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Drogengeschäfte : zur Entwicklung der internationalen Drogenmärkte / von Nicolas H. Hardinghaus. - [Electronic ed.]. - [Bonn], 1994. - 18 S. = 63 Kb, Text . - (FES-Analyse) Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1997 © Friedrich-Ebert-Stiftung * Der Drogenumsatz steigt auf der ganzen Welt. Drogen auf natürlicher Basis dominieren noch, der Absatz von vollsynthetischen Drogen nimmt jedoch zu. * Angebot und Nachfrage wachsen in den Ländern der Dritten Welt schneller als anderswo. Der massive Markteintritt der GUS-Staaten hat zu Einschränkungen traditioneller Anbieter, aber auch zu neuen Produktions- und Distributionsverknüpfungen geführt.
* Die Einschränkung des Bankgeheimnisses, die Einführung von Finanzstraftatbeständen und die verstärkte Überwachung von Banken und Finanzinstituten haben die internationale Geldwäsche nicht reduziert.
* Im herrschenden repressiven System stehen den in ihrem Umfang kaum quantifizierbaren sozialen Kosten positive und umfassende Investitions-, Beschäftigungs- und Vermögensbildungseffekte gegenüber.
* Drogenwirtschaft ist nicht notwendig inflationär, sie führt jedoch zu monetären Steuerungsproblemen und fortschreitender Dollarisierung.
* Organische Drogen herstellende oder handelnde Entwicklungsländer haben bisher relativ höhere Vorteile als Industrieländer. Durch das Aufkommen der vollsynthetischen Drogen und den Nachfragesog in den Entwicklungsländern droht die Situation jedoch umzukippen.
* Die Legalisierung des Drogengebrauchs und -handels würde die sozialen Kosten erheblich reduzieren. Die übrigen volkswirtschaftlichen Parameter würden sich nur dann positiv entwickeln, wenn das freiwerdende Kapital sinnvoll und legal reinvestiert würde.
Der globale Deal
Aus den Alchimisten des Mittelalters wurden die Urwaldlaborchefs und Stadtdrogendesigner der Neuzeit. Hinter ihnen stehen harte und dynamische Unternehmer und das Geschäft mit dem Drogenrausch. Drogengeschäfte, überall in der Welt, werden bestimmt von Angebot und Nachfrage. Selbst im vormals real existierenden Sozialismus. Das ist im real triumphierenden Kapitalismus erst recht der Fall. Die Nachfrage nach Drogen, insbesondere nach berauschenden, ist am umfassendsten und rücksichtslosesten in den Vereinigten Staaten von Amerika. Früher galt Kokain als Droge der Oberschicht, Marihuana und LSD waren für die Jungen und Studenten da, und Heroin wurde von der Unterwelt und den Ausgestoßenen und an den Rand Gedrängten genommen; das ist längst vorbei. Heute gibt es keine absolut klassenspezifische Nachfrage mehr. Die New York Times berichtete schon im Jahre 1986 von 500.000 Heroinsüchtigen in den USA, 5 Millionen Kokainabhängigen, 22 Millionen regelmäßigen und 28 Millionen gelegentlichen Marihuana-Rauchern.Diese Zahlen haben sich bis heute nur unwesentlich verändert. In Europa soll es heute annähernd 1.500.000 Heroinsüchtige geben, etwa 100.000 davon in Deutschland. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der polizeilich registrierten Erstkonsumenten harter Drogen nahezu verdoppelt. Die Zahl der registrierten Rauschgifttoten hat sich in Deutschland im selben Zeitraum auf ca. 2000 verdreifacht. Die Nachfrage nach Drogen wächst rund um den Erdball. Das schließt regionale Marktsättigungen nicht aus. Dort, wo sie eingetreten sind, wie bei Marihuana in USA, geht es um Marktstabilisierung; wo es bisher weniger zu rauchen, zu schnupfen oder zu injizieren gab, wie in Osteuropa, wächst der Markt beschleunigt. In der Dritten Welt wächst die Nachfrage schneller als in den klassischen Industriestaaten. Selbst Länder mit drastischen Strafen für Drogenhandel wie der Iran, wo man deswegen zwischen 1989 und 1992 mehr als 2000 Personen hingerichtet hat, sind massiv betroffen (200.000 Opiumsüchtige, 400.000 Heroinabhängige). In Ländern mit starkem Exportgeschäft entwickelt sich fast immer auch kräftige örtliche Nachfrage, wie z.B. in Nigeria. In Pakistan gab es bis 1979 keine nennenswerte Heroinabhängigkeit. Heute wird die Zahl der Süchtigen mit der fast unglaublichen Zahl von 1.500.000 angegeben. Trotz der traditionellen "Markentreue" langjähriger Drogenfreunde ("Persian White", "Mexican Brown", Heroin Nr. 3, "Acapulco Gold" usw.) scheint der Trend eher von der Monotoxikomanie zur Politoxikomanie zu gehen, d.h., ein Teil der Konsumenten verbraucht nicht nur ausschließlich Kokain oder Heroin oder Amphetamine, sondern nimmt, durch wechselnde Moden oder Bezugsverhältnisse veranlaßt, unterschiedliche Drogen, entweder sukzessiv oder simultan in unterschiedlichen Mischungen ("Cocktails"). Reine oder als rein empfundene Drogen werden noch bevorzugt, oft sind aber nur mehr oder weniger gestreckte, vielfach betrügerisch mit billigeren Streckmitteln und Giften versetzte Substanzen erhältlich. Neue Konsumformen wurden kreiert. Plötzlich wird Heroin nicht mehr nur injiziert, sondern auch inhaliert. Oder es wird, wie seit der ersten Hälfte der achtziger Jahre, Crack auf den Markt geworfen, die erfolgreichste Novität der letzten 20 Jahre, Kokain zum Rauchen. Oder man geht auf synthetische Drogen über, wie Amphetamine, (Mega-)Halluzinogene, Fentanyle. Deren Moleküle werden immer wieder neu verkettet, "gestylt" nach modischem Design: Jeder Musik ihre eigene Droge. Da ist England ganz vorn. Die spanische "Bacalao"-Tour durch die Tanzschuppen von Madrid bis in den Süden ist berühmt. Deutschland ist im Kommen, auch der Osten. Allabendlich werden "Technopillen" putzeimervoll in die Diskotheken geschleppt. Denn sie passen angeblich so gut zum "Rave", etwas, "was die Jungen von 12 bis 17 schon lange gebraucht haben" (Underground Info von einem deutschen Tecno-MayDay-Horror-Festival).
Das omnipräsente Angebot
Wie findet die Nachfrage ihr Angebot? Auschließlich über den Markt. Während Drogen in der ganzen Welt nachgefragt werden, kommt das Angebot aus bestimmten Ländern und Regionen mehr als aus anderen. Der Schlafmohn wächst nun einmal am besten in mittleren Lagen des Mittleren und Fernen Ostens, die Cocapflanze an den Osthängen der Anden. Dennoch gibt es Überschneidungen: in Kolumbien wird statt Coca mehr und mehr Mohn (amapola) angebaut, und von der Natur bevorzugte Cannabisernten (soweit sie nicht aus den Gewächshäusern Kaliforniens und der Niederlande stammen) werden in den maghrebinischen Mittelgebirgen und in nordamerikanischen Nationalparks eingefahren. Die Droge kommt in Wellen. Die erste war die asiatische Opium-Welle der ersten zwanzig Jahre dieses Jahrhunderts. Die Marihuana-und Haschwelle der USA aus den sechziger und siebziger Jahren lief weiter nach Afrika. In den USA selbst folgte auf die Marihuana (Grass-) Welle die Kokainwelle der achtziger Jahre. Die Kurve hat sich jetzt, auf Grund einer gewissen Marktsättigung, abgeflacht. Dennoch bleiben die USA und Kanada der bei weitem größte Kokainmarkt, gefolgt nicht etwa von Europa, sondern Lateinamerika. Die neunziger Jahre scheinen eine neue Heroinwelle zu bringen, nicht nur für Europa, wo Heroin seit langem stark gefragt ist, sondern vor allem in USA. Daneben grassiert Heroin in allen asiatischen Ländern. Keineswegs vergessen darf man die synthetischen Drogen, was in fast allen bisher bekannten Statistiken und Schätzungen geschieht. Das liegt auch daran, daß sie statistisch noch schwerer zu erfassen sind als natürliche Drogen. Die designer drugs sind neben Heroin die einzigen Drogen, die ziemlich gleichmäßig alle fünf Kontinente erfaßt haben und stark im Vormarsch sind. Sie wurden fast alle in Kalifornien entwickelt, heute jedoch werden sie fast überall hergestellt. Wer die erstaunliche Popularisierung der synthetischen Drogen wie Ecstasy, Angel Dust, Glass/Ice und Blue Velvet, der künstlichen Opiate, Halluzinogene, Megahalluzinogene, der Kokain- und Cannabis-Substitute, auch, und - zum zweiten Mal nach der Flower-Power-Zeit der sechziger Jahre - LSD, verfolgt, dem mag das Wettrennen zwischen Drogen, die man als natürliche bezeichnen könnte, weil sie aus Naturprodukten bestehen, wie Marihuana ("grass"), oder doch - wenn auch bearbeitet, "veredelt" - auf einem solchen wesentlich aufbauen, wie Kokain und Heroin, einerseits und künstlichen, die aus chemischen Substanzen synthetisiert werden, wie Amphetamine, Fentanyle, schon entschieden erscheinen. Sie entsprechen nicht nur Modebedürfnissen, sie werden allen Naturdrogen wie Heroin und Kokain beigemischt. Ein Gramm Heroin kann man zu höchstens 200 Straßenportionen verschneiden. Dazu muß man es unter Gefahren ins Land bringen. Ein Gramm 3-Methyl-fentanyl, 3000 mal so stark wie Morphium, ergibt ca. 50.000 Portionen, man muß es nicht einführen, sondern kann es bei Kosten für die Grundstoffe in Höhe von wenigen hundert Mark selbst herstellen. Dennoch, das Streben nach Naturhaftem, Öko- und Biobewegungen haben auch beim Drogenangebot Wirkung gezeigt. Die Naturdrogenanbieter wehren sich gegen die designer drugs, sichern Märkte, diversifizieren sich. Kolumbien war zunächst ein Marihuana-Hersteller, wurde der bedeutendste Kokain-Veredler und baut nun, nicht mehr nur nebenher, Amapola zur Heroinproduktion an.
Der Weltmarkt
Wenn sich auch die Anbauflächen der Coca in Südamerika, des Schlafmohns in Asien, der gestiegenen Nachfrage folgend, in den letzten zehn Jahren massiv vergrößert haben, so gibt es doch kaum noch monokulturelle und monofunktionale Länder. In China wird Heroin nicht nur geraucht, ein unseliges Erbe niederländischer und britischer Kolonialpolitik, sondern auch hergestellt. Das mexikanische Drogengeschäft lebt nicht nur vom traditionellen Hanfanbau und der bekannten Heroinproduktion, sondern besonders von dem ungebrochenen Transit-Transport von Kokain von Kolumbien nach USA. Es gibt keine reinen Angebots- und keine reinen Nachfrageländer mehr, die Funktionen von Herstellung und Transport,(spanisch: fuente und puente) sowie Absatz, überschneiden sich. Die Nachfrage hat sich weltweit als außerordentlich fest, mit steigender Tendenz, erwiesen. Dies nennen die Ökonomen unelastisch. Das Angebot hingegen hat sich noch immer, trotz aller Geschmackswechsel, trotz aller zu seiner Unterdrückung geführten Kampagnen, trotz des von den US-Amerikanern erklärten und - m.E. verlorenen - Krieges (war on drugs) als hinreichend anpassungsfähig, elastisch erwiesen. Fällt ein Konzern ("Kartell") auf Grund innerer Machtkämpfe oder massiver militärischer Repression aus, so Pablo Escobars kolumbianisches Medellin-Kartell, treten seine alten Rivalen vom Kartell von Cali an die Stelle. So unelastisch, wie es früher schien, ist die Nachfrage indessen nicht. Die Nachfrage ist selbst bei extremer Sucht nicht vollkommen unelastisch, weil Süchtige als Nachfrager aus unterschiedlichen Gründen ausscheiden können. Es darf auch nicht unterschätzt werden, daß nur ein Teil der Konsumenten in einem Grade abhängig ist, daß er ohne Rücksicht auf den Preis kaufen muß. Der Anteil der gelegentlichen, aber nicht süchtigen Verbraucher ist erheblich, dazu treten regelmäßige, aber (noch) nicht süchtige Nachfrager. Je "weicher" die konsumierte Droge, desto geringer der Grad der Abhängigkeit, desto größer auch die Elastizität der Nachfrage. Das bedeutet, daß z. B. Hasch- oder Marihuanaraucher ("Kiffer") eher bereit sind, bei stark steigenden Preisen ihren Konsum entweder einzuschränken oder auf andere Drogen, z. B. leichtere voll synthetische Drogen umzusteigen. Die Nachfrage ist daher bei Gelegenheits- oder nicht süchtigen Gewohnheitskonsumenten begrenzt elastisch, bei extremer Sucht nicht vollkommen unelastisch. Reagierte das Angebot hierauf nicht, müßte man es seinerseits als unelastisch bezeichnen. Im allgemeinen sind die Anbieter jedoch außerordentlich elastisch. Ohne solche Elastizität wären sie nicht in der Lage, solche großen Binnenmärkte wie den von Pakistan zu versorgen, wo etwa 80 Tonnen Heroin jährlich verbraucht werden, auf Grund der geringen Kaufkraft der Nachfrager jedoch das Gramm Straßenheroin teilweise zu nicht mehr als zwei bis drei Dollar abgegeben wird. Die Weltmärkte der Drogen sind interventionistisch und dereguliert zugleich. Interventionistisch auf Grund der permanenten Anstrengungen der meisten Regierungen dieser Erde, das Drogengeschäft durch Verbote und Sanktionen auszumerzen oder einzuschränken. Dereguliert, weil es eben deswegen weder Qualitätskontrollen in der Produktion noch Handelsnormen im Vertrieb gibt. Daher sind die unkontrollierten Beimischungen oft gefährlicher als die Drogen selbst. PCP, Angel Dust, den man auch "the slum drug" nennt, z.B. ist ein billiges Halluzinogen, das völlige Verwirrung, blinde Agressivität und unkontrollierte Gewalttätigkeit hervorrufen kann. Trotzdem werden Champignons aus der Dose mit PCP besprüht und als halluzinogene Pilze verkauft, getrocknetes Sellerie oder Heu wird in eine Sauce aus grüner Farbe und PCP getaucht, erneut getrocknet und als Marihuana "verscheuert". Die realen, inflationsbereinigten Preise sind, trotz aller Widrigkeiten und in Abwesenheit jedweder staatlicher Preisbildungspolitik, erstaunlich stabil geblieben, allenfalls nur mäßig gesunken. Marihuana, Kokain, Heroin kosten, von gewissen kleineren örtlich und geschmacklich-modisch bedingten Schwankungen abgesehen, in etwa noch das, was man vor zehn oder zwanzig Jahren dafür bezahlen mußte. Eine gewisse Preissteigerungstendenz geht von den gestiegenen, durch wachsende Repression verursachten Kosten, wie für geschickteres Verbergen der Produktionsstätten, raffiniertere Transportmittel, erhöhte Schmiergelder, aus. Die weltweite Ausdehnung der Produktionskapazitäten sowohl in Lateinamerika als auch in Südostasien und im Mittleren Orient bei "Naturdrogen" einerseits und in den Industrieländern bei rein chemischen Drogen andererseits, das Auftreten ganz neuer Anbieterländer, die erweiterten Möglichkeiten zur Produktion für den Hausgebrauch stehen dem jedoch entgegen. Wo es zu einer echten Überproduktion kommt, wie bei Kokain, muß - wie in einem globalen Marktregulierungssystem - sogar "auf Halde gearbeitet" und "gebunkert" werden, um einem unerwünschten Preisverfall entgegenzuwirken. Der jährliche Weltumsatz ausschließlich verbotener Drogen beläuft sich nach gängigen Schätzungen auf ca. US Dollar 300 Milliarden. Dies beruht auf alten Berechnungen der US-amerikanischen Drug Enforcement Administration DEA, die allerdings schon mehr als zehn Jahre alt sind und immer wieder fortgeschrieben wurden. Die Ausweitung der Märkte in der Dritten Welt, der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Öffnung der GUS-Staaten für alle Arten dunkler Geschäfte, das Aufkommen der damals ganz unberücksichtigten vollsynthetischen Drogen führt zu einem an 400 Milliarden US-Dollar heranreichenden Globalmarkt. Heute dürfte allein der Markt der Vereinigten Staaten (mit Kanada) ein Volumen von ca. 133 Milliarden Dollar, der von Europa von 66 Milliarden Dollar haben. Der nordamerikanische Markt (ohne Mexiko) ist der bei weitem bedeutendste Teilmarkt. Davon entfallen auf den Umsatz von Heroin ca. 20 Milliarden, von Kokain ca. 59 Milliarden, von Marihuana und Haschisch ca. 50 Milliarden und der Rest von ca. 4 Milliarden auf verbotene synthetische Drogen. In Europa ist die Drogenstruktur anders: Hier nimmt das Heroin mit Abstand den ersten Rang ein, Haschisch ist bedeutsamer als Marihuana, gefolgt von den vollsynthetischen Drogen. Es fällt auf, daß der Absatz in den Ländern der Dritten Welt sehr zugenommen hat. Das gilt besonders für Lateinamerika, Indien, Pakistan und Afrika. Die ärmsten der Armen werden mit billigen, oftmals "schmutzigen", weil mit gefährlicheren Zusatzstoffen versetzten Drogen überschwemmt. Hier haben sowohl "Basuco", billige Mischungen von Kokain mit Tabak als auch die übelsten vollsynthetischen Drogen bis hin zu chemischen Lösungsmitteln ihre leider große Chance. Dementsprechend fanden die designer drugs in Afrika und Asien hochinteressante neue Märkte. Sie sind technisch leicht herzustellen, man kann die chemischen Baustoffe billig erwerben, mit (legalen) Chemikalien im Werte von rund 100 Dollar und Apparaturen von ungefähr 50 Dollar soll man etwa eineinhalb Kilo "Hyper Dust" (PCP) zusammenkochen können. Man kann die Ware leicht transportieren, in das Gehäuse einer mittleren Armbanduhr sollen 80.000 Portionen passen.
Erlöse, Gewinne, Kosten
Man hat von den Umsätzen, was in der Presse oft übersehen wird, die Gewinne der Produzenten, Händler, Transporteure und Helfer zu unterscheiden. Die Rohmargen sind allerdings dennoch gewaltig. Man kann sie ermessen, wenn man sich vor Augen führt, daß aus 300 kg Kokain, einer Ladung für eines der beliebten Kleinflugzeuge, die den kolumbianischen Hersteller vielleicht 3000 US-Dollar pro Kilo kostet, im Endumsatz en detail auf dem marketplace in USA vielleicht 30 bis 34 Millionen, wenn sie geschickt gestreckt werden, bis zu 50 Millionen Dollar werden können. In Europa liegt der Kokainpreis in der Regel noch darüber.
Die Produzenten der ersten Linie sind die Pflanzer und Bauern, die Coca anbauen und die Blätter verkaufen. Ihre Preise sind heute nicht mehr die von ehedem. Ein peruanischer campesino konnte noch vor einigen Jahren aus einem Hektar Coca-Kultur an die 8.000, mitunter angeblich bis zu 13.000 US$ jährlich ziehen. Für die bolivianischen Bauern aus dem Chapare wurde ein mittlerer Coca-Hektar-Ertrag von 6.000 bis 7.000 $ angegeben. Inzwischen sind durch die Übermacht des Handels und die Ausweitung der Anbauflächen die Preise gesunken, auf 3.000 bis 4.000 $ pro Jahr/Hektar, manchmal darunter. Aber selbst damit geht es dem Bauern noch immer viel besser, als wenn er irgendeinen zulässigen Anbau betriebe. Blumen, Tomaten, Früchte, Gemüse, Cafe, Tee, Kakao usw. würde ihm nicht mehr als durchschnittlich 800 $ (Cafe maximal 2.300 $, Bananen ca. 500 $, Mais ca. 280 $) einbringen, und das auch nur theoretisch. Denn er wüßte immmer noch nicht, wie die Ernte zum Hafen transportieren. Vergleicht man die Einkünfte der Bauern mit denen der Händler, so sind sie Hungerlöhne. Sieht man, was dieselben Bauern sonst gehabt hätten, haben sie ein gutes Auskommen. Frei allerdings sind die Bauern damit nicht geworden. Waren sie vorher von Großgrundbesitzern abhängig, so sind sie es jetzt vom überregionalen Drogenkapital. Mit den Staatsorganen stehen sie so schlecht wie eh und je, denn die waren vorher mit den hacendados und Latifundienbesitzern, und sind heute zum Gutteil mit den Drogenunternehmern im Bunde. Die Rohmargen der Veredelung und des Handels sind gewaltig. Daran verdient natürlich die ganze lange Kette der Beteiligten mit, die Mulas ("Maulesel"), die Blätter oder Paste durch die Flüsse zu den heimlichen Pisten schleppen, die Dschungelpiloten, die "Kokaköche" oder Laborbetreiber in Kolumbien oder Brasilien, die US-Piloten, welche das weiße Pulver, in Treibstofftanks oder sonst pfiffig verstaut, unter Umgehung der US-Luftüberwachung an die Pumpstationen hinter der Grenze schaffen, die Besitzer der Drogenbunker (stash-houses), die Importeure, ihre Zwischenhändler, Großhändler, Einzelhändler, streat-dealer bis zu den Geldwäschern, Bankern, Rechtsanwälten, den großindustriellen Lieferanten der chemischen Zusatzstoffe wie Äther und Aceton und anderen Förderern. Die Großen der Drogenwirtschaft sind in den Verein der reichsten Männern der Welt aufgenommen worden. Die vier Chefs des nun in der alten Form nicht mehr bestehenden Kartells von Medellin sollen alle ein persönliches Vermögen zwischen 1.5 und 2.5 Milliarden Dollar besessen haben. Das mag übertrieben sein, große Teile dieser Vermögen waren sicher auf Grund ihrer illegalen Herkunft schwer zu versilbern und damit in ihrem liquiden Wert gemindert. Dennoch bleiben märchenhafte Summen, die bei einigen "Drogenbossen" zu realitätsfremder Überschätzung der eigenen Möglichkeiten und damit zu ihrem Untergang geführt haben. Schließlich gibt es auch Verluste. Nach allgemeiner Einschätzung gelingt es den Behörden weltweit immerhin, zwischen 5 und 10 % der Drogen zu konfiszieren und aus dem Verkehr zu ziehen (allerdings erscheint ein Teil oftmals auf wundersame Weise erneut im Verkauf).
cash und carry - das Drogengeld
Das Geld ist die ständige Begleiterin der Droge, ihre (un-)heimliche Geliebte. Es ist der Treibstoff des gesamten Produktions-und Vertriebsprozesses, es macht den Weg hin zum Endverbraucher, es macht ihn aber auch wieder zurück, vom Verteiler zum Hersteller. Die Geldverwendung ist gekennzeichnet durch drei Phasen: Die Phase der Akkumulation, die der Dispersion und dann noch jene der Disposition. In der Akkumulationsphase muß man sehr praktische Probleme lösen. Das größte ist, wie die koffer-, manchmal waggonweise anfallenden Scheine unbemerkt im In- oder Ausland auf unverdächtige Bankkonten bringen, das Problem der Demonetisation. Danach muß das gute, aber schwarze oder auch heiße Geld, zumindest vorläufig, geparkt werden, die Fragen der kurz- bis mittelfristigen Anlagestrategie. Das leitet über zu den Dispersionsbedürfnissen der Zahlungsempfänger. Sie sind insbesondere im Interesse der Risikominderung darauf aus, ihre Mittel zu diversifizieren, nach Möglichkeit um den Globus herum zu verteilen (Globalisierung), und in den unterschiedlichsten Investments anlage- oder renditewirksam werden zu lassen (Stratifikation). Schließlich will man disponieren. Einen Teil braucht man für die Re-Investition ins eigene Geschäft, neue oder bessere Labors, schnellere Boote, unsichtbare Jets, bessere Aufpasser, intelligentere Informanten, generell: Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen. Erst wenn diese Bedürfnisse befriedigt sind, denkt der vorausschauende Narcotrafikant an die beiden anderen Dispositionsziele: Eigenverbrauch und langfristige Anlage in nicht drogengeschäftsbezogene Unternehmen. Jetzt, nicht vorher, stellt sich für ihn das Problem der Legitimierung seines Geldes, mit einem populären Wort: der Geldwäsche, die zwar juristisch unmöglich ist, sich aber faktisch machen läßt. Es gibt vielerlei Methoden der Geldwäsche. Im kleinen findet man sie überall dort, wo man Bargeld unkontrolliert verschwinden lassen kann, in Casinos, beim Juwelier, Kunsthändler, im Filmgeschäft, bei allen schwierig zu bewertenden Export-und Importgeschäften, in gemeinnützigen Vereinen und wohltätigen Stiftungen. Die Geldwäsche, die wirklich zählt, findet man allerdings vor allem in den großen internationalen Finanzzentren, in New York, Miami, London, Tokio, Hongkong, oder in den kleinen und großen Ländern, die sie gewollt oder ungewollt begünstigen, in Panama, Liechtenstein, Österreich, Ungarn, einigen Karibik-Inseln. Komplizierte Transaktionen, Dreiecks-, Vierecksgeschäfte, unübersichtliche Kompensationen, Schiebungen und Verschiebungen zwischen alten und neuen, immer aber reputierlichen Gesellschaften, die ketten- oder sternförmig, unter Umständen über den ganzen Erdball miteinander verknüpft werden, dienen dazu, mittels elektronischer Befehle, voll computerisiert, rund um die Uhr, per simplen Knopfdruck enorme Mengen von Geld so lange wie in einem globalen, funkelnden Lichterspiel herumtanzen zu lassen, bis am Ende alle, selbst der Urheber, glauben, das Geld sei immer weiß gewesen. Die Geldwäsche ist als selbständiger Straftatbestand nach dem Beispiel der USA in einer großen Zahl von Ländern eingeführt worden. Genützt hat das wenig: Nach wie vor wird Drogengeld durch die mannigfachsten Kanäle in aller Welt geschleust, bis es, scheinbar weiß, wieder zur Verfügung des eigentlichen Berechtigten steht. Man darf annehmen, daß von dem jährlichen Weltgesamtumsatz nahezu zwei Drittel, das sind etwa 200 Milliarden US Dollar, gewaschen werden. Bei dem Rest des Umsatzes erübrigt sich das, weil das Geld innerhalb des Systems verausgabt wird. Dazu braucht man Helfer und Experten. Man findet sie unter den internationalen Finanz- und Anlageberatern, in den Brokerhäusern, bei Maklern, in den Börsen, und vor allem in den Banken. Die Assistenz kann sehenden und geschlossenen Auges geleistet werden. Trotz eingehender Schulungsprogramme ("Know your client") und interner Kontrollsysteme konnte der entscheidende Beitrag der nationalen und internationalen Banken nicht ausgeschaltet werden. Die Banken finanzieren das Geschäft vor, sie transportieren, fermentieren und konsolidieren die Einkünfte. Um das zu erreichen, gelingt es den Drogenhändlern immer wieder, Bankmitarbeiter zur Kooperation zu bewegen, durch Bestechung, Bedrohung, Erpressung. Und wenn das nicht reicht, kauft man womöglich die ganze Bank. Dem Drogenhandel kommt sehr die globale Liberalisierung internationaler Finanztransaktionen zugute. Die "Deregulierung" hat die Finanzwelt im Zuge von Thatcherismus und Reaganomics seit Beginn der achtziger Jahre umgewandelt, ganz in Übereinstimmung mit vorherrschenden neoliberalistischen Strömungen. Hinzu kam der Siegeszug der elektronischen Datenübermittlung und Telekommunikation. Damit wurde den Finanziers des Drogengeschäfts das ideale, praktisch nicht aufhaltbare Instrumentarium geschaffen. Demgegenüber fiel dann kaum noch ins Gewicht, daß gleichzeitig unter dem Druck der USA fast überall das traditionell oder gesetzlich verankerte Bankgeheimnis aufgehoben oder eingeschränkt wurde. Auch nicht, daß die Banken verpflichtet wurden, größere Bartransaktionen und alle verdächtigen finanziellen Bewegungen anzuzeigen, den Firmenkunden in die internen Bilanzen, den Privatkunden in die Brieftasche zu schauen, zu ermitteln, ob da wohl illegitime Quellen sprudeln. Die Institute wurden von offizieller Seite, so erst vor kurzem durch die Financial Action Task Force der OECD, sogar aufgefordert, als "agents provocateurs" mutmaßliche Geldwäscher zu illegalen Geldbewegungen zu verleiten oder zu ermuntern. Der Erfolg war bisher minimal: Nimmt man noch an, das 10 % der geschmuggelten Drogen sichergestellt werden, so ist es bei den Drogengeldern einschließlich aller eingezogenen Luft-, See- und Landfahrzeuge, beschlagnahmter Grundstücke, Juwelen, Wertpapiere nicht einmal ein Prozent.
Drogenkonsum und Drogengeschäft in der Gesellschaft
Fast in der ganzen Welt sind heute Herstellung, Handel und Besitz von und mit Drogen verboten und mit Strafsanktionen belegt. Aufweichungserscheinungen gibt es lediglich an den Rändern, so bei den erweiterten ärztlich kontrollierten Therapieprogrammen für Heroinabhängige in der Schweiz und Liverpool, bei der (unentschlossenen) Entpönalisierung des Verbrauchs in Spanien und Italien, neuerdings in Kolumbien, wo der Genuß einer täglichen "dosis personal" straffrei sein soll, und in Deutschland auf Grund der bekannten und umstrittenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom April 1994, wonach bei Besitz undefinierter geringer Mengen von Cannabis-Produkten zum Eigenverbrauch auf die Bestrafung verzichtet werden soll. Im Kern steht die Strafsanktion aber fest und anscheinend unerschütterlich. In den USA kann man nach wie vor wegen erheblichen Drogenhandels zu Gefängnisstrafen, die die dreifache Lebenszeit eines Mannes überschreiten, verurteilt werden. In Malaysia, Singapur, China oder dem Iran wird einem auch schon aus nichtigeren Gründen der Kopf abgeschlagen oder in einer Schlinge aufgehängt. Seit den Tagen des Präsidenten Nixon, verstärkt aber seit der "Kriegserklärung" durch Präsident Reagan setzen die USA in erster Linie auf law enforcement, den staatlichen Zwang zur Durchsetzung der von ihnen der ganzen Welt auferlegten Prohibition. Der Kampf wurde militarisiert, die Drogenwirtschaft wurde als Bedrohung des nationalen Sicherheitsinteresses bezeichnet. Für den war on drugs, auch wenn man ihn neuestens unter Präsident Clinton nicht mehr so bezeichnet, gibt allein die Regierung in Washington mehr als dreizehn Milliarden Dollar jährlich aus, nicht gerechnet den Aufwand der Einzelstaaten, Counties und Kommunen. Die Regierung Clinton ist zwar von dem bellizistischen Namen der Repressionsprogramme abgerückt, im wesentlichen aber nicht von ihrem Inhalt. Wirken sich diese Rahmenbedingungen von Gebrauch und Handel mit Drogen eher zum Vorteile oder zum Nachteil der Gesamtgesellschaft aus? Man kann die Frage ethisch, medizinisch, therapeutisch, juristisch, politisch stellen, man kann aber auch die volkswirtschaftliche Problematik erörtern: Welche Auswirkungen hat der Umgang mit den verbotenen Drogen im wirtschaftlichen Gefüge der Völker, und was bedeutet dies für deren soziale Ordnung?
Volkswirtschaftliche Parameter - Aktiva
Volkswirte neigen dazu, Gesamtrechnungen, nationale Bilanzen zu erstellen. Dazu gehören Aktiva und Passiva. Kann man auch die Drogenwirtschaft bilanzieren? Wie ist sie in eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung einzuordnen? Das Drogengeschäft hat, so wie jedes andere aktiv betriebene Wirtschaftsunternehmen, stimulierende Wirkungen auf den Wirtschaftsablauf. Es hat zur Folge, daß das Bruttoinlandsprodukt (Gross Domestic Product GDP) aller irgendwie berührten Länder steigt. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob es sich überwiegend um ein Erzeuger-, Verteiler- oder Verbraucherland handelt. Die volkswirtschaftliche Gesamtleistung erhöht sich im übrigen nicht nur durch die direkte oder indirekte Teilnahme am illegalen Drogengeschäft oder als deren begrüßte oder verdammte Konsequenz, nicht nur durch die Drogengeschäftsleute, sondern auch durch ihre Verfolger, nämlich die Militärapparate, Polizeieinheiten, Justizstellen, ebenso durch die begleitenden Dienstleistungbereiche im Gesundheitswesen, Therapieeinrichtungen etc. Die Zuflüsse aus dem Drogengeschäft bleiben nicht steril, sie können auf Grund ihrer mangelnden Erfaßbarkeit zumindest nicht vollständig von den Zentralbanken aus dem Geldverkehr ausgesondert werden. Sie induzieren daher weiteres Wachstum, und zwar sowohl durch Re-Investitionen im Drogenbereich als auch durch Investitionen in anderen Geschäften und auch durch den privaten Verbrauch der Geschäftsbeteiligten. Auch für die sogenannten Entwicklungsländer, von Afghanistan bis Zimbabwe, bedeuten Produktion, Handel, Verbrauch von Drogen vorerst einmal wirtschaftliches Wachstum. Logisch ist, daß sich das - relativ - in einem großen Industrieland weitaus weniger auswirkt als auf einer karibischen Insel. Einige kleinere Länder wie Bolivien und Peru hängen fast vollkommen von der Drogenwirtschaft ab. Im Falle Boliviens nimmt man an, daß das Land durch den Export von Cocablättern, Cocapaste und jetzt auch zunehmend von Kokain mehr als das Doppelte dessen erzielt, was ihm aus legalen Exportgeschäften zufließt. Daß Peru nach dem kalten Staatsstreich von Alberto Fujimori überhaupt wieder hat Fuß fassen können, liegt in erster Linie an den ausgedehnten Cocaanbaugebieten des Landes, welche inzwischen sogar die von Bolivien deutlich übertreffen. Kolumbien verfügt über eine gesunde und differenzierte legale Wirtschaftsstruktur. Kraft des Drogendollarzustroms wird der Peso laufend aufgewertet, man hat in den vergangenen zwanzig Jahren, als ganz Lateinamerika in der schlimmsten Liquiditätskrise steckte, nur relativ geringfügig internationale Kredite in Anspruch nehmen müssen. Nie hat man um eine Umschuldung nachgesucht, so wie alle seine Nachbarn. Marokko fließen jährlich aus dem Drogenexport etwa 2 Milliarden Dollar zu, gegenüber 3,6 Milliarden aus dem legalen Ausfuhrgeschäft. Damit ist das Land in der Lage, seinen jährlichen Verbindlichkeiten aus der Außenverschuldung nachzukommen, rund 2,4 Milliarden Dollar. Mit der Folge, daß Marokko so etwas wie ein Musterknabe des Internationalen Währungsfonds wurde. Für die betroffenen Länder der Dritten Welt ist der Handel mit Drogen oder Drogenrohstoffen bis in die Gegenwart das perfekte Exportgeschäft, die Umkehr des beklagten Nord-Südgefälles in ein Süd-Nordgefälle. Nie wurden, in den Augen der Erzeugerländer, Kakao, Kaffee, Zinn, Bauxit, Bananen, Mangos wertgerecht bezahlt. Ausgerechnet da, wo der Export illegal wird, scheint sich das Kräfteverhältnis umzukehren. Das wird mit heimlicher Lust gesehen, man gibt das zwar nicht offen zu, man würde sich den Unmut der USA zuziehen, man spricht aber intern darüber. Endlich ein Rohstoff, der "angemessen", "gerecht" im Sinne der von den sogenannten Entwicklungsländern seit Beginn der siebziger Jahre so oft wie vergeblich geforderten Neuen Weltwirtschaftsordnung bezahlt wird. Ob sich diese "verbotene Frucht" auf Dauer ernten lassen wird, steht auf einem anderen Blatt. Nicht die Repression der Industrieländer läßt daran zweifeln, vielmehr ist es die durch die synthetischen Drogen und die mögliche Liberalisierung des Verbrauchs ausgelöste Marktdynamik, die mit der partiellen Privilegierung bestimmter Drittweltländer Schluß machen könnte. Neben den Qualitäten der "Dritten Welt" als Hersteller und Exporteur ist ihre neue Situation als Nachfrager zu verzeichnen. Afrika ist überzogen von Cannabiskulturen, es strömt Kokain aus Lateinamerika und Heroin aus Asien und dem Libanon fast ungehindert ein, aus Algerien kommen die Amphetamine. Pakistan und Indien sind nicht mehr nur riesige Umschlagplätze, es sind enorme Nachfrager geworden. Das größte Potential hat China, eine eigene Welt, die von den Kolonialmächten in den Drogenkonsum getrieben wurde, und heute einen Drogennachfragezuwachs ohne Beispiel in der Welt zeigt. Wie in der "Ersten Welt", so erhöht sich in der Dritten Welt die volkswirtschaftliche Gesamtleistung durch die Gesamtheit der mit der Drogenwirtschaft in direktem und indirektem Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Aktivitäten. Gelänge wirklich eine ersatzlose Eliminierung der Drogenwirtschaft, so könnte das die wirtschaftlche Katastrophe und das generalisierte Elend für eine beträchtliche Anzahl von Ländern der Dritten Welt bedeuten. Die Drogenwirtschaft schafft Arbeitsplätze. Und zwar auf allen Ebenen vom landwirtschaftlichen Anbau bis zum Verbrauch. In Lateinamerika mögen das zwei bis drei Millionen zusätzlicher Beschäftigter im Cocaanbau sein. Dies führt dazu, daß schätzungsweise 10 bis 12 Millionen Menschen hiervon leben. Im Goldenen Dreieck sind es sicher nicht weniger, allein in Myanmar, dem ehemaligen Birma, dürfte der überwiegende Teil der Landbevölkerung vom Schlafmohnanbau leben, ähnlich in weiten Teilen Afghanistans, Pakistans, Irans (Belutschistan), Chinas (Yunnan). Die Bevölkerung des Rif in Marokko von ca. 5 Millionen Menschen kennt im Grunde nichts anderes als den Cannabisanbau. Auch in den typischen Verbraucherländern wie USA oder Westeuropa wird mehr Arbeit angeboten: Piloten, Schiffsführer, Importeure, Zwischenhändler, Großhändler, Kleinhändler, Straßendealer, Chauffeure, Mitarbeiter der chemischen, Zusatzstoffe fabrizierenden Industrie, Waffenhersteller, Waffenlieferanten, Wachpersonal, Aufpasser, Informanten, Banker und Bankangestellte, Rechtsanwälte und ihre Mitarbeiter, Finanzberater, chemische Berater, Geldzähler, Geldkofferträger, Geldkuriere. Die Arbeitsplätze werden natürlich nicht nur auf der illegalen Seite des Drogengeschäftes gewonnen, Millionen von Arbeitsplätzen entstanden auch im Bereich der Betreuung, Therapie und vor allem anderen im Bereich der Repression. Wer Geld verdient, kann, wenn es genug ist, einen Teil zur Seite legen, Sparen. Es wächst mit dem erhöhten Volkseinkommen die Vermögensbildung. Die vom Drogengeschäft ermöglichte Vermögensbildung wirkt sich sowohl auf den Bereich der privaten Haushalte wie auf den Unternehmensbereich aus. Besonders stark ist die Kapitalbildung, den die legale Wirtschaft durch die Anlagen und Investitionen erfährt, die nicht Re-Investition in der Drogenwirtschaft als solche darstellen, sondern in der Drogenwirtschaft benachbarten oder völlig fremden Branchen erfolgen. Hierdurch wird gleichzeitig die Wirtschafts- und Gewerbestruktur verbessert. Die Diversifizierung führt zur Aktivierung von ursprünglich nicht erfaßten Branchen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Es wird investiert in Immobilien, Bauunternehmen, Transporte jeder Art, die kunststoffverarbeitende Industrie, Tourismus, Bankwesen, Handelsketten, Restaurationsbetriebe, Informatik, Massenmedien wie Film und Fernsehen, schließlich auch in motorisierte und nicht motorisierte Rennställe, Fußballmannschaften. Jedwedes Geschäft ist möglich. Dazu kommt die Investition in internationale börsengängige Wertpapiere, Aktien, Obligationen, Optionen, auch commodities, schließlich in Devisen. Direkt oder indirekt geben diese Engagements, gleich ob mittel- unter Renditegesichtspunkten, oder langfristig unter Stabilitätsgesichtspunkten getätigt, starke und sehr spürbare volkswirtschaftliche Impulse. Oftmals mischen sich mit Drogengeld finanzierte Aktivitäten mit anderen, so daß es mit zunehmender Entfernung vom Ursprung des Geldes bald unmöglich wird, eine Abgrenzung zwischen "schwarzem" und "weißem" Geld vorzunehmen. Bei den stark verschuldeten Entwicklungsländern läßt sich noch ein weiterer positiver Effekt verzeichnen: Es fällt ihnen leichter, ihren internationalen Kreditverpflichtungen nachzukommen, Beispiel Marokko, oder sie von vornherein relativ niedrig zu halten, Beispiel Kolumbien. Der verstärkte Anfall von ausländischen Devisen, besonders Dollars, macht es leichter, die Mittel für Zins- und Kapitalzahlungen aufzutreiben, wenn auch bisweilen nur um den Preis der erhöhten internen Verschuldung in Landeswährung.
"Soziale Kosten" und andere Passiva
Das, was zu Recht die meisten Sorgen bereitet, der wichtigste Passivposten, sind die soziale Kosten genannten Nachteile, die das Drogengeschäft der Gesellschaft auferlegt. Sinkende Lebenserwartung, Krankheiten, soziale Verelendung, Beschaffungskriminalität und -prostitution, Motivations- und Kreativitätsverlust sind nur einige Stichworte, welche hohe soziale Verluste begründen, die zwar sicherlich zunächst die Gruppe der Drogenkonsumenten treffen, aber die Gesamtgesellschaft belasten und sich in einer korrekten volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung negativ niederschlagen müssen. Es ist schwierig bis unmöglich, jedenfalls außerordentlich strittig, diese zu definieren und in Geld zu messen. Nicht hinzurechnen wird man zum Beispiel solche Sach- und Personalaufwendungen, die der Staat für Therapieeinrichtungen erbringt. Sie führen zu keinem volkswirtschaftlichen Wert- oder Produktivitätsverlust, sondern im Gegenteil zu einer Steigerung des Bruttosozialprodukts. Schmerzhafte soziale Einbußen jedoch ergeben sich aus den täglichen enormen Schäden, die Krankheit und Verelendung mit sich bringen. Auch dies ist bestritten; man sagt, niemand habe einen Anspruch darauf, daß dieser oder jener Drogensüchtige arbeite und die volkswirtschaftliche Produktivität erhöhe. Das mag zwar individuell richtig sein, für eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung spielt die individuelle Zurechenbarkeit jedoch keine Rolle. Für diese muß man feststellen, daß Produktivkräfte effektiv paralysiert werden und ausfallen. Nur: Wie ist das zu bewerten? Für die Bundesrepublik (1990) schwanken die Schätzungen zwischen 5 und 25 Milliarden DM. Die globalen Schäden werden auf bis zu 100 Milliarden US Dollar jährlich geschätzt. Dies scheint eher zu niedrig bemessen. Es ist dargestellt worden, einen wie negativen Einfluß die in Mode gekommenen oder kommenden voll synthetischen Drogen haben. Diese sind weitaus billiger, wirksamer, da sie sowohl schneller als auch stärker als die klassischen organischen oder halborganischen Drogen wirken, und haben deswegen ein neues, zusätzliches Publikum in aller Welt. Sie sind aber auch weitaus schädlicher, weil sie schnell zu Abhängigkeit und irreparablen Schäden des Hirns, des Herz-Lungenkreislaufs und anderer Organe führen. Neben dem generellen Produktivitäts- und Wertverlust schlägt negativ zu Buche, daß die Drogenwirtschaft zu Konzentration wirtschaftlicher Macht und damit auch zu einer verschlechterten Vermögensverteilung führt. Zwar erhöhen sich, wie dargestellt, Sparleistung und Vermögensbildung, jedoch dies nur in den Händen weniger. Die Großverdiener der Drogenwirtschaft sind ja nicht die Bauern und Pflanzer, sondern einige wenige Gruppen, Syndikate, Kartelle des internationalen Handels. Während das Geschäft den Beteiligten an der Basis und an der Spitze fast keine Kapitalbildung erlaubt, konzentriert es diese bei den relativ wenigen Händlern, die sowohl die Produktion als auch den Kleinabsatz dominieren. Diese Situation führt zu Marktaustritten der schwächeren Anbieter, entweder weil sie die steigenden materialen Kosten nicht mehr übernehmen wollen oder können, oder weil ihnen die immateriellen Kosten, der Druck der Großen des Geschäfts, die sich, wenn nötig mit tödlicher Gewalt durchsetzen, gepaart mit dem Risiko von Festnahme oder Enteignung durch staatliche Behörden, zu hoch erscheinen. Der "Mittelstand" wird eliminiert. Das führt zur Zentralisierung zumindest auf den oberen Stufen der Herstellung und Verteilung. Dort wird man sowohl mit steigenden Kosten und wie mit Risiken besser fertig. Es stellen sich "Effizienzgewinne" ein. Da dies nicht nur für den Drogenhandel gilt, sondern für die gesamte illegale Schattenwirtschaft, bietet sich daher verstärkt die Verschränkung zwischen Drogenhandel und sonstigem organisiertem Verbrechen an. Das Drogengeschäft bringt es mit sich, daß die im Umlauf befindliche Geldmenge zunimmmt. Sie nimmt einerseits "heimlich" zu, dort wo sich der Geldumlauf amtlicher Erfassung entzieht, z.B. wenn internationale Geldkuriere koffer - oder sackweise Hundertdollarnoten nach Kolumbien, Panama oder in die Schweiz bringen. Die Geldmenge nimmt aber auch ganz offiziell, das heißt bei offenen oder geschlossenen Augen der jeweiligen Zentralbank zu, wenn die Kapitalien "gewaschen" werden und dann, z.B. als sogenannte Back-to-Back-Darlehen, die Kreditfinanzierung anregen oder erweitern. Die Drogenwirtschaft deswegen als notwendig inflationär zu bezeichnen, ist nicht gerechtfertigt. Denn ob Geldzuflüsse die erwünschte stimulierende, konjunkturfördernde Wirkung in einer Deflation oder Stagflation haben, oder in unerwünschter Weise inflationäre Tendenzen auslösen oder verstärken, hängt allein von der jeweiligen volkswirtschaftlichen Ausgangslage ab. Eine plötzliche Unterbrechung des Geldzuflusses, ein brüskes Versiegen des Drogengeldstromes kann wegen des damit verbundenen generellen Geldzerstörungseffektes zu einer schweren Deflation führen. Allerdings besteht hinsichtlich der Zuflüsse nur eine beschränkte monetäre Steuerungsfähigkeit der Staatsorgane. Das liegt daran, daß Regierung oder Notenbank Geld nur insoweit abschöpfen oder sterilisieren können, als es für sie greifbar ist. Die Entwicklung des Tauschwertes der nationalen Währungen, die in den Fällen vieler organische Drogen produzierender Entwicklungsländer haussieren, entgleitet der Kontrolle häufig. Ob es gut oder schlecht für die Wirtschaft Venezuelas ist, daß die nationale Währung, der "Bolivar", infolge des Drogenfinanzgeschäftes entgegen der Volksmeinung eher überbewertet ist, richtet sich nach der Gesamtwirtschaftslage des Landes, wobei viele nicht drogenbezogene Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen. Fest steht jedoch, daß die Zentralbank, die den Wechselkurs steuern möchte, hierzu nicht mehr oder nur noch begrenzt in der Lage ist. In diesen Zusammenhang gehört, daß die Entwicklung sinnvoller Geldpolitik in vielen Ländern Lateinamerikas und Südostasiens außerdem dadurch behindert wird, daß sie sich dollarisiert haben. Die sogenannte monetäre Substitution, die die nationalen Währungen sowohl als Zahlungsmittel wie auch als Medium der Vermögensbildung zugunsten des Dollar als nahezu universeller Währung zurückdrängt, führt ein zusätzliches Risikomoment in die staatliche Wirtschaftspolitik ein und macht sie noch ein Stück abhängiger, als sie aus anderen Gründen ohnehin schon ist. Es ist insbesondere die Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit von US-Dollars auf den lokalen Devisenmärkten, die den Wechselkurs der jeweiligen nationalen Währung bestimmt, vor all den anderen "klassischen" Faktoren wie Zahlungsbilanz, Inflationsdifferential, Produktivität usw. Die Zentralbanken verlieren die Kontrolle über die von der Bevölkerung verlangte und erlangte Menge ausländischer Devisen und damit die Fähigkeit, wirksam die zur Verfügung stehende Geldmenge zu steuern. Es ist naturgemäß schwer, auch riskant, den Gesamteinfluß der Drogenwirtschaft auf die Leistung der Weltwirtschaft zu schätzen. Da eine verläßliche Bewertung der "sozialen Kosten" nicht möglich ist, kann man auch kaum die Aktiva mit den Passiva saldieren und feststellen, ob womöglich ein positiver oder negativer Saldo vorliegt. Um allerdings eine ganz grobe Orientierung zu geben: Der Anteil am globalen "Welt"sozialprodukt dürfte, ohne Diskontierung der Verluste und Schäden, aber unter Einbeziehung der die Drogenwirtschaft begleitenden Bereiche wie Gesundheitsversorgung, Therapie, Justizwesen, Militär und Polizei, nicht unter 1000 Milliarden Dollar jährlich liegen. Davon entfallen ca. 90 - 95 % auf die OECD-Länder und Hongkong, also in erster Linie die westlichen Industrieländer. Nur ca. 10 % verbleiben bei den anderen, den Stiefkindern der Weltwirtschaft, unter ihnen den sogenannten Entwicklungsländern, allerdings immerhin noch soviel, daß dies einige Länder vor dem definitiven Absturz in die Sub-Subsistenz bewahrt. Weiter kann man festhalten, daß der Saldo von Land zu Land unterschiedlich sein kann. Es ist offensichtlich, daß Herstellerländer wie Bolivien und Marokko insgesamt besser abschneiden, ebenso die Kreditgeber des Drogengeschäftes wie Schweiz, Luxemburg, Ungarn. Je nach Bewertung der "sozialen Kosten" und der sonstigen Passiva wird dieser positive Beitrag jedoch vollkommen "aufgefressen". Dabei ist die Tendenz eher weiter negativ. Das gegenwärtige Weltdrogensystem könnte eines Tages auf eine massive Einführung oder Durchsetzung der so billigen wie schädlichen vollsynthetischen Drogen hinauslaufen. Dadurch verstärkte und beschleunigte sich der soziale und produktive Wertverfall. Die die organischen oder halborganischen Drogen herstellenden Entwicklungsländer konnten bisher eher von den positiven Beschäftigungseffekten und Produktivitätsfolgen profitieren. Sie waren die Gewinner der traditionellen Drogenwirtschaft. Das Sozialprodukt stieg (erheblich), (viele) neue Arbeitsplätze wurden geschaffen. Die Entwicklung könnte umgeschlagen sein, ohne daß manche Beteiligte das bisher bemerkt hätten. Die Drogenkonsumwelle hat sie selbst erfaßt, mit all den "sozialen Kosten", und sonstigen Passiva, von denen vorher vorwiegend die Industrieländer geplagt waren. Und, was mindestens ebenso schlimmm für sie ist, der "rush" in die Designer Drogen führt zur unausweichlichen Aushöhlung ihrer Weltmarktposition. Bei anhaltendem Trend und gleichbleibenden systemischen Voraussetzungen werden die Drittweltdrogenhersteller ihre Drogenrohstoffbasis bald verloren haben, man wird ihre Produkte, Cannabis und Mohn und Coca nicht mehr brauchen.
Legalisierung - und was dann?
Es ist hier nicht der Ort, eine Debatte über einen grundsätzlichen Systemwechsel der internationalen Drogenpolitik zu führen. Hier interessiert vielmehr die Frage, ob und wie die wirtschaftlichen und sozialen Parameter, die oben diskutiert worden sind, im Falle einer (weitgehenden) Legalisierung, möglicherweise bei gleichzeitiger Einführung eines medizinisch-sozialen Leitsystems, bestätigt oder verändert würden. Das wesentlichste Aktivum, das sich ergäbe, wäre eine wesentliche Minderung der "sozialen Kosten". Diese sind nur zum geringeren Teil durch den Gebrauch der Narkotika als solcher bedingt, vielmehr müssen sie zum großen Teil eben auf die mit dem gegenwärtigen System verbundene Repression zurückgeführt werden. Der Drogenabhängige, der in stabilen sozialen Verhältnissen lebt, kann und wird oftmals einer geregelten Berufstätigkeit nachgehen, die ihn von nicht Abhängigen nicht oder kaum unterscheidet. Die Verelendung ist nicht Folge des Drogenkonsums, sondern der ihr folgenden Repression. Entfällt diese, kann die Sucht wesentlich besser kontrolliert werden. Es wird immer noch Fälle des Totalausfalls Drogensüchtiger geben, aber der run auf die voll synthetischen Drogen, induziert durch die mit der Repression verbundenen Kostensteigerungen organischer Drogen, wird aufhören oder stark nachlassen. Damit wird die Quote der wirklichen "drop-outs" erheblich fallen. Vermeidbare soziale Kosten entstehen durch alle, die eingesperrt sind. In den USA kommen auf 100.000 Einwohner heute 311 Inhaftierte, in Deutschland 74, in Japan 42. Von den 311 in USA Inhaftierten sind 66 wegen Handels mit oder Gebrauchs von Drogen im Gefängnis, dazu kommen alle diejenigen aus den verbleibenden 245, die straffällig wurden, weil sie ihren Drogenkonsum finanzieren wollten oder mußten. Das bedeutet, daß in USA allein die Drogenverfolgung drei oder viermal so viele Menschen hinter Gitter bringt, als in Japan überhaupt, warum auch immer, festgenommen werden. Trotz gelegentlicher Erfolge bei der Bekämpfung von Syndikaten und Kartellen arbeiten mehr Menschen in der Drogenwirtschaft denn je. Die Sucht nach den Drogen, gepaart mit der Sucht nach dem Gelde ist so stark, daß es auf der Welt, von temporären und örtlich begrenzten Erfolgen wie bei der Vernichtung des Kartells von Medellin abgesehen, nicht Polizei, Armee oder Etat gibt, stark genug, um sich definitiv durchzusetzen. Es droht die zunehmende Verelendung Drogenabhängiger durch hohe, systemnotwendig hoch gehaltene Drogenpreise, sowie die fortschreitende Marginalisierung Abhängiger in "Drogenszenen", Armutsvierteln, Slums, Ghettos und Favelas. Es konzentriert sich unkontrollierte wirtschaftliche Macht in Händen international agierender Drogenmagnate und Kartelle, gefährlicher noch in ihrer Verbindung und Verschmelzung mit dem internationalen organisierten Verbrechen. Diese Phänomene sind repressionsbeeinflußt, meistens repressionsabhängig. Sie behindern die Entfaltung schöpferischer Kräfte, sie sind es, die soziale Kosten verursachen. Es würden sich bei Legalisierung aber auch andere, eher überraschende Konsequenzen ergeben. Die Verteilung von "Aktiva" und "Passiva", oben auf die Repressionssituation bezogen geschildert, würde sich möglicherweise nahezu umkehren. Das Weltsozialprodukt, soweit es Folge des aufgeblasenen Schwarzmarktes ist, würde zusammenbrechen, die volkswirtschaftliche Gesamtleistung, sowohl durch das Verschwinden des großen Drogengeldes wie die Stutzung der Repressionsorgane (Polizei, Militär, Justiz, Gefängnisse) erheblich zurückgehen. Die Entwicklungsherstellerländer hätten nur noch geringen Umsatz und kein drogeninduziertes Wachstum mehr. Millionen Arbeitsplätze entfielen. Die Entwicklungsländer erschienen plötzlich als die großen Verlierer der Legalisierung. Die Vermögensbildung ginge zurück, die Gewerbestruktur erführe keine Auffrischung, die Außenverschuldung machte wieder mehr Probleme. Auf der anderen Seite würde sich die Vermögensverteilung nicht weiter verschlechtern, würden die Konzentrationsbewegungen gestoppt, Liquidität, Geldfluß und Wechselkurs wären wieder besser steuerbar. Alle diese Schlüsse sind jedoch voreilig. Die volkswirtschaftliche Entwicklung hängt davon ab, welches Ziel die freiwerdenden Kapitalien verfolgen würden. Mit dem Ende des schwarzen Drogenmarktes würde weder die ihn tragende Kaufkraft noch das ihn finanzierende Kapital, global gesehen, verschwinden. Wohin würde sich beides richten? Hier sind manche Fragen offen. Gelänge es, beides auf neue, produktive, legale Felder zu lenken, könnten das Schrumpfen der wirtschaftlichen Gesamtleistung und der Abbau von Arbeitsplätzen vermieden werden. Könnten der Dritten Welt neue Chancen erwachsen? Man könnte das meinen, wenn der Rohstoffabsatz dieser Länder in einem legalisierten System gesichert werden könnte, ob gesetzlich oder vertraglich. Die Verlangsamung des Vordringens der voll synthetischen Drogen könnte der Dritten Welt in der Tat eine Atempause verschaffen, allerdings wohl nicht mehr. Die angesprochenen Tendenzen und "Szenarien" mögen beängstigend sein. Sie bedürfen vertiefter Diskussion. Es fehlt an verläßlichen Daten. Das ist aber nicht das einzige Problem. Manchmal fehlt es nicht an Daten, sondern an der Bereitschaft, sie aufzunehmen und in eine ernsthafte Diskussion über die Grundlagen und Folgen der gegenwärtigen Weltdrogenpolitik einzubeziehen. Wenn sich das, was wir heute haben, durch das Zusammenwirken zweier Süchte kennzeichnet, die Sucht nach Drogen und die gleichzeitige, wenn auch nicht notwendigerweise personengleiche Sucht nach Geld, so sollte überlegt werden, ob sich die Lage durch die Dissoziierung der Süchte verbessern läßt. Die Sucht nach Geld sollte sich die Sucht nach Drogen nicht mehr nutzbar machen können. Vielleicht können wir dann beider Süchte besser Herr werden.
Zusammenfassung IPG - Artikel Hardinghaus: Drogenökononmie
Drogenangebot und -nachfrage definieren sich ausschließlich über den Markt, der interventionistisch und dereguliert zugleich ist. Interventionistisch wegen der weltweiten Repression gegenüber Produzenten, Händlern und Konsumenten, dereguliert, weil es deswegen weder Qualitätskontrollen in der Produktion noch Handelsnormen im Vertrieb gibt. Der Markt reagiert flexibel auf neue Abnehmerländer (China, GUS-Staaten) und Nachfrageänderungen (Designer drugs). Die relative Preisstabilität zeigt, daß Angebot und Nachfrage in Grenzen durchaus elastisch sind. Organische Drogen herstellende Entwicklungsländer haben bisher relativ höhere Vorteile als Industrieländer, doch kann sich das durch die vollsynthetischen Drogen und den Nachfragesog in den "Naturdrogen" produzierenden Entwicklungsländern umkehren. Peru, Bolivien, Kolumbien, Marokko, Myanmar, Belutschistan, Yunan oder andere Regionen des weltwirtschaftlichen "Südens" erhöhen bisher noch ihr BSP, stabilisieren den Außenwert ihrer Währung, verringern oder begrenzen ihre Außenverschuldung. Allein in Lateinamerika schafft die Drogenökonomie Einkommen für 10 bis 12 Millionen Menschen. Drogenwirtschaft ist nicht notwendig inflationär, sie führt jedoch zu monetären Steuerungsproblemen und fortschreitender Dollarisierung in den Entwicklungsländern. Die finanz- und banktechnischen Kontroll- und Strafmaßnahmen haben die internationale Geldwäsche nicht reduziert. Den positiven Wachstums-, Investitions-, Beschäftigungs- und Vermögensbildungseffekte stehen in ihrem Umfang kaum quantifizierbare soziale Kosten gegenüber.Die Legalisierung des Drogengebrauchs und -handels würde diese erheblich reduzieren, aber auch einige Entwicklungsländer ins noch größere wirtschaftliche Chaos stürzen. Die übrigen volkswirtschaftlichen Parameter würden sich nur dann positiv entwickeln, wenn das freiwerdende Kapital sinnvoll und legal reinvestiert würde. Ziel einer neuen Antidrogenpolitik könnte sein, die Sucht nach Drogen und die gleichzeitige, wenn auch nicht notwendigerweise personengleiche Sucht nach Geld durch die Dissoziierung der Süchte zu begrenzen. Die Sucht nach Geld sollte sich die Sucht nach Drogen nicht mehr nutzbar machen können. Vielleicht könnte man dann beider Süchte besser Herr werden.
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