Bedingungen könnten auch andere arabische Regierungen, insbesondere Jordanien und Syrien, eine Politik der Normalisierung mit Israel nicht mehr fortsetzen, ohne sich und ihre Staaten den Gefahren von inneren Unruhen, Terrorakten und selbst Putschversuchen auszusetzen. Demgegenüber erscheinen die weiteren Fragen, die arabisch-israelische Wirtschaftsbeziehungen für die Legitimität der etablierten arabischen Regierungen aufwerfen, unbedeutend, obgleich sie nicht unterschätzt werden dürfen. Da sich solche Beziehungen nur um den Preis des Ausschlusses Palästinas aus interarabischen Wirtschaftsbeziehungen vermeiden lassen, wird sich aber keine arabische Regierung dieser Problematik entziehen können.

Wohl die geringsten Schwierigkeiten dürften sich unter normalen Umständen für die haschemitische Monarchie in Jordanien ergeben, die de facto schon seit langen ihren Frieden mit Israel geschlossen hatte, dies im Juli 1994 nunmehr formalisierte und diese Politik auch innenpolitisch relativ erfolgreich vertreten hat. Zwar wird die arabisch-nationalistische und islamistische Opposition, die allerdings aus den letzten Parlamentswahlen nach dem israelisch-palästinensischen Abkommen geschwächt hervorging, auch weiterhin Kampagnen machen und unter Umständen aus den Reihen wirtschaftlicher Verlierer Zulauf erhalten. Doch je nach Ausgestaltung dieser Beziehungen könnte sich die Zahl dieser Verlierer auch schon dadurch in Grenzen halten, daß, wie etwa im Bankensektor, ein Teil des zisjordanischen Kuchens an transjordanische Unternehmen geht. Zudem könnten die zahlreichen jordanischen Unternehmer palästinensischer Herkunft in kooperierender Solidarität mit Palästina die Politik wirtschaftlicher Grenzöffnung innenpolitisch stützen. Langfristig stellt sich jedoch auch im Falle Jordaniens die Frage der Gleichheit der Wirtschaftsbeziehungen mit Israel. Weitere Gefahren könnten der jordanischen Regierung erwachsen, falls Syrien einen Friedensvertrag oder die Normalisierung der Beziehungen ablehnen sollte. Wie auch im unwahrscheinlichen Falle eines Wiedererstarkens des Regimes Saddam Husseins im Irak, könnte Jordanien dann aufgrund seines "Verrats" starken Pressionen ausgesetzt sein.

Allem Zögern und allen Vorbehalten zum Trotz wird auch Syrien mit großer Wahrscheinlichkeit einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnen und eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen akzeptieren. Während die Rückgabe des Golan an Syriens dafür eine notwendige Bedingung ist, wird die Entscheidung der Regierung Asads, die sich über Jahrzente hinweg als Verteidigerin der arabischen Sache legitimiert hat, auch zum Teil von der Lage in Palästina abhängen. Eine indirekte oder schleichende Normalisierung der syrisch-israelischen Beziehungen liesse sich allerdings kaum vermeiden, ohne die Normalität der Beziehungen mit Jordanien und Palästina in Frage zu stellen, die ihrerseits zweifelsohne ihre Beziehungen mit Israel normalisieren werden oder müssen. Für die syrische Regierung wird die Normalisierung aufgrund eben ihrer jahrzehntelangen Legitimitätsstrategie der "Standhaftigkeit" innenpolitisch nicht leicht zu vertreten sein. Insbesondere in der Ba'th-Partei und anderen arabisch- nationalistischen Kreisen, die in Syrien ungleich stärker sind als in Jordanien, wie auch unter den Islamisten, könnte sich starke Opposition entwickeln. Dies bedeutet nicht, daß damit die Tage eines Regimes gezählt wären, das im Gegensatz zur Mehrzahl der Syrer im libanesischen Bürgerkrieg Maroniten gegen Palästinenser und im ersten Golfkrieg Iran gegen den Irak unterstützt hatte, und sich weiterhin auf einen starken Repressionsapparat stützen kann. Auch würde die Regierungspolitik von den führenden Vertretern des neu erstarkten Privatsektors unterstützt werden, die in Wirtschaftsbereichen wie Tourismus und industrieller Landwirtschaft investiert haben, die von der Normalisierung nur gewinnen könnten. Generell gilt jedoch für Syrien mehr noch als für Jordanien, daß auf Dauer weder die Regierung selbst, noch die über Jahrzehnte arabisch-nationalistisch beeinflußte Öffentlichkeit ungleiche Wirtschaftsbeziehungen mit Israel akzeptieren würden.

Die Normalisierung der syrisch-israelischen Beziehungen würde dann auch wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem Libanon und Israel ermöglichen. Firmen, insbesondere des Dienstleistungsbereiches, könnten miteinander um regionale Märkte konkurrieren, jedoch auch zusammenarbeiten und damit zu einer gewissen israelischen Präsenz im Libanon führen. Innenpolitisch könnte dies höchst unterschiedliche Folgen haben, obgleich auch libanesische Gewinne, die in Zusammenarbeit mit Israelis realisiert werden, heftige Reaktionen auslösen könnten.

In Ägypten werden wirtschaftliche Beziehungen mit Israel wohl wegen der Größe des Binnenmarktes und der zu Syrien und Jordanien vergleichsweise fortgeschrittenen industriellen Entwicklung am unaufälligsten bleiben. Sicherlich würde das aus Solidarität mit anderen arabischen Staaten bis heute künstlich beschränkte Ausmaß erweitert, doch wegen unzureichender Komplementarität und anderer struktureller Hindernisse begrenzt bleiben. Dennoch würden arabisch - nationalistische und die gegenwärtig propagandistisch besonders starken islamistischen Kreise zu Boykotts aufrufen und die Gelegenheit nützen, fortbestehende anti-israelische Gefühle in der Bevölkerung zu verstärken, und auf diese Weise die Regierung zu delegitimieren. Letztere würde jedoch auch in Ägypten von starken privatwirtschaflichen Interessen unterstützt werden. In der hier schon heftig entbrannten Diskussion um al-sharq al- awsatiyya ("Nahostizismus") sind die Befürworter regionaler Kooperation und Integration oft zugleich die Anwälte wirtschaftlicher Liberalisierung zu Hause, während die Gegner des neuen Konzeptes einen starken öffentlichen Sektor verteidigen.

In den direkt an den Friedensverhandlungen beteiligten Staaten werden Friedensabkommen und insbesondere die Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen zu neuen innenpolitischen Spannungen verschiedener Intensität führen. Mehr noch als die offizielle Beendigung eines Kriegszustandes, in dem seit langem ganz offensichtlich keine Möglichkeit eines arabischen Sieges mehr bestand, wird die Normalisierung der Beziehungen mit Israel, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, die arabischen Regierungen vor Legitimitätsprobleme stellen, die nur gelöst werden können, wenn ihren Bürgern diese Normalisierung als gerecht und gewinnbringend erscheint. Vorläufig sollten die innenpolitischen Spannungen aufgrund des begrenzten und schrittweisen Charakters der Normalisierung jedoch von den jeweiligen Regierungen augefangen und verkraftet werden können, wenn auch dies in verschiedenen Fällen mit ernster Repression verbunden sein könnte. Sollten allerdings von Israel verlangte repressive Maßnahmen in Palästina aus welchen Gründen auch immer stark zunehmen, so würde nur die Aufkündigung der Normalisierung die Stabilität der gegenwärtigen arabischen Regierungen und letztlich den Frieden in seiner in Madrid und Washington ausgehandeltem Form sichern. Längerfristig würde auch der Fortbestand ungleicher Wirtschaftsbeziehungen die Normalisierung gefährden, vor allem wenn auf arabischer Seite diese Ungleichheit für wirtschaftliche Schwierigkeiten verantwortlich gemacht wird.


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