S O Z I A L I S T I S C H E

M I T T E I L U N G E N

der London - Vertretung der SPD.

No. 91



Issued by the London Representative of the German Social-Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London, NW 7 - Telephone: MIL1 Hill 3915

Oktober 1946



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WARNUNG DER SPD

Unter dem Vorsitz des Parteivorsitzenden Dr. Kurt Schumacher traten am 25. September 1946 der Parteivorstand und der Parteiausschuss der SPD der drei westlichen Besatzungszonen auf dem Rheindampfer "Bismarck" zu einer ausserordentlichen Arbeitstagung zusammen, zu der auch sozialdemokratischen Minister der Laenderregierungen geladen waren.

Die Sozialdemokratie warnt vor einer Katastrophe in Deutschland.
Keine Mitarbeit ohne Recht der Mitbestimmung.

Deutschland droht in die furchtbarste Katastrophe zu versinken. Die SPD lehnt die Verantwortung fuer die heute in Deutschland herrschenden Verhaeltnisse ab, heisst es in der grundsaetzlichen Stellungnahme der SPD zur gegenwaertigen Lage, die nach der dreitaegigen Sitzung in Koeln einstimmig angenommen und bekanntgegeben wurde.

"Die Macht im zertruemmerten Deutschland wird heute von der Militaerregierung ausgefuehrt", fuehrt die Entschliessung aus. "In keiner der Zonen gibt es eine echte Demokratie. In der oestlichen Besatzungszone fehlen sogar die staatsbuergerliche Gleichberechtigung und das Recht der freien Meinungsaeusserung."

"Die gleichen Kraefte", heisst es dann weiter, "die Deutschland in die jetzigen Zustaende hineingefuehrt haetten, herrschen auch heute wieder in der Politik, in Wirtschaft und Verwaltung. Saemtliche Zentralbehoerden sind bei der Vereinigung der Britischen und Amerikanischen Zone Vertretern der kapitalistischen Auffassung uebertragen worden. Die deutsche Sozialdemokratie hat diese Entwickelung seit langem mit groesster Sorge verfolgt. Ihre wiederholten Vorschlaege und Mahnungen haben jedoch zu keiner entscheidenden Aenderung in der Politik gefuehrt.

"Die SPD ist nicht willens, die politische Verantwortung fuer Zustaende zu tragen, die ihr aufgezwungen werden. Sie macht daher ihre politische Mitarbeit von verbindlichen Zusagen abhaengig, dass ein gerechter Lastenausgleich erfolgt, der die Sachwerte in gleichem Umfange heranzieht, wie den Geldbesitz." Weiter verlangt die Entschliessung der SPD, dass

die Sozialisierung der Grundstoffindustrien, der Energiewirtschaft, der Verkehrsunternehmungen, der Banken und der Versicherungsgesellschaften sowie eine durchgreifende und produktionsfoerdernde Agrarreform durchgefuehrt werden und die deutsche Wirtschaftsverwaltung an der ueber die Kohlenwirtschaft und Eisenindustrie verhaengten Kontrolle massgebend beteiligt wird.

Weiter wird eine gerechte Verteilung der Sozialprodukte gefordert, wozu es einer Neuordnung der Loehne und Preise beduerfe, ferner, dass den Sozialrentnern, Kriegsopfern und Opfern des Nationalsozialismus eine ausreichende Rente gesetzlich gesichert und das unsagbare Fluechtlingselend gemildert werde.

Die SPD-Entschliessung nimmt dann Stellung zur Demontage von Industrieunternehmungen und ersucht die Besatzungsmaechte, mit dieser Politik des Abbaus und der Zerstoerung von Material und Anlagen aufzuhoeren, aus denen eine Friedensindustrie aufgebaut werden koennte.

Weiter wird die Sicherung der Ernaehrung und ein Ausgleich der Ernaehrung zwischen Stadt und Land fuer notwendig erachtet, "wobei anerkannt wird, dass die amerikanische und britische Regierung durch ihre Lebensmittelzufuhren Millionen Deutscher vor dem Hungertod gerettet haben". Schliesslich fordert die SPD-Entschliessung die Bereitstellung einer ausreichenden Hausbrandversorgung und die demokratische Kontrolle aller zentralen Verwaltungen.

Woertlich heisst es dann in der Koelner Erklaerung der SPD-Tagung weiter:

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"Das deutsche Volk muss sich darueber klar sein, dass es bei den kommenden Wahlen diese Forderungen der Sozialdemokratischen Partei unterstuetzen muss, um ihnen den gehoerigen Nachdruck zu verleihen. Die SPD bekennt sich zur politischen und staatsrechtlichen Einheit Deutschlands. Dabei haelt sie eine moeglichst weitgehende Dezentralisierung der Verwaltung im Interesse einer echten Demokratisierung fuer notwendig.

Die SPD ist gewillt, in jeder Form ihrer politischen Taetigkeit den Geist des Nationalismus zu bekaempfen. Sie verlangt von der Welt und dem deutschen Volk die Moeglichkeit, die unverzichtbaren grossen Ideen des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus im Volk und vor allen Dingen in der Jugend lebendig zu machen. Sie sieht darin nicht nur eine nationale, sondern eine europaeische und weltbuergerliche Aufgabe."

In einer laengeren Aussprache wandten sich die SPD-Vertreter aller Zonen gegen jeden Separatismus und gegen eine Behinderung der Entwicklung der Demokratie in Deutschland durch "obrigkeitliche Eingriffe in die Selbstverwaltung". Deutschland, so wurde erklaert, brauche so schnell wie moeglich eine zentrale Reichsgewalt und muesse seine inneren Angelegenheiten selbst ordnen. Dazu gehoerte insbesondere auch die sofortige Inangriffnahme des Neubaues und der Wiederinbetriebnahme der deutschen Wirtschaft. Nur so sei die Chance gegeben, die Katastrophe fuer Deutschland zu vermeiden.

"Wenn Aussenminister Molotow in Paris erklaert[1], dass die Ostgrenze Deutschlands endgueltig feststehe, so stellen wir fest, dass Deutschland und Europa ohne die Kornkammern des Landes oestlich der Oder und Neisse nicht leben koennen, denn jedes Volk braucht Raum, um atmen zu koennen", erklaerte der Parteivorsitzende der SPD auf einer oeffentlichen Wahlkundgebung in Koeln[2]. Andererseits koenne sich die SPD auch nicht damit zufrieden geben, dass Aussenminister Byrnes in einer Stuttgarter Rede[3] das Saargebiet an Frankreich verschenken wolle. "Wir verlangen fuer die Saarbevoelkerung dasselbe Recht wie bei anderen Voelkern, ueber sein Schicksal durch eine freie Volksabstimmung zu entscheiden."

Im weiteren Verlauf seiner Rede warnte Dr. Schumacher Holland und Daenemark davor, um ein paar Quadratmeter deutschen Bodens die vergiftete Atmosphaere im deutschen Volk noch mehr zu vergiften. Der SPD-Vorsitzende wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die junge Weimarer Republik an dem mangelnden Verstaendnis des Auslandes zugrunde gegangen sei, indem man ihr keine aussenpolitischen Erfolge zukommen lassen wollte.

Die SPD werde die Wahlen in der Ostzone als nicht gueltig anerkennen, stellte der Redner, zu den innerpolitischen Problemen uebergehend, fest. Hier seien einer Fusionspartei Rechte zugestanden werden, die sie nur auf Grund starker SPD-Positionen in Sachsen, Thueringen und Brandenburg fuer sich verbuchen konnte. Die SPD kaempfe in der Ostzone gegen die Diktatur.

Die Wahlen in den Westzonen bezeichnete Dr. Schumacher als das Ringen zweier grosser Prinzipien der beiden Parteien CDU und SPD, denn es drehe sich heute darum, entweder wird CDU oder SPD gewaehlt. Die KPD sei aus dem Rennen gefallen und zu einer Splitterpartei herabgesunken. Die NLP[4] und RVP[5] bezeichnete Dr. Schumacher wegen ihrer separatistischen Bestrebungen des deutschen Volkes nicht wuerdig.

Zur gegenwaertigen Lage in der Britischen Zone sagte der Redner: "Die allgemeine Stagnation, die gegenwaertig in der deutschen Bevoelkerung herrscht, fuehrt zu einer Atmosphaere politischen Hochstaplertums. Es ist zwar noch nicht soweit, dass ein erbitterter Nationalhass bei den Deutschen besteht, die Voraussetzungen dazu aber sind geschaffen."

Die SPD werde das deutsche Volk in der gegenwaertigen Lage nicht im Stich lassen, aber sie denke nicht daran, die Verantwortung fuer Verhaeltnisse zu tragen, an deren Zustandekommen die SPD keine Schuld trage.

"Es ist fuenf Minuten vor Zwoelf", so schloss Dr. Schumacher in seiner Koelner Versammlung, "Wir fordern die Besatzungsmacht auf, ihre Politik gegenueber Deutschland grundlegend zu aendern!"

Diese Losungen gab Dr. Schumacher in der ersten grossen Kundgebung nach der Koelner SPD-Arbeitstagung in Braunschweig aus.[6] "Die Deutschen", sagte der Redner, muessen sich jetzt fuer eine der beiden groessten Parteien in Westdeutschland, fuer die CDU und SPD, entscheiden.

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"Sind Sie Besitzbuerger", so rief der Redner, "dann gehen Sie zur CDU. Wollen Sie den buergerlichen Umweg machen, wie 1933, dann vergessen Sie nicht, dass dieser buergerliche Umweg voller Gefahren ist, denn letzten Endes ist auch Adolf Hitler ein Ausdruck dieses buergerlichen Umweges gewesen." - Wenn eines Tages die grosse Waehrungsreform komme, dann werde jeder eine Riesenlast erkennen, die aber zu tragen sein werde, wenn man sie gleichmaessig verteile. Unter den gegenwaertigen Verhaeltnissen koenne das deutsche Volk auf die Dauer nicht leben. Neben der Waehrungsreform sei die gerechte Verteilung der Sachwerte das Problem von heute, mit dem Deutschland stehe oder falle. Wir brauchten die gleich starke Belastung von Sachwerten und Geldbesitz. Deutschland koenne auch keine ungeplante kapitalistische Profitwirtschaft mehr ertragen. Zur wirtschaftlichen Zonenverschmelzung erklaerte Dr. Schumacher, dass die ueberzonalen Zentralaemter von Vertretern des buergerlichen Kapitalismus geleitet wuerden. Wenn die SPD staerker beteiligt waere, wuerde das volkswirtschaftliche Gesicht Deutschlands heute bereits anders aussehen. Es seien der Restkapitalismus und die Methoden der unkontrollierbaren Autoritaet, die Deutschlands Neugestaltung verhindert.

... Die Schicksalsfrage fuer Deutschland ist die, ob wir den arbeitenden Menschen im Westen klarmachen koennen, dass es auch einen europaeischen Sozialismus gibt und nicht nur einen totalitaeren Staatskapitalismus mit all seinen politischen und menschlichen Konsequenzen, wie er vom Osten in die Russische Besatzungszone eingebrochen ist.

Die andere Seite der Frage ist darin zu sehen, dass dann, wenn die Schaffenden an der Zukunft eines europaeischen Sozialismus verzweifeln, im Westen des Reiches ohne Frage der Grossbesitz wieder die Ueberhand bekommen wird. Heute ist die Lage in Deutschland so, dass 35% der Bewohner alles behalten haben, was sie vor dem Kriege besassen, ja, im Effekt noch reicher geworden sind, weil die anderen umso aermer wurden. Ein anderer Teil, etwa 25%, hat zum Leben zu wenig, hat aber durch Verbindungen aller Art mit den Eigentuemern der Produktionsmittel und Sachwerte die Moeglichkeit, kaerglich seinen Lohn zu fristen. 40% der Deutschen haben nichts als ihre Lebensmittelkarten.

Das ist in Wahrheit der Zustand der latenten sozialen Revolution. Wenn diese noch nicht angebrochen ist, so liegt das nicht nur an den Bajonetten der Siegermaechte, sondern an der Tatsache, dass dieses Volk, mag es durch Hitler und seine Gefolgschaft in noch so furchtbare Dinge hineingetrieben worden sein, den Hang hat, alles im Guten und Gesetzlichen zu ordnen. Dementsprechend brauchen wir begruendete Hoffnungen auf allen Gebieten. Wir koennen unsere Jugend, die in ihrer Mehrzahl guten Willens ist, nur lehren, international und menschlich zu denken und die Werte der Humanitaet zu erkennen, wenn man ihr das nationale Selbstbewusstsein eines einigen Deutschland laesst. Wir koennen auch den Fluch der persoenlichen Hoffnungslosigkeit nur von ihnen nehmen, wenn sie weiss, dass sie nicht von neuem fuer den Kapitalismus, sondern fuer die Allgemeinheit arbeiten muss. Die schlimmste Belastung der deutschen Politik ist die Tatsache, dass sich heute weniger denn je eine gemeinsame Linie in der Politik der Sieger gegenueber Deutschland finden laesst. Wenn die grosse "Chinesische Mauer", die die Russen quer durch Deutschland gezogen haben, weiter bestehen bleibt und dementsprechend fuer die westlichen Besatzungszonen gewisse Konsequenzen eintreten, werden wir doch nicht aufhoeren, jeden Versuch zu machen, diese Mauer niederzureissen. Die Zweiteiligkeit eines so grossen Volkes ist die Foerderung des Nationalismus und der Kriegsgefahr. Wir koennen also jeden jetzt geschaffenen Zustand nur als Zwischenloesung empfinden. Das hindert uns nicht, 100%ig mit denselben Kraeften auch in dieser Periode mitzuarbeiten.

In Deutschland ist bisher zu wenig geschehen. Von allen 4 Siegermaechten haben nur die Russen eine politische Konzeption gehabt, und diese Auffassungen haben nicht fuer uns gepasst. Ich will mich dabei gar nicht bei der sinnlosen Zerstoerungswut, der Demontage und der Behandlung der menschlichen Persoenlichkeit, insbesondere der weiblichen Persoenlichkeit, aufhalten.

Die drei anderen Siegermaechte haben ueberhaupt keine Konzeption gehabt, sondern fangen erst langsam an, eine zu bekommen. Zweifellos ist aus dem Wesenskern einer Arbeiterregierung heraus die Situation in dieser Hinsicht fuer Deutschland guenstiger geworden. Aber die Dinge gehen sehr langsam vor sich und, wenn man auch anerkennen muss, dass eine Reihe von Offizieren Weitblick beweist, so muss man von dem anderen Teil sagen, dass er zwar aus persoenlich anstaendigen Menschen besteht, aber nicht begreift, worum es heute in Deutschland geht.

Grundlegend muss die soziale Struktur des deutschen Volkes und der Volkswirtschaft geaendert werden. Der Sozialismus ist das aktuellste Tagesproblem. Die Landreform ist die Voraussetzung fuer die Verbesserung der Ernaehrung und der Schaffung des sozialen Friedens auf dem Lande und der Besaenftigung der vielen Millionen Fluechtlinge. dass dabei in Anbetracht der deutschen Baustoffknappheit oft nicht eine neue baeuerliche Siedlung, sondern eine genossenschaftliche Bewirtschaftung der Grossbetriebe in den Vordergrund treten wird, ist ohne weiteres klar.

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Es geht in Deutschland darum, wer das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg bezahlen soll. Die Besitzenden moechten, wie stets in der Geschichte, den Nichtbesitzenden die Buerden nach Moeglichkeit auferlegen. So unsinnig die Reparationsforderungen sein moegen, die von gewisser Seite bei der Aussenministerkonferenz erhoben wurden, so sind sie noch nicht so schlimm, wie die Forderung vieler Deutscher, die bisherigen Reichsschulden in vollem oder doch erheblichem Umfang anzuerkennen. Damit wuerden die besitzenden Deutschen zu den unbarmherzigsten Reparationsglaeubigern der Nichtbesitzenden werden und diese waeren auf eine unuebersehbare Anzahl von Jahrzehnten zur Sklavenarbeit verdammt. Das grosse soziale Ringen wird in Deutschland vertuscht und vernebelt. Die nationale Idee, die jeder Sozialist fuer sein eigenes Volk mit Recht in Anspruch nehmen kann, droht vielerorts bereits wieder zum Nationalismus zu entarten. Die Christlich-Demokratische Union missbraucht ausserdem das Wort "christlich" fuer Ziele der Besitzverteidigung. Diese CDU ist praktisch in den drei westlichen Zonen die Partei der Leute, die alles haben und nichts abgeben wollen. Es laufen jetzt noch eine Anzahl von andersdenkenden Menschen mit. In der Ostzone traegt die CDU freilich ein anderes Gesicht. Aber das laesst sich aus den besonderen Gegebenheiten dieser Zone erklaeren. Solange die CDU nicht in den rechten Fluegel der Besitzbuerger und den linken Fluegel der aus dem Geiste des Christentums heraus praktisch handelnden Politiker zerfaellt, ist Deutschlands Zukunft bedroht.

Eine andere Spielart des Nationalismus versucht, von Berlin her den Westen zu infiltrieren. Die Kommunisten, die mit den sozialdemokratischen Ueberlaeufern des Zentralausschusses sich dort SED nennen, predigen einen neuen Nationalismus. Allerdings wendet sich dieser Nationalismus einer unitarischen und zentralistischen Reichseinheit, die in den Toenen spricht, wie wir sie einst von Joseph Goebbels gehoert haben, nur nach dem Westen. Von den Ostgrenzen hoert man bei diesen Nationalisten nichts, und doch ist die Gesamtfrage der deutschen Grenzziehung ein zusammenhaengender Komplex.

Die dritte Methode der Taeuschung und Ablenkung, mit der die Deutschen bedroht werden, ist der Missbrauch der Einheitsidee. Die Kommunisten versuchen, diese Idee fuer ihre parteipolitischen Zwecke zu missbrauchen und scheuen sich nicht, mit den Mitteln der Luege, Gewalt und Denunziation die hinter ihr stehende Besatzungsmacht dafuer einzuspannen. Das hat gegen den Willen von mindestens 90% der Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei in der oestlichen Besatzungszone zur Gruendung der SED gefuehrt. Waehrend in den Jahren der Weimarer Republik die Kommunistische Partei alljaehrlich ihre Taktik und ihre fuehrenden Persoenlichkeiten wechselte, hat sie jetzt sogar ihr Programm und ihren Namen geaendert. Die Russische Besatzungszone ist das einzige Land der Welt, in dem es keine Kommunistische Partei gibt, und es ist vielleicht nicht einmal nur Ironie, wenn man feststellt, dass dort, wo die Rote Armee auftritt, der Kommunismus aufhoert zu existieren.

Einigen koennen sich nur unabhaengige Faktoren. Die Kommunistische Partei aber ist nicht unabhaengig, sondern das Instrument einer einzigen Siegermacht. Wir deutschen Sozialdemokraten glauben, dass wir die Nerven behalten muessen bis zu dem Zeitpunkt, an dem aus gesamtpolitischen und internationalen Gesichtspunkten heraus eine Einigung der Siegermaechte erfolgt ist. Wir koennen und wollen uns nicht als verlaengerten Arm einer Okkupationsarmee oder der von ihr tatsaechlich oder angeblich vertretenen Ideen missbrauchen lassen. Das waere nicht nur national schimpflich, sondern auch eine Todsuende gegen den Geist des Internationalismus.

Schliesslich, aber nicht letztlich, trennt uns von den Kommunisten auch eine Reihe ideenmaessiger Auffassungen.

Mag soviel von den Methoden Karl Marx' und Friedrich Engels' in der Sozialdemokratischen Partei vorhanden sein, als man nur annehmen will. Der Geist der klassischen deutschen Philosophie, der englischen und franzoesischen Revolutionen und der amerikanischen Unabhaengigkeitserklaerung sind mit der gleichen Kraft lebendig. Das Humane ist bei den Sozialdemokraten mit dem Sozialismus unloesbar verbunden. Aber dieses Humane, vor allem in seiner Achtung vor der menschlichen Persoenlichkeit, vermissen wir bei den diktatorischen und despotischen Entartungen des Sozialismus. An dem Tage, an dem die Kommunisten innerlich unabhaengig sind, wird auch der Prozess ihrer Entwicklung zu diesen grossen Ideen, die einstmals jedem deutschen politisch arbeitenden Menschen selbstverstaendlich waren, beginnen. Dann braucht ueber Einheit nicht mehr diskutiert zu werden, dann ist sie da. Heute aber ist die sogenannte Einheit, wie sie die Kommunisten propagieren, nichts weiter als der Versuch, zugunsten einer fremden Macht Deutschland, Europa und alle anderen Laender zu drangsalieren und ihnen ihre Rolle in dem grossen Konzert der Voelker zu nehmen.

Es ist heute schwer in Deutschland, und ohne Zweifel bringt der Mangel an Ernaehrung und Heizung Verhaeltnisse hervor, die sich in Stimmungen gegen die Demokratie umsetzen. Aber gegen diese Stimmungen stemmen wir uns mit aller Kraft, und wir haben den festen Glauben, auch sie ueberwinden zu koennen. Dabei scheuen wir uns vor keiner Kritik an irgendeiner Besatzungsmacht, auch nicht der englischen. Die Legitimation nehmen wir aus der Tatsache, dass wir nicht nur frueher gegen Hitler gekaempft haben, sondern dass wir heute auch unser eigenes Volk und seine Schwaechen ruecksichtslos kritisieren. Das eine mag gefaehrlich, das andere mag unpopulaer sein, in beiden Faellen aber handelt es sich um absolute Notwendigkeiten.

Wir hoffen, dass bald durch ein Aufhoeren der Demontage langsam, aber die Moeglich-

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keit fuer einen industriellen Export geschaffen wird. Nur so koennen wir auf die Dauer das deutsche Volk am Leben erhalten. Aber die Demokratie und der Frieden sind nur gesichert, wenn der Grossbesitz in Stadt und Land entprivatisiert und in den verschiedenartigsten Formen den Interessen der Allgemeinheit dienstbar gemacht worden ist.

Gerade die Schwere des Kampfes und die Unzulaenglichkeit unserer Mittel reizen uns dazu, nichts fuer dieses grosse Ziel unversucht zu lassen. Wenn wir das andere Deutschland, das unter Hitler geknebelt und geknechtet war, zu dem eigentlichen neuen Deutschland machen wollen, dann wollen wir damit nicht einen neuen Nationalismus.

Wir sind die Todfeinde jeder Form des Nationalismus, mag er sich bei dem Buergertum oder bei den Kommunisten zeigen, wir wollen das deutsche Volk als einen nach Jahren des Kampfes und der Bewaehrung gleichberechtigten und gleichgeachteten Faktor im Rahmen der Vereinigten Staaten von Europa. Wir wollen die europaeische Staatenfoederation, der sich auch England nicht entziehen kann und nicht entziehen darf. Wir glauben, dass National und International notwendige Ergaenzungen derselben Politik sind. Todfeindschaft besteht nur zwischen der nationalen Idee und dem Nationalismus.

Die sozialdemokratischen Anhaenger sehen ihre hoechste Aufgabe darin, ebenso gute Deutsche wie ebenso gute internationale Sozialisten zu sein. In diesem Sinne begruessen wir auch Ihre Bemuehungen um die Herstellung internationaler Verbindungen, denn angesichts der Schwere und Grausamkeit der Tatsachen weiss doch jeder von uns, dass wir nur zusammen mit allen sozialistischen, humanen und progressiven Kraeften in der Welt dieses Land am Leben und damit Europa und der Welt den Frieden erhalten koennen. Wir wuenschen Ihren Bestrebungen den besten Erfolg und schicken Ihnen die bruederlichsten Gruesse der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

 

Ihr ergebener
Dr. Kurt Schumacher
1. Vorsitzender
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands."


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"Berliner!

Zum ersten Mal seit 15 Jahren ist die Berliner Bevoelkerung zur freien Entscheidung ueber ihr Schicksal aufgerufen worden. Keine fruehere Wahl in Berlin, aber auch keine andere Gemeindewahl in Deutschland hat solche Bedeutung wie die kommenden Berliner Wahlen. Am 20. Oktober 1946 handelt es sich um mehr als nur eine Entscheidung ueber den Berliner Magistrat.

Berlin ist gegenwaertig ein selbstaendiger Stadtstaat unter alliierter Kontrolle. Berlin ist auch heute das Zentrum der politischen Entscheidungen Deutschlands. Berlin - eingeschlossen in der Sowjetischen Zone - muss ein festes Bollwerk der Demokratie sein. Berlin ist eine selbstaendige fuenfte Zone, von deren Wahl die Entwicklung in ganz Deutschland beeinflusst wird. Daher blickt die ganze Welt auf Berlin. Die Wahlen am 20. Oktober werden als Stimmungsbarometer fuer die demokratische Gesinnung der Deutschen angesehen werden.

In diesem Kampf um Berlin faellt der Sozialdemokratischen Partei die entscheidende Rolle zu. Die Berliner Sozialdemokraten haben durch ihre Urabstimmung am 31. Maerz als erste den Beweis erbracht, dass in Deutschland nach zwoelfjaehriger nationalsozialistischer Herrschaft noch demokratische Kraefte lebendig sind. In diesem Geist werden die Berliner Sozialdemokraten auch den Kampf um die Zukunft Berlins fuehren. Dabei koennen sich die Berliner Sozialdemokraten auf eine erfolgreiche und wachsende Beteiligung an der Kommunalpolitik berufen.

Getreu ihrer politischen Gesamthaltung, die durch den Ablauf der Geschichte eine glaenzende Rechtfertigung erfahren hat, beseelt von dem eben erst bewiesenen Kampfeswillen, getragen von der Erkenntnis des wissenschaftlichen Sozialismus, suchen wir einen Weg aus der Not und dem Elend, das der Nationalsozialismus nach zwoelfjaehriger Herrschaft hinterlassen hat.

Wir versprechen nichts, was wir nicht halten koennen.

Wir fordern nichts, was nicht verwirklicht werden kann.

Wenn die Zukunft Berlins gesichert sein soll, muessen zwei Gegenwartsaufgaben geloest werden:

Aus dieser Erkenntnis stellen wir folgende Forderungen:

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Wir fordern von der Berliner Bevoelkerung nach zwoelf Jahren geistiger und sittlicher Verwirrung Rueckkehr zur nuechternen Betrachtung der gegebenen Lage, kritische Auswertung der im letzten Jahr gemachten Erfahrungen und Standfestigkeit gegen jeden Versuch der Vergewaltigung neugewonnener politischer Freiheiten.

Wir fordern eine saubere Durchfuehrung der Wahl, die von keiner Stelle beeinflusst wird und bei der jeder einzelne im sicheren Gefuehl des wiedererlangten freien Wahlrechts seiner wirklichen politischen Ueberzeugung Ausdruck geben kann.

Wir fordern zur Sicherung eines demokratischen Aufbaues die Ausschaltung aller offenen und versteckten Feinde der Demokratie aus politischer Betaetigung und aus fuehrenden Stellen im oeffentlichen Leben.

Wir fordern von den fuehrenden Maennern im oeffentlichen Leben vorbildliche schlichte Lebensfuehrung, aufrechte und wahrhaftige politische Ueberzeugung und ehrliche Hingabe an die Sache der Bevoelkerung.

Wir fordern einen Magistrat, der von der Mehrheit der Bevoelkerung getragen, in engster Zusammenarbeit unter sich und mit der Stadtverordnetenversammlung einzig und allein der Einwohnerschaft zu dienen hat.

Wir fordern eine klare Aufgabenteilung zwischen der kommenden Stadtverordnetenversammlung, dem neuen Magistrat und einem neu einzurichtenden unabhaengigen Pruefungsamt.

Wir fordern sparsamsten und uebersichtlichen Verwaltungsaufbau, gewissenhafte Finanzwirtschaft im Rahmen eines politisch durchdachten Haushaltsplans, Kontrolle aller Einnahmen und Ausgaben durch ein unabhaengiges Pruefungsamt.

Wir fordern eine Personalverwaltung, in der Leistung, berufliche Tuechtigkeit, Unbestechlichkeit, entgegenkommende Umgangsformen und demokratische Zuverlaessigkeit als selbstverstaendliche Voraussetzungen fuer die Mitarbeit gelten.

Wir fordern die Aufstellung eines einheitlichen Wirtschaftsplans fuer ganz Berlin, der allen Arbeitskraeften eine Beschaeftigung sichert, durch einen organisierten Ausgleich aller Maschinen die Ausnutzung aller Kapazitaeten gewaehrleistet und die Berliner Wirtschaft auf schnellere Touren bringt als bisher.

Wir fordern Sofortmassnahmen zur Abwendung aller drohenden Gefahren fuer Leib und Leben, die sich aus mangelhafter Wohnung, unzureichender Ernaehrung, ungenuegender Kleidung und offenbarer koerperlicher Hinfaelligkeit weiter Bevoelkerungskreise ergeben.

Wir fordern einen inneren Kriegslastenausgleich zugunsten aller Geschaedigten unter besonderer Belastung derjenigen, die fuer die gegenwaertige Not Verantwortung tragen.

Wir fordern fuer die Jugend die freie Entwicklung ihrer Verbaende, die Schaffung von Jugendheimen, Sportplaetzen und die Einrichtung von Lehrlingswerkstaetten zur Pflege des Gemeinschaftssinns.

Wir fordern soziale Hilfsmassnahmen und Einrichtungen fuer alle Menschen, die arbeitsunfaehig, altersschwach, koerperbehindert oder sittlich gefaehrdet sind.

Wir fordern staerkere Verwendung der Frauen in verantwortlichen Stellen im oeffentlichen Dienst und im oeffentlichen Leben, besonders dort, wo sie sich ihrer Eigenart entsprechend betaetigen koennen. Wir fordern Beachtung der Doppelleistung der Frauen, die alleinige Ernaehrer und Erzieher ihrer Kinder sind, und Beruecksichtigung der aelteren Frauen, die heute wieder im Gefolge des Krieges im Erwerbsleben stehen.

Wir fordern eine Jugend- und Volksbildung, die jedem einzelnen die volle Entfaltung seiner Anlagen durch kostenlose Ausbildung ermoeglicht, eine Bildung, die unter Ablehnung jeder Gewaltverherrlichung Achtung vor den Mitmenschen als vornehmstes Ziel aufrichtet.


Die Erfuellung dieser Forderungen ist weitgehend abhaengig von Entscheidungen der Alliierten Militaerbehoerden. Von ihnen erwarten wir Verstaendnis fuer unsere Schwierigkeiten, die wir nach unserer Ueberzeugung am schnellsten durch erweiterte Selbstverwaltung ueberwinden. Wir wissen, dass die Verwirklichung nur mit ihrer Hilfe erreicht werden kann und an die nachfolgende unerlaessliche Voraussetzung gebunden ist, um deren Erfuellung wir hiermit bitten:

Sofortiger Abbau der Sektorengrenzen, weil Berlin nur unter einheitlicher Verwaltung wieder gesunden kann; einheitlicher Versorgungsplan, der die Zufuhr von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Lebensmitteln aus allen Teilen Deutschlands nach Berlin sicherstellt und hier gleichmaessige Verteilung ermoeglicht; freier, ungehemmter Verkehr mit allen uebrigen Zonen, da die Berliner Wirtschaft und das Kulturleben in Berlin sich nur entfalten koennen, wenn ein ungehinderter Waren- und Meinungsaustausch mit allen Zonen gewaehrleistet ist.

Wir bitten dringend um Sicherungsmassnahmen fuer die persoenliche Freiheit und um die Zusicherung, dass aus politischen Gruenden jede verhaftete Person binnen kuerzester Zeit vor ein Alliiertes Kommandanturgericht gestellt wird.

Wir bitten, im bevorstehenden Wahlkampf die freie Meinungsaeusserung wirksam zu schuetzen und sachliche Kritik an oeffentlichen Zustaenden und der Haltung politischer Parteien uneingeschraenkt gelten zu lassen.

[Seite im Original:] - 7 -

Wir bitten um einen gesicherten Ablauf des Wahlkampfes, der zur Klaerung der politischen Meinungen und zur Ermittlung eines die Berliner Verwaltung tragenden Mehrheitswillens der Bevoelkerung unerlaesslich ist.

In dem Augenblick, wo das Schicksal der Berliner Bevoelkerung auf dem Spiel steht, gibt es fuer uns Sozialdemokraten keine unangebrachten Ruecksichtnahmen und kein Verschweigen offenbarer Missstaende.

Wir werden die politische Auseinandersetzung immer nur auf die Sache abstellen. Wir wissen aber, dass in den Grenzen der Sachlichkeit die gesamte politische Arbeit unserer Gegner im letzten Jahr wirkungsvoll angegriffen und kritisch beleuchtet werden muss. Das sind wir der Berliner Bevoelkerung schuldig. Wir lehnen die Verantwortung fuer offensichtliche Fehlleistungen und Schaeden ab, die in der kommunalpolitischen Arbeit des letzten Jahres aus der ruecksichtslosen Ausnutzung einer politischen Vorzugsstellung entstanden sind.

Die Sozialdemokratische Partei ist bereit, von sich aus alle Verantwortung, die ihr nach dem Wahlkampf zufallen sollte, mit der ihr eignen Gewissenhaftigkeit und Entschiedenheit auf sich zu nehmen.

Es ist nun die Aufgabe der Berliner Waehler, sich auf eine eindeutige politische Entscheidung vorzubereiten.

Am 20. Oktober muss sich der Berliner entscheiden, ob er wie im vergangenen Jahr und in den letzten zwoelf Jahren weiter diktatorisch regiert werden will oder mit der Sozialdemokratie eine neue Zukunft auf dem Boden der Demokratie und des Sozialismus wuenscht. Nur eine sichere Mehrheit fuer eine starke sozialdemokratische Bewegung wird aus unseren Forderungen greifbare Tatsachen fuer die Berliner Bevoelkerung werden lassen.

Mit der SPD in die bessere Zukunft!"


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John Hynd, der britische Staatsminister fuer die besetzten Gebiete in Deutschland, sprach nach einer Reise durch die Britische Zone am 26. September in Berlin im Lancaster House, dem Berliner Hauptquartier der Britischen Kontrollkommission auf einer Pressekonferenz.

Zum ersten Male nahmen an der Pressekonferenz neben alliierten Korrespondenten auch deutsche Journalisten teil. Es waren Vertreter des "Telegraf", des "Sozialdemokrat", des "Nordwestdeutschen Rundfunks" und der Zonenzeitung "Die Welt"[8] anwesend. Staatsminister Hynd berichtete von seiner Inspektionsreise durch die Britische Zone und erklaerte:

"Ich habe mich ueberall umgesehen, habe Internierungslager fuer ehemalige Nationalsozialisten, Fluechtlingslager und Lager fuer Verschleppte besucht, ich habe mich eingehend mit der Kohlen- und Lebensmittelfrage beschaeftigt und die schlimmsten Brennpunkte der Wohnungsnot untersucht. Ich habe mich mit Hunderten von Deutschen, kleinen, mittleren und hoeheren Beamten unterhalten, und ich glaube, das Eindrucksvollste ist die Zusammenarbeit, die ich ueberall zwischen britischen und deutschen Beamten beim Anpacken der vielen Probleme gefunden habe." Minister Hynd fuehrte das Interesse an, das die deutschen Beamten heute wieder den Moeglichkeiten zur Foerderung des Exports und dem Ausbau einer groesseren Freiheit ihrer Verwaltung entgegenbringen, waehrend sie bei seinem ersten Besuch im vergangenen Winter von nichts anderem als dem Schrecken des Massenverhungerns gesprochen haetten.

"Natuerlich ist die Lage", so fuhr der Minister fort, "noch aeusserst ernst. Und obgleich es unsere Absicht ist, die Lebensmittelrationen eines Tages auf 2000 Kalorien festzusetzen, dem notwendigen Standard, um die Menschen gesund zu erhalten, wissen wir noch nicht einmal, ob die neue Erhoehung der Zuteilung auf 1500 Kalorien fuer den Normalverbraucher in der Britischen und Amerikanischen Zone den ganzen Winter hindurch aufrechterhalten werden kann. Wir werden jedoch alles daran setzen, die Rationen zu halten."

Das Schluesselproblem sei die Kohle. Durch Verbesserungen der Lebensbedingungen der Bergarbeiter sei eine leichte Steigerung der Produktion erreicht worden. Zur Erhoehung der Kohlenproduktion in Deutschland habe er beschlossen, den Export deutscher Kohle nach Westeuropa auf 150.000 t herabzusetzen.

Zu dem Problem der 270.000 verschleppten Personen, meist Polen, erklaerte Minister Hynd: "Obgleich dieses Problem in erster Linie die UN angeht, so muessten doch Schritte unternommen werden, denn diese Personen duerfen nicht laenger untaetig sein, wenn es ueberall in der Zone an fachlichen Arbeitskraeften fehlt. Es ist unzulaessig, dass es diesen zum Teil untaetigen Verschleppten relativ gut geht; waehrend es Tausenden von deutschen Fluechtlingen, die aus dem Osten in die Britische Zone einstroemten, am Notwendigsten fehlt."

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Der Minister berichtete dann ueber den Plan der britischen Regierung, nach dem zunaechst 15.000 deutsche Kriegsgefangene aus englischer Kriegsgefangenschaft ab Ende September monatlich entlassen wuerden; und verkuendete das Eintreffen des ersten Transportes in Deutschland.

Im Zuge der beschleunigten Entlassung wuerden bis zum 8. Oktober taeglich weitere 500 Heimkehrer in der Britischen Zone eintreffen. Von diesem Termin ab wuerde ihre Zahl noch laufend erhoeht werden. Wie der Minister sagte, sind unter den ersten Kriegsgefangenen, die entlassen werden, Baufachleute, Bergmaenner, Lehrer und Beamte, die waehrend ihrer Gefangenschaft von britischer Seite zum Verwaltungsdienst vorbereitet wurden. Alle entlassenen Kriegsgefangenen kaemen, so erklaerte der Minister, zunaechst nach Munsterlager, von wo aus sie so schnell wie moeglich durch den britischen Armeetransport in ihre Kreishauptstaedte gefahren wuerden.


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Heimsendung deutscher Kriegsgefangener aus England.

Die Frage der Heimsendung deutscher Kriegsgefangener aus Grossbritannien, die seit Monaten Gegenstand oeffentlicher Diskussion in der englischen Presse war, hat jetzt durch Bekanntgabe des Plans der Regierung klarere Form angenommen.

Der am 12. September vom britischen Kabinett beschlossene Plan, der Ende September in Kraft getreten ist, sieht die Heimsendung von zunaechst 15.000 deutschen Kriegsgefangenen im Monat vor.

Die Regierung betont in ihrer Erklaerung, dass "sie verschiedene Gesichtspunkte bei dieser Angelegenheit zu pruefen hatte, darunter den dringenden Bedarf an Arbeitskraeften in der britischen Landwirtschaft und bei anderen Arbeiten von nationaler Bedeutung sowie die Verfuegbarkeit von Schiffsraum".

Vorzug bei der Heimsendung soll Kriegsgefangenen gegeben werden, die "eine positive demokratische Haltung gezeigt haben und aller Wahrscheinlichkeit nach bei der Rehabilitierung Deutschlands eine nuetzliche Rolle spielen koennen". Im uebrigen wird bei der Bestimmung der Reihenfolge der Heimsendungen die Laenge der Gefangenschaft "das allgemeine Kriterium" sein, aber "ein gewisser Vorzug wird Maennern gegeben werden, die industrielle oder andere Faehigkeiten haben, welche in Deutschland besonders benoetigt werden, und Maennern, deren Fall besondere mitleiderregende Umstaende aufweist".

Weiter heisst es in der Regierungserklaerung: "Bemuehungen sind im Gange, das Einverstaendnis der anderen Kontrollmaechte in Deutschland fuer die Aufnahme von Kriegsgefangenen, die unter diesem Plan heimgesandt werden, in ihren Zonen zu erhalten."

Abschliessend wird gesagt: "Etwaige erhebliche Aenderungen oder eine erhebliche Beschleunigung dieses Heimsendungs-Programms werden Gegenstand weiterer Bekanntmachungen sein."

Die englischen Blaetter fuegten dieser Erklaerung die Nachricht hinzu, dass die Regierung in allernaechster Zeit Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der bei wichtigen Arbeiten beschaeftigten Gefangenen bis zum Zeitpunkt ihrer Heimsendung bekanntgeben werde.

Die erste Massnahme dieser Art, die von der Regierung bereits beschlossen wurde, besteht in der Verfuegung, dass deutsche Kriegsgefangene in Grossbritannien woechentlich 5 Schilling [!] an ihre Familienangehoerigen in Deutschland senden koennen. Ein System zusaetzlicher Arbeitspraemien soll es den Gefangenen ermoeglichen, ihren Wochenlohn bis auf 15 Schillinge zu erhoehen. Der nach Abzug der heimgesandten 5 Schillinge [!] verbleibende Rest kann dem Gefangenen auf Wunsch gutgeschrieben werden, und er wird bei der Repatriierung sein Guthaben zum Ausnahmekurs von 15 Reichsmark pro Pfund einloesen koennen.

Die Zahl der fuer die Heimsendung in Frage kommenden deutschen Kriegsgefangenen in Grossbritannien (zu denen hohe Offiziere und Nazifunktionaere nicht gehoeren), betraegt gegenwaertig etwa 394.000. Bei einer Monatsrate von 15.000, wie sie der Regierungsplan vorlaeufig vorsieht, wuerde die Heimsendung bis Ende 1948 dauern.

Die Frage der im Nahen Osten befindlichen deutschen Kriegsgefangenen in britischer Hand ist in der erwaehnten Regierungserklaerung leider nicht beruehrt, scheint jedoch in amtlichen Kreisen Gegenstand ernster Beratungen zu sein.




SPD-Kurzmeldungen: Auf einer niederbayrischen SPD-Bezirkskonferenz, bei der Erich Ollenhauer als Vertreter des PV sprach, wurde ein Antrag angenommen, bei der kuenftigen Kandidatenaufstellung zu den Wahlen auch den sozialdemokratischen Fluechtlingen aus Schlesien und dem Sudetengebiet einen Kandidaten zuzubilligen.

Die Auflagenhoehe der Parteizeitungen in der Britischen Zone wird sich kuenftig nach der Zahl der bei den Wahlen abgegebenen Stimmen richten, die sich aus den Kreistagswahlen am 13. Oktober in den einzelnen Bezirken ergeben. Diese Neuregelung tritt am 1. Dezember 1946 in Kraft.

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Kriegsgefangene berichten nach ihrer Rueckkehr aus England.


"Die Zeit", die in Hamburg erscheinende Wochenzeitung fuer Politik, Wirtschaft, Handel und Kultur, bringt in ihrer Ausgabe vom 3. Oktober 1946 eine Reportage von Jan Molitor, der wir folgende Stellen entnehmen:

"Es ist unmoeglich, nicht zu vergleichen. Die andern waren aermlich gekleidet, manche in Lumpen gehuellt, und ihre Schuhe waren kuemmerliches Flickwerk, Potpourris aus Holz, Leder- und Stoffresten. Diese hingegen kommen in einer Uniform daher, sattbraun wie Herbstlaub und von flottem Schnitt, viele haben neue Schuhe. Die andern hatten tiefe Schatten unter den Augen und Hungeroedeme an den Gelenken. Diese sind gut genaehrt und fuerchten, dass in dieser Hinsicht das schlechte Leben erst beginnt. Die andern hatten etwas Dumpf-Geduldiges, sie hatten etwas von der Verhaltenheit veraengstigt-armer Leute, die ploetzlich ein Licht vor sich sehen, an das ihre Augen, aber noch nicht ihre Herzen glauben. Diese aber treten frei und sicher auf und sprechen von Zukunftsplaenen, die heute gefasst und morgen schon verwirklicht werden sollen. Die andern waren Kriegsgefangene, die aus Russland kamen. Diese jedoch - Kriegsgefangene gleich jenen - kommen aus England. Erinnert man sich an die Begegnung mit den Heimkehrern aus den russischen Lagern, so koennte man fast meinen, dass diese hier ganz andere Menschen seien. Ja, es ist unmoeglich, nicht zu vergleichen!

Dies bestaetigt ein Arzt, der im Entlassungsverfahren die Aufgabe hat, ziemlich gruendliche Koerperuntersuchungen vorzunehmen. Er sagt: 'Die Kriegsgefangenen, die aus Jugoslawien kamen, waren wohl am uebelsten dran: 90 von Hundert hatten Hungeroedeme. Die Maenner aus den belgischen Lagern waren nicht viel besser instand. Die aus Russland kamen, schleppen noch manche Leiden mit sich, die man erst spaeter erkennen wird. Aber die Gefangenen aus England sind meist besser ernaehrt worden als die Deutschen in Deutschland. Was sie an Krankheiten oder Anfaelligkeiten mitbringen, sind keine Folgen von Entbehrungen: Sie haben nicht mit Ausfallerscheinungen und Oedemen, sie haben mit Asthma zu tun. Sie wissen: die feuchte Luft in England ...'

Und was sagten die Gefangenen selber? Einer stellte laengere bittere Betrachtungen ueber das Thema Kriegsgefangenschaft an und was das fuer ein Ereignis sei, einzig in der Geschichte, dass fast jeder deutsche Mann, ob kurz oder lang, so oder so, hinter Stacheldraht geraten sei; von denen aber, die in laengerer Gefangenschaft schmachten mussten, haetten sie, die in England waren, es unvergleichlich besser als andere gehabt. 'In Gefangenschaft schmachten', so sagte er woertlich; aber woertlich sagte er auch das: 'Wenn es eine Art Lotteriespiel war, dass so viele auf unbestimmte Zeit hinter Gitter gerieten - denn die unbestimmte Zeit, das ist das schwer Ertragbare -, dann haben wir darunter noch das grosse Los gezogen, wir P.W.'s...'

Die meisten, die da in lebhaften Gespraechen das Treppenhaus, die Flure, die Raeume dieses Hauses fuellen, in dem ihre Entlassungszeugnisse ausgestellt werden, oder die draussen unter den herbstlich bunten Baeumen spazieren, um sich die Wartezeit so angenehm wie moeglich zu machen, die meisten also waren eineinhalb Jahre lang "P.W.'s". Es sind aber auch einige unter ihnen, die diesen angekuerzten Titel schon seit einigen Jahren trugen: "P.W.'s" - War Prisoner oder "P.O.W." - Prisoner of war. Diese verstehen es denn auch meisterlich, ihre Gespraeche mit englischen Worten zu wuerzen. 'Oh, mein Farmer, der war absolut o.k. Sind ja auch schliesslich keine schlechten Workers gewesen, der Franz und ich!' Einer mischte dahinein sogar noch etwas bayrische Mundart: 'Als wir in der Brauerei schafften, unserer acht Mann hoch, da ham'mer taeglich unsere vier bis sechs Hoalbe Starkbier g'habt ... not so bad, mein Liaba!' Und was derlei Sprachkenntnisse betrifft, so hat sich auch herausgestellt, dass die alten "P.W.'s" mit Eleganz als Dolmetscher fungieren konnten, als nach Kriegsschluss die neuen "P.W.'s" eintrafen. Soweit oder so oft sie nicht arbeiteten, hatten sie Zeit und Gelegenheit ausgenutzt, Sprachen zu lernen, Buecher zu lesen, Kenntnisse zu sammeln. Der eine diente als Lehrmeister des andern, niemand hielt mit seinem Berufs- und Spezialwissen hinter dem Berg.

Unwillkuerlich erinnert man sich dabei dessen, was die Russland-Heimkehrer erzaehlten, die, ob Offizier, ob Mann, allesamt nach Tagesnormen arbeiten muessten. Wie, wenn man dieselben Fragen stellte, die man damals aufwarf - nur um des Vergleiches willen? Ob z.B. ein grosser Unterschied herrschte zwischen der Behandlung in jener Zeit, da noch gekaempft wurde, und in der Zeit danach?

Einer, der Offizier war, ein junger Westfale, antwortet: 'Solange noch Krieg war, blieb unsere Lage geradezu verschwenderisch mit Stacheldraht und mit Wachposten ausgestattet. Man machte seinen Spaziergang hinter Gittern, und die Augenblicke waren selten, in denen am anderen Ende des Zaunes nicht irgendeine schussfertige MP auf unsereinen gerichtet war. In unserem Lager war die Behandlung kuehl, aber peinlich korrekt. Nach Kriegsende gab es aber bald Erleichterungen. So durften wir schliesslich auch ausserhalb des Lagers im Umkreis von 3 km uns frei bewegen. Ich hoerte jetzt von Lagern, in denen der Stacheldraht gefallen sei: dort duerfte das Leben bald zivile Formen angenommen haben.' - Ein Feldwebel, ein Berliner, mischt sich ein: 'Solange noch Krieg war, haben sich in unserem Lage einige Dienstgrade geweigert, egal welche Arbeit zu tun. Sie hatten von da an

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viel Langeweile, aber von Bestrafung oder irgendeinem Druck konnte keine Rede sein. Nach Kriegsschluss haben sie sich dann aus freien Stuecken zur Arbeit gemeldet. Dies wurde anerkannt.' ...

Und ploetzlich meldet sich einer zu Wort, der noch eine weitere Vergleichsmoeglichkeit hat, ein junger Schlesier, der in amerikanischer Gefangenschaft 'Uebern grossen Teich' lebte, bevor er nach England kam: 'Drueben lebten wir in grossen Lagern beinahe privat', sagte er. 'Betten mit Sprungfedermatratzen: Der amerikanische Soldat hat keine besseren, lieber Mann! Von unserem Verdienst konnten wir kaufen, was wir wollten, und die Honigkuchen, die wir sonntags machten, waren beruehmt, auch bei unseren Wachmannschaften ... Aber nun England! Es fing mit einer grossen Enttaeuschung an. Der Krieg war aus, wir waren nach Belgien gebracht worden, traurige Lagerunterkuenfte und wenig zu essen. Grund genug, uns auf Deutschland zu freuen. Weit gefehlt, wir kamen nach England. Essen und Behandlung durchaus ertraeglich, aber es ging viel militaerischer zu. In Amerika halbe Zivilisten geworden, mussten wir ploetzlich wieder das 'Bettenbauen' lernen, vielmehr rollen mussten wir, Strohsack rollen, Decken rollen. Dies hat mich stark ans Preussische erinnert. Aber eigentlich konnt' ich nicht klagen, in keiner Weise, bloss - man war Gefangener, man war halt nicht zu Hause ...'

Einer aus Minden berichtet: 'Ich hab' in einer Zuckerfabrik gearbeitet. Wir hatten eine eigene Baracke, 3 km entfernt. Wir hatten 'nen Autobus fuer die Fahrt. Die Fabrik lag in der Naehe von Birmingham, war von deutschen Ingenieuren mit deutschen Maschinen eingerichtet worden, ein hochmodernes Werk. Wir kriegten als Sonderverpflegung zusaetzliches Essen ... Unter den englischen Arbeitern hatten wir keinen zum Feind ...'

Aber eines haben die Gefangenen aus Russland nicht anders erzaehlt: dass sie bei naeherer Beruehrung von Mensch zu Mensch keinem Hass begegneten. Wenn Menschen zusammen arbeiten muessen - was und wo es auch sei - so hoeren sie auf zu hassen ...

Ein masurischer Bauer, der nicht begreifen kann, dass er nie wieder seine Heimat sehen soll, wird gefragt, ob er auf die 'Weisse Liste' gekommen ist, weil er dem schottischen Bauern so Jahr um Jahr bei der Arbeit geholfen? Aber - es ist erstaunlich - er weiss nicht, dass es 'weisse', 'graue', 'schwarze' Listen gibt. 'Sind Sie denn nie gefragt worden, ob Sie in der Partei waren oder nicht?' - 'Ja, ich bin gefragt worden. Ich war in der Partei. Ich wurde doch entlassen. Weil ich fleissig war, weil ich krank wurde? Ich weiss es nicht. Aber was soll das alles! Jetzt stehe ich hier und will nach Hause.'

Einer meint, es saehe ganz so aus, als ob man in Deutschland mehr von jenen Listen erfahren haette, als dies in den englischen Lagern moeglich war. 'Wir wussten wohl, dass es diese Listen gab und dass die 'Weissen' zuerst heimkommen sollten. Aber man muss sich das nicht so vorstellen, als ob wir 'schwarz' oder 'grau' oder 'weiss' gekennzeichnet herumliefen. Wir wussten nichts Genaueres. Klar, dass die wilden Nazis noch ein Weilchen aushalten muessen. Aber ich glaube, dass man im grossen und ganzen nicht so sehr nach dem vorhandenen oder fehlenden Parteibuch als nach dem Charakter und dem Benehmen gefragt und danach die Entscheidung getroffen hat. Meint Ihr nicht auch?' - Seine Kameraden stimmen zu, sie haben dieselbe Beobachtung gemacht ...' "

Die Weltpresse hat ueber den Nuernberger Prozess und das dort gefaellte Urteil ausfuehrlich berichtet. Sofort nach der Bekanntgabe des Urteils hat der Parteivorstand der SPD zum Urteil Stellung genommen und folgendes Schreiben an den Alliierten Kontrollrat in Berlin gerichtet:

"Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands richtet an den Alliierten Kontrollrat in Berlin aus Anlass des Nuernberger Urteile das Ersuchen, einen unabhaengigen deutschen Gerichtshof einzusetzen, der Urteile zu faellen hat ueber die gesamte politische Taetigkeit von Personen und Organisationen, durch die Hitler an die Macht gekommen und an der Macht gehalten worden ist. Die friedliebenden und aufbauwilligen Kraefte des deutschen Volkes empfinden es als unertraeglich und gefahrvoll fuer den Frieden der Welt, dass die Verbrechen der Schuldigsten aller lebenden Deutschen, des Herrn v. Papen und seiner Kreise, ungesuehnt geblieben sind, waehrend auf der anderen Seite Millionen Unschuldiger auf das Schwerste zu leiden haben."[9]

"Der Freispruch Papens ist fuer die Zukunft geradezu eine Ermunterung fuer die kapitalistische und politische Reaktion, sich wieder einmal nach einem Befreier umzuschauen, der bereit ist, zum Schutze ihrer Portemonnaies auch die blutigsten Geschaefte zu besorgen", erklaerte Dr. Schumacher nach dem Freispruch Papens. "Der Freispruch Papens zeigt, dass man mit den Methoden einer formalen Rechtsprechung weder eine politische Schuld suehnen, noch politische Konsequenzen verhindern kann. Dieser Freispruch bedeutet in den Augen weiter Kreise auch einen politischen Freispruch der Kraefte, die so Furchtbares heraufbeschworen haben. dass man die Gefahr der Reaktion mit den Mitteln einer formalen Rechtsprechung zu meistern versucht habe, sei ein Zeichen dafuer, dass die Siegermaechte das Wesen des Nazismus und der hinter ihm stehenden Kraefte nicht erkannt haetten."[10]






Editorische Anmerkungen


1 - Am 15.9.1946.

2 - Am 22.9.1946.

3 - Am 6.9.1946.

4 - NLP = Niedersächsische Landespartei, gegründet 1945, die sich mit anderen 1947 zur nationalkonservativen Deutschen Partei zusammenschloss.

5 - RVP = Rheinische Volkspartei. Die RVP verstand sich als Heimatpartei Groß-Rheinlands und hatte gewisse separatistische Tendenzen, die mit französischen Vorstellungen eines Rheinstaates korrespondierten. Die Splitterpartei (besonders im Raum Köln) kam 1946/47 über kleinere regionale Erfolge nicht hinaus.

6 - Am 28.9.1946.

7 - Der Engländer ist C. A. Smith (London). Smith war der National Chairman der "Common Wealth", einer 1942 gegründeten Partei mit sozialdemokratischen Tendenzen, die allerdings von der Labour Party ab 1943 bekämpft wurde (Unvereinbarkeitsbeschluss). Nach Unterlagen im Schumacher-Bestand des AdsD (Mappe 68) hatte C. A. Smith Kurt Schumacher gebeten, einen Artikel über die Perspektiven des demokratischen Sozialismus in Deutschland und über das Verhältnis der SPD zu den Besatzungsmächten zu schreiben. Schumachers Antwort ist vom 25.7.1946 datiert. Nicht geklärt werden konnte, ob diese Antwort in der Zeitschrift der "Common Wealth" veröffentlicht wurde.

8 - "Die Welt" (Hamburg) nannte sich "überparteiliche Zeitung für die britische Zone" und war im April 1946 von der Britischen Besatzungsmacht als "Zonensprachrohr" gegründet worden.

9 - Das Schreiben des SPD-PV wurde unter dem Titel "Deutsches Gericht für Kriegsverbrecher" am 4.10.1946 vom Deutschen Pressedienst (dpd) verbreitet. U. a. aus dem dpd (Presseagentur für die Britische Zone) ging später die Deutsche Presseagentur (dpa) hervor.

10 - Am 1.10.1946 von dpd verbreitet.



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