S O Z I A L I S T I S C H E

M I T T E I L U N G E N

der London - Vertretung der SPD

No. 94



Issued by the London Representative of the German Social-Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London, NW 7 - Telephone: MIL1 Hill 3915

December
1946



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Die SPD-Delegation in England

"Wir spuerten niemals, es sei erst kuerzlich ein Krieg
zwischen unseren Voelkern gewesen."

(Franz Neumann in seinem Bericht ueber die Ergebnisse der
Englandreise, am 13. Dezember in Berlin)

Die Sozialdemokratie spricht fuer Deutschland

Vom 29. November bis zum 11. Dezember weilte eine Delegation der SPD, gefuehrt von Dr. Kurt Schumacher, in England. Zum ersten Mal seit dem Kriege kamen fuehrende politische Vertreter des neuen demokratischen Deutschlands zu Besuch in eins der Siegerlaender und hatten Gelegenheit, mit fuehrenden Vertretern der Arbeiterbewegung und der Arbeiterregierung zu sprechen und sie ueber die Lage in Deutschland zu informieren. Die Labour Party, deren Einladung diese erste Bresche in die erstickende Isolierung geschlagen hat, in der sich das deutsche politische Leben noch immer abspielt, hat sich damit ein bleibendes Verdienst um die Wiederbelebung des sozialistischen Internationalismus erworben. Sie hat sich damit unvermeidlich auch den Angriffen aller jener Elemente in Europa ausgesetzt, die aus nationalistischer Verstocktheit oder antisozialistischem Misstrauen in jeder Geste internationaler Solidaritaet den Beginn einer imperialistischen Blockpolitik sehen, und die demgemaess die Diskussion zwischen deutschen und englischen Sozialisten zu einer aussenpolitischen Sensation aufzublaehen suchten. Umso dringender ist es noetig, zugleich mit unserem Dank an die Labour Party klarzustellen, welchem Zweck der Besuch wirklich dienen wollte und gedient hat.

Dr. Kurt Schumacher und die anderen Genossen haben in London keine "Verhandlungen" gefuehrt. Sie haben das weder tun wollen noch koennen, da es bisher kein einheitliches Deutschland und keine deutsche Regierung gibt, in deren Namen sie sprechen koennten. In den Gespraechen mit dem Internationalen Subcommittee der Labour Party-Exekutive, dem eine Reihe von Ministern angehoeren, in den Einzelunterhaltungen mit Kontrollminister Hynd und Kriegsminister Bellenger[1] und in der Diskussion mit der Parlamentsfraktion der Labour Party sind die Fragen des kuenftigen deutschen Friedensvertrages, der deutschen Grenzen und der endgueltigen Reparationsregelung von keiner Seite angeschnitten werden. Wie Dr. Schumacher in der Pressekonferenz gleich nach seiner Ankunft sagte, haengt alle Hoffnung auf die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und auf eine ertraegliche Zukunft von der Einigung der Siegermaechte auf eine gemeinsame Politik ab; und die deutschen Genossen haetten ihren Gastgebern sowohl wie der eigenen Sache einen schlechten Dienst erwiesen, wenn sie versucht haetten, die Fragen des kommenden Friedensvertrages in Sonderdiskussionen mit nur einer der Besatzungsmaechte aufzurollen.

Stattdessen hat sich die sozialdemokratische Delegation darauf konzentriert, die Aufmerksamkeit der englischen Arbeiterbewegung und der englischen Oeffentlichkeit auf die gegenwaertige akute Notlage in Deutschland und vor allem auch in der Britischen Zone zu lenken, und hat sich dabei auch nicht gescheut, konkrete Beschwerden ueber die britische Politik und Verwaltungspraxis in Deutschland vorzubringen und Vorschlaege fuer Abhilfe zu machen. Der Zeitpunkt war fuer diese Mission guenstig, denn der Besuch fiel in eine Periode akuter Besorgnis der englischen Oeffentlichkeit ueber die Entwicklung in Deutschland, und die Delegation war in der Lage, auf Grund der Wahlen der letzten Monate fuer die staerkste Partei Berlins und der Britischen Zone zu sprechen. Es traf sich, dass waehrend der Anwesenheit der Delegation in London eine Reihe von Entscheidungen von hoechster Bedeutung fuer die Deutschlandpolitik getroffen wurden: In Washington kamen die anglo-amerikanischen Verhandlungen ueber die wirtschaftliche Ingangsetzung der Westzonem zum Abschluss,[2] und die Delegation hatte Gelegenheit, in Presseinterviews auf die Massnahmen hinzuweisen, die getroffen werden muessen, wenn die englischen Devisenopfer zur Ingangsetzung der deutschen Wirtschaft durch Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen die gewuenschte Frucht tragen sollen. In Deutschland selbst kuendigte die britische Verwaltung eine Suspendierung der Demontage von Stahlwerken fuer die Dauer des Winters an - eine Massnahme, die die Hoffnung offenlaesst, dass bei Ablauf des Winters solche Demontage auf Grund einer Neuregelung der industriellen Zukunft Deutschlands nicht wieder aufgenommen werden wird. Unmittelbar nach der Abreise der Delegation begab sich Minister Hynd

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zu einem mehrtaegigen Besuch nach Deutschland mit dem dreifachen Zweck, die grundsaetzlich beschlossene Sozialisierung der deutschen Schwerindustrie durch die Einsetzung deutscher Treuhaender der Verwirklichung naeherzubringen, die Durchfuehrung der Landreform zu beschleunigen, und zu untersuchen, welche Schritte der Finanzreform und des Lastenausgleichs schon vor Erreichung einer Viermaechteregelung im Zonenmassstab durchgefuehrt werden koennten. Noch waehrend des Besuchs teilte endlich der Kriegsminister im Parlament mit, dass von Januar an nun auch fuer die deutschen Kriegsgefangenen in Nordafrika eine regelmaessige Heimkehrquote von zunaechst 2000 im Monat, mit Aussicht auf spaetere Erhoehung, gesichert sein wird.

Die deutsche Delegation hat bei den Genossen der Labour Party ein Interesse an ihren Problemen und einen Geist warmer internationaler Solidaritaet angetroffen, der ihre Erwartungen uebertraf, und sie hat nach allem, was wir beobachten konnten, durch die Offenheit und Aufrichtigkeit ihrer Sprache und durch den kaempferisch sozialistischen Standpunkt, den sie vertrat, einen starken Eindruck hinterlassen. Nicht minder eindrucksvoll war die Begegnung der Delegierten mit den deutschen Kriegsgefangenen, denen sie in vielen Lagern ein ungeschminktes Bild der heutigen deutschen Zustaende vermittelten, und bei denen sie einen hoffnungsvollen demokratischen Aufbauwillen antrafen. Bedeutsam war vor allem auch die Wirkung des Besuchs in Deutschland selbst, wo klar verstanden wurde, dass die deutschen Sozialdemokraten nach England gingen, um den Noeten der deutschen arbeitenden Bevoelkerung Gehoer zu verschaffen. - Und diese Wirkung ist vielleicht die Erklaerung fuer den Aerger jener Kritiker, die zu fuerchten vorgeben, Schumacher werde zu einem neuen deutschen "Fuehrer" werden. Die Delegation ist zurueckgegangen ohne Illusion darueber, wie schwer der Kampf um die Ueberwindung der deutschen Not auch weiterhin sein wird, und wie vieles Misstrauen in der uebrigen Welt den Bemuehungen der deutschen Sozialdemokratie auch heute noch entgegensteht. Aber das kann den Erfolg dieser "ersten Botschafter des neuen Deutschland" (wie sie der Berliner sozialdemokratische "Telegraf" genannt hat) nicht verringern, dem Dr. Schumacher in seiner Ansprache an die Londoner deutschen Sozialdemokraten in die Worte fasste:

"DAS EIS IST GEBROCHEN"


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sprachen am Freitag, den 6. Dezember Dr. Kurt Schumacher und Dr. Victor Agartz vor einem geladenen Kreis fuehrender Persoenlichkeiten des britischen oeffentlichen Lebens, die sich fuer aussenpolitische Fragen, insbesondere Deutschland, interessieren. Auch Beamte der Kontrollkommission waren anwesend. Den Vorsitz fuehrte Sir Andrew McFadyean.

Es war eine nicht-oeffentliche Versammlung vor Menschen, denen die elementaren Dinge ueber Deutschland nicht erst gesagt zu werden brauchten. So konnten die beiden Redner ohne Umschweife ihre Ansichten und Vorschlaege entwickeln. In der sehr lebhaften Aussprache mit den im Fragen- und Antwortspiel geuebten Anwesenden wurden hauptsaechlich oekonomische Frage, wie die Demontagen, Arbeitermangel, Waehrungsreform, behandelt; auch auf den Zusammenhang zwischen dem Problem der Rueckfuehrung der Kriegsgefangenen und dem akuten Arbeitermangel in einigen Industriezweigen wurde hingewiesen.


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"Die Delegation hatte eine beschwerliche Rückreise hinter sich. Sie musste wegen eines Sturmes im Kanal die Ueberfahrt verschieben. Aber die Männer sehen trotz der Müdigkeit frisch und gestählt aus, erfüllt von der Gewissheit, ein wahrhaft nützliches Werk getan zu haben. Das Tagesprogramm der Gesamtdelegation wies oft über ein Dutzend bis zu 19 Punkten auf. Die meisten und wichtigsten Punkte hat Schumacher in einer Reihe von Gesprächen zu erfüllen gehabt, die er mit politischen Persönlichkeiten in England zu führen vermochte." [...]Einem Bericht des Berliner "Sozialdemokrat" und dem "Telegraf" vom 14. Dezember entnehmen wir die folgenden Zeilen: "Dr. Schumacher erklärte im Hause der SPD in Hannover vor Pressevertretern, der Sinn der Reise sei gewesen, den internationalen Kontakt wieder aufzunehmen. 'Wir waren natürlich keine Vertragspartner für bindende Abmachungen. Wir haben lediglich um Verstaendnis für eine freimütige Kritik ersucht und dieses Verständnis für die Notwendigkeiten Deutschlands auch gefunden. Wir haben keinen Zweifel darüber gelassen, dass es dabei um die Entwicklung von ganz Europa geht.' Die SPD-Abordnung hatte nicht nur Gelegenheit, mit der Labour Party einen Gedankenaustausch herbeizuführen, sondern auch mit nichtsozialistischen Kreisen, dem königlichen Institut für Auswärtige Angelegenheiten, der Cambridge Universitätsgesellschaften, der London School of Economics usw. Er nannte auch seine Begegnung mit Pandit Nehru[3] im Englischen Unterhaus."

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Der Besuch im Spiegel der Londoner Presse

Über die Pressekonferenz im Transport House, die unter dem Vorsitz des Sekretaers der Labour Party, Morgan Phillips, am 29. November stattfand, berichteten am naechsten Morgen alle grossen englischen Zeitungen; die meisten veroeffentlichten Aufnahmen von Dr. Schumacher.

Die "Times" berichtete unter der Ueberschrift "Die Zukunft Deutschlands" und stellte Schumachers Warnung vor der Gefahr eines neuen deutschen Nationalismus an die Spitze des Berichts. In ihm werden die Namen und Funktionen der anderen Delegationsmitglieder genannt und mitgeteilt, dass ein Vertreter aus der Franzoesischen Zone im letzten Augenblick am Kommen verhindert worden sei. Es wird berichtet, dass Schumacher feststellte, zum ersten Male habe eine nichtdeutsche sozialdemokratische Partei die deutsche sozialdemokratische Partei zu einem Besuch eingeladen. Das britische Volk habe bisher die groessten Opfer an Lebensmitteln und Geld gebracht, um Deutschland zu helfen; das muesse betont werden, denn es gebe nationalistische Kreise in Deutschland, die versuchten, den Blick des Volkes zu vernebeln. Dieses Wiedererwachen des Nationalismus muesse man beachten. Die Deutschen lebten hinter einem Vorhang, der sie verhindere [!], die uebrige Welt zu sehen. Sie litten unter der Unsicherheit ihrer unmittelbaren Zukunft auf politischem, wirtschaftlichem und industriellem Gebiet. Im Existenzkampf seien die Kraefte innerhalb der Nation so verlagert, dass daraus ernste politische Folgerungen entstehen koennten. Die eingesetzten Laenderregierungen seien blosse Schattenregierungen, und die zentrifugalen Tendenzen koennten die Wirtschaftskrise nicht meistern. Man erkenne die guten Absichten der Verwaltung in der Britischen Zone an, aber es bestehe eine sehr weite Kluft zwischen Ministererklaerungen und dem, was an Ort und Stelle in der Britischen Zone vorgeht, und ebenso sei es in anderen Zonen. Die Vielheit der offiziellen Verwaltungsorgane, deren jedes seinen eigenen Weg geht, verschaerfe die Anarchie in Deutschland. Die Entwicklung auf wirtschaftlichem Gebiet gebe Leuten, die materielle Werte besitzen und auf dem schwarzen und grauen Markt kaufen koennen, einen grossen Vorteil. Hier sei die Grundlage des neuen Nationalismus und der neuen nationalistischen Gegenrevolution. Sie (die deutschen Sozialdemokraten) seien gewillt, Reparationen zu leisten und bedauerten sehr, dass das Ruhrgebiet ein neuralgischer Punkt in den internationalen Beziehungen geworden sei. Sie erkennen die Notwendigkeit einer hundertprozentigen Zerstoerung der deutschen Kriegsindustrie an, aber sie muessten die Moeglichkeit erhalten, eine starke Friedensindustrie aufzubauen. Die deutsche Demokratie brauche eine soziale Fundierung, und zu diesem Zwecke muesse das deutsche Volk arbeiten und exportieren koennen. Nicht nur Deutschland, ganz Europa brauche eine einzige organische, sozialistische Planung.

Der Bericht der "Times" erwaehnt, dass Schumacher in Beantwortung von Anfragen sagte, die nationalistische Gefahr bestaende nicht in ganz oder halb geheimen Parteien, sondern darin, dass sie in den buergerlichen Parteien einen Platz finden koenne. Fuer die Britische Zone habe er zwei Vorschlaege zu machen: Ende der Demontage und Erhoehung der Lebensmittel fuer Schwerarbeiter, besonders Bergarbeiter.

Die anderen Londoner Morgenblaetter brachten gleichfalls in ihren meist ausfuehrlichen Berichten die wesentlichen Feststellungen und Forderungen der Erklaerung Schumachers zum Ausdruck. Der "Daily Telegraph", der den Bericht mit der Ueberschrift "Deutsches Lob fuer England" versah, erwaehnte drei an Schumacher gestellte Fragen und seine Antworten: 1) Soll Deutschland bei einer Friedenskonferenz vertreten sein und, wenn ja, durch wen? Antwort: Der deutsche Vertreter muss in demokratischer Wahl gewaehlt werden. 2) Bestehen die Voraussetzungen fuer die Schaffung einer deutschen Zentralregierung? Antwort: Wenn sich die Besatzungsmaechte auf einen gemeinsamen Nenner einigen, werden die notwendigen Voraussetzungen bestehen. 3) Welche Sofortmassnahmen schlagen Sie fuer die Besserung in der Britischen Zone vor? Antwort: Der erste Schritt muss das gaenzliche Aufhoeren der Demontage sein. Wenn sie noch lange weitergeht, wird man bald damit beginnen muessen, die Industrie wiederaufzubauen. Schwerarbeiter muessen hoehere Rationen bekommen.

Unter der Ueberschrift "Deutsche hier zu Gaste" veroeffentlichte "News Chronicle" einen Bericht des diplomatischen Korrespondenten Robert Waithman[4], der mit einer persoenlichen Beschreibung Schumachers beginnt und seine Aussprueche zitiert: "Die Zonen in Deutschland spiegeln die Uneinigkeit der Welt wieder" und "Totaler Sieg hat den Militaerregierungen totale Verantwortung gegeben". Ebenso wie der "Daily Telegraph" erwaehnt auch "News Chronicle" Schumachers Erklaerung, dass die SPD in keinen Block einbezogen werden will. Von Schumachers Antworten auf Fragen werden folgende erwaehnt: Er betrachte die heutigen deutschen Ostgrenzen nicht als endgueltig, er lehne Gebietsansprueche der Westmaechte ab, er sei fuer eine Entschaedigung der Opfer des Faschismus, wisse aber nicht, womit Deutschland zahlen koenne und schliesslich, dass Juden, die zurueckkehrten, willkommen seien.

Die einzige Londoner Zeitung, die eine Art Kritik uebte, war der kommunistische "Daily Worker", dessen kurzer Bericht ueber die Pressekonferenz sachlich war; aber auf

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einer anderen Seite brachte er eine Glosse, die sich ueber den "offiziellen" Charakter von Schumachers Besuch lustig zu machen versucht und dann den Vorschlag macht, den rheinisch-westfaelischen Kommunistenfuehrer Max Reimann[5] nach England kommen zu lassen, vielleicht als Gast der englischen KP.


Ueber Schumachers Vortrag an der Universitaet Cambridge am 30. November berichteten einige Sonntagsblaetter am folgenden Tag. Der "Observer" ueberschrieb den Bericht "Schumacher plaediert fuer die deutsche Jugend" und erwaehnt besonders Schumachers Feststellung, dass es falsch waere, die ganze deutsche Jugend als nazistisch zu betrachten.


Ueber Schumachers Vortrag im Kriegsgefangenenlager Wilton Park am 1. Dezember berichteten einige Zeitungen am folgenden Tage; "News Chronicle" auf der ersten Seite. In diesem Bericht heisst es. "Die Gefangenen brachten dem einarmigen Veteranen des Ersten Weltkrieges eine grosse Ovation, und die Bogenlampen der Filmaufnahmeapparate zeigten, wie tief geruehrt er war. 'In allen Teilen Deutschlands', sagte er, 'hoert man den Ruf: Gebt uns unsere 6 Millionen Gefangenen zurueck!' Er malte ein Bild des Deutschland, in das sie zurueckgehen wuerden, und es war kein rosiges Bild. Er sparte auch nicht mit Kritik an den Besatzungsmaechten und ihren frueheren und jetzigen Fehlern. 'Der einzige Weg zu einem geeinten Europa ist durch ein geeintes Deutschland', rief Dr. Schumacher unter lautem Beifall."
Der Bericht verzeichnet weiter, dass Schumacher auf eine Frage ueber das Verbot der SPD in der Russischen Zone erwiderte, das sei eine Verneinung der Demokratie in einem Teil Deutschlands, den eine totalitaere Macht beherrsche, was lauten Beifall hervorrief. Auch wird erwaehnt, dass Schumacher auf eine Frage ueber die Koalitionsmoeglichkeit zwischen SPD und CDU erwiderte, die Frage sei verfrueht, und eine Koalitionsmoeglichkeit bestehe nur mit dem linken Fluegel der CDU, nicht mit dem reaktionaeren rechten Fluegel. Weiter wird Schumachers Ausspruch berichtet, dass die Mehrheit der deutschen Jugend heute sage: "Wir sind von der Diktatur verraten worden; aber wird uns die Demokratie nicht auch verraten?"


Am 2. Dezember berichtete ein Teil der englischen Presse ueber

franzoesische Kritik an Schumachers Londoner Besuch.

Der "Daily Telegraph" meldete aus Paris, dass ein Sprecher des franzoesischen Aussenministeriums erklaert habe, die franzoesischen Behoerden haetten einem Delegierten der SPD aus ihrer Zone die Ausreise verweigert, weil Frankreich die SPD als nationalistischste deutsche Partei betrachte. Der Bericht des "Daily Telegraph" sagt, der Hauptgrund fuer die franzoesische Besorgnis ueber den Londoner SPD-Besuch sei die Annahme, dass man Schumachers Ersuchen, die deutsche Industrie wieder aufzubauen, unterstuetzen werde.


Ueber den Empfang der britischen Regierung fuer Dr. Schumacher und die SPD-Delegation im Savoy Hotel, bei dem der britische Staatsminister Hector McNeil die Gaeste empfing, berichteten "Times" und "Daily Telegraph". Der "Daily Telegraph" verzeichnete die Tatsache, dass nur drei Frauen bei dem Empfang zugegen waren. Er berichtet weiter, Schumacher habe einem Vertreter des Blattes erklaert, dass er mit Minister Hynd gesprochen habe, aber kein Gespraech mit Premierminister Attlee vorgesehen sei. Schumacher sei fuer die Ernennung eines in Deutschland residierenden britischen Ministers fuer Deutschland.


Am 4. Dezember brachte "News Chronicle" ein Interview mit Dr. Schumacher ueber die Frage, wie der Plan zur wirtschaftlichen Belebung der vereinigten britisch-amerikanischen Zone verwirklicht werden koenne. Laut "News Chronicle" schlug Schumacher vor: 1) Die Demontage von Fabriken in der vereinigten Zone muesse sofort aufhoeren und dem Wiederaufbau von Schluesselfabriken muesse Vorrang erteilt werden. 2) Die deutschen Elektrizitaetsexporte sollten halbiert werden. 3) Sozialisierung der Grossindustrien Deutschlands - Kohle, Stahl, Chemikalien, Elektrizitaet, Gas, Wasser, und besondere Baustoffe. 4) Klein- und Mittelkapitalisten sollte man maessige Profite bei der Produktion fuer den Export gestatten, soweit man nichts tue, um Monopole zu foerdern.


Ueber die private Abendgesellschaft im Unterhaus, die der Labour Abgeordnete Richard Stokes am 4. Dezember fuer Dr. Schumacher und die SPD-Delegation gab, brachte das Abendblatt "Star" am folgenden Tag eine Notiz, aus der hervorging, dass etwa 40 Labour-Abgeordnete anwesend waren und dass Minister Hynd eine Rede hielt, die andeutete, dass Geruechte ueber seinen bevorstehenden Ruecktritt vom Kontrollamt fuer Deutschland nicht unbegruendet seien. Er habe, so heisst es im "Star", freimuetig ueber seine Hoffnungen bei der Uebernahme des Amtes, ueber die geleistete Arbeit und die noch ungeloesten Schwierigkeiten gesprochen. Der "Star" fuegt hinzu: "Die ganze Rede erschien vielen Zuhoerern als Schwanengesang, und sie enthielt Andeutungen, dass er erwartete, jemand anderes werde seinen Posten uebernehmen. Der "Star" bemerkt weiter, die meisten der anwesenden Abgeordneten haetten bei der kuerzlichen aussenpolitischen Parlamentsdebatte zu den "Rebellen" gehoert, aber auch der Vorsitzende der Labour-Parlamentsfraktion und der Haupt-"Einpeitscher" der Regierung im Unterhaus seinen zugegen gewesen, und Stokes haette darauf hingewiesen, dass er sie eingeladen haette, um zu zeigen, dass sich keine neue "Revolte" vorbereite.

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Am 6. Dezember meldete ein Teil der Londoner Presse, dass der franzoesische Botschafter in London, Massigli[6] von seiner Regierung beauftragt worden sei, die Aufmerksamkeit der britischen Regierung auf die Besorgnis zu lenken, die der Besuch Dr. Schumachers in Frankreich verursacht habe. Der "Daily Telegraph" fuegte dieser Meldung hinzu, nach seinen Informationen sei Massigli ersucht worden, darauf hinzuweisen, dass Schumachers Besuch geeignet sei, die Deutschen von ihrer eigenen Verantwortung fuer die Zustaende in ihrem Lande abzulenken und sie in der Anschauung zu foerdern, dass die Alliierten die Hauptverantwortung haetten. Die franzoesische Regierung sei der Meinung, dass der Besuch eine sehr unwillkommene Wirkung auf die alliierten Verhandlungen ueber die Zukunft Deutschlands haben wird.

Am gleichen Tag veroeffentlichte "News Chronicle" einen Artikel des politischen Essayisten A.J. Cummings[7] unter der Ueberschrift "Dieser Mann hat brennenden Glauben". Darin heisst es: "Der Besuch Dr. Schumachers in England kann von historischer Bedeutung nicht nur fuer sein Land, sondern auch fuer unser eigenes und fuer ganz Europa sein. Die meisten Leute, die ihn hier getroffen haben, waren von der erstaunlichen Vitalitaet beeindruckt, die den gequaelten Koerper beseelt, der 12 Jahre Konzentrationslager erduldet hat ... Obwohl er als Vertreter einer ehemals feindlichen Nation kommt, berechtigt ihn seine Vergangenheit durchaus dazu, im Namen der internationalen Demokratie zu sprechen. Seine Stellung zur Zukunft Deutschlands und zur britischen Besetzung ist einfach und offen. Alle Kriege, so sagt er, wurden bisher von den Armen verloren; aber diesmal ergab sich eine Chance, dass die den Krieg verlieren konnten, die ihn gewollt hatten. Aber in Deutschland ist es heute anders. Die Reichen werden immer reicher, und die Armen werden noch aermer. Wer Eigentum besitzt, lebt mit Hilfe des Schwarzen und Grauen Marktes gut. Wir muessen, so erklaert er, die Gelegenheit ergreifen, um damit Schluss zu machen, bevor es zu spaet ist, denn in der Politik kann es ein Zuspaet geben. Wie die Dinge heute in Deutschland stehen, schwindet die Anziehungskraft der Demokratie in den Augen der Arbeiterklasse, weil sie ausser leeren Maegen wenig zu bieten hat. Deshalb muessen wir in den westlichen Zonen eine klare Politik durchfuehren und sie eindeutig verkuenden. Der Schluessel zu ihr muss die Nationalisierung der Grossindustrien sein. Das ist notwendig nicht nur fuer die Zukunft Deutschlands, sondern auch fuer die Zukunft eines sozialdemokratischen Europa. Zweitens muss eine Kapitalabgabe stattfinden. Drittens muessen wir die Gewerkschaften anstaendig behandeln. Es fehlt ihnen nicht an Feinden. Die Alliierten muessen ihre Ziele so klar machen, dass kein Beamter eine Ausrede hat, wenn er sie nicht versteht oder sie nicht loyal erfuellt. Aber Dr. Schumacher fuegt hinzu, dass ebenso wichtig wie der Plan die Maenner sind, die ihn durchfuehren muessen. Wer ihn ueber dieses Thema sprechen hoert, erkennt eine taktvolle, aber unmissverstaendliche Kritik am Personal in der Britischen Zone. Die Maenner, welche die Aufgabe zu erfuellen haben, muessen vom Gefuehl ihrer Sendung begeistert sein. Die kommenden Monate werden nicht fuer Deutschland allein, sondern fuer die Zukunft der sozialen Demokratie in ganz Europa wichtig sein. Dr. Schumacher betont, dass das deutsche Problem vor allem ein internationales ist."


Der kommunistische "Daily Worker" unterstuetzte am 7. Dezember den franzoesischen Protest gegen Schumacher Londoner Besuch mit einer Notiz seines diplomatischen Korrespondenten, der erklaerte, die Wut und Aufregung der Franzosen sei durch die Antwort, die das britische Aussenministerium am 7. Dezember auf den franzoesischen Protest erteilt habe, noch gesteigert worden. Das britische Aussenministerium habe Schumachers Besuch als "ganz natuerlich" bezeichnet und auf seine antinazistische Vergangenheit hingewiesen. Aber es habe nicht erklaert, warum kein Fuehrer anderer Anti-Nazi-Parteien in Europa die gleiche Sonderbehandlung erfahren habe. In Frankreich betrachte man Schumachers Besuch als ein Manoever der britischen Regierung mit dem Ziel, deutsche nationalistische Forderungen zu staerken und damit im voraus die kommenden Verhandlungen der grossen Vier ueber die Zukunft Deutschlands zu praejudizieren.


Ueber Schumachers Vortrag in der Londoner Toynbee-Hall am 7. Dezember brachten einige Sonntagsblaetter am naechsten Morgen Berichte; die sozialistischen "Reynolds News" unter der Ueberschrift "Schumacher ist zuversichtlich". Der Bericht zitiert folgende Saetze Schumachers: "Einige Leute haben uns als Werkzeuge der Labour Party und der Labour-Regierung verleumdet. Wir sind als freie und unabhaengige deutsche Sozialdemokraten hierhergekommen und kehren als solche zurueck. Eine Partei, die sich zum Werkzeug einer Besatzungsmacht machen wollte, waere verloren. Uns ist jetzt von den britischen Behoerden in Deutschland versprochen worden, dass die Demontage der Betriebe eingestellt wird. Es ist uns auch versprochen worden, dass die Sozialisierung der Schluesselindustrien in der Britischen Zone durchgefuehrt werden wird."


Der "Observer" berichtete ueber Schumachers Antwort auf die franzoesische Kritik und zitierte folgende Saetze: "Wir haben in unseren Gespraechen offene Kritik geuebt, aber nichts gesagt, was die in einigen Teilen der Welt zum Ausdruck gebrachten Besorgnisse rechtfertigen koennte. Natuerlich verstehen wir die historischen Gruende fuer diese Besorgnisse, aber wir erklaeren vor der Welt, dass wir bereit sind, eine Einladung in jedes

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Land anzunehmen, "das denselben fortschrittlichen internationalen guten Willen zeigt, den man uns hier gezeigt hat, und wir sind sicher, dass wir in allen solchen Gespraechen eine Atmosphaere der Versoehnung schaffen koennten, ganz gleich, ob die, welche sich mit uns an den Tisch setzen, Arbeiterbewegungen oder andere fortschrittliche Kraefte sind. Ueber die Zwecke unseres Besuchs ist viel gefluestert worden, aber es gibt kein Geheimnis. Die Labour Party hat uns einfach die Chance gegeben, das Eis zu brechen. Das war unser einziges Ziel."

In einem Kommentar des gleichen Blattes zu den franzoesischen Proteststimmen wird bemerkt, Churchills in einer Rede in Zuerich[8] gemachter Vorschlag, dass sich Frankreich mit Deutschland zur Fuehrung Europas einigen solle, habe offenbar auf den Quai d' Orsay keinen Eindruck gemacht, und Churchill habe anscheinend auch seine eigene Partei nicht zu einer positiveren Haltung gegenueber Deutschland ueberredet. Haetten die englischen Konservativen Interesse zeigen wollen, dann haetten sie Dr. Adenauer[9] einladen koennen. Der "Observer" nennt die Schreibweise der "Humanité" und anderer Pariser Blaetter "hysterisch" und stellt fest, dass der sozialistische "Populaire" geschwiegen hat. dass er die britische Labour Party nicht unterstuetzt hat, liege vielleicht daran, dass die Labour Party die Beziehungen zu den franzoesischen Sozialisten nicht genug gepflegt habe. Der "Observer" weist darauf hin, dass Duff-Cooper, ein entschiedener Konservativer, von dem man nicht erwarten koenne, dass er sich fuer sozialistische Einigkeit einsetze und der ausserdem ein ausgesprochener Deutschenfeind ist, Botschafter in Paris geblieben ist.


Zu der Kritik der Moskauer "Prawda" an Schumachers Besuch
nahm am 10. Dezember "News Chronicle" in einem Leitartikel unter der Ueberschrift "Auch ein Faschist" Stellung. Darin wird gesagt, dass man die franzoesische Beschwerde darueber, dass die britische Regierung Schumacher mehr Gunst erwiesen habe als anderen kontinentalen Sozialisten, z. B. Léon Blum, verstehen koenne, dass die russische Kritik aber etwas ganz anderes sei. "Der giftige David Zaslawski[10], ein Artikelschreiber der 'Prawda', nennt Schumacher 'einen neuen Fuehrer'; der Empfang, der Dr. Schumacher in London zuteil wurde, ist laut Zaslawski 'ein Beweis dafuer, dass der Faschismus in Deutschland nicht ausgerottet ist' ... Aber wer ist Dr. Schumacher? Keiner, der vor Hitler das Knie beugte oder seinen sozialdemokratischen Glauben widerrief. Wegen seiner Ueberzeugungen brachte er zwoelf Jahre in einem Nazi-Konzentrationslager zu, und wer das erlebte, zerruettete seine Gesundheit. Sein einziges Ziel heute ist es, sein Land auf den Weg der Demokratie und Freiheit zurueckzufuehren, ohne Unterwuerfigkeit gegenueber den Siegern. Er ist ein Mann von der Art, wie ihn Deutschland heute braucht und wie ihn die Alliierten brauchen, wenn Deutschland nicht auf immer eine Belastung oder eine Drohung bleiben soll. Die Russen koennen nicht gegen Schumacher nur deshalb sein, weil er ein Deutscher ist. In ihrer eigenen Zone haben sie manchen Deutschen auf hohe Vasallenposten gestellt. Tatsache ist, dass Schumacher wie alle guten Demokraten den Kommunismus nicht liebt und besonders die Art nicht liebt, in der die Russen der Ostzone Deutschlands kommunistische Kontrolle aufgezwungen haben. In den Augen russischer Kritiker ist man 'Faschist', wenn man antikommunistisch ist. Das ist die schlichte Wahrheit. Natuerlich ist es klar, dass wir die Deutschen nicht auf ewig als Feinde behandeln koennen. Aus materiellen wie moralischen Gruenden muessen wir unser Bestes tun, um ein geschlagenes Deutschland aus dem katastrophalen Zustand, in das es der Krieg, den es begann, gestuerzt hat, aufzurichten. Wenn wir es nicht aufrichten, wird es uns hinunterreissen ... Aber wir koennen die Raeder in Deutschland nicht wieder in Gang bringen ohne die Hilfe von Deutschen - und ohne deutsche Fuehrung im Inneren. Und wer soll uns helfen, - wessen Dienste wollen wir benuetzen? Nicht die der Junker oder Grossindustriellen, die, wenn sie koennten, die Uhr auf 1939 zurueckstellen wuerden. Auch nicht die der deutschen Kommunisten, die Deutschland wieder zu einem totalitaeren Staat unter russischer Fuehrung machen wuerden. Wer kann uns besser helfen als ein Mann wie Dr. Schumacher, der durch Tat und Wort bewiesen hat, dass er gegen Tyrannei und fuer eine soziale Aenderung im Einklang mit den Notwendigkeiten unserer Zeit ist?"


An einer andern Stelle desselben Blattes schrieb A. J. Cummings: "Fuer die, welche Dr. Schumacher begegnet sind, ist es klar, dass es in Deutschland heute wenigstens einen grossen Demokraten gibt, der voellig sauber ist und einen echten historischen Sinn hat. ... Ich wuenschte, es gaebe mehr Schumachers in den Laendern Europas, auch in Frankreich."


Der Berliner Berichterstatter des "News Chronicle" meldete am selben Tage, dass Schumachers Besuch in Deutschland Hoffnung erweckt habe und dass alle Deutschen ausser der aeussersten Linken und einer Handvoll Nazis ihn als ihren Sprecher empfunden haben.


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[Hinweis]

Die neu festgesetzte Auflagenhöhe der SPD-Zeitungen in der Britischen Zone beträgt: "Aachener Nachrichten" 50.000; "Rhein-Echo" 165.000; "Neue Ruhr-Zeitung" 108.000; "Rheinische Zeitung" 82.000; "Westfälische Rundschau" 342.000; "Freie Presse" 159.000; "Hannoversche Presse" 263.000; "Braunschweiger Zeitung" 90.000; "Hamburger Echo" 208.000; "Schleswig-Holsteinische Volkszeitung" 78.000; "Lübecker Freie Presse" 66.000.

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BESUCH BEI DER LONDONER STADTVERWALTUNG

Genosse Dr. Schumacher und die anderen vier SPD-Delegierten waren am 4. Dezember Gaeste des Londoner Grafschaftsrates (LCC)[11]. Der Fuehrer der Mehrheitspartei (Labour Party) im LCC, Lord Latham, begruesste die Genossen in der Londoner County Hall, dem Sitz der Londoner Verwaltung. Es gab seiner Freude ueber den Besuch der SPD-Delegierten Ausdruck und schilderte ihnen den demokratischen Aufbau der Selbstverwaltung in England, die politische Struktur, die Aufgaben und das grosse Taetigkeitsgebiet des LCC und gab der Hoffnung Ausdruck, dass die deutschen Gaeste Gelegenheit finden wuerden, Eindruecke vom Wesen und Wirken der Londoner Kommunalverwaltung zu gewinnen.

Dr. Schumacher sprach Lord Latham im Namen der SPD-Delegation seinen Dank fuer die herzliche Begruessung aus, wies auf die gegenwaertigen Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft und die ungeheuren Probleme auf dem Gebiete der Verwaltung und der Fuersorge hin und betonte, dass die SPD in der Gemeindeverwaltung die Keimzelle demokratischer Selbstverwaltung erblicke, auf der das Gebaeude einer neuen deutschen Demokratie errichtet werden soll.

An diese Besprechung, in der auch andere Mitglieder der SPD-Delegation dem Fuehrer der Londoner Kommunalverwaltung Auskuenfte ueber die gegenwaertigen Schwierigkeiten der deutschen Selbstverwaltung gegeben hatten, schloss sich ein Rundgang durch das grosse Gebaeude der Londoner County Hall mit einer Besichtigung des Konferenzsaales und des Sitzungssaales des LCC.

Nachher nahm ein Teil der SPD-Delegation an einer Besichtigung der Ladywell-Institution, eines Wohlfahrtsinstituts des LCC im Londoner Suedosten, teil, das aus einem Heim fuer unversorgte Kinder und einem Altersheim besteht. Die Besichtigung dieser Anstalt, die typisch fuer die Wohlfahrtsarbeit des LCC ist, vermittelte den Gaesten aus Deutschland einen anschaulichen Eindruck von der sozialen Arbeit der Londoner Kommunalverwaltung.

Ein Empfang beim internationalen Buero der Fabian Society

fand am 6. Dezember in den Raeumen der Gesellschaft fuer politische und wirtschaftliche Planung (PEP) durch das Fabian International Bureau fuer die SPD-Delegation statt. Ausser englischen Genossen war eine sehr grosse Zahl in London befindlicher deutscher, oesterreichischer, sudetendeutscher, tschechischer, italienischer und anderer Sozialisten erschienen.

Nach Begruessungsworten des englischen Genossen Griffith hielt Dr. Schumacher eine Ansprache, in der er zunaechst daran erinnerte, dass er schon in seiner Schulzeit die Schriften der "Fabier" studiert habe, und dann auf die internationale Bedeutung der gegenwaertigen deutschen Probleme einging. Er betonte, dass der demokratische Wiederaufbau Deutschlands eine internationale Notwendigkeit ist, die nur in internationalem Rahmen erfuellt werden kann. Er wies auf die vom ersten Augenblick der Besetzung bemerkbare Planlosigkeit der alliierten Politik in Deutschland hin und schilderte die Uneinheitlichkeit der Verwaltung und ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen, besonders in der Britischen Besatzungszone. Er kritisierte die Tatsache, dass dem Lohnstop kein Preisstop zur Seite stehe, so dass Besitzer von Sachwerten und Lebensmittelproduzenten eine bevorzugte Stellung gegenueber allen anderen Schichten, besonders der Arbeiterschaft, haben. Er wies auf die Kuerzung der Ausgaben fuer Sozialversicherung, auf den gewaltigen Einkommensschwund der deutschen Arbeiter und die Entwertung des deutschen Geldes hin. Er betonte, wie notwendig es sei, zu einer konstruktiven Wirtschafts- und Sozialpolitik ueberzugehen, um die Hungernden vor dem Verhungern und das Volk vor der Verzweiflung zu bewahren, und er schloss mit der Erklaerung, dass schnelles Handeln notwendig sei.

Eine kurze Aussprache folgte, in der Dr. Schumacher Fragen ueber die Vereinigung der Britischen und Amerikanischen Zonen, ueber die deutschen Ost- und Westgrenzen und ueber die franzoesische Kritik am Londoner Besuch der SPD-Delegation beantwortete. Er erklaerte, dass er den Vereinigungsplan fuer durchfuehrbar halte, dass sich seine Haltung zur Frage der Ostgrenzen mit den in der Stuttgarter Rede des amerikanischen Aussenministers Byrnes geaeusserten Anschauungen decke, dass er eine Aenderung der deutschen Westgrenzen fuer ungerechtfertigt halte, und er bemerkte zu der von der franzoesischen Regierung geaeusserten Besorgnis ueber den SPD-Besuch in London, er sei ueberzeugt, dass sich diese Nervositaet in einem halben Jahre gelegt haben werde, da die Tatsachen zeigen werden, wie wenig Grund sie hat.

An die Debatte schloss sich ein zwangloses Beisammensein, das den auslaendischen Genossen Gelegenheit gab, die deutschen Gaeste persoenlich kennenzulernen.


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[Hinweis]

An unsere Leser !

Die weitere Zustellung dieser "SM" im Jahre 1947 kann nur an jene Leser erfolgen, die uns einen Unkostenbeitrag zur Verfügung stellen. Wir erhalten von keiner Stelle Zuschüsse, sämtliche Unkosten bringen unsere Leser selbst auf!

Geldsendungen erbeten an: Wilh. Sander, 33, Fernside Ave., London, NW 7

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Am 6. Dezember fand abends in den Raeumen der Vega am Leicester Square eine Versammlung der Funktionaere der Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Grossbritannien statt, zu der die Mitglieder der Leitung der Vereinigung und ihrer Kommissionen und die Funktionaere der Londoner "Arbeiterwohlfahrt" geladen waren. Die SPD-Delegation aus Deutschland wurde von Wilhelm Sander in einer Ansprache begruesst, und Victor Agartz erstattete einen Bericht ueber die Lage in Deutschland, wobei er besonders die wirtschaftlichen Probleme in der Britischen Besatzungszone behandelte. An den Bericht schloss sich eine Aussprache; die gestellten Fragen wurden von Victor Agartz und Kurt Schumacher eingehend beantwortet. Nach Schluss der Sitzung blieben die Teilnehmer noch in zwangloser Geselligkeit beisammen.

Ueber das Thema "Deutschland und Europa" sprach Dr. Kurt Schumacher am 7. Dezember in der Toynbee-Hall im Londoner Eastend. Der Andrang zu diesem Vortrag war so stark, dass der Theatersaal der Toynbee-Hall die Zuhoerer nicht zu fassen vermochte; Hunderte hoerten in einem Nebenraum die Lautsprecher-Uebertragung des Vortrages. Nach einleitenden Worten Wilhelm Sanders und einer Ehrung der Toten des Weltkrieges und der Opfer im Kampfe gegen den Naziterror begann Dr. Schumacher seine Ausfuehrungen; er erklaerte den Grund und den Zweck des England-Besuchs der SPD-Delegation, die als Vertretung der deutschen Arbeiterbewegung von der britischen Arbeiterpartei eingeladen wurde, und er wies die von kommunistischer Seite und auslaendischen Blaettern versuchten Missdeutungen dieses Besuches zurueck. Er erwaehnte, dass die SPD-Vertreter bei ihren Londoner Gespraechen die Zusage erhalten haetten, dass die Demontage deutscher Industriebetriebe aufhoeren werde. Er betonte die Wichtigkeit einer Loesung des deutschen Problems, und er wies darauf hin, dass eine einheitliche Politik der Besatzungsmaechte in Deutschland die Voraussetzung einer solchen Loesung sei. Er schilderte die Schwierigkeiten, denen die deutschen Sozialdemokratie und das deutsche Volk gegenueberstehen, und erklaerte die Leitsaetze der SPD-Politik; gerechte Lastenverteilung, Sozialisierung der Schluesselindustrien und Anerkennung der persoenlichen Freiheit und Menschenwuerde. Schumacher stellte die Gegensaetze heraus, die zwischen dieser Politik und den Besitzinteressen in der CDU einerseits und den diktatorischen Tendenzen der SED andererseits bestehen. Er sprach von der Gefahr nationalistischer und partikularistischer Tendenzen und schloss mit einem Bekenntnis zur Einheit Deutschlands und zur internationalen Solidaritaet. Nach Schluss des Vortrages, der wiederholt den stuermischen Beifall der Zuhoerer erweckt hatte, sang die Versammlung gemeinsam die Internationale.

Der Vorsitzende der SPD in Grosshessen, Wilhelm Knothe, und der Vorsitzende der SPD in Gross-Berlin, Franz Neumann, gaben in zwei aufeinanderfolgenden Versammlungen in London am 8. Dezember Berichte ueber die Lage der Bevoelkerung und die politischen Probleme in ihren Wohn- und Arbeitsgebieten. Knothe behandelte insbesondere die Wahlergebnisse in den sueddeutschen Laendern, die Fragen der Regierungsbildung in Hessen und die Bedeutung der hessischen Volksabstimmung ueber den Verfassungsentwurf, dessen Sozialisierungsparagraph (Paragraph 41) auf Geheiss der amerikanischen Verwaltung gesondert abgestimmt und mit ueberwaeltigender Mehrheit angenommen wurde. Knothe wies auf die verheissungsvolle Entwicklung der SPD in Hessen, auf ihr eindeutiges Bekenntnis zur Reichseinheit und auf die inneren Schwaechen der CDU hin. Die Beantwortung zahlreicher Fragen, die nach dem Vortrag gestellt wurden, gab Genossen Knothe Gelegenheit, noch eine Fuelle interessanter Einzelheiten ueber die Verhaeltnisse in Sueddeutschland zu berichten.

Franz Neumann schilderte in seinem Bericht die Erfahrung der Berliner Bevoelkerung unter russischer und alliierter Besatzung, gab einen Ueberblick ueber den Verlauf der Einigungsverhandlungen zwischen SPD und KPD, berichtete im einzelnen ueber das gewaltsame Vorgehen der SED gegenueber Sozialdemokraten und ueber die Wahlkampagne in Berlin, die in dem Sieg der SPD gipfelte. Neumann zitierte Augenzeugenberichte ueber die Deportationen von Facharbeitern nach Russland, schilderte die bestehenden Zensurschwierigkeiten und behandelte schliesslich die Probleme der Bildung des neuen Berliner Magistrats. Auch diesem Vortrag folgte eine lange Reihe von Anfragen, die Genosse Neumann eingehend beantwortete. Die Versammlung nahm eine Entschliessung an, in der das Bedauern darueber ausgesprochen wird, dass die Sendung von Lebensmittelpaketen von England nach Berlin noch immer unzulaessig ist. Mit dem gemeinsamen Gesang der Internationale wurde die Versammlung geschlossen.


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[Veranstaltungshinweis]

Freitag, den 3. Januar 1947, abends 7.30 Uhr

im Vortragssaal, 1 Broadhurst Gardens, London, N.W.6.

DR. WERNER KLATT[12]: "Die Welternaehrungslage"

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Am 5. Dezember fand eine Besprechung zwischen dem TUC und der Gesamtdelegation, die von den Genossen Gottfurcht und Sander begleitet war, statt. Der TUC war vertreten durch seinen diesjaehrigen Vorsitzenden, den Kollegen Thomson[13], den Vorsitzenden des Weltgewerkschaftsbundes, Kollegen Deakin[14], den Kollegen Gibson, der kuerzlich an der Gewerkschaftskonferenz der Britischen Zone teilgenommen hat, den Generalsekretaer des TUC, Kollege Tewson[15], sowie durch die Kollegen Bell[16] und Carthy[17] und die Kollegin Kolarz[18] von der Internationalen Abteilung.

In sehr herzlichen Begruessungsworten des Kollegen Thomson sowie in Ausfuehrungen der Kollegen Gibson und Deakin kam immer [wieder] zum Ausdruck, dass der Wille zur Unterstuetzung der Freunde in Deutschland vorhanden sei und dass dem Krieg der Aufbau folgen muesse. Der Genosse Dr. Schumacher dankte fuer den herzlichen Empfang und wies auf die politische und oekonomische Lage in Deutschland hin, die dem Gewerkschaftsaufbau grosse Schwierigkeiten bereitet. Genosse Dr. Agartz erlaeuterte die wirtschaftliche Situation und betonte die Notwendigkeit einer engen und regelmaessigen Beziehung zum TUC. Agartz und Gibson eroerterten die Moeglichkeiten industrieller Entwicklung. Der Genosse Knothe gab eine kurze Schilderung der Situation in der Amerikanischen Zone, und der Genosse Neumann erlaeuterte die Lage in Berlin. Das besondere Interesse des Kollegen Tewson galt der Frage, ob die Militaer-Regierung der organisatorischen Entwicklung irgendwelche Schwierigkeiten bereite. Die Antworten ergaben, dass seit Anfang Oktober die Periode direkter Hemmungen im Organisatorischen als ueberwunden angesehen werden kann, dass jedoch die Entfaltung echter gewerkschaftlicher Arbeit voellig von der wirtschaftlichen Erholung abhaengt. Kollege Deakin beschaeftigte sich mit dem bevorstehenden Besuch der Delegation des Weltgewerkschaftsbundes, die er fuehren wird. Es wird das Bestreben des Weltgewerkschaftsbundes sein, der deutschen Bewegung soviel Hilfe wie moeglich zu geben. Ausfuehrliche und kameradschaftliche Unterhaltungen wuerden in allen Teilen Deutschlands stattfinden. Der Gesamtverlauf der Unterhaltung zeichnete sich nicht nur durch ihren kameradschaftlichen Geist aus, sondern auch durch den erkennbaren Willen, praktische Hilfe zu bringen. Alle Beteiligten trennten sich mit besten Wuenschen fuer die weitere Arbeit und in der Erkenntnis, dass ein Beitrag zur Wiederherstellung internationaler Beziehungen geliefert worden ist.

brachte bereits wenige Stunden nach dem Eintreffen der Delegation einen Bericht von der Pressekonferenz im Transporthaus seiner deutschsprachigen "Arbeitersendung". Auch in der Sendung "Im Spiegel der Englischen Presse" und in den englischen Nachrichtensendungen wurde wiederholt ueber die Arbeiten der Delegation berichtet. Dr. Schumacher, Dr. Agartz und Franz Neumann selbst kamen im Londoner Rundfunk zweimal zu Wort. In einer der Sendungen erklaerte der Sprecher der Arbeitersendung u. a.:

"... Nach Schumachers Rede auf der Pressekonferenz wurden der Delegation eine Stunde lang Fragen gestellt. In der englischen und amerikanischen politischen Oeffentlichkeit sind Pressekonferenzen haeufig eine Gelegenheit fuer gewandte Zweikaempfe, in denen ewig nachrichtenhungrige Reporter aus Politikern Sensationen, Eingestaendnisse oder besondere Erklaerungen herauszulocken versuchen. Die Reporter in dieser Konferenz, die fast alle europaeischen Laender und Amerika vertraten, stellten viele Fragen, die meist eine eingehende Kenntnis der deutschen Probleme verrieten und der Delegation manchmal recht tuechtig zusetzten. Aber es ist niemand aufs Glatteis gelockt worden. Die wichtigsten Antworten bezogen sich auf die Entnazifizierung, auf die wichtigsten Erfordernisse fuer die Beseitigung der deutschen Krise, Einstellung der Industriedemontage und Verbesserung der Lebensmittellage und schliesslich auf die Einstellung der SPD zur Kirche: dass die SPD nicht den christlichen Glauben, und nicht die Kirche bekaempfe, aber wohl jene Politiker, die die Kirche missbrauchen. Ich hatte den Eindruck", schloss der Redner der Arbeitersendung, "dass dieser erste Besuch einer deutschen politischen Parteidelegation im Ausland ein weiterer Schritt auf dem Wege ist, ein demokratisches Deutschland wieder in der internationalen Oeffentlichkeit aufzunehmen, und dass sowohl die SPD-Delegation wie auch die Pressevertreter sich dieser Bedeutung bewusst waren."

nahm einen grossen Teil der Zeit der Delegation in Anspruch. In 18 Versammlungen sprachen die Mitglieder der Delegation zu ihren Landsleuten. Dr. Schumacher hatte in seiner Versammlung 800 englischer Studenten und Dozenten in Cambridge eine Abordnung deutscher Kriegsgefangener als Gaeste, und am Sonntagmorgen ueberbrachte er im Lager den 1.000 Versammelten die Gruesse der Heimat. Zur gleichen Zeit schilderte Dr. Agartz im Lager 286 den Eindruck, den er von London erhielt, verglichen mit den Verwuestungen in der Heimat. Er sprach fuer alle Delegationsmitglieder, als er den Kriegsgefangenen zurief: "Wir Sozialdemokraten, die wir uns gegenwaertig fuer kurze Zeit in England befinden, haben uns zuerst in die Kriegsgefangenenlager begeben, weil es uns eine erste selbstverstaendliche Pflicht erschien, die engste Verbundenheit und die Betonung der Wichtigkeit Ihrer Mitwirkung fuer den Neuaufbau Deutschlands zum Ausdruck zu bringen. Und bei den Verhandlungen mit der englischen Labour Party, den

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Gewerkschaften und Regierungsstellen ist es unsere Absicht, darauf hinzuweisen, dass wir Sie brauchen und fuer eine baldige und raschere Freilassung der Kriegsgefangenen eintreten." Auch Franz Neumann und Wilhelm Knothe benutzten die ersten Tage ihres Londoner Aufenthaltes - und die letzten beiden Abende mussten von diesen beiden dem gleichen Zweck geopfert werden - sich in deutsche Gefangenenlager zu begeben, um durch Ansprachen und Diskussionen einen lebhaften Gedankenaustausch mit den Kriegsgefangenen zu fuehren und auch selbst Eindruecke ueber die materiellen und geistigen Beduerfnisse und Bedingungen zu sammeln.


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Mit diesem Satz beginnt ein Brief des frueheren Praesidenten der Zentralverwaltung fuer Handel und Versorgung in der Sowjetischen Besatzungszone, Dr. Hugo Buschmann[19], an den Parteivorstand der Sozialistischen Einheitspartei. Wir entnehmen dem in Berlin veroeffentlichten Brief die folgende Stellen:

"Nach der Veroeffentlichung des Verfassungsentwurfes des Parteivorstandes der Sozialistischen Einheitspartei habe ich zunaechst dem Gen. Grotewohl, spaeter dem Gen. Ulbricht mitgeteilt, dass der Entwurf untragbar sei, weil er wegen voellig unzureichender Sicherung der persoenlichen Rechte den Boden fuer eine neue Diktatur bereitet.[20] Es bleibt nur die Frage offen, von welcher Seite die Diktatur mit Hilfe einer solchen Verfassung errichtet werden wuerde. Beide Genossen haben mir schriftlich oder muendlich die Zusage gemacht, dass meine Einwendungen im Rahmen der durch das 'Neue Deutschland' eingerichteten Diskussion veroeffentlicht werden wuerden. Der von mir daraufhin uebersandte Diskussionsbeitrag wurde trotzdem abgelehnt und - wie mir die Chefredaktion ausdruecklich erklaert - auf Veranlassung des Parteivorstandes ..."

"... Der Einwand, den mir der Gen. Grotewohl macht, 'die verfassungsmaessige Sicherung einer uneingeschraenkten Freiheit wuerde praktisch einem Neo-Nationalsozialismus Tuer und Tor oeffnen', kann widerlegt werden. Die Artikel VII und XIV des Entwurfes geben in einer praeziseren Fassung, die auch hier Willkuer ausschliessen muss, die Moeglichkeit der Beseitigung der Gefahr. Im uebrigen kann, wenn sich die Sozialistische Einheitspartei der erfolgreichen Initiative der hessischen Sozialdemokratie anschliesst, die Grundlage fuer eine sozialistische Politik, die durch die Verfassung festgelegt wird, erreicht werden. Eine solche Politik wird sogar von staerkeren fortschrittlichen Kraeften der CDU unterstuetzt ..."

"... Ich habe die Genossen Grotewohl und Ulbricht darauf aufmerksam gemacht, dass der Landesvorstand Berlin in den Funktionaersversammlungen eine Politik des Ostblocks vertreten laesst, mit der Begruendung, dass ein internationaler Klassenkampf zwischen Sowjet-Russland und den Westmaechten stattfinde und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands fuer die Sowjetunion und gegen die Westmaechte zu kaempfen habe. Man wird sagen, da habe einer Unsinn geredet, aber die Tendenz der Schwarz-Weiss-Malerei in der Presse der Sozialistischen Einheitspartei ist nichts anderes. Immer wirkt die SED spaltend. Der Chauvinismus gegen den Westen staerkt wieder den Antibolschewismus.

Unsere Mitglieder revoltieren gegen diese Politik. Auch zahlreiche Genossen aus der ehemaligen Kommunistischen Partei haben offen erklaert, dass die Grenze des Ertraeglichen erreicht sei. Eine wirkliche Vereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten ist ja in der Sozialistischen Einheitspartei nicht zustandegekommen. Es bestehen zwei Lager, wobei ein Teil des kommunistischen Lagers das System der Bespitzelung und der Denunziation anwendet. Die Sozialdemokraten in der Sozialistischen Einheitspartei sind deshalb heute die unfreiesten Menschen in Deutschland.

In der Verwaltung, Handel und Versorgung ruhen die unterminierenden Kraefte nicht eher, als bis sie die stickige Luft des allgemeinen Misstrauens verbreitet haben, die in anderen Verwaltungen schon lange weht und diese arbeitsunfaehig machte. Als ich deshalb am 25. September 1946 meinen Ruecktritt beantragte, machte sich der Genosse Grotewohl in einer schwachen Stunde stark und erklaerte mir, so sehr er meinen Entschluss der Sache wegen bedauere, so sehr begruesste er ihn andererseits, denn es muesse einmal auf die unmoeglichen Zustaende hingewiesen werden. Jetzt will er davon nichts mehr wissen. So wird die positive Zusammenarbeit tuechtiger antifaschistischer Kraefte aller Richtungen von Fall zu Fall zerstoert. Ich bin ueberzeugt, dass sich das selbst die russische Besatzungsmacht auf die Dauer nicht gefallen laesst und die Sozialistische Einheitspartei eines Tages als wertlos, ja schaedlich zum alten Eisen werfen wird.

Ich weiss, dass fuehrende Genossen, die die Vereinigung am energischsten betrieben haben, vor Wut und Verzweiflung in Weinkraempfe ausbrechen, und koennte meinen Schritt mit weiteren Einzelheiten begruenden. Aber ich verzichte darauf. Die SEP muss ihren unruehmlichen Weg zu Ende gehen. Jeder einzelne hat sich darueber klar zu werden, ob er sich von ihr trennen kann, und er muss seinen Zeitpunkt waehlen.

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich bis wenige Stunden vor der Abreise des Genossen Gustav Dahrendorf mit diesem diskutiert habe. Seine damalige Entscheidung habe ich innerhalb der Partei stets als subjektiv verstaendlich bezeichnet, aber ich hielt sie fuer objektiv falsch. Der heutige Zustand der Sozialistischen Einheitspartei belehrt mich, dass der Genosse Dahrendorf aus seiner staerkeren politischen Taetigkeit eine bessere Voraussicht hatte ..."


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DOKUMENTE EINES DEUTSCHEN WIDERSTANDES

"Herausgegeben vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, ist in London eine dokumentarische Zusammenstellung erschienen: Material zu einem Weissbuch der deutschen Opposition gegen die Hitlerdiktatur."

Die aeussere Aufmachung dieser Drucksache ist ueberaus einfach. Im Rotaprint-Verfahren hergestellt, wird der Selbstzweck dieser Veroeffentlichung noch unterstrichen durch die Bemerkung: 'Als Manuskript vervielfaeltigt'. Dieser aber so bescheiden als moeglich aufgemachte Selbstzweck ist die 'Erste Zusammenstellung ermordeter, hingerichteter oder zu Freiheitsstrafen verurteilter deutscher Gegner des Nationalsozialismus'. - Von ein paar Seiten Einfuehrung und einer knappen Schlussbemerkung abgesehen, reihen sich auf rund 175 Seiten Name an Name und Name, voellig unbekannt - die meisten selbst denen, die von diesem 'Anderen Deutschland' mehr als nur oberflaechliche Kenntnisse hatten oder gar ihm mal angehoert haben, als die Opfer eines Kampfes, der entweder so gut wie unbemerkt von der grossen Welt sich abgespielt hat oder gar von dieser bewusst ignoriert worden ist.

Angesichts der Hekatomben von Leid und Tod wie sinnlosen Grausamkeiten und Verwuestung jeder Art, die Deutsche ueber Europa vor allem gebracht haben, gi[b]t es selbst fuer den, der in solchem Dokument Name[n] unter Namen [liest], keine Ausflucht in irgendeine Entschuldigung oder gar die versuchte Flucht in die Verantwortungslosigkeit, wobei ein wenn schon nicht sichtbarer, so doch deutlich merkbarer Finger auf die anderen verweist. Wir wollen nur, sehr anspruchslos, doch um der geschichtlichen Wahrheit willen ins Gedaechtnis zurueckrufen, was die Hitler-Himmler in zu langen und zu duesteren Jahren im Blute der Besten des eigenen Volkes und in den Stroemen des Blutes der unterjochten Voelker ertraenkt haben: dass im deutschen Volke selber der Kampf gegen Hitler und den Nationalsozialismus, die fuer jeden Deutschen mit politischer Schulung und Einsicht der Marsch in - den Ersten Weltkrieg weit uebertrumpfenden - den Zweiten Weltkrieg bedeuteten, auch mit der sogenannten 'Machtuebernahme' nicht aufgehoert hat, dass die ersten Jahre des nationalsozialistischen Regimes in Tat und Wahrheit Hitlers Kampf mit einer zaehen und trotz aller Schrecken und Foltern nicht erlahmen wollenden Opposition gewesen sind.

Das 'Weissbuch der deutschen Opposition', das in seiner fuer den Kenner dieses blutigen Ringens offenbaren Unvollkommenheit dem Fernstehenden erst recht kaum eine Vorstellung von dem Ausmass und mehr noch der ruecksichtslosen Haerte dieses Kampfes vermitteln kann, ist eine gewiss nur schwache Dokumentation des deutschen Widerstandes in den Jahren vor Hitler und dann vor allem in den Jahren 1933 und bis zum Ausbruch des Weltkrieges wie wiederum in den Jahren der sich ankuendigenden Niederlage und bis in den Zusammenbruch Hitlerdeutschlands hinein. Immerhin: Wer in all diesem Jammer und der schrecklichen Not unserer Gegenwart noch ein Mitfuehlen sich bewahren konnte, der wird erschuettert sein von diesen stereotypen Wiederholungen hinter den aufgefuehrten Namen: hingerichtet, ermordet, 4 Jahre Zuchthaus, 4 Jahre Zuchthaus, ermordet, wie wir [es] auf einer Seite verzeichnet [...] finden und auf allen weiteren aehnlich und oft noch grausiger, weil nur der Tod seine Folter- oder Beilernte haelt.

Das Material zu diesem 'Weissbuch' ist waehrend der Jahre der Hitlerherrschaft zumeist unter schwierigsten Verhaeltnissen zusammengetragen worden. Angewiesen auf die gelenkte, einzig die Abschreckung und das sogenannte Staatsinteresse im Auge habende Goebbels-Berichterstattung oder auf das, was durch Gelegenheitsberichte oder illegale Kanaele zu den Sammlern dieses Materials gekommen ist, musste jede solche Zusammenstellung und Aufzaehlung der Opfer dieses deutschen Widerstandes von vornherein stark lueckenvoll sein. Was ausserhalb Hitlerdeutschlands von diesem Kampf vernommen wurde, spielte sich gewissermassen auf der Schaubuehne des Dritten Reiches ab und nur dann, wenn die hoeheren und hoechsten Funktionaere dieses Regimes ihrer vermeintlichen vorteilhaften Pose, die ihnen glaenzender duenkte, je bluttriefender das Henkergeruest, sich sicher schienen.

Im 'Weissbuch' aber finden sich neben den Toten dieser Henkerschaubuehnen, die bei surrenden Tonfilmaufnahmeapparaten ihre letzten Schritte und die verroechelnden Atemzuege machen mussten, in der Mehrzahl die Opfer der Hitlerdiktatur, die unvernehmbar der Aussenwelt in tief inneren Zuchthaushoefen einen letzten Blick zu einem engen Himmelsviereck warfen, die oft genug eine letzte gellende Anklage ihren Henkern entgegenschleudernd, hinstarben, die als totgefoltert oder viehisch ermordet in ihren einsamen Zellen mit den alles schluckenden dicken Mauern und Tueren qualvoll verendeten, die waehrend langer, langer, muehsam hinschleichender Jahre und unter der seelischen Last entwuerdigter Menschlichkeit in Zuchthaeusern und Gefaengnissen schmachteten. Eine ehrenvolle Bekundung und schoene Wuerdigung gegenueber all diesem Leiden und Sichhinopfern ist, dass das 'Weissbuch' zu einer Dokumentierung dieses deutschen Widerstandes schlechthin gemacht worden ist, indem alle so gebrachten Opfer dieses [von] vornherein ungleichen und aussichtslosen Kampfes gegen den totalen Staat mit seinen ebenso totalen wie brutal eingesetzten Machtmitteln der Ehrung wie dem Gedanken uebergeben werden - gleich, ob sie Arbeiter oder Buerger, Katholiken oder Protestanten der Religion nach, Handwerker oder Intellektuelle, Kaufleute oder Offiziere, Beamte oder Gelehrte oder dergleichen mehr waren, ob sie einer Partei angehoerten oder nicht. Nehmen wir es als ein Versprechen an die so dunkle und im Geistig-Politischen noch so wenig bestimmbare deutsche Zukunft, dass die deutsche Sozialdemokratie solche Haltung an Ueberparteilichkeit gegenueber den deutschen Hitleropfern bezeugt hat ..."

(Buchbesprechung von Oswald Zienau in den "Schweizer Annalen", Heft 5, Jahrg. 1946/47 [21])

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Die Sendung von Lebensmittelpaketen nach Deutschland

und anderen Laendern des europaeischen Festlandes ist nun von der britischen Regierung erteilt worden. Ausserdem ist die Sendung von Kleidern nunmehr auch in die Amerikanische und Franzoesische Zone zulaessig. In die Russische Zone und nach Berlin sind Sendungen noch immer nicht moeglich.

Eine Person darf im Monat je ein Lebensmittelpaket und ein Kleiderpaket senden. Ein Lebensmittelpaket darf keine anderen Gegenstaende enthalten, umgekehrt duerfen auch einem Kleiderpaket keine Lebensmittel beigepackt werden.

Die Bewilligung gilt ausschliesslich fuer rationierte Lebensmittel, d. h. solche, die gegen "Coupons", "Points" und "Personal Points" ("Sweet Points") abgegeben werden.

Das Gewicht eines Paketes darf 7 Pfund nicht uebersteigen, von jedem einzelnen Artikel duerfen hoechstens 2 Pfund gesendet werden.

"Save Europe Now" empfiehlt mit Ruecksicht auf Haltbarkeit und Naehrwert die Sendung von Artikeln in dieser Rangordnung:

Fleischkonserven, Fischkonserven, Kondensmilch, Trockeneier, Mehl, Gries, Graupen, Hafermehl (Oatmeal), Makkaroni, Bohnen- und Erbsen-Konserven, Schokolade und Bonbons, Trockenmilch, getrocknete Fruechte, Sirup, Marmelade, Honig, Treacle, Zucker. - Kaese, Margarine, Kochfett und Talg sollen nur in dicht verschlossenen Blechdosen gesendet werden.

Frisches Fleisch, Butter, frische Eier, fluessige Milch, Brot, Orangen und Bananen sind nicht genuegend haltbar und duerfen daher nicht gesendet werden. - Kaffee, Kakao, Ovaltine [!], Lebertran und Konserven, soweit sie nicht "on points" sind, duerfen, weil unrationiert, nicht gesendet werden.

Kleidersendungen sind nur bis zum Hoechstgewicht 10 Pfund, Hoechstwert £ 5, zulaessig.

Wie Pakete zu senden sind

A) Nach Deutschland. Solange ein normaler Postverkehr mit Deutschland nicht besteht, koennen Pakete, die fuer Deutschland bestimmt sind, nur durch die guten Dienste von 'Save Europe now' gesendet werden. Wer dies zu tun wuenscht, schreibe an:

The Secretary, Save Europe Now, 14, Henrietta Street, LONDON, WC 2

einen Brief etwa nach folgendem Muster:

Dear Madam,
I wish to send a food / clothing / parcel to ... (genaue Adresse). Will you please send me the necessary instructions.
A Postal Order for sh 3/- / sh 4/- / is enclosed.

 

Yours faithfully,
(Leserliche Unterschrift)


Dem Briefe ist die entsprechende Postal Order beizulegen. 'Save Europe Now' war genoetigt, die Gebuehr zu erhoehen, sie betraegt nun sh 3/- bis zu 5 Pfund und sh 4/- fuer von 5 bis 10 Pfund Paketgewicht. - Ferner ist ein frankiertes und adressiertes Kuvert fuer die Rueckantwort beizuschliessen. In der linken Ecke des Kuverts soll die Zone vermerkt werden, in die das Paket gehen soll. - 'Save Europe Now' sendet hierauf einen Klebezettel (nicht mehr zwei), der auf das gut verpackte Paket geklebt werden soll. Das Paket ist dann mit der Post abzusenden. Es muss nicht zum Food Office[22] gebracht werden. - Wer ein weiteres Paket senden will, muss seiner Mitteilung an 'Save Europe Now' den datierten Abschnitt einsenden, den er bei der vorigen Sendung erhalten hat. Das ist wichtig, weil die Beschraenkung auf ein Paket im Monat kontrolliert wird.


B) In andere Laender. An Einzelpersonen in europaeischen Laendern, mit denen bereits Paketverkehr besteht, koennen Lebensmittelpakete direkt gesendet werden. Fuer Art und Menge gelten dieselben Bestimmungen wie fuer Deutschland. Bei solchen Sendungen muss eine Zolldeklaration abgegeben werden /Formulare beim Postamt/, und es muss die Freigabe /Franking/ der Sendung durch das zustaendige Food Office eingeholt werden. Dann kann das Paket mit der Post gesendet werden.


C) Allgemeines Hilfswerk. Wer rationierte Lebensmittel zur Verfuegung stellen will, ohne sie an individuelle Empfaenger zu senden, schreibe an Save Europe Now um einen Klebezettel wie oben. Die Gebuehr betraegt in diesem Fall sh 1/6. Das Bestimmungsland kann angegeben werden.


Wir wissen, dass kein Appell unsererseits noetig ist, unsere Freunde zur vollen Ausnuetzung dieser Hilfsmoeglichkeit zu veranlassen. Wir moechten nur hinzufuegen, dass Victor Gollancz und die von ihm geschaffene Organisation 'Save Europe Now', sowie die Abgeordneten, allen voran R. R. Stokes, die unausgesetzt auf die Freigabe von Hilfssendungen gedraengt haben, unseres Dankes sicher sein koennen.

Lebensmittelspenden, die wir an unsere Funktionaere und Freunde nach Deutschland senden, werden an folgende Adresse erbeten:

Mrs. Nelly Janowsky[23], 99 Ossulton Way, London, N.2 (Tel.: TUD 3417)









Editorische Anmerkungen


1 - Frederick John Bellenger (1894 - 1968), Berufsmilitär, Labour-MP seit 1935, 1946-1947 Kriegsminister.

2 - Im November 1946 hatte in New York eine Konferenz stattgefunden, an der u. a. die Außenminister Byrnes und Bevin teilnahmen und auf der ein Dreijahresplan für die Britische und Amerikanische Besatzungszone bekannt gegeben wurde.

3 - Pandit Nehru (1889 - 1964), Rechtsanwalt, ab 1916 in der Bewegung für ein unabhängiges Indien, 1923 Generalsekretär des Indian National Congress, 1929-1936 dessen Präsident, 1942-1946 mehrfach inhaftiert, 1947-1964 indischer Premierminister.

4 - Zu Robert Waithman konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

5 - Max Reimann (1898 - 1977), Werft-, später Bergarbeiter, ab 1919 Mitglied der KPD, später dort Funktionen, 1933 illegale Tätigkeit, 1934 Flucht ins Saarland, dann Exil in der CSR, April 1939 bei Grenzübertritt verhaftet, 1940-1945 Gefängnis und KZ. Ab 1948 ff. Vorsitzender der KPD der Westzonen, Mitglied des Parlamentarischen Rates, 1949-1953 KPD-MdB, 1954 in die DDR übergesiedelt.

6 - René Massigli (geb. 1888), französischer Berufsdiplomat, 1939-1940 Botschafter in der Türkei, seit 1943 bei de Gaulle in London, 1944-1955 französischer Botschafter in London, 1955-1956 Generalsekretär des französischen Außenministeriums.

7 - Arthur John Cummings (gest. 1957), politischer Ressortchef und Leitartikler des "News Chronicle", hatte 1933 von Leipzig aus über den Reichstagsbrandprozess berichtet.

8 - Winston Churchill hatte am 19. September 1946 in Zürich eine "Rede an die akademische Jugend der Welt" gehalten, bei der er auf die führende Rolle Frankreichs und Deutschlands in einem zukünftigen geeinten Europa einging.

9 - Konrad Adenauer (1876 - 1967), Jurist, ab 1906 Mitglied des Zentrums, 1917-1933 Oberbürgermeister von Köln, 1933 als Gegner des NS-Regimes entlassen, 1944 vorübergehend in Haft. 1946 Vorsitzender der CDU der Britischen Zone, 1948-1949 Präsident des Parlamentarischen Rates, als erster Bundeskanzler 1949 gewählt, Kabinett Adenauer bis 1963, 1950-1966 Bundesvorsitzender der CDU.

10 - Zu David Zaslawski konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden.

11 - LCC = London County Council.

12 - Werner Klatt (geb. 1904), Agrarexperte, seit 1932 SPD-Mitglied und Gewerkschafter, Anschluss an die Gruppe Neubeginnen, nach 1933 illegale Tätigkeit, Januar 1939 Emigration nach Großbritannien, 1943 britischer Staatsangehöriger, 1940-1946 Tätigkeit im britischen Außenministerium, Mitglied der Labour Party, 1951-1966 Wirtschaftsberater für u. a. das Außenministerium und die Welternährungsorganisation.

13 - George Walker Thomson (1883 - 1949), Ingenieur, seit 1935 Mitglied des General Council des TUC, seit 1937 Vorsitzender der National Federation of Professional Workers.

14 - Arthur Deakin (1890 - 1955), Mitglied des General Council des TUC, Generalsekretär der Transport and General Workers' Unions, 1946-1949 Vorsitzender des Weltgewerkschaftsbunds.

15 - Harold Vincent Tewson (geb. 1898), TUC-Funktionär seit 1925, 1946-1960 TUC-Generalsekretär, 1953-1955 IBFG-Vorsitzender.

16 - James Bell (1872 - 1955), Weber, 1918-1922 Labour-MP, Mitglied des General Council des TUC.

17 - Albert E. Carthy (geb. 1907), 1931-1957 TUC-Funktionär (für internationale Gewerkschaftsbeziehungen zuständig), 1957-1969 Generalsekretär der Sozialistischen Internationale (SI).

18 - Es könnte sich um Alexandra Kolarz handeln, die aus Russland stammende Ehefrau von Walter Kolarz (s. d.).

19 - Hugo Buschmann (geb. 1899), Kaufmann und Nationalökonom, vor 1933 Mitglied der DDP bzw. der Deutschen Staatspartei (DSP), Handelsredakteur an verschiedenen Blättern, während der Nazi-Zeit Verbindungen zu Widerstandskreisen. August 1945 bis Oktober 1946 Präsident der Deutschen Verwaltung für Handel und Versorgung [in der SBZ], 1945 SPD-Mitglied, 1946 Austritt aus der SED, später im Vorstand der Eternit AG (Berlin). Der Brief ist datiert vom 5.12.1946.

20 - Im September 1946 hatte der Parteivorstand der SED einen Entwurf "Die Grundrechte des deutschen Volkes" vorgelegt, der die Diskussion über eine Verfassung für Gesamtdeutschland eröffnen sollte. Am 14. November 1946 beschloss der PV der SED einen "Entwurf der Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik" [sic], der ebenfalls für Gesamtdeutschland gedacht war.

21 - Oswald Zienau (1893 - 1956), Journalist, seit 1912 SPD-Mitglied, vor 1933 für verschiedene deutsche Zeitungen Korrespondent in Moskau, nach Rückkehr 1934 durch die Gestapo verhaftet und misshandelt, wegen Tätigkeit für die SPD zu 2 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt, Emigration nach Frankreich, 1943 Flucht in die Schweiz, 1944-1945 Mitglied der provisorischen Leitung der Bewegung Freies Deutschland (BFD) in der Schweiz. In der Nachkriegszeit dpa-Korrespondent.
Die "Schweizer Annalen" erschienen in Aarau von 1944-1947.

22 - Food Office = Ernährungsamt.

23 - Nelly Janovsky (geb. 1907), Kinderpflegerin, österreichische Sozialdemokratin, 1934 in die CSR emigriert, 1939 nach Großbritannien, 1945 SPD-Mitglied.



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